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riraraffi

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.12.2025

Wichtiges Thema, zu gewollt erzählt

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Sherry ist eine rebellisch wirkende Teenagerin, die auf dem Weg in ein Camp für Jugendliche mit Problemen heimlich ihre Haare grün färbt, ein Versuch, unkenntlich zu werden. Denn Sherry lebt auch als Sherezade ...

Sherry ist eine rebellisch wirkende Teenagerin, die auf dem Weg in ein Camp für Jugendliche mit Problemen heimlich ihre Haare grün färbt, ein Versuch, unkenntlich zu werden. Denn Sherry lebt auch als Sherezade Weiß, dem „Star“ des Familien-YouTube-Kanals Familie Weiß. Seit ihrer Adoption haben ihre Eltern ihr gesamtes Leben öffentlich gemacht und monetarisiert.
Der Roman erzählt auf zwei Ebenen: Sherezades Zeit im Camp, wo sie neue Freundschaften schließt und ihr Geheimnis bewahrt, und Rückblicke in Form von Transkripten der YouTube-Videos samt Kommentaren. Besonders diese Einblicke fand ich sehr stark und zugleich erschütternd, weil sie zeigen, wie schamlos das Privatleben eines Kindes für Profit ausgeschlachtet wird. Auch die Kommentare wirken authentisch, von treuen Fans bis hin zu Menschen mit eindeutig problematischem Interesse.
Allerdings nehmen diese Kommentare den Lesenden viel Interpretationsarbeit ab, hier hätte ich mir mehr Mut zur Lücke gewünscht.
Generell hatte ich den Eindruck, dass den Lesenden wenig zugetraut wird. Die Eltern werden sehr stark antagonisiert, meiner Ansicht nach hätte es diese „in-your-face“-Botschaft von den bösen Social-Media-Eltern nicht in dieser Konsequenz gebraucht.
Der Schreibstil wirkt stellenweise etwas anspruchslos, etwa wenn von einer „metaphorischen Frage“ statt einer „rhetorischen“ die Rede ist. Das mag pingelig erscheinen, hinterlässt für mich aber den Eindruck sprachlicher Ungenauigkeit.
Trotzdem gelingt es dem Buch eindrücklich, die Folgen totaler Transparenz auf Identität und Selbstbild einzufangen. Für Leser*innen, die sich bisher nicht mit Kindern auf Social Media beschäftigt haben, ist der Roman ein gut zugänglicher Einstieg in das Thema.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2025

Fantastische Welt mit realen Abgründen

Beastlands. Schattenflügel (Band 1)
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Der Prolog erinnert in seiner Stimmung an eine Schöpfungsgeschichte und führt behutsam in die Entstehung der Welt Ramoa ein, einer fantastischen Umgebung voller Pangrons, fliegender „Bestien“, und vieler ...

Der Prolog erinnert in seiner Stimmung an eine Schöpfungsgeschichte und führt behutsam in die Entstehung der Welt Ramoa ein, einer fantastischen Umgebung voller Pangrons, fliegender „Bestien“, und vieler weiterer Dingen, die es in unserer Realität nicht gibt. Trotz all dieser Fantasieelemente spiegelt die Welt gesellschaftliche Strukturen wider, die wir nur zu gut kennen: Hier wird nach unten getreten, eine strenge Rangordnung bestimmt den Alltag, und junge Menschen stehen unter großem Druck. Ich finde es großartig, dass jungen Leserinnen zugetraut wird, sich in einer magischen Welt auch mit solchen realen Themen auseinanderzusetzen.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von drei jungen Protagonist
innen erzählt, die aus ganz unterschiedlichen Teilen Ramoas stammen. Dass ausgerechnet Kinder den Mut aufbringen, die sicheren Städte zu verlassen und sich tief ins Biestland vorzuwagen, um ihre Heimat vor dem Untergang zu retten, während die Erwachsenen versagen, verleiht der Handlung einen wunderbar abenteuerlichen Kern.
Zwischendurch werden sehr viele Details beschrieben. Einerseits fördert das die Vorstellungskraft, andererseits kann es den Fokus etwas verwässern und die Orientierung erschweren. Dennoch gefällt mir besonders, wie Freundschaft, Mut und gemeinsames Abenteuer im Zentrum stehen und wie die Geschichte zeigt, dass die wahren Gefahren nicht immer in den Bestien lauern, sondern oft in der Menschheit selbst.

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Veröffentlicht am 02.10.2025

Sechs Stimmen, ein Gefühl: Girlhood

Girlhood
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Man unterschätzt leicht, wie viel einem Kurzgeschichten geben können. Besonders dann, wenn das Ende offen bleibt oder keine endgültige Lösung präsentiert wird und man dennoch miterleben darf, wie eine ...

Man unterschätzt leicht, wie viel einem Kurzgeschichten geben können. Besonders dann, wenn das Ende offen bleibt oder keine endgültige Lösung präsentiert wird und man dennoch miterleben darf, wie eine der starken Protagonistinnen sich entwickelt. Gerade weil wir hier sechs Kurzgeschichten haben, bündelt sich auf wenigen Seiten eine enorme Vielfalt und weibliche Kraft, die unglaublich inspirierend wirkt.

Ein wenig irritiert hat mich, dass Anna Dimitrova Dessi aus ihrem Roman Kanak Kids zur Hauptfigur ihrer Kurzgeschichte macht, dort hatte ich sie ganz anders wahrgenommen. Trotzdem habe ich alle sechs Geschichten sehr gerne gelesen.

Und wie passend ist es eigentlich, diese Sammlung Girlhood zu nennen? Keine Geschichte nimmt der anderen den Raum, genauso wie auch Frauen im echten Leben einander nicht verdrängen müssen. Im Gegenteil: Ein Nebeneinander ist so viel schöner als ein Alleinsein.

Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Geschichten nicht nur sorgfältig angeordnet, sondern auch thematisch leicht miteinander verknüpft sind. Was für die eine Figur ein Problem darstellt, kann für die nächste ein Wunsch sein und genau darin liegt ein besonderer Reiz dieser Sammlung.

Am Ende bleibt für mich vor allem das Gefühl, dass Girlhood nicht nur einzelne Geschichten erzählt, sondern ein kollektives Bild von weiblichem Aufwachsen, Kämpfen und Träumen zeichnet.

Veröffentlicht am 20.09.2025

Verstörend aktuell

Heimat
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Jana wird zum dritten Mal Mutter. Der Umzug aufs Land scheint die richtige Entscheidung: mehr Ruhe, mehr Natur, das Beste für die Kinder. Doch die Kluft zwischen ihr und ihrem Partner tut sich auf: Jana ...

Jana wird zum dritten Mal Mutter. Der Umzug aufs Land scheint die richtige Entscheidung: mehr Ruhe, mehr Natur, das Beste für die Kinder. Doch die Kluft zwischen ihr und ihrem Partner tut sich auf: Jana hat einfach gekündigt und ist jetzt “nur” Mutter, ihr Partner als Gymnasiallehrer mit noch weiterem Anfahrtsweg stürzt sich in seinen Beruf. Inmitten ihrer Selbstzweifel trifft sie auf Karo.
Ihr neues Leben und das Kennenlernen von Karo führen subtil die scheinbare Idylle und die Motoren ein, die die Rückkehr zur “traditionellen” Frauenrolle antreiben. Karolin wirkt klug, charismatisch, anziehend; und gerade das macht sie gefährlich. Sie inszeniert ein traditionelles Frauenbild, das Jana und andere Mütter unmerklich in seinen Bann zieht. Im „Leseclub“ diskutieren sie Bücher, die Kitas als Instrumente einer entfremdenden Ökonomie beschreiben. Nebenbei stehen sie auch mal an einem AfD-Stand oder sprechen sich gegen Asylheime aus. Karos Selbstinszenierung auf Instagram, die perfekte Mutter, die autark kocht, bäckt und mit ihrem Mann ein fast idyllisches Familienleben führt, verleiht ihrem Weltbild zusätzliche Strahlkraft.

Jana nimmt sich vor, die politische Situation kritisch zu durchdringen. Doch am Ende landet sie doch wieder auf Instagram, versinkt in Karos Posts und verliert die Distanz. Diese Verschiebung der Wahrnehmung von Realität hin zu kuratierten Online-Inszenierungen ist beklemmend aktuell und im Roman äußerst eindrücklich beschrieben.

Die Faszination für die sogenannte „Tradwife“ wird hier vielschichtig, subtil und erschreckend nachvollziehbar aufgedeckt. Auch als Leser*in kann man sich ihr kaum entziehen: Man schaut hin, aber auch weg. Das Ende ist überraschend, irritierend, aber gerade deshalb nachhaltig.

Ich bewundere Lühmann dafür, ihrer Leserschaft ein solches Ende zuzumuten und die Geschichte ohne übermäßige Wertung zu erzählen. Damit traut sie uns ein hohes Maß an hermeneutischer Kompetenz zu.

Veröffentlicht am 04.09.2025

Zwischen Hausarrest und Schwerelosigkeit

Und die Welt, sie fliegt hoch
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In „Und die Welt, sie fliegt hoch” ist Juris Welt auf sein Zimmer beschränkt: er verlässt es nie, aus eigenem Entschluss. Avas Bewegungsradius ist ebenso eng, doch aus ganz anderem Grund: Sie sitzt unfreiwillig ...

In „Und die Welt, sie fliegt hoch” ist Juris Welt auf sein Zimmer beschränkt: er verlässt es nie, aus eigenem Entschluss. Avas Bewegungsradius ist ebenso eng, doch aus ganz anderem Grund: Sie sitzt unfreiwillig im Hausarrest fest. Aus purer Langeweile greift sie zu einer alten Handynummer und beginnt Juri zu schreiben. So entwickelt sich ein Gespräch, in dem sich ihre Welten berühren und beide beginnen zu fliegen: Ava wie ein freier Vogel, Juri wie ein Astronaut, der dennoch auf seinen Anzug angewiesen ist. Ein treffenderes Bild hätte man kaum finden können, denn „fliegen“ und „Welt“ öffnen hier Räume für Leichtigkeit und Schwere, für Sorgen, Geheimnisse und den Mut, sich aus dem Gewohnten zu lösen.

Ava ist so ziemlich die unzuverlässigste Erzählerin (oder hier wohl eher Texterin), sie hat gefühlt 15 Antworten darauf, warum sie Hausarrest hat, doch Juri glaubt erst an die Letzte.
An das Hin- und Herspringen beim Lesen der Textnachrichten musste ich mich kurz gewöhnen, doch gerade dadurch lenkt der Text die Aufmerksamkeit auf die fein abgestimmten Illustrationen.
Ein Buch, das zeigt, wie Worte und Bilder gemeinsam eine eigene Welt erschaffen können.

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