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Veröffentlicht am 23.08.2023

Eine Frau an einem Wendepunkt

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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"Es spielte keine Rolle, was für eine Frau diese Mutter war, was sie konnte und brauchte, was sie erlebt hatte, was sie wusste. Es war egal, was sie geleistet hatte und weiter leisten wollte. Ihr Körper ...


"Es spielte keine Rolle, was für eine Frau diese Mutter war, was sie konnte und brauchte, was sie erlebt hatte, was sie wusste. Es war egal, was sie geleistet hatte und weiter leisten wollte. Ihr Körper gehörte ihr nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr, genauso wie mein Körper mir vor zwanzig Jahren nicht mehr gehört hatte. Sie hatte ihn aufzugeben, ganz ihrem Kind zur Verfügung zu stellen, wie ich damals. Ich hatte geglaubt, das habe sich seither geändert, aber nichts hat sich geändert."

Doris Knecht erzählt in diesem Roman von einer namenlosen Protagonistin, die an einem Wendepunkt im Leben steht: die Kinder sind im Begriff, auszuziehen. Die Schriftstellerin ordnet ihr Leben neu, wird in eine kleinere Wohnung ziehen. Welche Gedanken kommen da auf? Geboren und aufgewachsen in Vorarlberg ging sie bei der ersten Gelegenheit so weit weg wie es ging, nach Wien. Sie zieht Bilanz über ihr Leben - ihre Kindheit, Beziehung zu Eltern und Geschwistern, ihre Beziehungen, Ehe, Geburt der Kinder, Scheidung, das aktuelle Leben. Wie wird sich das nun verändern, und ist dies positiv zu sehen?

Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen. Die sympathische, nahbare Protagonistin erzählt mit Humor und einem gewissen Sarkasmus aus ihrem Leben. Mit einfachen Worten lässt sie uns an Begegnungen, Erinnerungen und alltäglichen Gedanken teilhaben. An der Beziehung mit ihren Kindern und dem Hund. Obwohl ich deutlich jünger bin als die Protagonistin habe ich mich ihr dennoch stets sehr nah gefühlt. Ein stilles, schönes, beglückendes Buch.

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Veröffentlicht am 22.08.2023

Ein ehrliches Porträt der Postpartalen Zeit

Milchbar
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"Wenn da niemand ist, der dir zeigt, dass Mutterschaft für immer ist, kann die Erkenntnis etwas anderes als ein völliger Schock sein? Wie kann sich dieser Zustand überhaupt Mutterschaft nennen?"


In "Milchbar" ...

"Wenn da niemand ist, der dir zeigt, dass Mutterschaft für immer ist, kann die Erkenntnis etwas anderes als ein völliger Schock sein? Wie kann sich dieser Zustand überhaupt Mutterschaft nennen?"


In "Milchbar" erzählt Szilvia Molnar von einer jungen Frau, die gerade ihr erstes Kind geboren hat. Abwechselnd berichtet die Ich-Erzählerin, deren Namen wir nicht kennen, von der Vorfreude während der Schwangerschaft, und den ernüchternden Wochen nach der Geburt. Wochen mit Schlafmangel, Hormonchaos, Wunden, Schmerzen, Fremdbestimmtheit, Konflikten in der Partnerschaft und mit viel Zärtlichkeit und Liebe. Wochen, auf die einen niemand vorbereiten kann. Gefühle, die Nicht-Gebärende nicht nachvollziehen können. Ich habe so viel aus diesem Buch ähnlich erlebt. Szilvia Molnar schafft es, all diese verwirrenden Gefühle ganz offen und verwundbar zu benennen. Ein tolles Buch, das für mich die postpartale Zeit erstaunlich akkurat beschreibt. Ich würde das Buch jedoch nicht während der Schwangerschaft empfehlen.

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Veröffentlicht am 05.07.2023

Eine feministische Perspektive auf die bürgerliche Kleinfamilie der Achtziger Jahre

Lügen über meine Mutter
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Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer typischen Kleinfamilie im Deutschland der 1980er Jahre. Der Vater ist der Ernährer, die Mutter Mädchen für alles - sie erzieht die Kinder, schmeisst den ...

Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer typischen Kleinfamilie im Deutschland der 1980er Jahre. Der Vater ist der Ernährer, die Mutter Mädchen für alles - sie erzieht die Kinder, schmeisst den Haushalt, arbeitet nebenbei als Sekretärin, versucht mit zusätzlichen Jobs noch mehr Geld reinzuholen - und nichts davon wird gesehen. Stattdessen nörgelt der Vater nur an ihr rum, kritisiert endlos oft ihr Gewicht. Von Gleichberechtigkeit (wie zu erwarten) keine Spur.

Dröschers Erzählung ist unglaublich stark. Der Schreibstil ist gut zu lesen, flüssig, aus der Sicht der Tochter, die vieles nicht versteht und dennoch alles beobachtet. Eingesprenkelt sind Kapitel aus der Gegenwart, Gedanken der Autorin und Gespräche mit ihrer Mutter heute. Vieles wird nicht explizit gesagt, vieles muss man sich dazu denken. Was für ein besonderer, feministischer Roman. Klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 18.06.2023

"Das Beste für das Baby darf niemals auf Kosten der Mutter geschehen."

Das Baby ist nicht das verdammte Problem
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Wir alle kennen diese Sätze. "Hauptsache gesund", "Aber man bekommt ja so viel zurück", "Aber du bist doch jetzt glücklich, oder?", "Aber du willst ja nur das Beste für dein Baby", "Schlaf, wenn das Baby ...

Wir alle kennen diese Sätze. "Hauptsache gesund", "Aber man bekommt ja so viel zurück", "Aber du bist doch jetzt glücklich, oder?", "Aber du willst ja nur das Beste für dein Baby", "Schlaf, wenn das Baby schläft". Und spätestens sobald man Eltern wird erkennt man (hoffentlich), wie wenig hilfreich oder sogar schädlich solche pauschalisierenden Aussagen sind. Darüber schreibt Ana Wetherall-Grujić in ihrem ersten Buch.

Ich habe dieses Buch sehr, sehr gerne gelesen. Die Autorin kenne ich schon durch ihren Podcast, den ich gerne höre, ich wusste also schon ein bisschen, was mich erwartet. Durch und durch laut, feministisch, für Mütter und Kinder, wirklich einfach ein gelungenes Buch. Man kann nie mit 100% der Aussagen einer anderen Person übereinstimmen, aber die Autorin kommt schon sehr nah dran. Ich habe das Buch als Ebook gelesen, im Nachhinein hätte ich lieber die Klappenbroschur gelesen, da diese wirklich toll gestaltet ist und ich mir wahrscheinlich auf jeder Seite etwas angestrichen hätte. Ich möchte das Buch allen werdenden und jungen Eltern hiermit sehr empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.05.2023

Unglaublich wichtiges, reflektiertes Buch, das ich jedem nur empfehlen kann!

Alle_Zeit
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Wie hängt Zeit mit Geld zusammen? Freizeit? Arbeit? Privilegien? Wie steht es mit Zeit und Feminismus? Wer hat Zeit, sich politisch zu engagieren? Wieso haben Frauen, die Care Arbeit leisten, keine Zeit ...

Wie hängt Zeit mit Geld zusammen? Freizeit? Arbeit? Privilegien? Wie steht es mit Zeit und Feminismus? Wer hat Zeit, sich politisch zu engagieren? Wieso haben Frauen, die Care Arbeit leisten, keine Zeit mehr für ihre Hobbies? Wieso machen Männer keine oder deutlich weinger Care Arbeit als Frauen und was sind die Folgen?

Teresa Bücker argumentiert in "Alle_Zeit", dass Zeit eine zentrale Ressource unserer Gesellschaft ist, die (wie Geld) ungleich verteilt ist und was dies für Folgen hat. Es geht um Arbeitszeit, Care-Zeit, Freizeit, Macht, Privilegien, Politik und Feminismus. Bückers Argumente sind ausnahmslos gut recherchiert, klug und reflektiert. Das Buch ist keineswegs eins, was nur Frauen etwas angeht, nein, das Buch sollte von ausnahmslos JEDEM gelesen werden. Für mich DAS Buch des Jahres 2022, von mir gibt es fünf Sterne.

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