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Veröffentlicht am 25.11.2025

Der (Un-)glücksbote

Aurelia und die Jagd nach dem Glück
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"Aurelia und die Jagd nach dem Glück" ist der bereits dritte Band dieser sehr gelungenen Reihe von Beate Maly, die Ende des 19. Jahrhunderts während der Kaiserzeit in Wien spielt.
Diese Reihe ist mittlerweile ...

"Aurelia und die Jagd nach dem Glück" ist der bereits dritte Band dieser sehr gelungenen Reihe von Beate Maly, die Ende des 19. Jahrhunderts während der Kaiserzeit in Wien spielt.
Diese Reihe ist mittlerweile meine liebste Reihe der Autorin geworden, weil sie nicht ganz so "cosy", wie die Ernestine und Anton Reihe ist.

Es ist Januar 1872. In Wien hat die Faschingssaison ihren Höhepunkt erreicht und die ganze Stadt tanzt und singt. Zu dieser Zeit geben die Menschen ihr Geld auch gerne für ein Glückslos aus. Das Glücksspiel boomt und Lottokönig Freiherr von Sothen scheffelt noch mehr Geld - bis er eines Tages vor seinem Schlössl erschossen wird.

Janek Pokorny, mittlerweile zum Oberinspektor ernannt, bekommt den Mord am Freiherren zur Aufklärung. Das fällt ihm alles andere als leicht, denn der Weg zum Cobenzl ist weit und die Witwe des Ermordeten eine extrem unsympathische Person, die ihm gleich einen weiteren Kriminalfall aufhalst. Doch dabei bleibt es nicht, denn im Umfeld der Witwe kommt es zu einem weiteren Mord....
Die angeblichen Wilderer, die die von Sothens schon seit einiger Zeit Ärger bereiten, sind für Pokorny zwar Verdächtige, aber nicht unbedingt in allen Fällen.
Aurelia, deren einige Gerüchte bei diversen Veranstaltungen zu Ohren kommen, wird neugierig und trägt diese an Janek weiter. Gemeinsam versuchen sie Licht in die Kriminalfälle zu bringen.
Abwechselnd wird aus der Sicht von Aurelia und Janek erzählt.

Beate Maly hat wieder einige reale historische Begebenheiten als Idee für ihren Roman verwendet. Diesmal ist es der Tod des Lotteriekönigs Johann Carl Freiherr von Sothen, der damals tatsächlich durch Betrug jede Menge Menschen in den Ruin und Selbstmord getrieben hat.
Wir erhalten einen authentischen Blick in die damalige Zeit und in die strikten gesellschaftlichen Normen, die in der "guten alten Kaiserzeit" gegolten haben.
Auch auf die Rolle der Frau im 19.Jahrhundert wird diesmal noch intensiver darauf eingegangen. Aurelia fühlt sich - obwohl aus der Oberschicht kommend - als Frau immer wieder wie eine Person zweiter Klasse. Sie möchte sich genauso frei in der Gesellschaft bewegen können, wie Männer und sie fordert Bildung für jede Schicht. Natürlich stehen auch die gesellschaftlichen Normen zwischen einer Verbindung zwischen ihr und Janek. Alles Themen, die Aurelia sehr beschäftigen. Als sie auch noch ihre geliebten Karikaturen nicht mehr veröffentlichen darf und ihr Vater plötzlich mit einem reichen, aber alten Heiratskandidaten aufwartet, ist Aurelia am Boden zerstört. Doch so schnell gibt eine Aurelia von Kolowitz nicht auf!

Die Figuren sind wieder so lebendig und bildhaft dargestellt. Ich hatte die ganze Zeit über reines Kopfkino und habe mit ihnen mitgelebt. Am Ende überrascht uns Diener Sebastian noch mit einer für ihn ungewöhnlichen Handlung. Ich bin wirklich neugierig, was sich hinter seiner Figur noch verbirgt...

Fazit:
Auch der dritte Band der Aurelia Reihe hat mich wieder vollauf begeistern können und ist vielleicht sogar der bisher Beste der Reihe. Unterhaltsam mit viel Lokalkolorit, Spannung und gesellschaftlichen Einblicken während der Kaiserzeit in Wien. Empfehlung!

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Veröffentlicht am 21.11.2025

Das letzte Foto

Der Bildersammler
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Kunstrestauratorin Tessa von Linden kenne ich bereits aus Liliane Skaleckis Thriller "Dunkeldorf". In diesem hatte sie aber nur eine kleine Rolle. In "Der Bildersammler" gehört sie definitiv zu den Hauptprotagonisten.

Nach ...

Kunstrestauratorin Tessa von Linden kenne ich bereits aus Liliane Skaleckis Thriller "Dunkeldorf". In diesem hatte sie aber nur eine kleine Rolle. In "Der Bildersammler" gehört sie definitiv zu den Hauptprotagonisten.

Nach ihrer Arbeit an einem Gemälde möchte sich Tessa von Linden die Füße vertreten und unternimmt im nahen Flüsterwald einen Spaziergang. Bei der Kapelle, wo sie normaler Weise immer den Rückweg antritt, steht das erste Mal das Gitter offen, was Tessa irritiert. Als sie hineingeht und näher hinsieht, erblickt sie einen Toten mit Wundmalen. Die Leiche ist drapiert wie der Heilige Sebastian auf einem ihr bekannten Gemälde.
Als Tessa die Kunstausstellung eines berühmten Fotografen besucht, der Fotografien nach bedeutenden Gemälden humorvoll inszeniert, findet sie in einem zweiten Raum verstörende Fotos, die Menschen in Todesangst zeigen. Diese orientieren sich ebenfalls an bekannten Gemälden. Tessa möchte mit dem Fotografen sprechen, doch diesen trifft sie nicht mehr lebend an...
Hauptkommissar Lennart Wiedmeyer erkennt schnell, dass er Tessas Blick auf die Sprache der Kunst bei den Morden benötigt, die ihm und seinem Team meist fehlen. Gemeinsam machen sie sich auf die Jagd nach dem Bildersammler, der noch lange nicht zu Ende ist mit seinen Morden.

Die Idee nach bedeutenden Gemälden zu morden, fand ich großartig. Nachdem Tessa den jungen Mann in der Kapelle gefunden hat, der nach einem Kunstwerk nachempfunden wurde, wollte ich einfach über all die erwähnten Gemälde, die im Thriller vorkommen, mehr wissen. Schnell wird man bei Dr. Google fündig. Liliane Skalecki hat damit nicht nur mein künstlerisches Interesse geweckt, sondern mich auch total in die Handlung hineingezogen.

Wir lesen diesmal aus der Sicht von Tessa, aber auch aus Täter- und Opfersicht. Das ist oftmals grausam, denn die Autorin spart nicht mit genauen Beschreibungen und Details. Da bekommt man schon des Öfteren Gänsehaut - vor allem, wenn man aus der Perspektive des Opfers liest.

Wie auch schon in "Dunkeldorf" hat Liliane Skalecki ihren Thriller raffiniert aufgebaut. Waren mir bei ihrem Vorgänger manche Stellen zu sehr detailliert, passt hier einfach alles. Die Autorin hat Kunst und Krimi perfekt zusammengeführt. Sie schreibt temporeich und die kurzen Kapitel lassen einem schnell durch die Seiten fliegen.


Fazit:
Ein spannender und temporeicher Krimi, der auch für Kunstmuffel eine grandiose Geschichte bereithält, die man schwer aus der Hand legen kann. Ich hoffe es wird noch weitere Fälle mit Tessa von Linden geben.

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Veröffentlicht am 21.11.2025

Morden mit Nadel und Zwirn?

Das Korsett
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Dorothea Truelove kommt aus gutem Hause und verbringt ihre Freizeit mit Wohltätigkeitsarbeit. Schon ihre geliebte Mutter lehrte sie Barmherzigkeit.
Dorothea ist bereits 25 Jahre alt und noch unverheiratet, ...

Dorothea Truelove kommt aus gutem Hause und verbringt ihre Freizeit mit Wohltätigkeitsarbeit. Schon ihre geliebte Mutter lehrte sie Barmherzigkeit.
Dorothea ist bereits 25 Jahre alt und noch unverheiratet, was ihrem Vater ein Dorn im Auge ist. Doch sie hängt an ihrem Heim und an dem von der verstorbenen Mutter geerbten Geld. Soll sie das alles für einen Mann aufgeben? Außerdem interessiert sich Dorothea für Phrenologie. Anhand von Kopfformen erforscht sie die Eigenschaft und Bereitschaft zu Gewalt. Lässt sich anhand des Schädels vorhersagen, ob jemand zum Mörder taugt?
Regelmäßig geht sie deshalb ins Oakgate Frauengefängnis und versucht nicht nur den Frauen Trost zu spenden, sondern auch ihrer Leidenschaft nachzugehen. Als sie von einer sehr gewalttätigen Mörderin erfährt, die erst kürzlich ins Gefängnis eingewiesen wurde, muss sie diese kennenlernen.
Die erst 16jährige Ruth Butterham wurde angeklagt mit Nadel und Faden ihre Herrin getötet zu haben. Sie glaubt, dass in ihren Stichen eine übernatürliche Kraft steckt. Dorothea hält dies für reinen Aberglauben...
Ruth stammt aus ärmlichen Verhältnissen, die sich nach dem Tod des Vaters noch weiter verschlimmern. Ihre kurze Lebensgeschichte ist eine einzige Tragödie, die sie Dorothea während ihrer Besuche erzählt.

Abwechselnd wird aus der Sicht von Dorothea und Ruth erzählt, wobei die Spannung aufrecht bleibt. Ruths Erzählungen haben mich sehr berührt. Die Grausamkeiten, die sie erleiden muss, sind wirklich heftig. Ihr Leidensweg ist geprägt von Armut, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Oftmals kommt sie einfach unverschuldet in eine noch schlimmere Situation, die mich ungläubig den Kopf schütteln hat lassen.

Laura Purcell entführt uns in eine düstere und atmosphärische Welt. Ihr gelingt es perfekt die Kluft zwischen Arm und Reich zu dieser Zeit zu zeigen und zeigt uns, wie Frauen aus der Armut heraus oftmals ausgebeutet und versklavt wurden. Aber auch in der Oberschicht müssen sich Frauen den gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit anpassen.
Die Sprache ist poetisch und der Zeit angepasst. Ich mag ganz einfach ihre Art zu schreiben, auch wenn ich mit den Enden hadere...
Die überraschenden Wendungen zum Ende hin haben uns wieder spekulieren lassen, denn auch diesmal lädt es zur Diskussion ein.

Obwohl ich offenen Enden nichts abgewinnen kann, habe ich mich diesmal weniger damit gehadert.


Fazit:
"Das Korsett" von Laura Purcell hat mir noch besser als "Die stillen Gefährten" gefallen und wird sicher nicht mein letztes Buch der Autorin sein, auch wenn ich offenen Enden nichts abgewinnen kann.

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Veröffentlicht am 17.11.2025

Sehr zäh

Himmelerdenblau
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Auf den neuen Thriller von Romy Hausmann war ich schon sehr gespannt, denn das Thema der Demenz und ein dazugehöriger Cold Case haben mich neugierig gemacht.
Seit zwanzig Jahren ist die damals 16jährige ...

Auf den neuen Thriller von Romy Hausmann war ich schon sehr gespannt, denn das Thema der Demenz und ein dazugehöriger Cold Case haben mich neugierig gemacht.
Seit zwanzig Jahren ist die damals 16jährige Julie Novak verschwunden und der Fall wurde nie aufgelöst. Ein Grund für Liv und Phil, die einen True Crime Podcast betreiben, das Verschwinden von Julie wieder aufzurollen. In der Zwischenzeit ist Julies Mutter gestorben und ihr Vater Theo, ein ehemalig sehr angesehener Chirurg der Berliner Charité, leidet an fortschreitender Demenz. Er hat jedoch die Suche nach seiner Tochter all die Jahre nie aufgegeben. Als Liv über neue Erkenntnisse zu verfügen scheint, möchte sie Theo für ein Interview gewinnen. Julies Schwester Sophie, die sich liebevoll um ihren Vater kümmert, möchte endlich mit der Vergangenheit abschließen. Sie möchte nicht wieder neue Hoffnungen in Theo wecken...

Romy Hausmann hat Erfahrung mit True Crime, dem sie sich bereits in ihrem Sachbuch "True Crime: Der Abgrund in dir - Was den Menschen zum Mörder macht" gewidmet hat. Ich fand ihre dargestellten Fälle damals sehr interessant zu lesen. Leider habe ich das Buch noch immer nicht rezensiert.
In "Himmelerdenblau" greift sie auf einen Cold Case zurück, dem in einem True Crime Podcast neuerlich Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das Verschwinden von Julie ist genau 20 Jahre her und Phil und Liv sehen darin ihre Chance mehr Follower zu gewinnen, in dem sie ihn neu aufrollen.
Als Verdächtiger stand damals Julies Ex-Freund Daniel, der wesentlich älter als sie war, im Fokus. Die Ermittlungen gegen ihn wurden jedoch eingestellt. Er leidet noch heute an den damaligen Beschuldigungen und hat diesen Makel nie ablegen können.

Romy Hausmann erzählt aus verschiedenen Sichten ihrer Protagonisten. Bei Theo hat sie sich etwas Spezielles einfallen lassen, denn seine Kapitel stecken oft voller Rechtschreibfehler, falschen Wörtern und unzusammenhängenden Ereignissen, die sein Chaos im Kopf sehr deutlich darstellen. Ich fand diese Art der Schilderung interessant. Als Leser wusste man immer, was er eigentlich meinte, wenn sich ein falsches Wort eingeschlichen hatte. Selbst habe ich allerdings noch nie jemanden kennengelernt, der an Demenz leidet und statt dem fehlenden Wort in seinem Kopf ein anderes einsetzt.
Das Thema der Demenz hat Romy Hausmann jedoch sehr authentisch und mit viel Sensibilität dargestellt, was mir gefallen hat. Generell sind die Charaktere facettenreich und komplex gezeichnet. Man durchschaut sie schwer und man hat das Gefühl, dass man keinen von ihnen wirklich trauen kann. Nur Liv und Phil blieben mir etwas zu blass und unglaubwürdig. Vor allem Phil wirkt zwielichtig und es fehlen jegliche Hintergrundinformationen zu seiner Figur.

Leider kam es aber auch sehr oft zu Wiederholungen und für mich hatte dieser Thriller erhebliche Längen und leider kaum Spannung. Mir fehlte es an Tempo und an dem Wunsch weiterzulesen. Ich musste mich überwinden zum Buch zu greifen und habe daher das letzte Viertel nur mehr quer gelesen.

Fazit:
Für mich stand leider nur Thriller drauf - der Inhalt konnte mich weder packen, noch überzeugen. Viele Längen und das fehlende Tempo ließen mich das letzte Viertel nur mehr querlesen. Schade!

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Veröffentlicht am 13.11.2025

Berührend und großartig erzählt

Zwei Leben: Das Versprechen
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Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt und spielt in Brügge 2014 und in Antwerpen in den Jahren 1942 und 1943.
In der Gegenwart lernen wir die 32jährige Juna kennen, die wegen eines Burn-Outs krankgeschrieben ...

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt und spielt in Brügge 2014 und in Antwerpen in den Jahren 1942 und 1943.
In der Gegenwart lernen wir die 32jährige Juna kennen, die wegen eines Burn-Outs krankgeschrieben ist. Sie fühlt sich nutzlos und beginnt sich in ihrer kleinen Wohnung immer mehr von der Außenwelt zurückzuziehen.
Um sie aus ihrem tiefen Loch zu befreien, schlägt ihr Bruder vor, sich ehrenamtlich zu betätigen. Sie soll als "Buddy" jemanden begleiten, der Hilfe oder Gesellschaft braucht. Sie bekommt den 93jährigen Vincent Molen zugeteilt, der keine Familie hat und als etwas schwierig gilt. Er zeigt sich auch zu Beginn verschlossen, doch Juna gelingt es, zu ihm durchzudringen. Und Vincent beginnt zu erzählen...von der Zeit während des Zweiten Weltkrieges und seiner großen Liebe Esther.
Vincents und Esthers Geschichte ist erschütternd und lässt den Leser in die damals sehr dunkle Zeit der Judenverfolgung eintauchen.

In der Vergangenheit lernen wir Esther näher kennen, die unter den Repressalien der Besatzer leidet. Sie muss sich neben ihrer Arbeit als Buchhalterin in der Diamantenschleiferei noch um ihre kranke Mutter kümmern. Zum Glück kommt jeden Tag auch noch ihre Großmutter vorbei, die für die beiden kocht. Doch eines Tages kommt ihre geliebte Oma nicht mehr und Esther erhält ein Deportationsschreiben....
Vincent engagiert sich im Untergrund und hilft Juden zu verstecken. Er verliebt sich in Esther und versucht sie am Bauernhof seiner Tante zu verstecken....

Astrid Korten erzählt mitreißend und voller Empathie, wie das Leben die Menschen auseinanderreißen und wie oft schicksalshafte Begegnungen die Zukunft beeinflussen können. Ich hatten nicht nur einmal eine dicken Kloß im Hals und habe mit den Charakteren mitgefiebert.
Die Autorin versteht es hervorragend die Charaktertiefe der Figuren darzustellen und vermittelt Emotionen, die beim Lesen schmerzen. Dabei vermittelt sie neben all dem Leid und der Not auch Hoffnung und Mut. Ein Zeitdokument, welches tief berührt.

Fazit:
Eine sehr berührende Geschichte, die noch lange nachhallt und im Herzen bleibt. Ich empfehle sie allen weiter, die Romane #gegendasvergessen lesen und nach weiterer Literatur suchen. Leseempfehlung!

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