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Veröffentlicht am 26.02.2021

Die Wahrheit liegt in der Vergangenheit

Ohne Schuld
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Charlotte Link hat mit dem dritten Band ihrer Kate Linville Reihe den bisher besten geschrieben. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite und trotz ihrer etwas eigenwilligen Ermittlerin ein richtiger ...

Charlotte Link hat mit dem dritten Band ihrer Kate Linville Reihe den bisher besten geschrieben. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite und trotz ihrer etwas eigenwilligen Ermittlerin ein richtiger Pageturner. Es gibt aber auch ein paar Kritikpunkte von meiner Seite.

Kate will in Kürze ins Haus ihres Vaters einziehen und wechselt von Scotland Yard in London zur North Yorkshire Police, um mit DCI Caleb Hale zusammenzuarbeiten. Doch bevor sie an ihrer neuen Arbeitsstelle in Scarborough ankommt, will sie das Abschiedsgeschenk ihrer Kollegen einlösen: ein Wellness Wochende. Gemeinsam mit ihrem Freund Colin sitzt sie ohne große Vorfreude im Zug, als plötzlich ein Mann mit einer Pistole auf eine Mitreisende zielt. Kate greift ein und verbarrikadiert sich mit der Frau auf der Toilette. Der Täter kann flüchten.

Auch DCI Caleb Hale erlebt gerade alles andere als einen erfolgreichen Tag. Er wird zu einem Sondereinsatz gerufen, der in einer Familientragödie endet. Calebs Kollege, Robert Stewart, der auf seinen Posten spekuliert, hilft etwas nach und erwähnt Calebs Alkoholismus. Er wird vom Dienst suspendiert und Robert sein Nachfolger. Als Kate in Sacraborough ankommt, ist sie nicht erfreut darüber, denn eigentlich hatte sie auch wegen Caleb gewechselt. Der neue Chefinspektor ist ihr auch nicht besonders gewogen und hält nichts von ihren "Bauchgefühlen".
Kate hat keinerlei Zeit sich einzugewöhnen, denn kaum angekommen, bekommen die Beiden einen neuen Fall zu bearbeiten. Auf die junge und beliebte Lehrerin Sophia Lewis wird ein Mordanschlag verübt. Bei ihrer täglichen Radrunde wird sie durch einen über die Straße gespannten Draht gestoppt. Sie wird schwer verletzt und hört den darauffolgenden Schuss, der auf sie abgegeben wird, nicht mehr.
Kate und Robert suchen nach einer Verbindung zwischen den beiden Mordanschlägen im Zug und auf die Radfahrerin, denn die Mordwaffe ist dieselbe. Die Suche gestaltet sich extrem schwierig und das Team tappt völlig im Dunkeln. Als eine weitere Frau verschwindet, wird die Zeit knapp.

Zwischen den Mordfällen erhält der Leser noch Einblick in das Leben eines älteren Mannes namens Oliver. Seine Geschichte wird nach und nach aufgerollt und ist das verbindende Glied zwischen den Morden.

Charlotte Link hat mit ihrem dritten Kate Linville Krimi eine komplexe Story aufgebaut. Es gibt viele ineinandergreifende Handlungsstränge, die jedoch durch die nicht allzu hohe Personenanzahl überschaubar ist. Die kurzen Kapitel verleiten zum "eines muss ich noch lesen. Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und eher einfach, passend zu einem Krimi oder Thriller.
Was mich an vielen Krimis stört, sind die ewig verkorksten, meistens depressiven und alkoholabhängigen Ermittler. Oftmals findet man sie in skandinavischen Büchern, aber auch immer mehr in anderen. Ich kann sie einfach nicht mehr "sehen". Genauso wie die Alleingänge, die die hauptermittelnden Charaktere immer wieder tätigen - nicht nur im Buch, sondern auch in der Filmwelt. Irgendwann hat man genug davon und genau dieses alleinige Eingreifen habe ich auch bei meinen zuletzt gelesenen Krimi bekritelt. Auch Charlotte Link greift zu beiden Klischees.

Das Ende ist spannend, aber einige Verhaltensweisen, wie die von Alice, fand ich eher unglaubwürdig. Auch das englische Lokalkolorit hat mir gefehlt. Der Krimi hätte in jeden beliebigen Land spielen können. Ansonsten hat mich Charlotte Links neuer Geschichte aber sehr gut unterhalten und ich hatte fesselnde Lesestunden.

Fazit:
Ein sehr komplexer Krimi, den es nicht an Spannung fehlt. Einige kleinere Unglaubwürdigkeiten und leider gar kein englisches Lokalkolorit sind meine zusätzlichen Kritikpunkte. Trotzallem für mich der beste Teil bisher mit packenden Inhalt.

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Veröffentlicht am 18.02.2021

Wann ist es Zeit zu sterben?

Sterbewohl
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Nach "Das Haus" ist "Sterbewohl" mein zweiter Krimi von Olivia Monti. Der Klappenetxt hat mich auch hier sofort angesprochen.

Deutschland in der Zukunft. Der Staat wird schleichend zur Diktatur. Die "Bürgerliche ...

Nach "Das Haus" ist "Sterbewohl" mein zweiter Krimi von Olivia Monti. Der Klappenetxt hat mich auch hier sofort angesprochen.

Deutschland in der Zukunft. Der Staat wird schleichend zur Diktatur. Die "Bürgerliche Partei" hat die Macht übernommen. Alte, kranke und arbeitslose Menschen werden als Belastung angesehen. Nach dem Motto "Wer nichts beiträgt, ist nichts wert" sucht der Staat nach einer Lösung, denn das Sozialsystem ist schon lange an seine Grenzen gestoßen. Deswegen sollen diese Menschen die Allgemeinheit nicht belasten und ab einem bestimmten Alter Sterbeseminare besuchen. Ihnen wird die Pille "Sterbewohl" angeboten, um zu vermeiden an Demenz zu erkranken oder ein Pflegefall zu werden. Die Entscheidung sei freiwillig und man kann jederzeit abreisen. Doch warum kennt niemand jemanden, der aus dem Seminar wieder zurückgekommen ist?

Diese Briefe sollten eigentlich erst Menschen ab 80 Jahren erhalten, doch Nadja hat gerade ihre erste Rentenzahlung erhalten, als auch schon eine Einladung zum Sterbeseminar ins Haus flattert. Nadja ist erst 65 und wollte nun endlich ihre Freizeit mit den Dingen verbringen, für die sie früher keine Zeit hatte. Sie ist gesund und fit und soll in zwei Wochen zum Sterbeseminar in einem Luxushotel auf Fehrmann einchecken? Nicht nur Nadja, sondern auch ihre Freunde Anna, Max und Fred, mit denen sie ein Mietshaus teilt, um sich im Alter später gegenseitig zu unterstützen, haben denselben Brief erhalten und alle sind noch weit von den achzig, ja selbst von den siebzig Jahren, entfernt. Ihnen bleibt keine Möglichkeit die Einladung abzulehnen, obwohl sie niemanden kennen, der jemals von diesen Seminaren lebendig zurückgekehrt ist. Und warum sollen sie ein Testament aufsetzen und einen Sachverwalter bestimmen? Nadja und ihre Freunde haben keinerlei Möglichkeiten sich dem Staat zu widersetzen. Sie wissen sie müssen diese Reise antreten - aber sie sind nicht gewillt zu sterben.

Die Autorin hat mit "Sterbewohl" ein Thema aufgegriffen, das schockiert und zum Nachdenken anregt. Das beschriebene Szenario ist erschreckend und menschenverachtend, denn es ist gar nicht allzu weit bis zu der Realität, die Olivia Monti hier erschaffen hat. Schon heute sind Menschen ab Vierzig für den Arbeitsmarkt schwer vermittelbar, obwohl das Rentenalter immer wieder angehoben wird. Hier entsteht für mich eine Diskrepanz. Die unterschwelligen Bemerkungen älteren Arbeitnehmern gegenüber, fallen auch mir immer mehr auf, umso näher ich dem Rentenalter komme.
Aber auch aktive und passive Sterbehilfe sind immer wieder aktuelle Themen. Ferdinand von Schirach hat mit "Gott" dieses Thema erst vor kurzem in seinem neuen Buch aufgegriffen, auch wenn er dieses anders anpackt. Gerade die Differenzierung ist bei diesem Thema sehr schwierig. In Olivia Montis Krimi, den ich lieber Dystopie oder Thriller nennen würde, scheinen die Parallelen zum Dritten Reich immer wieder durch. Haben wir ein Recht gesunde Menschen zu töten? Und wann ist ein Leben lebenswert? Dies sind nur zwei Fragen, die einem beim Lesen immer wieder im Kopf herumschwirren. Der Plot ist genial und der Aufbau, für die nicht gerade vielen Seiten, komplex.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Nadja geschrieben. Die Sätze sind kurz, prägnant und einfach. Die Figuren bleiben leider etwas an der Oberfläche.
Monti versteht es gekonnt Spannung zu erzeugen. Ich musste mich zusammennehmen, um nicht alle meine Fingernägel abzuknabbern, so sehr hat mich das nur 216 Seiten starke Buch gefesselt. Man fiebert förmlich der Auflösung entgegen, die man kaum erwarten kann.
Und diese ist auch das kleine Manko am Buch. Es ist zu kurz und der Showdown kommt etwas zu überhastet. Mehr Seiten und noch etwas mehr an Erklärungen zum Aufbau des Staates und dem System hätten dem Buch gut getan. Man hätte aus diesem genialen Thema noch mehr herausholen können...

Trotz meiner Kritik hatte ich sehr spannende Lesestunden. Das Thema wird noch lange nachhallen und mich zu Diskussionen anregen. Ich empfehle diese Dystopie, die gar nicht so weit entfernt scheint, gerne weiter.

Noch ein Wort zum Cover: Ich finde es einfach genial!

Fazit:
Die Autorin hat ein Thema aufgegriffen, das zum Nachdenken anregt und eine Botschaft trägt. Der Spannungsbogen ist hoch und hat mich das Buch in einem Rutsch durchlesen lassen. Das beklemmende Szenario wurde von der Autorin großartig umgesetzt. Nur das Ende konnte mnich nicht so ganz überzeugen.

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Veröffentlicht am 10.02.2021

Interessantes Ermittlerduo

Grenzfall - Der Tod in ihren Augen
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Was war ich gespannt auf den den ersten Fall von Alexa Jahn und Bernhard Krammer aus der Feder von Anna Schneider. Ich habe von der Autorin bereits die beiden Krimis/Thriller "Verborgen" und "Seelentot" ...

Was war ich gespannt auf den den ersten Fall von Alexa Jahn und Bernhard Krammer aus der Feder von Anna Schneider. Ich habe von der Autorin bereits die beiden Krimis/Thriller "Verborgen" und "Seelentot" über die Gefängnisärztin Eva, die sie unter ihrem Pseudonym Anna Simons geschrieben hat, gelesen und geliebt. Ich kann euch diese wirklich ans Herz legen!

Die neue Reihe aus dem Fischer Verlag spielt in Lenggries in Oberbayern. Die junge Oberkommissarin Alexa Jahn tritt ihre neue Stelle bei der Kripo Weilheim an. Die Aschaffenburgerin ist nicht unbedingt ein Fan der Berge, doch in Weilheim soll die Frauenquote angehiben werden. Kaum angekommen wird Alexa direkt an einen Leichenfundort mitgenommen. Auf einem Wanderweg wurde ein Rucksack gefunden - von dem Besitzer oder der Besitzerin fehlt jede Spur. Diese wird wenig später an einer Felswand hängend gefunden und weist ein ganz besonderes Merkmal auf: ihr fehlt der Unterkörper. Wenig später wird dieser im angrenzenden Österreich im Achensee gefunden. Bis die beiden Polizeidirektionen zusammenfinden dauert es ein bisschen, denn Alexa's Chef Brandl verletzt sich schwer und fällt aus. Er bestimmt Alexa für die Leitung des Falles, was allerdings Florian Huber, der bisher die Vertretung des Chefs war, gar nicht schmeckt. Auch das Team steht ihr noch skeptisch gegenüber... Der österreichische Kommissar Bernhard Krammer hat zwar weniger Probleme mit Alexa, aber der desillusionierte und kurz vor der Rente stehende Chefinspektor, sieht den Fall nicht wirklich als lösbar an.

Spannend und atmosphärisch wird der Kriminalfall von Anna Schneider erzählt. Ihr Ermittlerduo ist eine interessante Mischung, die mir sehr gut gefallen hat.
Alexa ist eine sympathische junge Frau, die sich in ihrem neuen Job zu behaupten versteht. Sie hat Ehrgeiz und ist motiviert. Trotzdem tritt sie immer wieder ins Fettnäpfchen und prescht alleine los. Das ist auch einer der Kritikpunkte am spannenden Krimi....diese Alleingänge der Figuren, sowohl in Büchern, als auch im TV. Man möchte am liebsten schreien und kann wieder nur den Kopf schütteln, dass man schon wieder eine dieser Figuren vor sich hat...
Krammer ist ein erfahrener Kriminalbeamter, der auf sein Bauchgefühl vertraut. Er hat schon zu viel erlebt und ist von seinem Beruf desillusioniert.

Die Bergwelt rund um das Karwendelgebirge an der deutsch-österreichischen Grenze und die Naturbeschreibungen werden sehr bildhaft dargestellt. Ich befand mich mit Alexa auf dem Berg oder beim Wirten bei einem Teller Kaiserschmarrn. Der fesselnde Schreibstil konnte mich von Anfang an begeistern, wie auch schon in den anderen Krimis der Autorin. Die kurzen Kapitel verführten mich immer wieder zum Weiterlesen, auch wenn der Wecker in der Früh ungnädig piepste. Überraschende Wendungen haben die Spannung zusätzlich erhöht und mich rätseln lassen, wer der Täter sein könnte. Kommissar Zufall spielt dabei im letzten Viertel eine große Rolle und hat mich nicht ganz überzeugt. Der Plot ist komplex und vorallem zum Ende hin wird es rasant und explosiv.
Eine zusätzliche (private) Wende am Schluss fand ich jedoch fast überzogen. Trotzdem ein sehr gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe, die mit Spannung und Regionalität punkten kann.

Fazit:
Spannende Ermittlungen in der Bergwelt Oberbayerns und facettenreiche Charaktere machen den Reihenauftakt zu einem gelungenen Krimi, der mich fesseln konnte. Einige wenige Kritikpunkte habe ich zwar doch gefunden, aber der nächste Band wird schon sehnlichst erwartet.

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Veröffentlicht am 29.01.2021

Hoffnung ist wie der Zucker im Tee

Die Gezeiten von Cramond
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Dies ist mein dritter Roman der Autorin und auch "Die Gezeiten von Cramond" habe ich in kurzer Zeit verschlungen. Esther Destratis schreibt so lebendig und bildhaft, dass man sich von der ersten Zeile ...

Dies ist mein dritter Roman der Autorin und auch "Die Gezeiten von Cramond" habe ich in kurzer Zeit verschlungen. Esther Destratis schreibt so lebendig und bildhaft, dass man sich von der ersten Zeile in ihren Geschichten einfach wohlfühlen muss.

In "Die Gezeiten von Cramond" lernen wir die drei Ironside Frauen Trudy, Alice und Cathy kennen. Trudy ist die Ältere der drei Frauen und die Tante von Alice. Sie führt ihn Cramond, einen kleinen Vorort von Edingburgh, ihre Keramikwerkstatt mit nostalgischem Teegeschäft, dem "Lady Teapot". Trudy hat die Liebe zum Tee und ausgefallenen Teekannen ihrer Nichte vererbt. Als Alice ihren Job als Teekannenkeramikerin verliert und Tante Trudy ihr beichtet, dass es schlecht um das "Lady Teapot" steht, verlässt Alice mit ihrer pubertierenden Tochter Cathy Manchester und zieht zu Trudy, obwohl sie nie wieder an diesen Ort zurückkehren wollte. In Cramond erinnert sie alles an ihre erste Liebe Gabriel, der ihr damals das Herz gebrochen hat. Alice möchte jedoch Trudy helfen und auch für Cathy ist ein Wechsel von Vorteil. Sie wurde in Manchester von Mitschülerinnen gemobbt. Beide fühlen sich bei Tante Trudy bald sehr wohl. Um das schnuckelige Teegeschäft steht es wirklich kritisch, vorallem seitdem gegenüber ein hippes Lokal, das "To go & Selfies" aufgemacht hat. Die Kunden bleiben aus und die Einnahmen schrumpfen gewaltig. Werden die drei Ironside Frauen den Teeladen retten können?

Der Roman hat viel mehr Tiefgang, als man bei diesem Cover und dem Titel vermuten lässt. Esther Destratis gelingt es vorallem vorzüglich, die wunderbare Landschaft der Gezeiteninsel und der Umgebung so darzustellen, dass man sich fühlt, als wäre man direkt anwesend. In Zeiten wie diesen, wo man nicht reisen kann, sind wunderschöne bildhafte Beschreibungen aus anderen Ländern ganz besonders gefragt. In Gedanken war ich selbst in Cramond, stand vor den Gezeitenanzeiger am Strand und hörte das Meer rauschen.

Trudy und Alice, wie auch Cathy, sind drei starke Frauen und Kämpferinnen. Die Figuren sind facettenreich und liebenswert. Vorallem Tanty Trudy schließt man sofort ins Herz. Obwohl die Charaktere allesamt (mit einer Ausnahme) sympathisch sind, haben sie für den Leser noch die eine oder andere Überraschung parat.
Die Geschichte ist ziemlich dialoglastig und wird aus den jeweiligen Sichtweisen von Trudy, Alice und Cathy erzählt, wobei Alice die Hauptfigur darstellt.

Der Roman lässt sich zügig lesen und geht ans Herz. In kleinen Rückblenden erfahren wir, was Alice damals passiert ist und warum sie Cramond den Rücken gekehrt hat. Die Autorin spricht auch heikle Themen an und hat die eine oder andere erstaunliche Wendung parat. Die Überraschung, was es mit Cathys Vater so auf sich hat, den Alice ihrer Tochter bisher verschwiegen hat, wird zur platzenden Bombe und hat mich total überrascht. Einerseits fand ich den Ansatz richtig gut, auf der anderen Seite habe ich aber auch eine kleine Kritik, die ich hier nicht näher beschreiben kann, ohne zu spoilern.

Das Ende war mir dann aber fast zu schnell und zu viel aufeinmal. Es überstürzen sich die Ereignisse und man kommt kaum zum Luft holen. Das ist für mich allerdings der einzige Kritikpunkt an dieser Geschichte, die neben einem wohligen Ambiente auch Intrigen, Mobbing und Gewalt aufzeigt.

Gefallen haben mir die süßen Teekannen zu Beginn jedes Kapitels, sowie die vielen Songs, die angesprochen und die am Ende als Playlist der Autorin nochmals aufgelistet werden.

Die eingeflochtene Geschichte vom "Zweisiedlerkrebs" fand ich wunderschön und hat mir Tränen in die Augen getrieben. Der Roman vermittelt eine wunderschöne Botschaft, die einem ermutigt zu sich selbst zu stehen und sich mit all seinen Eigenheiten anzunehmen.

Fazit:
Eine wunderschöne Familiengeschichte mit überraschenden Wendungen und bildhaften Landschaftsbeschreibungen - ein Roman, mit dem ich tolle Lesestunden verbracht habe und der viel zu schnell gelesen war. Zum Wohlfühlen, aber auch mit ernsteren Themen. Ich empfehle "Die Gezeiten von Cramond" gerne weiter.

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Veröffentlicht am 11.01.2021

Macht fassungslos

Das Haus der Verlassenen
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Mein erstes Buch von Emily Gunnis und ein Thema, das mich in letzter Zeit nun schon öfters begleitet hat: Heime und körperliche Züchtigung. Es ist unfassbar, was ledige Frauen oder Kinder oftmals bis in ...

Mein erstes Buch von Emily Gunnis und ein Thema, das mich in letzter Zeit nun schon öfters begleitet hat: Heime und körperliche Züchtigung. Es ist unfassbar, was ledige Frauen oder Kinder oftmals bis in die späten 1960iger Jahren mitmachen mussten, oftmals unter dem Decknamen der Kirche. Menschenverachtender geht es oftmals nicht.....

Schon der Prolog, der im Jahre 1959 spielt, hat es in sich. Ivy verhilft einer jungen Frau zur Flucht aus dem St. Margret's und übergibt ihr einen Brief. Kurz darauf begeht sie Selbstmord...

Die junge Ivy kommt 1956 in eines der gefürchteten Magdalenenheime, als sie ungewollt schwanger wird. Der gestrenge Stiefvater lässt das junge Mädchen ins St. Margareth's Heim bringen, denn der Ruf der Familie ist ihm wichtiger, als seine Stieftochter. Bereits in Rebecca Michéles Buch "Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit" habe ich über diese Einrichtungen gelesen und war schockiert! Die Frauen werden misshandelt und kaum verköstigt. Die Kinder, die die gefallenen Mädchen zur Welt bringen, werden zur Adoption freigegeben und den Müttern erzählt, sie wären verstorben. Ivy schreibt verzweifelte Briefe an ihre große Liebe, den Vater des Kindes, doch der nimmt ihre Erzählungen nicht ernst. Zusätzlich war sie für ihn nur ein kleiner Flirt...

Rund sechzig Jahre später findet die Journalistin Sam die verzweifelten Briefe von Ivy in den Unterlagen ihres verstorbenen Großvaters. Sie wittert eine interessante Geschichte, die ihr Karriere pushen soll und beginnt zu recherchieren. Doch sie muss sich beeilen, denn das Gebäude soll bald abgerissen werden. Bald schon entdeckt sie grausame Wahrheiten und möchte nur mehr die damaligen Zustände aufdecken. Außerdem stolpert sie über das Verschwinden des ehemaligen Priesters des Heimes im Jahr 2000 und dem Fund seiner Leiche 2016 ...

Im selben Zeitstrang lernen wir Kitty, die berühmte Moderatorin einer Talkshow kennen, die sich nach zwanzig Jahren im Rampenlicht zurückzieht. Samantha entdeckt, dass sie irgendwie eine Verbindung zum St. Margret's haben muss...

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Abwechselnd erfahren wir wie Sam bei ihren Nachforschungen vorgeht und Geheimnisse aufdeckt und wie Ivy ins Heim kommt und was sie dort erlebt. Stück für Stück kommt Sam der Wahrheit näher und ist schockiert über die Vorkommnisse in St. Margarets. Die beiden weiblichen Protagonisten sind sehr lebendig gezeichnet, trotzdem fieberte ich im Vergangenheitstsrang mit Ivy mehr mit, als mit Sam. Ihre Geschichte machte mich fassunglos und den Grausamkeiten, denen die jungen Frauen in St. Margrets - nur eines der vielen Magdalenenheime in Irland und Großbritannien - ausgesetzt waren, sind oftmals unbegreiflich.
Samantha Geschichte in der Gegenwart war mir etwas zu konstruiert und manchmal auch unlogisch. Zusätzlich konnte ich ich einige ihrer Handlungen nicht nachvollziehen. Dazu kommen noch einige Mysteryelemente, die nicht vollständig erklärt werden.

Da ich bereits einiges über die katholischen Heime für ledige Mütter in "Auf den zerbrochenen Flügeln der Freigheit" gelesen habe, überraschte mich kaum, was die jungen Frauen damals erleiden mussten. Trotzdem war ich auch diesmal wieder nur schockiert und entsetzt.
Vorallem kann man kaum glauben, dass diese Methoden noch vor 60 Jahren angewendet wurden.

Schreibstil:
Emily Gunnis schreibt sehr lebendig, fesselnd und hat in ihrer fiktiven Geschichte um Ivy und Sam einige überraschende Wendungen eingebaut. Leider verlaufen aber auch einige Stränge im Sand.
Im Nachwort erklärt die Autorin ausführlich über ihre Recherchen zu den Magdalenenheimen.


Fazit:
Ein bedrückendes Thema, das die Autorin in ihrem Roman auf zwei Zeitebenen aufgreift. Es ist immer wieder unglaublich, wozu Menschen fähig sind. Spannend geschrieben, aber noch nicht ganz ausgereift.

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