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Veröffentlicht am 15.11.2025

Eine Dystopie

2033
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Die hoffentlich genau das bleiben wird. Die Bundeskanzlerin Freda Vogel ist gerade erst an die Macht gekommen. Ihre rechts-extreme Partei Aufstand hat die Mehrheit im Bundestag. Hängt das mit dem Anschlag ...

Die hoffentlich genau das bleiben wird. Die Bundeskanzlerin Freda Vogel ist gerade erst an die Macht gekommen. Ihre rechts-extreme Partei Aufstand hat die Mehrheit im Bundestag. Hängt das mit dem Anschlag zusammen, der auf die Parteizentrale verübt wurde? Die Angeklagte Skadi Emmerich, die zur einzigen Oppositionsparte Reform gehört, soll den Anschlag in Auftrag gegeben haben. Die junge Anwältin Marie Weigand und ihre Chefin übernehmen die Verteidigung nach einigem Zögern. Mit Semmerich ist die Ausübende der Tat vor Gericht. Möglicherweise ein normaler Fall. Wenn aber die gesamte Oppositionspartei mit der Sache in Verbindung gebracht würde, könnte es zu einem Parteiverbotsverfahren kommen.

In einer nicht allzu fernen Zukunft kommt es zu einem aufsehenerregende Prozess. Die junge Anwältin Marie Weigand übernimmt bei der Verteidigung eine führende Rolle. Ihr Bruder, der ein Anhänger der Regierung ist, kann das nicht nachvollziehen. Für Marie geht es zunächst mal um Recht und Unrecht. Sie will die Wahrheit finden und die Angeklagte, die ihre Unschuld beteuert, hat Weigands Meinung nach ein Recht auf Verteidigung. Ob eine Verurteilung verhindert werden kann, scheint sehr zweifelhaft. Zumal während des Prozesses neue Beweise zutage gefördert werden, die die Lage verschlechtern. Was können Marie und ihre Chefin Ava noch tun? So langsam scheint es um mehr zu gehen.

Zum Glück kann man nicht in die Zukunft schauen. In so eine Zukunft möchte man auch nicht schauen können. Schon heute werden die Demokratischen Institutionen, die Grundrecht manchmal mit Füßen getreten. War in dieser Zukunft geschieht, ist allerdings noch viel krasser. Diese Umkehrung der Normalität, dieses Lehrstück, wieso doch alles wieder passieren kann. Am Beispiel eines Gerichtsprozesses nach einem Anschlag, wird dargestellt, wie Dinge laufen können, wie Wahrheiten manipuliert werden. Vielleicht geht manches zu schnell oder zu einfach, aber grundsätzlich ist die Handlung ausgesprochen spannend. Und man denkt, das kann doch nicht sein. Die Wahrheit muss doch eine Wirkung haben. Mögen die Warnungen endlich gehört werden, möge eine Dystopie nie Wirklichkeit werden.

Veröffentlicht am 13.11.2025

Ferienlager

Wolf
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Seine Mutter setzt ihm gewissermaßen die Pistole auf die Brust. Sie ist alleinerziehend und hat im Moment keine Betreuung für ihren Sohn. Kemi muss ins Feriencamp. Das gefällt dem Jungen nicht, er mag ...

Seine Mutter setzt ihm gewissermaßen die Pistole auf die Brust. Sie ist alleinerziehend und hat im Moment keine Betreuung für ihren Sohn. Kemi muss ins Feriencamp. Das gefällt dem Jungen nicht, er mag auch keinen Wald. Dort lauern bestimmt viele Gefahren. Kemi bleibt halt keine Wahl. Im Ferienlager fühlt sich Kemi nicht besonders wohl. Allerdings bekommt er schnell mit, wie die Dinge laufen. Es scheint so als hätten einige Jungs den Jörg auf dem Kieker. Natürlich merkt Kemi, dass das nicht in Ordnung ist. Aber traut er sich auch einzugreifen?

Kemi ist ein wenig speziell, er sieht die Welt auf seine eigene Art. Das merkt man schon daran, dass er bei einer Wanderung ohne Bescheid zu sagen zum Camp zurückläuft. Die Betreuer sind in heller Aufregung und brechen den Marsch ab. Kemi meint nur, wenn er gesagt hätte, dass er nicht im Wald wandern will, hätte er trotzdem mitkommen müssen. Und so hat er diese Lösung gewählt. Und so hat Kemi auch einen besonderen Blick auf Jörg. Es ist nicht nett, wie er behandelt wird.

Dieses Hörbuch wird vom Autor selbst vorgelesen. Das verleiht diesem Kinderbuch, das für Kinder ab zehn Jahren empfohlen wird, einen besonderen Charme.

Vielleicht war nicht bekannt, dass der Autor auch Romane für das jüngere Publikum verfasst. Und so ist dieses Buch, das erstmalig im Jahr 2023 erschienen ist, eine kleine Überraschung und Entdeckung. Behutsam nähert sich der Autor seinem Protagonisten. Welches Anliegen er erfolgt, erklärt er am Ende des Romans mit einfühlsamen Worten selbst. Kemi wird einem beim Zuhören schnell sympathisch. Für sein Alter wirkt er sehr weit und verständig. Wenn man da an die eigene Kindheit denkt, dann war man selbst wohl eher nicht soweit. Wei schon gesagt, Kemi ist besonders und trägt dieses Buch.

Veröffentlicht am 12.11.2025

Ungleiche Schwestern

Fifty-Fifty
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Ein ehemaliger Bürgermeister New Yorks wird brutal ermordet in seinem Haus aufgefunden. Zwei Notrufe gehen bei der Polizei ein. Getrennt voneinander haben die Schwestern Sofia und Alexandra Avellino den ...

Ein ehemaliger Bürgermeister New Yorks wird brutal ermordet in seinem Haus aufgefunden. Zwei Notrufe gehen bei der Polizei ein. Getrennt voneinander haben die Schwestern Sofia und Alexandra Avellino den Notfall gemeldet. Beide werden verhaftet, weil es Spuren von ihnen am Tatort gibt. Und die Schwestern beschuldigen jeweils die andere, es getan zu haben. Die Staatsanwaltschaft will die Fälle gemeinsam verhandeln. Eddie Flynn übernimmt Sofias Verteidigung. Kate Brooks nimmt sich Alexandras Sache an. Anwalt und Anwältin sind gleichermaßen überzeugt, dass die jeweilige Mandantin unschuldig ist. Wo soll das Motiv zu der Tat liegen?

Im fünften Band um den Anwalt Eddie Flynn ist er als einsamer Cowboy unterwegs. Obwohl seine Ehe auseinander gegangen ist, findet Eddie Halt in seinem Umfeld. Richter Harry Ford und seine Ermittlerin Harper unterstützen ihn. Und fast bedauert er, dass Kate Brooks die gegnerische Anwältin ist. Doch wo liegt in diesem Fall die Wahrheit. Beide Schwestern stehen unter Verdacht und gegen beide liegen Indizien vor, die den Verdacht gegen sie erhärten. Doch wieso sollte eine der Schwestern ihren Vater umbringen wollen. Jedoch stellt sich heraus, dass Frank Avelino einen Termin bei seinem Anwalt gemacht hatte, möglicherweise um sein Testament zu ändern. Hat das etwa die Ereignisse ausgelöst?

Wie bei Steve Cavanagh schon gewohnt, ist dieser Thriller sehr spannend. Die Schwestern Sofia und Alexandra wirken gleich verdächtig. Und so kann man sich nicht für eine als Verdächtige entscheiden. Wenn man glaubt, man sei auf der richtigen Spur, wird man doch wieder eines Besseren belehrt. Was allerdings als ein wenig störend empfunden werden könnte, wenn zu viele Menschen sterben und Flynn sich die Schuld gibt und dann im Selbstmitleid zerfließt. Vielleicht würden Sachen gerade anders laufen, wenn er überzeugt wäre, es wert zu sein. Zum Glück bekommt der Autor zum Schluss hin insofern die Kurve, dass er einen packenden Showdown präsentiert. Auch ein gewissermaßen positiver Ausblick wird gegeben.

Veröffentlicht am 11.11.2025

Viktorianische Ermittlungen

Manche Schuld vergeht nie
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Die Polizistin Ali Dawson hat sich durchgeboxt. Als alleinerziehende Mutter wollte sie unbedingt etwas erreichen. Inzwischen ist ihr Sohn erwachsen und arbeitet für Isaak Tempelton, ein Mitglied der Regierung ...

Die Polizistin Ali Dawson hat sich durchgeboxt. Als alleinerziehende Mutter wollte sie unbedingt etwas erreichen. Inzwischen ist ihr Sohn erwachsen und arbeitet für Isaak Tempelton, ein Mitglied der Regierung in London. Ali könnte nicht stolzer sein. Nur von ihrer eigentlichen Arbeit kann sie Finn nichts erzählen. Die Abteilung der Polizei, für die Ali arbeitet ist geheim. Die Wissenschaftlerin Jones hat eine Möglichkeit gefunden, Menschen durch zu Zeit reisen zu lassen und in Alis Abteilung wird dies genutzt, um Cold Cases aufzuklären. Jones verfeinert ihre Methoden immer mehr und nun hält sie es für sicher, dass Ali und ihre Kollegen weiter zurück können als je zuvor.

Dies ist der erste Band um die Abteilung für Cold Cases in London, die durch die Zeit reisen darf. Ali Dawson hat es geschafft. Sie hat den Beruf, den sie wollte. Und sie hat ihren Sohn ordentlich großbekommen. Mit der Liebe hat es nicht so geklappt, aber das ist ihr auch nicht so wichtig. Aber das mit den Zeitreisen macht einen besonderen Reiz ihrer Arbeit aus. Angefangen haben sie mit kurzen Zeiträumen, die es zurückging, und auch nur für wenige Minuten oder Stunden. Doch der neue Fall ist besonders. Das Jahr 1850 steht auf der Agenda. Dass Ali durch die Ermittlungen ganz persönlich betroffen wird, ahnt sie noch nicht.

Die Autorin, die vielleicht eher von ihren Ruth Galloway Krimis bekannt ist, überrascht hier mit etwas ganz Neuem. Zeitreisen kennt man eher aus dem Science Fiction oder Romance Genre. Hier wird daraus ein Kriminalroman und gleichzeitig ein historischer Kriminalroman. Zwar braucht man eine Weile, bis man sich in dieser Welt zurechtfindet, aber irgendwie geht es Ali Dawson ja genauso. Der Gegensatz zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist plastisch beschrieben und man kann gut nachvollziehen wie es Ali dabei ergeht. Interessant wie beide Zeitlinien verquickt werden. Ein lesenswerter Zeitreise-Krimi, in dem noch nicht alle Geheimnisse preisgegeben werden. Der nächste Band ist auf Englisch schon angekündigt.

Veröffentlicht am 09.11.2025

Überlebenswillen

Ist das ein Mensch?
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Der Chemiker Primo Levi wird im Februar 1944 nach Auschwitz deportiert und bis zum Januar 1945 als das Lager.aufgegeben wurde überlebt. Er schildert das Überleben von Tag zu Tag. Wie er als neuer Lagerinsasse ...

Der Chemiker Primo Levi wird im Februar 1944 nach Auschwitz deportiert und bis zum Januar 1945 als das Lager.aufgegeben wurde überlebt. Er schildert das Überleben von Tag zu Tag. Wie er als neuer Lagerinsasse eine Art von Glück hat, dass er den arbeitsfähigen zugeteilt wird und nicht gleich in die Selektion muss. Selektion bedeutet nichts anderes als Tod in der Gaskammer. Levi, der Neuling, muss sich erstmal zurechtfinden und lernen, welche Fehler sich fatal auswirken können. Hinzu kommt die schwere, aber sinnlose Arbeit, die den Lagerinsassen in der Buna abverlangt wird. Jeden Tag schwebt er in Gefahr, sein Leben zu verlieren.

Mit der Arbeit an diesem autobiografischen Bericht begann Primo Levi beinahe sofort als er endlich befreit war. Die zeitliche Nähe zu den schlimmen Ereignissen macht die Worte sehr eindringlich. Der Autor, von Hause aus Wissenschaftler, schreibt mit kühler Distanz. Dadurch bekommt die Beschreibung des Lagerlebens eine unheimliche Banalität und Normalität. Da werden Strategien fürs Hungern gesucht, Strategien nicht unter der Last der Arbeit zusammenzubrechen, Strategien irgendwie menschlich zu bleiben und zu überleben. Es gab nur wenig Menschlichkeit. Jeder Tag konnte der letzte sein und die Hoffnung auf ein Überleben schwand. Bis sich die Deutschen feige aus dem Staub machten und die kranken Lagerinsassen schutzlos zurückließen.

Das Hörbuch wird mit klarer Stimme vorgetragen von Alexander Fehling, der die kühlen Worte des Autors gekonnt umsetzt. Man blickt von außen auf das Geschehen und fragt sich, wie konnte es soweit kommen. Menschen, die vergessen, dass sie menschlich handeln sollten, die es sich zum Ziel machen, andere zu vernichten. Arbeit, um zu vernichten; Todesstrafe für kleinste Vergehen und doch diese Normalität, mit der es jeden Tag hell wird, mit der das karge Essen verteilt wird. Es ist schwer zu ertragen, sich den Alltag im Lager vorzustellen, dass es überhaupt einen Alltag gab. Dieser Bericht festigt den Gedanken, das so etwas nie wieder geschehen darf. Möge die Wirkung der Worte des Autors nie verhallen.