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Veröffentlicht am 23.08.2021

Astrids Welt

Die Glocke im See
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Astrid Hekne ist eine, die mehr will. Doch im kleinen Ort Butangen in Norwegen geht es nicht so schnell mit dem Fortschritt. Als im Jahr 1880 der neue Pfarrer Kai Schweigaard sein Amt antritt hofft Astrid ...

Astrid Hekne ist eine, die mehr will. Doch im kleinen Ort Butangen in Norwegen geht es nicht so schnell mit dem Fortschritt. Als im Jahr 1880 der neue Pfarrer Kai Schweigaard sein Amt antritt hofft Astrid auf eine andere Zukunft. Neue Ideen hat Schweigaard schon einmal. Er will die alte Stabkirche abbauen lassen und ein neues größeres und modernes Kirchengebäude errichten. Den Abbau überwachen soll der junge Architekturstudent Gerhard Schönauer. Und mit ihm weht der Wind des Unbekannten ins kleine Butangen. Astrid muss überlegen, wohin ihre Sehnsucht sie zieht. Sieht sie sich als Pfarrersfrau oder will sie lieber mit der Kirche ins ferne Dresden reisen.

Die Hekne Familie hat eine enge Bindung zu der Stabkirche. Einer ihrer Vorfahren hat die Kirchenglocken gestiftet. Allerdings sind nicht nur die Heknes wenig begeistert, dass die Glocken mit ihrer Kirche ins ferne Deutschland reisen sollen. Da war der neue Pfarrer vielleicht doch etwas zu schnell mit dem Verkauf. Astrid dagegen will irgendwie beides, das Moderne und die Heimat. Wie soll sie sich entscheiden? Ihre Phantasie lässt sie nicht im Stich, sie wird sich etwas einfallen lassen, so dass alle zufrieden sind. Auch die Schwesternglocken? Das ist der Plan.

Der Prolog dieses Romans ist spannend, dramatisch und tragisch. Wie kam es zu der Stiftung der Glocken? Und wieso werden sie die Schwesternglocken genannt? Welche Legenden ranken sich um sie? Dagegen verliert Astrids Geschichte fast zwangsläufig an Fahrt. Schließlich lässt sich der Autor viel Zeit sie zu entwickeln. Astrids forsche wissbegierige Art macht sie sehr sympathisch. Da hat es der Pfarrer mit seinen inneren Widerständen nicht nur bei den Dorfbewohnern schwerer zu punkten. Der angehende Architekt Schönauer wirkt dagegen wie ein frischer Wind, der um ein altes Gemäuer bläst. Auch ein gewisser Humor und die eigene Art zu sprechen der Leute aus Butangen runden die Geschichte ab. Auch wenn man das Gefühlt hat, die Handlung hätte eine gewisse Straffung vertragen, so ist sowohl die Geschichte der Schwesternglocken als auch die Astrids interessant und zum Ende hin ergreifend. Dieses vermag die Vorleserin Beate Rysopp bestens zu transportieren.

Veröffentlicht am 21.08.2021

Vaterfreuden

Sörensen am Ende der Welt
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Nach wenig sehnt sich Sörensen mehr als nach einem Besuch seiner kleinen Tochter zu Ostern. Wenn ihm nur seine Angststörung keinen Strich durch die Rechnung macht oder seine Ex-Frau. Da kann ein neuer ...

Nach wenig sehnt sich Sörensen mehr als nach einem Besuch seiner kleinen Tochter zu Ostern. Wenn ihm nur seine Angststörung keinen Strich durch die Rechnung macht oder seine Ex-Frau. Da kann ein neuer Mord fast schon eine gute Ablenkung bieten. Jetzt wo er doch endgültig nach Katenbüll gezogen ist. Obwohl als der Tankstelleninhaber eine Leiche am Koog findet, ist es auch nicht recht. Natürlich machen sich Sörensen und Jenni zum Fundort auf den Weg. Bei dem Toten handelt es sich um einen ortsansässigen Lehrer. So weit so unauffällig. Besorgniserregend ist allerdings, dass der werdende Vater Ole Kellighusen, der im Tankstellenshop aushilft, verschwunden ist.

Zum dritten Mal ermittelt Sörensen in der nordfriesischen Provinz. Mit der neuen Praktikantin tun sich alle auf dem Revier schwer. Dabei ist sie nicht mal dumm, aber irgendwie neigt sie dazu jedes Fettnäpfchen wahrzunehmen. Jenni Holstenbeck dagegen um ihre hochschwangere Tochter, denn bei dem verschwundenen Ole handelt es sich um Lucys Freund. Und es kommt noch schlimmer, offensichtlich war es Ole, der dem Lehrer an der Tankstelle begegnet ist. Sörensen und Jennifer legen sich mächtig ins Zeug. Das Offensichtliche erscheint ihnen doch zu einfach.

Gut kann man sich die norddeutsche Landschaft vorstellen. Manchmal grau, wolkenverhangen und stürmisch. Doch mitunter auch in strahlendem Sonnenschein. Da wünscht man Sörensens Angststörung möge mit dem nächsten Sturm davongetragen werden. Aber man muss ja realistisch bleiben. Und trotz der Schwierigkeit bilden Sörensen und Jenni ein tolles Team, dass sich bestens ergänzt. Und auch bei dem neuen Fall müssen sich wieder hinabsteigen in die Tiefe des provinziellen Lebens, das wie ein kleines Abbild einer großen Stadt wirkt. Es gibt nichts, was es nicht gibt und vielleicht noch ein wenig mehr. Bei den diesmal emotional fordernden Nebenhandlungen gerät der Fall fast etwas in den Hintergrund. Dafür reißen Sörensen, sein Hund Cord und Jenni es echt raus. Ihre authentisch menschliche Art hat gerade die richtige Mischung zwischen etwas schräg und wunderbar normal. Man wünscht schon den nächsten Mord herbei, um zu erfahren wie es mit ihnen weitergeht.

Veröffentlicht am 17.08.2021

Schöne Aussicht

Sörensen hat Angst
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Zwei Jahre hat er krankheitsbedingt nicht gearbeitet. Aber nun wird er es wieder packen, Kriminalhauptkommissar Sörensen hat deshalb absichtlich nach einem Einsatzort gesucht, der so in der Provinz versteckt ...

Zwei Jahre hat er krankheitsbedingt nicht gearbeitet. Aber nun wird er es wieder packen, Kriminalhauptkommissar Sörensen hat deshalb absichtlich nach einem Einsatzort gesucht, der so in der Provinz versteckt ist, dass Verbrechen wirklich unwahrscheinlich sind. Er hat sich seinen neuen Kollegen und Kolleginnen in Katenbüll gerade erst vorgestellt, als die Nachricht hereinkommt, dass der Bürgermeister tot aufgefunden wurde. Das darf doch wohl nicht wahr sein, noch nicht mal richtig angekommen und schon ist es vorbei mit der Ruhe. Und schon hat Sörensen wieder Probleme mit seiner Angststörung und auch Probleme mit dieser Kleinstadt, die auf der Landkarte nicht leicht zu finden ist.

In seinem ersten Fall wagt es Sörensen trotz seiner psychischen Probleme, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Sein Wunsch, am liebsten erstmal eine ruhige Kugel zu schieben, bis es ihm wirklich besser geht, wird ihm nicht erfüllt. Er muss sich an dem neuen Ort zurechtfinden, mit den neuen Kollegen bekannt machen und gleich einen Mordfall bearbeiten. Der Bürgermeister sollte doch ein renommiertes Mitglied der Gemeinde sein, wer kann also etwas davon haben, ihn umzubringen. Gemeinsam mit Jennifer Holstenbeck macht er sich auf die Suche nach der Lösung. Gefunden wird Sörensen erstmal von Cord, dem Hund.

Sörensen kämpft gegen seine Erkrankung, in schwachen Momenten versinkt er in Selbstmitleid. Allerdings merkt er auch, dass es auch hellere Momente gibt. Seine Kabbeleien mit Jenni und Cord bringen durchaus helle Flecken in sein Leben. Dass er letztlich ein gewiefter Ermittler ist, lässt sich nicht lange verbergen. Der Fall gestaltet sich komplizierter und überraschender als zunächst gedacht. Dabei ist auch Jennifer Holstenbecks Anteil nicht zu verachten. Sie hat die Ortskenntnis, eine sympathische Art und sie bietet Sörensen die nötige Unterstützung, wenn er mal durchatmen muss. Dieser erste Band der Krimireihe wurde bereits verfilmt, wobei die Stimmung des Buches ausgesprochen gut herausgearbeitet wurde. Die Besetzung von Bjarne Mädel als Sörensen ist einfach treffend. Und so hat man mit diesen trockenen norddeutschen Tonfall in Buch und Film einen Krimi, der trotz des ernsthaften Themas in den richtigen Augenblicken sehr gut unterhält.

Veröffentlicht am 16.08.2021

Stuntdouble

Es war einmal in Hollywood
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Im Los Angeles des Jahres 1969 versucht der Schauspieler Rick Dalton seine Karriere wieder in Gang zu bringen. Früher war er ein Serienheld, doch inzwischen ist er auf kleinere Rollen des Bösewichts abonniert. ...

Im Los Angeles des Jahres 1969 versucht der Schauspieler Rick Dalton seine Karriere wieder in Gang zu bringen. Früher war er ein Serienheld, doch inzwischen ist er auf kleinere Rollen des Bösewichts abonniert. Weil er keinen Führerschein mehr hat, lässt er sich von Cliff Booth durch die Gegend kutschieren. Dieser ist eigentlich Ricks Stuntdouble, doch da Jobs rar gesät sind, macht er auch das. Das Nachbargrundstück bei Ricks Haus wird von neuen Leuten bewohnt und zwar dem Regisseur Roman Polanski und seiner Frau Sharon Tate. In einer alten Kulissenstadt hat sich die Family von Charles Manson eingenistet.

Bei diesem Debütroman handelt es sich um das Buch zu dem Film „Once upon a Time in Hollywood“. Wenn man sich die Beschreibung zum Film anschaut, scheint der Roman ausführlicher zu sein und in Teilen möglicherweise auch anders. So könnte es eine gute Idee sein, zur Lektüre des Buches sich auch den Film zu Gemüte zu führen. Einen erheblichen Teil des Romans macht auch die Beschreibung des Hollywood-Geschäftes aus. Als Teil davon hat der Autor einen guten Durchblick und kann seinen Lesern einen tollen Abriss darüber geben, wie es im Filmgeschäft zugeht. Und da ist Sharon Tate eine der Wenigen, die sich von ihrer Heimat aus aufmacht, um Erfolg zu haben und die es tatsächlich schafft. Leider kann sie es nicht lange genießen.

Wenn man einige der Filme von Quentin Tarantino gesehen hat, hegt man einige Erwartungen, die der Roman nicht so ganz erfüllen kann. Vielleicht hat man da auch einfach die falschen Filme gesehen und sollte sich zusätzlich den Film anschauen, zu dem das Buch erschienen ist. Jedenfalls wirken gerade die beschreibenden Szenen schon etwas ausgewalzt. Zum Glück blitzt ab und zu auch das Tarantino mäßige auf und zusätzlich schafft es der Autor teilweise mit wenigen prägnanten Worten die Szenen zu zeichnen, so dass es schon wieder gut rüberkommt. Auch wenn der Roman ein wenig zu viele beschreibende Elemente hat, so bekommt man doch ein vermutlich sehr authentisches Bild vom Hollywood der späten 1960er. Die Welt hat sich für die Schauspieler alter Schule verändert, sie müssen den Jungen Platz machen und sie wagen noch ein Aufbäumen. Die Grundstimmung der Zeit und der Personen ist wahrscheinlich sehr gut getroffen.

Veröffentlicht am 14.08.2021

Sommerwind

Der Brand
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Der geplante und durchorganisierte Urlaub platzt und beinahe scheint es so als wäre damit auch ihre langjährige Ehe perdu. Doch als ihre mütterliche Freundin Ruth mitteilt, Viktor habe einen Schlaganfall ...

Der geplante und durchorganisierte Urlaub platzt und beinahe scheint es so als wäre damit auch ihre langjährige Ehe perdu. Doch als ihre mütterliche Freundin Ruth mitteilt, Viktor habe einen Schlaganfall erlitten und sie wolle mit ihm in die Reha, sagt Rahel sofort zu, auf dem Hof der beiden einzuhüten. Ihr Mann Peter ist überrascht und etwas lustlos. Drei Wochen liegen vor Rahel und Peter, in denen sie auf sich selbst zurückgeworfen werden. Nur ein paar Stunden von Dresden entfernt liegt das Anwesen, auf dem es zwar viel zu tun gibt, in einer Gegend, in der man nicht viel unternehmen kann. Können Rahel und Peter wieder einen Weg zu einer wenigstens freundschaftlichen Co-Existenz finden.

Ein Ehepaar in einem mittleren Alter, in dem es für Paare mitunter heißt, gehen oder bleiben. Können Rahel und Peter die unverhoffte Auszeit in Brandenburg nutzen, um ihrer Ehe wieder eine Basis zu geben. Was würden ihre beiden Kinder sagen, wenn die Eltern sich trennten? Selma war für Rahel eher ein Problemkind, während Simon einfach seinen Weg geht. Doch Selma ist es, die selbst eine Familie gegründet hat. Rahel, deren Mutter ihr nie gesagt hat, wer ihr leiblicher Vater ist, muss mit dieser Leerstelle leben.

Auf sanften Schwingen gleitet Rahel durch den Urlaub. Als Leser ist man etwas unschlüssig, ob hier die sommerliche Ruhe in eine Ehe einkehrt oder ob eine gewisse Melancholie, die über allem liegt, dazu führt, dass die Ehegatten den Schritt zur Trennung gehen. Mal angedeutet, mal klar herausgestellt, wird Rahels Vergangenheit und die ihrer Ahnen beleuchtet. Wieso ist sie so? Die Vergangenheit kann sicher einiges erklären, aber nicht alles entschuldigen. Es entsteht der Eindruck, dass der Fokus etwas mehr auf der weiblichen Sichtweise liegt. Besonders auf Rahels Blickwinkel, die ihrem Mann wieder näherkommen möchte und auch ihre Sehnsucht nach einem Vater stillen möchte. Ein stilles kleines Büchlein, das trotz oder gerade wegen seiner ruhigen Darstellung eines ländlichen Sommers zum Nachdenken und selbst Reflektieren einlädt.