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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.09.2021

Soannend, unterhaltsam und aktuell

A. S. Tory und das Spiel mit der Zeit
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Meinung

Der letzte Teil der Reihe blendet die Pandemie nicht aus, gibt ihr jedoch auch nicht mehr Raum als nötig. Meiner Ansicht nach ist es der Autorin hervorragend gelungen die richtige Balance zu finden. ...

Meinung

Der letzte Teil der Reihe blendet die Pandemie nicht aus, gibt ihr jedoch auch nicht mehr Raum als nötig. Meiner Ansicht nach ist es der Autorin hervorragend gelungen die richtige Balance zu finden. Da jeder Roman in der Jetztzeit spielte, hätte ich es seltsam gefunden, die Pandemie nicht zu erwähnen und so zu tun, als ob alles wäre wie 2019.

Es wirkt sich diesmal auch auf den Auftrag aus, den Sid von Tory bekommt. Anstatt wie in den vorherigen Teilen verschiedene Länder zu bereisen, bleiben Chiara und Sid diesmal in Deutschland. Die sonstigen Reisen werde durch Reisen durch die Zeit ersetzt. So spielt der Roman über zwei Generationen hinweg. Zum einen handelt es sich um den Großvater, der ab den 1940er Jahren verschwindet, zum anderen geht es um Arne, der Mitte der 80er abhaut.

Das vorrangige Thema des Romans ist die sexuelle Orientierung und der Umgang mit ihr. Immer wieder gab es Vorstöße für Toleranz, dann ging es jedoch gesellschaftlich wieder rückwärts. Seit nicht einmal dreißig Jahren ist Homosexualität keine Straftat mehr. In vielen Familien wurde über solche Sachen nicht gesprochen, sowie in der Familie, deren Geheimnisse Chiara und Sid nun aufdecken. Der Roman ist ein Appell für Toleranz, aber auch dafür miteinander zu reden und Dinge nicht tot zu schweigen.

Frankfurt, Leipzig und das Elbsandsteingebirge sind diesmal die Orte, an denen die Geschichte spielt. Auch hier wird die jeweilige Atmosphäre wunderbar eingefangen. Gerade im Elbsandsteingebirge verbringen Chiara und Sid drei Tage in Abgeschiedenheit. Denn das, was sich im letzten Band offensichtlich anbahnte, kommt nun auf den Tisch. Die Frage, wie Chiara und Sid zueinander stehen, gehört zu den stetigen Entwicklungen der Reihe. Ebenso wie bei der Pandemie, findet die Autorin bei dieser zwischenmenschlichen Frage die passende Gewichtung zu der eigentlichen Handlung.

Vom ersten bis zu diesem Band haben sich die Charaktere merklich entwickelt. Sid ist nun volljährig, besitzt seinen Führerschein und wenn die Pandemie ausklingt, wird er sicher die Welt erkunden. Aus dem Teenager ist nun ein junger Mann geworden. Auch Chiara hat sich gemacht. Ihr Leben bekommt langsam Kontur und wer weiß, was sie studieren wird. Beide stehen nun an einem neuen Lebensabschnitt, dass wird in der Erzählung deutlich. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Reihe hier endet. Tory spielt in diesem Teil nur noch eine sehr nebensächliche Rolle, da er durch sein Alter und die Pandemie in London bleibt. Schlussendlich ist es auch ein Abschied von dem alten Herren, der die Abenteuer erst ermöglicht hat.

Als Leserin verabschiede ich mich von dem letzten Teil der Reihe mit ein bisschen Wehmut. Mir haben Chiaras und Sids Abenteuer sehr gefallen. „A.S. Tory und das Spiel mit der Zeit“ ist ein unterhaltsamer Jugendroman, der Themen der Zeit mit einer Leichtigkeit aufgreift ohne belehren zu wollen. Besonders gefällt mir, dass er zum eigenständigen Denken anregt. Jeder Leser:in kann etwas für sich daraus mitnehmen.


Fazit

Ein gelungener Abschluss einer fantastischen Buchreihe. Unterhaltsam, spannend und ein Aufruf dazu neugierig und abenteuerlustig zu bleiben.

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Veröffentlicht am 16.09.2021

Auf den Punkt erzählt

Land in Sicht
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Inhalt

Jana ist Mitte Zwanzig und bei der Suche nach ihrem Vater, den sie bisher nicht kennt, fündig geworden. Er ist Kapitän auf einem Kreuzfahrtschiff auf der Donau. Auf diesem Schiff, dessen Gäste ...

Inhalt

Jana ist Mitte Zwanzig und bei der Suche nach ihrem Vater, den sie bisher nicht kennt, fündig geworden. Er ist Kapitän auf einem Kreuzfahrtschiff auf der Donau. Auf diesem Schiff, dessen Gäste sich im Alter sechzig plus befinden, bucht sie kurzerhand eine Reise. Sechs Tage hat sie Zeit ihren Vater Milan kennenzulernen und herauszufinden, was für ein Mensch er ist.

Doch als sie ihre Reise antritt, ist sie nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war.

Meinung

Jana ist eine unstete und unsichere Person, die aller Wahrscheinlichkeit nach Bindungsprobleme hat, was sich nicht nur auf Liebes-, sondern auf alle Beziehungen in ihrem Leben auswirkt. Ihren Vater kennt sie nicht, doch die Väter ihrer Freundinnen hat sie genau beobachtet. Sensibel schildert die Autorin Janas kindliche Sicht auf Väter und die Vorstellung, die sie sich von ihrem eigenen macht. Janas Beziehung zu ihrer Mutter könnte man als distanziert beschreiben. Ab und an klingt durch, Jana gibt ihrer Mutter die Schuld am den fehlenden Vater, allerdings ist es nur mein Gefühl, wirklich präzise gesagt wird es nicht.

Bisher hat Jana sich planlos durch ihr Leben treiben lassen. Nun da sie herausgefunden hat, wer ihr Vater ist, hat sie die Hoffnung etwas über sich zu erfahren. In dieser Hoffnung schwingt auch der Wunsch mit, dass, wenn sie ihre Wurzeln gefunden hat, auch selbst welche schlagen kann. Und das wünscht man ihr als Leser:in aus tiefsten Herzen.

Obwohl Jana im Vorfeld genau überlegte, wie sie als weitaus Jüngste auf dem Schiff weniger auffällt, geht dieser Plan nicht auf und beschert dem Roman manche Situationskomik. Die Szenen sind urkomisch und tragen dennoch eine gewisse Tragik in sich. Der präzise Erzählstil lässt Unnötiges aus, zeugt jedoch von einer wunderbaren Beobachtungsgabe. Das vorsichtige Herantasten an den Vater ist schnörkellos und voller nüchterner Emotion erzählt. Wir nehmen teil an Janas Zweifeln, ihrer Unsicherheit, die mit dem Wunsch endlich ihren Vater kennenzulernen kämpfen. Jedes Kapitel beschreibt einen Tag auf dem Fluss.

Mich hat der Debütroman von Ilona Hartmann hervorragend unterhalten. Ich habe gelacht, ich habe mitgefühlt.

Fazit

Ein gelungener Debütroman. Witzig, tiefgründig und ehrlich.

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Veröffentlicht am 31.08.2021

Es brennt an zu vielen Stellen

Der Brand
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Meinung

Auf nüchterne Weise beschreibt Daniela Krien aus Rahels Sicht den Verlauf dieser drei Sommerwochen. Wir tauchen ein in Rahels Gedankenwelt und erfahren einiges über ihre Ehe und Kindheit, aber ...

Meinung

Auf nüchterne Weise beschreibt Daniela Krien aus Rahels Sicht den Verlauf dieser drei Sommerwochen. Wir tauchen ein in Rahels Gedankenwelt und erfahren einiges über ihre Ehe und Kindheit, aber auch über das Verhältnis zu ihren eigenen Kindern. In kleinen Schritten nähern wir uns den tief sitzenden Problemen, die nie ausgesprochen werden.

Sehr gelungen sind die Ortsbeschreibungen der ruhigen Landschaft der Uckermark. Die Tiere, die sich schnell an die Urlauber gewöhnen und in erster Linie zu Peter eine innige Bindung aufbauen. Diese Idylle steht ganz im Gegensatz zu den emotionalen Stürmen, welche die Charaktere durchlaufen.

Die Ehekrise als Thema des Buches wird allzu schnell von schwierigen Eltern-Kind-Beziehungen überholt, die Rahel und Peter sowohl zu ihren eigenen Eltern hatten als auch jetzt mit ihren Kindern durchleben. Hinzu kommen weitere zahlreiche Themen, die angerissen und wieder verworfen werden. Die Krise zwischen Peter und Rahel, ihre Annäherung werden dadurch aus meiner Sicht unverhältnismäßig zurückgedrängt. Viele dieser Themen, die von außen kommen, beeinflussen Rahel und Peter, doch hätte ich mir gewünscht, dass die Erzählung näher an den Figuren bleibt.

Rahel, Ende 40, Peter, Mitte 50, kommen mir aufgrund ihrer Denkweise und der immer wiederkehrenden Auflistung ihres körperlichen Verfalls um mindestens zehn Jahre älter vor. Ich hatte große Schwierigkeiten mir die Zwei in ihrem angegeben Alter vorzustellen. Natürlich habe ich berücksichtigt, dass sie sehr früh Eltern geworden sind und somit in einer Lebensphase sind, in die andere erst später eintreten. Dennoch passte es für mich nicht.

Der Roman verstrickt sich in allerlei gesellschaftskritischen Themen und verliert dabei die wesentliche Handlung aus dem Blick. Anders als „Liebe im Ernstfall“ wird mir dieses Buch mit all den extrem anstrengenden Charakteren, zu denen ich keinen Bezug gefunden habe, nicht lange im Gedächtnis bleiben. Dabei ist der schnörkellose Schreibstil überzeugend und kurzweilig, nur der Inhalt konnte mich nicht überzeugen.


Fazit

Vom Thema abgekommen, will der Roman zu viele gesellschaftliche Punkte ansprechen, ohne diese überhaupt vertiefen zu können. Aus dem Grund bleibt vieles angerissen, unverfolgt und oberflächlich, dabei tritt die eigentliche Problematik der Ehekrise in den Hintergrund. Mich hat das Buch ratlos und ein wenig unzufrieden zurückgelassen.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Lebensnahe Erzählung

Wildtriebe
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Inhalt

Der Bethches Hof ist nach den Frauen benannt, die ihn prägten. Die bislang letzte in dieser Reihe ist Lisbeth, eine traditionsbewusste Großbäuerin. Doch die Zeiten in der Landwirtschaft ändern ...

Inhalt

Der Bethches Hof ist nach den Frauen benannt, die ihn prägten. Die bislang letzte in dieser Reihe ist Lisbeth, eine traditionsbewusste Großbäuerin. Doch die Zeiten in der Landwirtschaft ändern sich. Als ihr Sohn heiratet, zieht die Schwiegertochter auf dem Hof. Marlies ist eine moderne Frau, die nicht von einem Bauernhof stammt und sich an dessen Rhythmus erst gewöhnen muss. Bald entstehen die ersten Konflikte zwischen den zwei Frauen. Wortlos werden diese ausgetragen. Anfangs bemüht Marlies sich ein Teil der Familie zu werden, doch immer öfter sucht sie lieber das Weite, als ihren Platz auf dem Hof einzunehmen. Ihre Tochter Joanna soll später, wenn sie erwachsen ist, freier in ihren Entscheidungen sein. Joanna wächst zwar zu einer selbstbestimmten, jungen Frau heran, doch unterscheiden sich ihre Vorstellungen vom Leben sehr von den Plänen, die Marlies für ihre Tochter hat. Drei Frauen, drei Generationen, drei Lebenswege, geprägt von der Unfähigkeit miteinander zu reden.

Meinung

Unprätentiös beschreibt der Debütroman „Wildtriebe“ von Ute Mank das Leben auf einem traditionellen Bauernhof. Hierbei stehen drei Generationen Frauen im Fokus. Zwischen Tradition und Moderne müssen sie allerlei Erwartungen standhalten. Erwartungen der Familie, der Nachbarn und auch den eigenen.

Von Lisbeth wurde, nach dem beide Brüder im Krieg gefallen sind, erwartet, den Hof zu übernehmen. Ihre Eltern, besonders ihre Mutter, sind am Tod der Söhne zerbrochen und waren für die junge Lisbeth keine große Hilfe mehr. Zum Glück hatte sie Karl, der für sie auf seinen eigenen Hof verzichtete. Schnell wurden sie ein eingespielten Team. Jeder kannte seine Platz, seine Aufgaben und wichtige Dinge wurden abends im Bett besprochen. Doch die Ehe bleibt lange kinderlos und der Druck auf Lisbeth erhöht sich. Sie fühlt sich dem Gerede der anderen Dorfbewohner ausgesetzt. Bezeichnend für die Zeit ist es aus meiner Sicht, dass Lisbeth nie der Gedanke kommt, dass es an Karl liegen könnte. Sie sieht es zeitlebens als ihr persönliches Versagen an, obwohl Karl immer zu ihr steht. Die alte Generation hat sich nie gefragt, ob es ein Leben abseits des Hofs geben könnte. Einen großer Bauernhof zu bewirtschaften war mehr, als die meisten hatten. Lisbeth und Karl sind mit ihrem Schicksal zufrieden.

Marlies kommt aus bürgerlichen Verhältnissen. Als Mädchen wurde sie von Kindesbeinen dazu erzogen einmal zu heiraten und Mutter zu werden. Andere Möglichkeiten werden für sie ausgeschlossen. Zwei Jahre lang gehen sie und Konrad zusammen aus, dann ist es an der Zeit zu heiraten. Wie damals üblich zieht Marlies zu Konrad auf den Hof. Schon kurz nach der Hochzeit spürt Marlies, dass sie fehl am Platz ist. Es ist ein furchtbares Dilemma, in das Marlies hineinschlittert. Sie ist gefangen in den Konventionen und kann sich daraus nicht befreien.

Der Autorin gelingt es vortrefflich diesen Zwiespalt zu beschreiben. Marlies Auszeiten, in denen sie den Hof, Konrad und Lisbeth vergessen kann und doch immer wieder der aufkommende Druck, Erwartungen erfüllen zu müssen, die seit jeher an sie gerichtet wurden, und ihr innerer Kampf sich dagegen aufzulehnen. Oftmals steht sie sich selbst im Weg, gefangen in ihrer Wortlosigkeit. Die Freundin als Gegenpol, die anscheinend alles so mühelos bewältigt und in der Rolle der Hausfrau und Mutter aufgeht.

Durch ihre Unfähigkeit ihre Gefühle auszudrücken, entfernt Marlies sich auch von ihrer Tochter. Ab der Pubertät scheint Marlies kaum an Joanna heranzukommen, was auch nicht besser wird, als Joanna aus Afrika zurückkommt. Joanna wendet sich eher an ihre Oma Lisbeth, sie ist ihre Vertraute in der Familie. Ich hatte nie das Gefühl, dass Lisbeth ihrer Schwiegertochter absichtlich das Leben schwer macht, doch auch ihr fehlen die Worte, die eine Brücke hätten schlagen können. Zu verschieden sind die Frauen auf dem Bethches Hof.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Lisbeths oder Marlies Sicht geschildert. Ihre Gedanken und Erinnerungen geben Aufschluss über das Innenleben der Zwei, die ansonsten nie über sich reden. Der unaufgeregte Schreibstil der Autorin passt zur Geschichte und den Figuren, die allesamt wahrhaftig erscheinen. Die Männer treten nur am Rande in Erscheinung, manches muss man sich eher denken, als das es geschrieben steht. So bleiben manche Sätze unvollständig. Auch hier, lieber weniger als zu viele Worte. Die Romanerzählung erstreckt sich über ungefähr 25 Jahren und endet mit einem Hoffnungsschimmer für alle Charaktere.

Als Leser:in erfährt man viel über den Wandel des Hoflebens. Zu Lisbeths Zeiten beschäftigte der Hof viele Knechte und Mägde, dann kamen die Maschinen und die politischen Reglementierungen und dann das aus. Lisbeth war mir von den drei Frauen am nächsten. Ich konnte sie gut verstehen, vielleicht auch, weil ich Ähnlichkeiten zu meiner Oma entdeckte. Marlies empfand ich als anstrengend. Ihr fehlt meiner Meinung nach nicht nur das Gespür für ihre eigenen Bedürfnisse, sondern auch Empathie für die Menschen, die ihr Nahe stehen sollten. Diese krankhafte Eifersucht auf Lisbeth, habe ich nur bedingt nachvollziehen können. Ich kann verstehen, dass sie das Beste für ihre Tochter will, allerdings ahmt sie das Verhalten ihrer Eltern nach und fragt nie danach, was Joanna will. Ebenso zeigt sie kaum Interesse an Konrad. Sie entscheidet allein. Was er möchte, übergeht sie einfach. Dabei versucht er sie in allem zu unterstützen. Er nimmt wesentlich mehr Rücksicht auf sie als sie auf ihn. Für mich ist Marlies die einsamste Person in dem Roman, weil sie nie gelernt hat, Dinge zu auszusprechen oder sich Konflikten zu stellen.

„Wildtriebe“ ist ein ruhiger Roman, der von drei Frauen erzählt, die versuchen den Erwartungen ihrer Zeit gerecht zu werden und darüber ihre eigenen Bedürfnisse aus den Blick verlieren. Ihre Generationenkonflikte entstehen vor allem durch ihre Unfähigkeit miteinander zu reden.



Fazit

Ein ganz wunderbarer, lebensechter Roman. Wem beispielsweise die Romane von Dörte Hansen gefallen haben, wird „Wildtriebe“ ebenso gerne lesen. Für mich ein vollkommenes Lesevergnügen und eines der besten Bücher.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

Schwache Erzählung

Wir sehen uns unter den Linden
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Inhalt

Im Frühjahr 1945 muss Sanne miterleben wie die Gestapo ihren Vater in ihrer Wohnung erschießt. Ein traumatisches Erlebnis, das das junge Mädchen prägt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie ...

Inhalt

Im Frühjahr 1945 muss Sanne miterleben wie die Gestapo ihren Vater in ihrer Wohnung erschießt. Ein traumatisches Erlebnis, das das junge Mädchen prägt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie sich mit Leib und Seele dem Aufbau des sozialistischen Staates verschrieben hat. Obwohl der Aufstand 1953 und dessen Folgen Zweifel in ihr wach rufen, ist ihr Glaube in die Grundsätze der DDR unerschütterlich. Auch als sie den westdeutschen Koch Kelmi kennenlernt und sich in ihn verliebt, ist sie keinesfalls bereit ihre Einstellung zu ändern. Doch Kelmi bleibt hartnäckig und ist bereit für seine Liebe kämpfen. Werden sie es schaffen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, um zusammen einen neues Leben zu beginnen?



Meinung

Die Romane der Autorin Charlotte Roth habe ich meistens mit Vergnügen gelesen, daher freute ich mich auf ihr neues Werk „Wir sehen uns unter den Linden“. Dieses Mal wurden meine Erwartungen allerdings enttäuscht. Die Erzählung, die im Dritten Reich und in den Aufbaujahren der DDR spielt, entbehrt jeglicher Spannung. Oftmals habe ich mich während der Lektüre gefragt, wann die Geschichte endlich beginnt. Es plätschert dahin, ohne das etwas relevantes passiert. Der Roman verliert sich zu sehr in Belanglosigkeit, dabei bleiben die wirklich spannenden Themen außen vor. Wie beispielsweise als Sannes beste Freundin verschwindet, wird das nicht weiter verfolgt, obwohl die Geschichte drumherum interessant gewesen wäre.

Die Hauptfigur wird auf den ersten Seite als Suse eingeführt, wenige Seiten später nennt man sie Sanne und für Kelmi ist sie Susu. Am Buchanfang hat mich dieser Namenswechsel irritiert, denn erst wesentlich später wird aufgeklärt, dass sie nach dem Tod ihres Vaters nicht mehr Suse genannt werden wollte.Überhaupt ging mir Sanne unfassbar auf die Nerven. Sie hat Schlimmes erlebt und es ist sicher nicht einfach die Ermordung des Vaters mitzuerleben, doch ist es für mich keine Entschuldigung dafür, das Sanne engstirnig, verbissen und rechthaberisch ist. Außerdem macht sie, wie leider die meisten Figuren in diesem Roman, einen ziemlich naiven und dümmlichen Eindruck. Die schlauste ist sie jedenfalls nicht. Sie hinterfragt nichts und hält sich an dem Bild ihres Übervaters fest. Bis zum Schluss ist keinerlei Entwicklung bei ihr zu sehen. Sanne bleibt völlig unreflektiert. In dauernder Wiederholungsschleife kommen von ihr dieselben sozialistischen Frasen. Irgendwann habe ich nur noch weitergeblättert, weil ich es mich nicht nur entsetzlich nervte, sondern auch langweilte.

Es kommt sehr selten vor, dass ich mit so gar keinem Charakter etwas anfangen kann. „Wir sehen uns unter den Linden“ ist jedoch einer dieser Romane. Ich habe weder verstanden, warum sich Sannes Eltern ineinander verlieben noch warum sich Kelmi in Sanne verliebt. Das Sanne echte Gefühle für ihren Koch hat, davowar ich bis zum Schluss nicht überzeugt, auch umgekehrt habe ich auch Kelmi nicht nachvollziehen können. Ich fragt mich, was er an der zänkischen Sanne findet und warum er ihr ständig nachläuft. Kelmi empfand ich als oberflächlich und das meiste, was er von sich gab, war irgendein Blödsinn. Ich konnte ihn beim Besten Willen nicht ernst nehmen. Sannes Mutter und ihre Tante Hille sind ebenfalls naiv, dumm und farblos. Hille soll wohl auch so wirken, wodurch sie aber gerade am Ende völlig unglaubwürdig wird.

„Wir sehen uns unter den Linden“ ist in acht Teile mit einer variablen Anzahl Kapitel eingeteilt. Die Erzählung beginnt im Frühjahr 1945, als Sannes Vater erschossen wird. Danach springt der Roman zurück in die 1920iger, als sich Ilona und Volker kennenlernten. Im nächsten Teil erfolgt wiederum ein Zeitsprung in die 50iger. Sowohl die Zeitebene der „Vergangenheit“ als auch die „Gegenwart“ werden chronologisch wiedergegeben, sodass es verständlich zu lesen ist.

Dennoch nimmt die Geschichte an keinem Punkt Fahrt auf. Selbst der Schluss lässt mich ratlos zurück. Natürlich sind die historischen Ereignisse und Orte hervorragend recherchiert, aber der Erzählung und den Charakteren fehlt es meiner Meinung nach an allem, was einen Roman ausmacht. Weder eine mitreißende Geschichte noch authentische Charaktere,mit denen man mitfiebert, sind in dem Buch zu finden. „Wir sehen uns unter den Linden“ kommt an die wunderbaren, vorherigen Romanen von Charlotte Roth nicht heran.



*Fazit

Zwischen mir und dem Roman ist der Funke leider nicht übergesprungen. Bei dem nächsten Buch von Charlotte Roth wird das vielleicht wieder anders sein.

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