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Veröffentlicht am 14.12.2020

kurzweilige Reise durch die Weltgeschichte

Wie Hitler das Skateboard erfand
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Danny Kringiel ist Redakteur im Zeitgeschichtsressort „einestages“ bei Spiegel online. Dort betreut er seit 2012 die Reihe „In sieben Schritten“. Es ist eine Reise durch das historische Geschehen und ...

Danny Kringiel ist Redakteur im Zeitgeschichtsressort „einestages“ bei Spiegel online. Dort betreut er seit 2012 die Reihe „In sieben Schritten“. Es ist eine Reise durch das historische Geschehen und zeigt wie alles irgendwie miteinander zusammenhängt.
In dem Buch „Wie Hitler das Skateboard erfand“ findet sich eine Auswahl von diesen in sieben Schritten hergeleiteten historischen Verbindungen. Das Buch ist in, wie soll es anders sein, in sieben Abschnitte unterteilt. Beginnend mit „Zeitsprung in der Platte“. Dieser Abschnitt behandelt beispielsweise „Wie das NS -Regime Justin Biber zu einer Backgroundtänzerin verhalf. Im Abschnitt „Erfindungen mit Nebenwirkungen“ hingegen gibt es ein Kapitel, das erklärt „Wie die Erfindung der Glühbirne Frank Sinatra zur tödlichen Waffen machte“.
Darüber hinaus schildert der Autor anschaulich den Entstehungsprozess dieser teilweise sehr abstrusen Herleitungen. Er erklärt, was gerade ihn dazu befähigt, diesen Dingen auf den Grund zu gehen und wie viele Versuche er benötigt, um wirklich in sieben Schritten ans Ziel zu kommen. Für ihn ist seit jeher der Weg das Ziel. Dafür nimmt er gerne gedankliche Umwege in Kauf.
„Wie Hitler das Skateboard erfand“ ist eine kurzweilige und sehr unterhaltsame Weise durch die Weltgeschichte zu reisen. Manche Dinge haben mich verblüfft, andere fand ich doch sehr weit hergeholt. Die kurzen Unterbrechungen nach den jeweiligen Abschnitten, wie die Einblicke in den Arbeitsalltag des Autors, lockern das Buch auf und machen deutlich, dass man nicht alles zu ernst nehmen sollte. Auch wenn die Recherchearbeit akribisch durchgeführt wird.

Fazit

Für alle Leser, die sich überraschen lassen oder auf der nächsten Party mit erstaunlichem Wissen brillieren wollen, ist es das perfekte Buch. Es ist humorvoll und voller Leichtigkeit, die allerdings hart erarbeitet ist. Denn es ist nicht leicht, historische Zusammenhänge in sieben Schritten miteinander zu verbinden. Eine gelungene Zusammenfassung der Highlights.

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Veröffentlicht am 06.12.2020

Eine einfühlsame, bewegende Geschichte zweier Familien und die Frage, wie viel Schuld trägt der Einzelne an seinem Schicksa

Wenn du mich heute wieder fragen würdest
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Handlung

Die Geschichte beginnt 1973, kurz nachdem Francis Gleeson aus Irland nach New York kommt und dort Polizist wird. Er lernt die italienisch-polnisch stämmige Lena kennen und heiratet sie. Von seinem ...

Handlung

Die Geschichte beginnt 1973, kurz nachdem Francis Gleeson aus Irland nach New York kommt und dort Polizist wird. Er lernt die italienisch-polnisch stämmige Lena kennen und heiratet sie. Von seinem Kollegen Brian erfährt er von dem Gillam, einem ruhigen Vorort, der sich perfekt für Familien eignet. Einige Zeit nachdem sich Francis und Lena dort ein Haus gekauft haben, zieht auch Brian mit seiner Frau Anne dorthin. Wie es der Zufall will direkt ins Nebenhaus.
Eigentlich könnte man annehmen, dass die jungen Familien sich anfreunden. Die Männer sind Kollegen, die Ehepaare im gleichem Alter, doch jeder Versuch von Lena Gleeson eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen, wird von Anne Stanhope abgeschmettert. So bleiben die Stanhopes in dem kleinen New Yorker Vorort weitestgehend isoliert.

Francis und Lena führen ein glückliches Familienleben. Brian und Anne hingegen scheinen Probleme zu haben. Auch mit ihrem Kinderwunsch dauert es eine Zeit. Ihr einziger Sohn Peter findet schwer Kontakt zu anderen Kindern. Seine beste Freundin ist ausgerechnet die jüngste Tochter von nebenan. Peter ist ein stiller, zurückhaltender Junge. Kate hingegen ist wagemutig und aufgeweckt.

Die Eheprobleme der Stanhopes machen auch vor Peter nicht Halt. Zudem hat Anne immer öfter depressive Phasen, die Peter aufzufangen versucht. Sein Vater Brian ist ihm kaum eine Hilfe. Nichts von diesen Problemen dringt nach Außen.

Als Peter und Kate sich kurz vor ihrem Highschool Abschluss ineinander verlieben, beginnt sich die Situation zwischen den Familien zuzuspitzen. Doch die Gleesons haben keine Ahnung davon, was bei den Stanhopes tatsächlich vor sich geht. Als Peter spät abends bei den Gleesons klopft, um die Polizei zu rufen, marschiert Francis wie selbstverständlich nach nebenan, um nach dem Rechten zu sehen. Nie hätte er für möglich gehalten, was ihn in dem Haus erwartet. Dieser Abend wird das Leben beider Familien grundlegend ändern.
Auch die gerade aufblühende Liebe zwischen Kate und Peter findet an dem Abend ein jähes Ende. Ist es wirklich ein endgültiges Ende oder können Kate und Peter es schaffen, den scheinbar unüberbrückbaren Graben zwischen ihren Familien irgendwann zu überwinden?


Meinung

Wir begleiten die zwei Familien über drei Jahrzehnte. Schnell wird deutlich, dass Anne unter schweren psychischen Problemen leidet, Brian dies jedoch konsequent ignoriert. Leidtragender ist Peter. Lange Zeit dringt nichts von diesen Problemen nach draußen. Auch als das Offensichtliche nicht mehr zu verbergen ist, bleibt es unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit. Erst durch ein furchtbares Unglück löst sich die unerträgliche Situation bei den Stanhopes auf.

Die Heranwachsenden Kate und Peter werden abrupt auseinander gerissen und finden erst Jahre später wieder zueinander. Doch der Hass ihrer Familien sitzt tief. Erst müssen sie sich ihren Familien stellen und dann sich selbst, denn weder an Kate und schon gar nicht an Peter sind die damaligen Ereignisse spurlos vorbeigegangen. Jeder der Charaktere kämpft mit seinen Dämonen, die sich nicht einfach abschütteln lassen.

Die Autorin erzählt abwechselnd aus den unterschiedlichen Perspektiven ihrer Figuren. So bekommt der Leser Einblick in die Gedankenwelt und die Vergangenheit des jeweiligen Charakters. Der Roman erzählt seine Geschichte hauptsächlich chronologisch. Zeitsprünge entstehen durch die Erinnerungen der Figuren. Manches wird eher indirekt erzählt. Durch diese verschiedenartigen Erzählweisen, hält der Roman seinen Spannungsbogen über die 462 Seiten konstant aufrecht. Es ist die Feinfühligkeit des Buches, welche die Charaktere lebendig und authentisch wirken lässt. Zu keiner Zeit gibt es Schuldzuweisungen. Der Leser kann sich sein eigenes Bild machen.

Mary Beth Keane erzählt mit großer Sensibilität von zwei Familien und davon, wie sich das Leben in nur einem kurzen Moment grundlegend ändern kann. Trotz der fast unlösbaren Probleme, bleiben die Familien, vor allem durch Kate und Peter, miteinander verbunden.


Fazit

Es ist einer der besten Romane, die ich in diesem Jahr lesen durfte. Von der ersten Seite an, hat mich die Geschichte gepackt. Besonders möchte ich die brillante Erzählweise hervorheben, die das Buch zu einem einzigen Lesevergnügen macht. Ich konnte mich gut in die Charaktere hineinversetzen. Der Autorin ist es gelungen, die Entwicklung der Geschichte durch die abwechselnden Perspektiven nachvollziehbar zu inszenieren. Vor allem Anne, die auf mich zu Beginn arrogant und unsympathisch wirkt, konnte ich am Ende vieles verzeihen und Verständnis für sie entwickeln. Die Frage nach Schuld ist ein zentrales Thema in dem Buch. Was ist Schicksal, was die Summe der Entscheidungen und wer trägt die Schuld? Der Roman zeigt, dass es darauf nie nur eine Antwort geben kann, denn wir alle können die Zukunft nicht voraussehen. Manchmal muss man die Dinge nehmen, wie sie kommen und dann lernen damit umzugehen und zu verzeihen.
Es ist ein außergewöhnlicher Roman, den ich nur empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 12.11.2020

Ein lesenswerter Gedankenweg

Hope Street
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In 28 Kapitel nimmt Campino den Leser mit auf eine Reise. Wir begleiten ihn zu sämtlichen Spielen des Liverpooler FCs. Darüber hinaus beleuchtet er seine innige Verbundenheit zu England, deren Grundstein ...

In 28 Kapitel nimmt Campino den Leser mit auf eine Reise. Wir begleiten ihn zu sämtlichen Spielen des Liverpooler FCs. Darüber hinaus beleuchtet er seine innige Verbundenheit zu England, deren Grundstein sicher seine von dort stammende Mutter legte.

Im August 2019 beginnt eine turbulente Saison. Liverpool startet als frisch gekürter Champions-League-Sieger. Für Campino ist es die 47. Saison, die er als Liverpool Anhänger erlebt. Wenn möglich, steht er im Stadion. Ganz egal, ob es das Stadion an der Anfield Road ist oder eines in der Wüste Katars. Es sind nicht nur die Spiele an sich, die sein Leben als Fan bereichern, sondern auch die Begegnungen, die er dabei erlebt. Diese besonderen Momenten schildert Campino in seinem Buch. So trifft er den Stadionsprecher des LFC in einem Pub oder besucht den aktuellen Trainer des Vereins Jürgen Klopp in seinem Haus. Über die Jahre sind durch den Fußball viele Freundschaften entstanden.

Die Fans des Liverpool FCs sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die zusammen steht. Campino berichtet von diesem Gefühl der Verbundenheit und dem Drang dabei sein zu wollen. Doch das „Dabei sein“ hat auch oftmals seinen Preis. Vieles in seinem Kalender richtet sich nach den Spielen des Clubs. Falls es mal nicht möglich ist vor Ort zu sein, müssen Lösungen her, damit Campino wenigstens aus der Ferne zusehen kann. Auf sehr humorvolle Weise schildert Campino sein Verhalten in solchen Situationen und lässt hierbei auch Reaktionen aus seinem direkten Umfeld nicht aus. Manches, was er für seinen Fußball Club auf sich nimmt, sieht er anscheinend selbst mit einem Augenzwinkern. Trotzdem sollte man sich von den selbstkritischen Passagen nicht täuschen lassen, die Sache an sich ist ihm sehr ernst.

Neben den Erlebnissen rund um die Spiele, blickt Campino zurück auf seine Familiengeschichte. Seine Eltern lernen sich an der Universität Göttingen kennen, die erste, die im britischen Sektor kurz nach dem Krieg den Betrieb wieder aufnahm. Seine Mutter Jennie gehört zu einer Auswahl britischer Studenten, die sich mit den deutschen Studenten austauschen sollen. Es wird nicht einfach gewesen sein, in dieser Zeit eine gemeinsame Zukunft zu planen. Doch Campinos Mutter wagt den Schritt und zieht nach Deutschland. Anhand von Briefen und Erinnerungen zeichnet Campino sein deutsch-englisches Familienleben nach. Er schreibt über Urlaube in Cornwall, erinnert sich an den Alltag in Mettmann und bedauert, dass er seinen Eltern manche Frage nie gestellt hat.

Ausgangspunkt der meisten Kapitel ist ein Fußballspiel. Doch schnell machen sich die Gedanken des Autors auf ihren eigenen Weg und schweifen in die Vergangenheit. Mal erinnert er sich an Situationen in der Familie oder Momente mit Freunden oder mit seiner Band. Er springt zwischen seinen Erinnerungen hin und her. Als Leser wusste ich nie, was wohl als nächstes kommt. Mein Interesse an seinen Gedankengängen hat jedoch an keinem Punkt nachgelassen. Gerade die Umstände, unter denen seine Eltern sich kennenlernten, haben mich beeindruckt. Ich glaube nicht, dass ich den Mut gehabt hätte, in ein vom Krieg noch völlig zerstörtes Land zu ziehen, in dem ich mit großer Wahrscheinlichkeit weiter als Feind gesehen werde.

In dem Buch geht es zwar hauptsächlich um den Liverpooler FC, dennoch ist es auch ein Buch über Leidenschaft, Liebe, Familie und Freundschaft. Vielleicht kann nicht jeder Campinos Passion für den LFC nachvollziehen, aber es gibt nun einmal Dinge, die für einen selbst von höchster Wichtigkeit sind, die in den Augen anderer jedoch völlig belanglos erscheinen. Wesentlich dabei ist meiner Meinung nach, dass es einen glücklich macht.


Fazit

Campino gewährt in diesem Buch sehr private Einblicke in sein Leben. Vieles hat mich zum Schmunzeln gebracht, dennoch gibt es einige ernsthafte Passagen. Wer ein lustiges, oberflächliches Buch erwartet, liegt falsch. Das er es bedauert, seinen Eltern manche Frage nicht gestellt zu haben, kann ich gut nachvollziehen. Es ist großartig, dass so viele Feldpostbriefe in der Familie erhalten sind. Mir haben vor allem die Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen gefallen. Niemals kam dabei eine Art von Rockstar Attitüde hervor. Ob man diese Fußball Leidenschaft immer verstehen kann, bleibt dahingestellt, aber darum geht es auch gar nicht. Es ist ein außergewöhnliches Buch, das mit seiner offenen und ehrlichen Art punktet. Ich würde mich freuen, wenn Campino die ein oder andere Geschichte, die er erlebt hat, nochmal in Buchform packt. Hope Street ist ihm jedenfalls fabelhaft gelungen.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Humorvoll, schnörkellos, einfach wunderbar

Just Like You
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Handlung

Lucy, 42 Jahre alt, Mutter von zwei Jungs, getrennt lebend und Lehrerin an einer staatlichen, Londoner Schule. Ihre bisherigen Dates verliefen wenig erfolgreich.

Als sie zufällig den zwanzig ...

Handlung

Lucy, 42 Jahre alt, Mutter von zwei Jungs, getrennt lebend und Lehrerin an einer staatlichen, Londoner Schule. Ihre bisherigen Dates verliefen wenig erfolgreich.

Als sie zufällig den zwanzig Jahre jüngeren Joseph kennenlernt, entwickelt sich etwas zwischen ihnen, wogegen sich beide zunächst sträuben. Zu mächtig scheinen ihre Unterschiede:

Lucy kommt aus der klassischen Mittelschicht. Joseph ist dunkelhäutig und im sozialen Brennpunkt Tottenham zu Hause. Lucy ist gefestigt in ihrem Leben, Joseph ist noch auf der Suche. Er hat mehrere Jobs und nur eine vage Vorstellung von seinem beruflichen Ziel. Auch politisch sind Lucy und Joseph unterschiedlicher Auffassung. Er ist für den Brexit, sie dagegen. Trotzdem knistert es zwischen ihnen und sie sind mutig genug es zu versuchen. Doch wie lange kann eine solche Beziehung gut gehen?


Inhalt

Lucy tennte sich vor einiger Zeit von ihrem Mann. Sein immenses Alkoholproblem schadete der Familie, sodass Lucy konsequent handeln musste, um ihre zwei Jungs zu schützen. Lucy ist Lehrerin an einer staatlichen Schule in London, die eher zu den „Problemschulen“ zählt. Dennoch führt sie ein normales Mittelstandleben. Ihre Freunde haben gut dotierte Jobs, sind Intellektuelle und erfolgreiche Kulturschaffende.

Als Lucy in der Metzgerei den jungen Verkäufer Joseph kennenlernt, bittet sie ihn, einen Abend auf ihre Jungs aufzupassen. Joseph ist Anfang zwanzig und schlägt sich mit verschiedenen Jobs durch. Er trainiert eine Jugendmannschaft im Fußball, arbeitet im Freizeitzentrum und jeden Samstag in der Metzgerei. Nebenbei bastelt er an Musikstücken, um vielleicht einmal mit der Musik groß raus zukommen. Joseph wohnt bei seiner Mutter in Tottenham.

Joseph versteht sich gut mit Lucys Jungs und kommt nun öfter zum Aufpassen. Dadurch lernen sich auch Lucy und Joseph besser kennen. Es knistert zwischen ihnen, was beide vorerst ignorieren. Es kommt schließlich, wie es kommen muss, sie verlieben sich und halten ihre Affäre zunächst geheim. Zu groß erscheinen beiden ihre Unterschiede. Ihre Lebensweise, ihre politische Einstellung und der Altersunterschied von 20 Jahren.

Angesichts dessen scheint es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder getrennte Wege gehen. Doch die Liebe fragt nicht nach solchen Nichtigkeiten und verfolgt ihren eigenen Plan.


Meinung

Ich mochte Lucy auf Anhieb. Sie ist unprätentiös, pragmatisch und steht mit beiden Beinen im Leben. Ebenso mochte ich Joseph. Auf den ersten Blick wirkt er ziellos, auf dem zweiten merkt man, dass sich hinter seiner Fassade ein suchender, junger Mann verbirgt, der noch viele Unsicherheiten mit sich herumträgt. Trotz allem ist er mutig genug die richtigen Fragen zu stellen. Joseph ist wie Lucy pragmatisch, aber auch nachdenklich. Beide Figuren haben mehr gemeinsam, als es den Anschein hat.

Nick Hornby ist ein präziser Beobachter des Alltäglichen. Und so sind seine Romane von der Komik des Alltags geprägt. Auf äußerst unterhaltsame Weise schafft er es, die auftauchenden Konflikte unterhaltsam zu behandeln. Dabei überlässt er es den Figuren sich ihren Meinungsverschiedenheiten zu stellen und gibt ihnen sehr glaubhafte Argumente an die Hand. Als Autor verzichtet Nick Hornby darauf Stellung zu beziehen oder eine Wertung abzugeben.

Eine Frau, mit einem wesentlichen jüngeren Mann, birgt auch heute noch Konfliktpotential. Wohingegen Männer mit sehr jungen Frauen toleriert werden. Ich finde es gut, dass es zum Thema wird, denn all ihre Widersprüchlichkeiten sind beim näheren Hinsehen gar nicht allzu schwerwiegend. Die größte Hürde wird wohl sein, dass Joseph vielleicht eines Tages eine Familie bzw. eigene Kinder haben will.

Der Roman verzichtet auf jeglichen romantischen Schnickschnack. Dieser hätte auch nicht zu den Figuren gepasst. Es gibt keine Rosenblätter auf dem Bett oder ausführliche Beschreibungen des ersten Kusses. Der Fokus liegt auf den wirklichen und den gemachten Problemen und auf dem Mut, den es braucht, sich auf eine Liebesbeziehung einzulassen. Denn ein Wagnis ist es immer. Genauso ist man bei einem neuen Partner unsicher, was Familie und Freunde sagen. Es ist eine völlig schnörkellose und echte Liebesgeschichte. Es sind die kleinen Gesten und Veränderungen, welche die Liebe zwischen den beiden meiner Ansicht nach hinreichend ausdrückt. So achtet z.B. Joseph bei einer SMS an Lucy auf seine Schreibweise. Sie ist schließlich Lehrerin, auch wenn sie das nie betont.


Fazit

Seit 1996 „High Fidelity“ gelesen habe, liebe ich Nick Hornby. Seine Figuren sind in all ihren Emotionen immer authentisch. Zudem liebe ich seinen Humor, der mich auch in „Just like you“ begeistern konnte. Viele Dialoge zeugen von einer großartigen Situationskomik. Da ich im selben Alter wie Lucy bin, konnte ich mich sehr gut gerade in ihre Figur hineinversetzen. Ich denke, es ist ein Geschenk, wenn man sich verliebt und man sollte dabei mehr im Hier und Jetzt leben. Sowie es Lucys Jungs tun, die ich übrigens super finde.
Meiner Meinung nach ist es Nick Hornby fabelhaft gelungen alle Positionen zum Brexit verständlich darzulegen. Er zeigt, wie wichtig es ist, einander zu zuhören, bevor man sein Urteil über eine Person fällt. Er schneidet in diesem Roman viele aktuelle Themen, wie beispielsweise Rassismus, an, ohne das sie den Roman dominieren. Ich denke, dass es die wichtigste Botschaft des Romans ist, den Mut zu haben, sich auf jemanden einzulassen, jemanden zu zuhören, der auf dem ersten Blick vielleicht das genaue Gegenteil von einem selbst ist.
Für mich ist es ein absolut gelungener Roman, weil mich die Normalität dieser Geschichte vollkommen in ihren Bann gezogen hat. Ich kann gar nicht glauben, dass Lucy und Joseph nur im Roman leben.

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Veröffentlicht am 03.10.2020

Kurze Geschichten, kurze Begegnungen mit Personen, virtous miteinander verknüpft

Turbulenzen
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Erste Turbulenzen gibt es auf dem Flug von London nach Madrid. Eine ältere Dame mit Flugangst, versucht diese mit Bloody Marys zu betäuben und kommt ins Gespräch mit einem afrikanischen Geschäftsmann. ...

Erste Turbulenzen gibt es auf dem Flug von London nach Madrid. Eine ältere Dame mit Flugangst, versucht diese mit Bloody Marys zu betäuben und kommt ins Gespräch mit einem afrikanischen Geschäftsmann. Die Dame verlassen wir in Madrid und begleiten den Geschäftsmann weiter nach Dakar, wo ihn eine schrecklich Nachricht erwartet.
In dieser Weise wird der Stab jeweils an eine andere Person weitergereicht, einmal rund um den Globus. Ausschnitthaft erzählt der Roman von den unterschiedlichsten Menschen.

Handlung

In kurzen Episoden gibt „Turbulenzen“ Einblicke in die jeweilige Lebenssituationen von verschiedenartigen Menschen. Wie ein Staffelstab übergibt der eine Charakter an den nächsten. Turbulenzen gibt es auf den Flügen, sie sind jedoch ebenso übertragbar auf die Menschen, von denen wir nur diese eine Momentaufnahme sehen.
Da ist der einsame Flugkapitän, der den Tod seiner jüngeren Schwester in der Kindheit bis heute nicht verarbeitet hat, die Frau, die sich nach langjähriger Ehe neu verliebt und zwischen den Stühlen sitzt und der Gärtner, der im Ausland arbeitet und seiner Familie zu Hause verschweigt, dass er homosexuell ist.

Meinung

Der Roman „Turbulenzen“ erzählt auf 134 Seiten von den Turbulenzen des Lebens. Manche Menschen beuteln sie stark, manche erfahren nur einen kleinen Windhauch und manche werden von ihnen komplett aus der Bahn geworfen.
Als Leser bekommen wir nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben der jeweiligen Figur erzählt. Es gibt kein davor oder danach. Wir erfahren nicht, wie die Geschichte, welche knapp angerissen wird, ausgeht. Das beflügelt die Fantasie jedes einzelnen Lesers.
Ich reise gerne und ich habe dadurch schon etliche Menschen kennenlernen dürfen, mit denen ich ähnliche Momentaufnahmen erlebt habe. Wenn man im Zug oder Flugzeug nebeneinander sitzt und ins Plaudern kommt. Wo kommt man her, wo will man hin und warum. Kleine Episoden aus dem Leben und schon ist die gemeinsame Reisezeit vorbei, die Wege trennen sich wieder.
Ähnlich ist es auch in dem Roman. Wir treffen die Charaktere, sehen einen Ausschnitt ihres Lebens und wünschen ihnen alles Gute, wenn wir weiterziehen. Die kurzen Kapiteln beleuchten je eine Figur, die in dieser Episode den Stab an eine andere weiterreicht. Benannt sind die Kapitel nach den Abkürzungen der Flughäfen. Wir fliegen mit den 12 Charakteren einmal um den Globus und am Ende schließt sich der Kreis wieder in London, von wo aus wir gestartet sind.

Fazit
Ich habe „Turbulenzen“ mit offener Neugier gelesen. In Gedanken bin ich mit den Charakteren um die Welt gereist. Trotz der Kürze konnten mich die einzelnen Schicksale berühren. Hauptsächlich, weil dem Autor eine großartige Komposition aus Begegnungen und Befindlichkeiten unterschiedlichster Menschen, über alle Kontinente verteilt, gelungen ist. Die unerwarteten Wendungen machen das Buch kurzweilig und halten es spannend. Als Leser kann man die angerissenen Geschichten weiterspinnen. Dieses Buch macht nachdenklich und lehrt uns, dass es egal ist, wo auf dieser Welt wir leben, im Grunde sind wir alle miteinander verbunden. Mir hat die Erzählweise des Romans, die Idee dahinter und die Umsetzung sehr gefallen.

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