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Veröffentlicht am 25.05.2021

Sommerkrimi mit viel Italien-Flair

Adria mortale - Bittersüßer Tod
2

Margherita Giovanni entführt uns sommerlich-launig ins Italien der Fünfzigerjahre. Die Zutaten sind simpel: ein kleines, katholisches Dorf, deutsche Urlauber, Vespas, Sonnencreme, Postkarten und vor allem ...

Margherita Giovanni entführt uns sommerlich-launig ins Italien der Fünfzigerjahre. Die Zutaten sind simpel: ein kleines, katholisches Dorf, deutsche Urlauber, Vespas, Sonnencreme, Postkarten und vor allem - keine Smartphones oder Navigationssysteme.

“Adria mortale” ist ein bisschen “Urlaub wie damals” - jeder Dorfbewohner hat so seine Eigenheiten und erfüllt das eine oder andere Klischee, aber auch die Urlauber werden treffend karikiert.

Damals wie heute trübt ein Streitthema die Urlaubsidylle: wie weit darf oder muss Tourismus gehen? Befürworter und Gegner liefern sich Debatten über größere Hotels, Parkplätze, Camping und das Bewahren von Flora, Fauna und malerischer Küste.

Der Beginn des Buches fängt all dies wunderbar ein und trifft das Zeitgefühl sehr gut. Da man aber weiß, dass man einen Krimi liest, wartet man einige Seiten länger als gewohnt auf das versprochene Verbrechen.

Erst dann bekommt auch Lorenzo Garibaldi seinen Auftritt. Der Commissario wühlt sich nach einer eingehenden Untersuchung der Leiche ebenso durch die Struktur im Dorf wie der Leser. Es sind viele Bewohner und Namen und da jeder jeden kennt, standen sie alle in irgendeiner Beziehung zum Opfer.

Es dauert etwas, bis man da einen guten Überblick bekommt. Das Buch ist außerdem so aufgebaut, dass in den relativ langen Kapitel die Schauplätze mehrmals wechseln, gekennzeichnet durch große Absätze mit Sternchen dazwischen.

Garibaldi hat also keine einfachen Ermittlungen vor sich, das und die verschiedenen Handlungsschauplätze ziehen den Krimi in der Mitte etwas in die Länge. Doch die schöne Atmosphäre, das Setting und dass am Ende alles aufgeklärt wird, helfen darüber hinweg.

Zwischen Gelato, Espresso und Amaretto bietet “Adria mortale” auf 380 Seiten einen unterhaltsamen mentalen Kurzurlaub. Ein Krimi für jeden Sommer.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 12.09.2019

Über die wirklich wichtigen Dinge reden

Die einzige Zeugin
2

Dieser Krimi ist ungewöhnlich, er weicht vom “gewohnten” Format Mord - Polizeiermittlungen - langes Miträtseln - Lösung schon teilweise stark ab. Das mag zum einen daran liegen, dass die Autorin Tove Alsterdal ...

Dieser Krimi ist ungewöhnlich, er weicht vom “gewohnten” Format Mord - Polizeiermittlungen - langes Miträtseln - Lösung schon teilweise stark ab. Das mag zum einen daran liegen, dass die Autorin Tove Alsterdal ihre erzählerischen Stärken einbringen wollte, aber auch, dass ihr gesellschaftliche Themen am Herzen liegen und sie dazu auch ausführlich recherchiert.

Die Schwedin verknüpft einen fiktiven Mord mit Stockholmer Vergangenheit (vieles rund um den Stadtteil und die Anstalt Beckomberga gibt es wirklich und geschah vor wenigen Jahrzehnten tatsächlich so) und den Lebensbedingungen von Rumänen, die nach Schweden betteln.

Da die Ex-Frau des Opfers, Eva, beschuldigt wird, den Mord begangen zu haben, macht sie sich daran, das Rätsel selbst zu lösen. Der Leser erfährt viel von ihrer inneren Zerrissenheit und den Problemen, die sie aktuell belasten, aber auch welche sie früher hatte. Ihr Verhalten nach der Scheidung und die schwierige Beziehung zu ihrem Sohn macht es für sie nicht leichter und sie selbst erst recht verdächtig.

Dass Eva auch noch zufällig am Tatort war, glaubt ihr dann natürlich niemand mehr. Aber sie ist entschlossen, die einzige mögliche Zeugin der Tat zu finden und nutzt das, um ihren erwachsenen Sohn Filip besser kennenzulernen. Der Krimi wandelt sich zu einem Roadtrip durch halb Europa, immer begleitet von Evas Gefühlschaos.

Parallel passieren in Beckomberga noch einige andere Dinge und die Angst vor einem Serienmörder geht um. Auch dieser Erzählstrang bleibt trotz einer gewissen Spannung erzählerisch, schafft es nicht zu einem thrillerartigen Element zu werden.

Am Ende ist dieses Buch ein Kriminalroman, bei der die Betonung auf der zweiten Worthälfte liegt. Statt Polizei und Befragungen stehen zwischenmenschliche Spannungen, Gesellschaftskritik und die leise Moral, mehr miteinander über wirklich Wichtiges zu reden, im Vordergrund. Nebenbei erfährt man einiges über Stockholms Bettlerszene und auch die Zustände in Rumänien.

Wer sich darauf einlassen kann und keinen “klassischen” Schweden-Krimi erwartet, kann mit diesem Buch seine Freude haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 27.09.2018

Ein spannendes Wiedersehen mit Haverkorn und Paulsen, aber schwächer als Band 1

Bluthaus
2

Fall zwei für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn führt die beiden an einen der nördlichste Zipfel Deutschlands. Wo die Möwen kreischen und die Dänen grüßen scheint der Schlüssel zu Haverkorns aktuellem ...

Fall zwei für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn führt die beiden an einen der nördlichste Zipfel Deutschlands. Wo die Möwen kreischen und die Dänen grüßen scheint der Schlüssel zu Haverkorns aktuellem Fall zu liegen. In der Elbmarsch, nicht weit von Fridas Elternhaus, wird eine Frau erstochen aufgefunden. Die Polizei tappt im Dunkeln, bis sie auf den Beruf der Toten stoßen...

Wie schon bisher verknüpft Romy Fölck Ereignisse aus der Vergangenheit mit der Gegenwart und wechselt die Abschnitte unregelmäßig. Das gibt der Geschichte immer wieder neuen Zündstoff und wirft mehr Fragen auf, als beantwortet werden.

Die zwischenzeitliche Ratlosigkeit unserer Helden ist direkt greifbar. Beiden engagieren sich aus unterschiedlichen Gründen auch privat wieder sehr stark in den Ermittlungen. Diese Gefühle und Beweggründe sickern förmlich zwischen den Zeilen hervor und erfassen den Leser eindringlich.

Fast alle liebgewonnenen Charaktere aus Band 1, “Totenweg”, bekommen auch hier wieder ihren Auftritt. Man kann beide Bände völlig unabhängig voneinander lesen, also auch in “falscher” Reihenfolge, was ein großer Pluspunkt ist. Die Privatleben von Frida und Bjarne gehen natürlich weiter, bekommen aber eigene Episoden und Überraschungsmomente.

Mit diesen kann der Krimi vielleicht etwas weniger punkten als erwartet, was die reine “Story” angeht, fand ich “Totenweg” besser. Der aktuelle Band ist nicht viel schlechter, aber das eine oder andere Detail, die eine oder andere Erklärung gegen Ende ist - für mich - nicht ganz stimmig. Dennoch kann sich jeder, der Lokalkrimis aus Deutschland schätzt, hier auf gute Unterhaltung und eine solide Portion Spannung freuen - und sich auch an die geplante Fortsetzung wagen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Spannung
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 18.08.2021

Killer mit Skrupel und Herz

Das Vermächtnis der Orphans
1

Amerikas sympathischster Ex-Profikiller ist wieder in Los Angeles unterwegs. Evan Smoak ist Mitte dreißig, Wodka-Connaisseur, und wurde als Kind für das geheime Orphan-Projekt rekrutiert und ausgebildet. ...

Amerikas sympathischster Ex-Profikiller ist wieder in Los Angeles unterwegs. Evan Smoak ist Mitte dreißig, Wodka-Connaisseur, und wurde als Kind für das geheime Orphan-Projekt rekrutiert und ausgebildet. Er kann mit allerhand Waffen umgehen, muss sich um Geld keine Sorgen machen und tötete früher auf Befehl seines Landes.

Doch damit hat er abgeschlossen und setzt seine Fähigkeiten umsonst für Arme und Schwache ein und hilft ihnen actionreich und munitionslastig aus der Patsche. Er hat so seine Probleme mit dem normalen Alltagsleben, da er ja seine wahre Identität immer geheimhalten muss.

Aber Evan hat ein gutes Herz und tatsächlich Skrupel, wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen. In “Das Vermächtnis der Orphans” hilft er Max, dessen Cousin in gefährliche Geschäfte verwickelt ist und ihn da hineingezogen hat.

Mithilfe seiner wenigen aber effektiven Kontakte taucht Evan in die Welt derer ab, die hinter Max her sind, analysiert seine Gegner und ist dank seiner meistens optimalen Vorbereitung und Kreativität den Widersachern überlegen.

Für seine sehr erfolgreiche Serie bringt Gregg Hurwitz enormes Detailwissen in vielen Bereichen aufs Papier. Rechtliches Wissen, aber auch alles rund um die spezialisierte Ausrüstung die Evan benutzt sowie Nahkampftechniken, PC- und IT-Spezialkenntnisse, Hackervorgänge und vieles mehr destilliert er wieder einmal zu einem kompakten, fesselnden Thriller.

Die Bücher sind natürlich unabhängig lesbar, der volle (Wodka-) Genuss entfaltet sich aber auf jeden Fall, wenn man sie alle kennt. Wem das zu viel ist, sei aber empfohlen, Band 1 (Orphan X) zuerst zu lesen oder auch nach dem aktuellen - für mehr Hintergrundinformation zu Evan und warum er gerade dort ist wo er ist.



Die Reihe um Evan Smoak:

Orphan X
Projekt Orphan
Rache der Orphans
Die Spur der Orphans
Das Vermächtnis der Orphans

Veröffentlicht am 13.04.2021

Historisch, packend, authentisch

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
1

Lutz Wilhelm Kellerhoff lässt den Berliner Kommissar Wolf Heller nach “Die Tote im Wannsee” erneut ermitteln. Wir schreiben das Jahr der Mondlandung, Kommunen sind immer noch attraktiv und gleichzeitig ...

Lutz Wilhelm Kellerhoff lässt den Berliner Kommissar Wolf Heller nach “Die Tote im Wannsee” erneut ermitteln. Wir schreiben das Jahr der Mondlandung, Kommunen sind immer noch attraktiv und gleichzeitig missbilligt und zwischen rechts und links scheint nicht viel Platz zu sein.

Da hinein drängen möchte sich der Kreml, dem West-Berlin ein Dorn im kommunistischen Auge ist. Die Situation der Deutschen, der Berliner ist nicht gerade einfach: Noch deutlich belastet von den NS-Verbrechen, gespalten durch die Mauer und uneins auf welcher Seite man im Konflikt um Israel stehen soll.

In “Teufelsberg” startet Heller mit einem “einfachen Mordfall”, der sich als Startschuss einiger minutiös geplanter und nicht ganz ideal gelaufener Aktionen gegen die stabile West-Berliner Führung herausstellt. Wolf Heller lässt nicht locker und findet beinahe zu spät heraus, was genau wie zusammenhängt. Kann auch er morden, wenn es drauf ankommt?

Die drei Autoren Martin Lutz, Sven Felix Kellerhoff und Uwe Wilhelm flechten ihren spannungsgeladenen Krimi-Plot wieder gekonnt in das so aufwühlende Zeitgefüge ein. Durch Kleinigkeiten und viel musikalischen Background führen sie den Leser in die damalige Zeit. Auch als jüngerer Leser fühlt sich das authentisch an.

Neben Heller treffen wir auch einige bekannte Figuren wieder, dennoch ist es kein absolutes Muss, den ersten Band vorher zu lesen.