Cover-Bild Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman
19,90
inkl. MwSt
  • Verlag: Kremayr & Scheriau
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 208
  • Ersterscheinung: 17.08.2017
  • ISBN: 9783218010795
Petra Piuk

Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman

Eine schöne Musik, eine heile Familie und eine Liebesgeschichte – das ist das Rezept für einen gelungenen Heimatroman. Schöner und heiler als in Schöngraben an der Rauscher kann die Welt gar nicht sein: heimatverbundene Menschen, ein starkes Wir und eine bevorstehende Hochzeit. Wären da nicht ständig diese Störungen: eine Großcousine, die den Mord in der Familie aufdecken will, eine Moni, die sich in einen Michael verliebt, Figuren, die sich nicht an die Regeln halten, und eine Romanautorin, die mit niederträchtigen Mitteln das glückliche Ende konterkariert.
Im Rahmen einer Gebrauchsanweisung entwirft Petra Piuk die provinzielle Antiidylle und zerstört Stück für Stück den Schein einer heilen Welt. Bitterböse und zugleich höchst unterhaltsam führt sie den Heimatroman ad absurdum und hebelt alle Regeln des klassischen Erzählens aus.

"Die Hebamme stülpt eine Saugglocke über meinen Schädel und zerrt mich aus dem Mutterloch heraus. Ich bekomme einen Schlag auf den Rücken, beginne zu schreien und lerne meine erste Lektion fürs Leben: EINE WATSCHEN IST GESUND."

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.09.2017

Toni und Moni

0

Die ländliche Idylle wird von Petra Piuk nicht nur durch den Kakao gezogen, sondern auch in diversen Nebensätzen kritisch betrachtet. Der Heimatroman zeigt nicht nur die vermeintliche heile Welt der typischen ...

Die ländliche Idylle wird von Petra Piuk nicht nur durch den Kakao gezogen, sondern auch in diversen Nebensätzen kritisch betrachtet. Der Heimatroman zeigt nicht nur die vermeintliche heile Welt der typischen Dorfbewohner auf. Hier wird hinter die Kulissen geschaut und die bittere Wahrheit ans Tageslicht befördert, denn um bestimmte Dorfklischees zu kennen muss man nicht in einer dörflichen Gegend gewohnt haben.Bestimmte Bilder von dieser Kulisse und dem Leben der Dorfmenschen haben wir alle im Kopf und genau diese werden in dem Roman behandelt.

Der Roman sprudelt förmlich vor bitterbösen Anspielungen und Tatsachen. Auf nahezu liebevolle Art und Weise wird manchmal bis ins kleinste Detail der Alltag mit Sexismus, hier und da einer Watschen, typischen Saufgelagen und der Abwehr gegen jegliche Modernisierung thematisiert. Schonungslos schildert die Autorin das ländliche Leben und als Leser ist man zum Teil amüsiert und zum Teil geschockt über die ehrlichen und vor allem bissigen Sätze.

Der Humor kommt in diesem Buch definitiv nicht zu kurz. Viele Passagen bringen den Leser zum Schmunzeln, doch auch die Fußnoten, in denen ein reger Austausch zwischen der Autorin, ihrem Verlag und ihrer Lektorin stattfindet, haben es in sich und sind gelegentlich noch witziger als der eigentliche Romantext. An diesem Buch sind nicht nur die Fußnoten ungewöhnlich, sondern der gesamte Aufbau des Romans. Die Kapitel sind in diverse Unterkapitel unterteilt, die verhältnismäßig kurz sind. Zudem werden u.a. Geburtstagsanzeigen, Leserbriefe, Zeitungsausschnitte und Rätsel in den Text eingebaut. Am Ende des Buches findet man ein Personenverzeichnis und hat sogar Platz für eigene Notizen.

Im Großen und Ganzen ist der Leser bei der Lektüre live dabei während der außergewöhnliche Roman entsteht. Dieser ist in jedem Fall lesenswert, doch auch gewöhnungsbedürftig und ich kann gut nachvollziehen, wenn der ein oder andere Leser mit dem Aufbau des Buches oder dem sarkastischen Inhalt nicht zurecht kommt. Für Leser, die eine Herausforderung suchen, ist dieses Buch genau das richtige.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Die heile Welt, die keine ist

0

zeigt uns Petra Piuk in ihrem Abriss über die heile dörfliche Welt in Österreich. Denn ein Roman, wie man sich diesen vorstellt, mit mehr oder weniger übersichtlicher Handlung, ohne störendes Chi-chi, ...

zeigt uns Petra Piuk in ihrem Abriss über die heile dörfliche Welt in Österreich. Denn ein Roman, wie man sich diesen vorstellt, mit mehr oder weniger übersichtlicher Handlung, ohne störendes Chi-chi, statt dessen mit einem oder mehreren überschaubaren Erzählsträngen und jeder Menge Empathie seitens der Autorin für ihre Protagonisten - das ist dies sicher nicht.

Vielmehr eine Entblößung, eine Zurschaustellung, eine Demaskierung. Wobei das Thema ein Klares ist: Toni und Moni wachsen gemeinsam in einem kleinen österreichischen Dorf auf und am Ende kriegen sie sich. Um sie herum ihre Familien, die sie unterstützen. Unterstützen? Hier ploppen schon die ersten Fragezeichen auf, denn vor allem die Väter sind richtige Hassfressen, hat sich die Autorin Petra Piuk da nicht vertan?

Nein, das muss wohl so sein aus ihrer Sicht! Denn dass sie es auf sich genommen hat, dieses mit Sicherheit auch für sie nicht schmerzfreie Buch zu schreiben, das zeigt, das sie wirklich etwas zu sagen, eine wichtige Botschaft zu übermitteln hat.

Und sie verfügt definitiv über das richtige Handwerkszeug: ausgefeilt die Technik, spitz und sarkastisch der Stil. Gerade auch dort, wo es nichts, aber auch wirklich nichts zu lachen gibt, drückt sie nicht etwa auf die Spaßbremse: nein, ganz im Gegenteil.

Die ganze bigotte ländliche österreichische Gesellschaft in ihrer Bandbreite wird dem Leser vorgeführt, ihr Handeln und Tun, vor allem aber auch das, was unterlassen wird. Die Autorin versäumt es nicht, fleißig den Finger auf jede, aber auch wirklich jede Wunde zu legen, auch auf die allereitrigste!

Und gerade das ist es, was manchmal zu viel wird: das Ganze wirkt teilweise wie eine überladene dadistische, expressionistische oder symbolistische Ausstellung, in der sowohl Maler wie Aussteller einfach kein Ende fanden. Scharf ist die Feder, mit der Petra Piuk ihren Roman verfaßt hat und so voller Schmerz, voller Haßliebe, dass sie mich immer wieder an ihren großen Landsmann Thomas Bernhard denken ließ, aber dennoch: hier wäre weniger manchmal mehr gewesen.

Definitiv etwas für Österreicher, die mit ihrem Land abrechnen wollen, denen es reicht, aber auch für alle anderen Leser, die es mögen, wenn Masken heruntergerissen werden - und die hart im Nehmen sind!

Veröffentlicht am 01.09.2017

(K)ein Dorfidyll

0

Toni und Moni oder die Anleitung zum Heimatroman – diesen Titel muss man ernst nehmen. Was gehört in einen Heimatroman: ein idyllisches Dorf (Schöngraben) an einem plätschernden Bach (Rauscher) eine malerische ...

Toni und Moni oder die Anleitung zum Heimatroman – diesen Titel muss man ernst nehmen. Was gehört in einen Heimatroman: ein idyllisches Dorf (Schöngraben) an einem plätschernden Bach (Rauscher) eine malerische Bergkulisse, ein Wirtshaus und eine Kirche und natürlich ein Happy End am besten in Form einer Trachtenhochzeit.
Das alles macht die Lektorin der Autorin Petra Piuk klar und diesen Briefwechsel liest der Leser in Form von Fußnoten, die den Rahmen bilden. Aber auch der Leser darf mitbestimmen. So verfolgen wir also Toni und Moni ins Erwachsenenleben, das von den Erwartungen der heimattreuen Dörfler mitbestimmt wird.
Heimat und Dorfidyll werden hier ironisch, ja sogar zynisch, aufs Korn genommen. Da darf dem Leser ruhig das Lachen im Hals stecken bleiben. Wenn der kleine Toni beim Nachbarn die Waffensammlung bewundern darf, während der Alte behutsam über Lauf und Schaft streichelt und gerührt erzählt, dass mit diesem Gewehr der kleine Max am liebsten spielte, lässt die darunter abgedruckte Zeitungsmeldung „5jähriger erschießt beim Spielen seine kleine Schwester“ das Blut gefrieren.
Überhaupt lässt dieser Text keine Komfortzone zu. Das Dorf als Vorhölle – die Großcousine wohl als Alter Ego der Autorin gilt als Nestbeschmutzerin, hat sie es doch gewagt, den vorgezeichneten Weg zu verlassen. Schlimmer noch, sie erzählt der Moni von der Welt da draußen, da muss doch ein Riegel vorgeschoben werden.
Ich bin in ein Wechselbad der Gefühle eingetaucht, das Buch hat mich herausgefordert und ich bin nicht sicher, ob es mir gelungen ist, diese Herausforderung zu meistern. Wenn es darum ging, mich aufzurütteln und mir einen Text zu geben, der mich lange nach der Lektüre noch beschäftigt, dann ja.
Der Wechsel aus Umfragen, Zeitungsnotizen (ob erfunden oder wahr vermag ich nicht zu beurteilen) und Erzähltext macht das Buch zu einem besonderen literarischen Experiment. Gesellschaftskritik und abgründige Ironie haben mir gut gefallen, aber ich habe das Buch auch mit Erleichterung zugeklappt.
Die Ausstattung ist übrigens etwas besonders, schwarz und orange fällt das Cover sofort ins Auge, Personenverzeichnis, Raum für Notizen und Ehrenzeichen zum Ausschneiden, das alles gehört zum Gesamtkunstwerk dazu.