Über Übergänge
"Licht!...Licht!..." ruft eine Nonne und im nächsten Moment wird der Strom abgedreht. Mit dem fahlen Licht der Petroleumlampen erwachen auch die tuschelnden Gespräche der jungen Italienerinnen in Alba ...
"Licht!...Licht!..." ruft eine Nonne und im nächsten Moment wird der Strom abgedreht. Mit dem fahlen Licht der Petroleumlampen erwachen auch die tuschelnden Gespräche der jungen Italienerinnen in Alba de Céspedes' Roman.
Sie webt darin ein Netz aus Schicksalen junger Frauen im Italien der 1930er Jahre.
Das fiktive Konvikt "Grimaldi" stellt sich dafür als liminaler Raum, als Brücke, in der Raum und Zeit scheinbar ineinanderfließen. In diesem Schwellenzustand rücken die zahlreichen Unterschiede der Frauen in den Hintergrund und sie sind geeint in ihren Zukunftsängsten, Hoffnungen und Illusionen. Als Leser sitzt man dabei ganz intim mit in der Mädchenrunde während sie eine Séance abhalten oder für ihre Prüfungen pauken.
Dabei wechselt die Autorin geschickt zwischen den verschiedenen Perspektiven der Mädchen. Zu Beginn fällt es leicht, einige Charaktere zu verwechseln, was sich im Laufe der Handlung verbessert.
Immer wieder wird jedoch klar, dass das Vakuum des abgeschotteten Konvikts nicht auf ewig anhält und Verbindungen, die nur durch ähnliche Lebensumstände bestehen schnell bröckeln. Und irgendwann gilt es dann Mut zu beweisen, die Brücke zu überqueren, und sich dem zu stellen, was außerhalb der Klostermauern vor ihnen liegt.
Die kubanisch-italienische Schriftstellerin schafft in "Was vor uns liegt" eine schillernde Galerie von weiblicher Figuren, die in ihren Bestrebungen nach Emanzipation dem Frauenbild im Faschismus entgegenwirken.
Es freut mich daher, dass sich das italienische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zur Förderung der Übersetzung entschieden hat. Die Übertragung aus dem Italienischen ist schön zu lesen und respektiert kulturelle und zeitbedingte Bezüge ohne den modernen, deutschsprachigen Leser zu behindern.