mehr als ein Reisebericht - fast eine Liebeserklärung
Die ruhige und kluge Art des Erzählens japanischer AutorInnen begeistert mich und über diese Begeisterung ist auch ein Interesse für Land und Leute entstanden. Einer der Land und Leute kennt ist Chris ...
Die ruhige und kluge Art des Erzählens japanischer AutorInnen begeistert mich und über diese Begeisterung ist auch ein Interesse für Land und Leute entstanden. Einer der Land und Leute kennt ist Chris Broad und in seinem Buch „Abroad in Japan“ erzählt er von seinen Abenteuern im Land der aufgehenden Sonne.
Es war mir nicht bewusst das Englisch in Japan eine Fremdsprache ist, die nur von wenigen Menschen gesprochen wird. Mittels des JET-Programms lädt das Land englische MuttersprachlerInnen ein, um in den Schulen die Lehrkräfte im Unterricht zu unterstützen. Chris Broad erfährt eher zufällig von dem Programm, bewirbt sich aus einer Laune heraus und wird nach einem erfolgreichen Interview im Januar 2012 angenommen.
Im Juli 2012 reist er von London nach Tokio und zwischen den beiden Metropolen liegen nicht nur 8 Zeitzonen – es ist eine Reise in einen anderen Kulturkreis, in eine andere Welt.
Chris wird in der Präfektur Yamagata im Norden des Landes, an der Sakata Senior-High-School eingesetzt werden. Mit sehr dürftigen japanischen Sprachkenntnissen trifft er am Flughafen zum ersten Mal auf einige seiner neuen Kolleginnen und Kollegen und das Abenteuer Hilfslehrer in Japan beginnt.
Ganbatte ne, Chris-sensei! がんばってね、クリス先生!
Mir waren Chris Broad und sein im November 2012 gegründeter YouTube-Kanal „Abroad in Japan“ bisher nicht bekannt. Nachdem ich das Buch gelesen habe, habe ich mir einige seiner Beiträge angesehen.
Klar, da ist zum einen der Chris Broad, der sich über die Winzigkeit seines Appartements mokiert oder die speziellen Spezialitäten der japanischen Küche mit britischem Humor zum Besten gibt. Videos, die man eben mag oder nicht.
Im Buch gibt aber auch die anderen Momente - die, in denen er mit dem japanischen Bildungssystem hadert oder von Mobbing in den Schulen und den traurigen Folgen berichtet. Die, in denen er Fukushima bereist, sich mit den Problemen der Region und den Geschichten der Menschen, die dort leben, auseinandersetzt. Er erzählt auch davon, dass er als Ausländer Diskriminierung erlebt hat, z.B. war die Wohnungssuche für ihn nicht einfach. Und nicht zuletzt berichtet er von einem Erdbeben, dass er erlebt hat.
Aus „ich gehe mal als Hilfslehrer nach Japan und gucke was so passiert“ wird schnell eine Liebe zu Leuten und Land, er reist umher, lernt die Sprache und Kanji und kommt zu der Erkenntnis:
„Ich war aber ein ganz anderer Mensch geworden.“ (S.249)
In „Abroad in Japan“ erzählt Chris Broad unterhaltsam und kurzweilig, mitunter lustig, aber auch (selbst)kritisch von seiner Zeit in Japan. Das Buch beginnt im Januar 2012 und endet im März 2022.
In 29 überschaubar langen Kapiteln nimmt uns Chris mit in Restaurants, erzählt von einem interessanten Besuch beim Arzt, berichtet von den Menschen, denen er begegnet und ich habe von Seite zu Seite erlebt, wie er sich immer mehr in Land und Leute verliebt hat und angekommen ist. Dabei war es aber nicht immer alles rosaroter Kirschblütentraum, sondern es gibt auch nachdenkliche und kritische Momente und genau das macht das Buch zu einem großartigen, ehrlichen und nachvollziehbaren Leseerlebnis!
Und nur, dass wir uns richtig verstehen, ich mag das Buch nicht nur, weil das Kapitel 16 „Doctor Who“ (August 2013) heißt (und wirklich lustig ist), Mary Poppins drin vorkommt oder sein Freund Natsuki so ein großartiger Typ ist – ich mag es, weil ich die Berichte als authentisch empfunden und die Zeit mit Chris in Japan genossen habe.
Ganz große Leseempfehlung!