Cover-Bild Die Gewitterschwimmerin
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Eichborn
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 23.02.2018
  • ISBN: 9783847906445
Franziska Hauser

Die Gewitterschwimmerin

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2018: Die Hirschs waren Verfolgte, Widerstandskämpfer, Opportunisten, Künstler. Ein Jahrhundert deutsche Geschichte hat sie geprägt, haben sie mitgeprägt. Da durfte man nicht empfindlich sein, es galt, die eigene Haut zu retten. Empfindlich war Tamara zum Glück nie. Stattdessen suchte sie das Abenteuer, die Herausforderung, das Risiko. Doch andere hat die Familie zugrunde gerichtet; eine Schuld, die Tamara nicht verzeihen kann.
Eindrücklich, poetisch und kraftvoll erzählt Franziska Hauser die Lebensgeschichte der bezaubernd eigensinnigen Tamara Hirsch - erzählt damit die Geschichte ihrer eigenen Familie, eine Geschichte aus politischen und persönlichen Fallstricken, bis dem Leser die Luft wegbleibt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.03.2018

Die Gewitterschwimmerin

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Inhalt: Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter Adele, nimmt Tamara die Villa ihrer Eltern in Besitz, im Garten entfacht sie ein großes Feuer in dem sie Erinnerungstücke verbrennt, im Haus schwingt sie den ...

Inhalt: Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter Adele, nimmt Tamara die Villa ihrer Eltern in Besitz, im Garten entfacht sie ein großes Feuer in dem sie Erinnerungstücke verbrennt, im Haus schwingt sie den Vorschlaghammer um das Haus in dem sie unglücklich war, zu einem Zuhause zu machen.

Die Autorin erzählt die Familiengeschichte der Familie Hirsch, beginnend 1889 mit Friedrich dem Sohn eines wohlhabenden jüdischen Schneiders und in einer zweiten Zeitlinie gegenläufig die Geschichte Tamaras.



Meine Meinung: An die Art in der Franziska Hauser die Geschichte Tamaras erzählt musste ich mich erst gewöhnen dann aber konnte ich mich fallen lassen und die erschreckende Geschichte der Familie Hirsch und besonders Tamaras von Missbrauch durch die Eltern und den Onkel geprägtes Leben ließ mich nicht mehr los. Je mehr ich las, desto mehr Verständnis für Tamara brachte ich auf, die ihren Weg durchs Leben auf ihre Art sucht, welche Mutter erzählt denn ihrer 13jährigen Tochter die durch Holland trampt und meint da bleiben zu müssen, sie solle erst mal nach Hause kommen und Geld und persönliche Dinge holen? Im Nachhinein ein kluger Schachzug, beim ersten Lesen dachte ich doch die spinnt. Bewundernswert empfand ich bei Lesen der Textpassagen in denen Tamara erzählt, das ich ihren Tonfall in den Ohren hatte, ich hörte ihre Stimme, die in meinen Ohren immer etwas aufmüpfig klang, trotzig und traurig zugleich.

Die Gewitterschwimmerin ist ein schwieriges Buch, mit sehr komplexen Charakteren ,auf das man sich einlassen muss. Nichts für zwischendurch und nicht für empfindsame.

Veröffentlicht am 04.10.2018

Eine erschreckende Familiengeschichte

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Mit diesem Roman „Die Gewitterschwimmerin“ erzählt die Autorin Franziska Hauser die Lebensgeschichte der Tamara Hirsch und damit die Geschichte ihrer eigenen Familie.
Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter ...

Mit diesem Roman „Die Gewitterschwimmerin“ erzählt die Autorin Franziska Hauser die Lebensgeschichte der Tamara Hirsch und damit die Geschichte ihrer eigenen Familie.
Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter Adele, ist Tamara dabei, das Haus zu entrümpeln. Sie schwingt den Vorschlaghammer und verbrennt Erinnerungsstücke. Dabei blickt sie auf ihr Leben zurück und erinnert sie sich, wie unglücklich sie in dem Haus gewesen ist.
Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich mich in die Geschichte hineingelesen hatte. Wir lernen die Geschichte der Familie Hirsch ab dem Jahr 1889 kennen und gegenläufig dazu die Geschichte von Tamara als Ich-Erzählerin. Dabei wird immer wieder zwischen den Zeiten hin und her gesprungen. Gleichzeitig ist diese Familiengeschichte auch ein Stück Zeitgeschichte. Die politischen Verhältnisse haben Einfluss auf die Hirschs, die verfolgt waren und Widerstand geleistet haben, die Geschichte mitgeprägt haben und die sich angepasst haben.
Der Schreibstil ist sehr direkt und authentisch.
Ich mochte die unangepasste, sperrige Tamara, die Mutter von zwei Töchtern ist und auch schon Enkel hat. Dass sie eine Ausbildung zur Puppenspielerin gemacht hat, ist bei ihrer Familie nicht gut angekommen. Sie hat schon früh gelernt zurechtzukommen und nicht zimperlich zu sein, sie macht es sich aber auch selbst nicht leicht. Zu ihrer Mutter Adele hat sie eine schwierige Beziehung. Sie und ihre Schwester Datscha werden durch die Eltern und den Onkel missbraucht. Ihre Schwester ist an allem zugrunde gegangen, Tamara wurde dadurch, wie sie nun mal ist. Sie geht gerne schwimmen, allerdings nur bei Gewitter. Sie hofft, dass der Blitz einschlägt und alles vorbei ist.
Auch die anderen Charaktere sind komplex und sehr exzentrisch. Die Männer hatten ihre politischen Überzeugungen, für die sie einstanden. Frauen waren eher schmückendes Beiwerk und wurde gerne auch mal ausgetauscht.
Es ist ein interessantes Buch, aber auch eines mit vielen Abgründen. Besonders heftig wurde es, wenn es um den Missbrauch ging. Es macht einfach fassungslos.
Auf dieses Buch muss man sich einlassen können.

Veröffentlicht am 10.03.2018

Nicht im Regen stehen, sondern schwimmen

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Das will Tamara Hirsch immer wieder, aber nur, wenn es dazu gewittert. Denn dann ist man erstens allen und zweitens möglicherweise bald nicht mehr am Leben - beides Tatsachen, die Tamara herbeisehnt. Jedenfalls ...

Das will Tamara Hirsch immer wieder, aber nur, wenn es dazu gewittert. Denn dann ist man erstens allen und zweitens möglicherweise bald nicht mehr am Leben - beides Tatsachen, die Tamara herbeisehnt. Jedenfalls manchmal. Tamara hat ihren eigenen Kopf und ist gegen den anfänglichen Widerstand ihrer Familie Puppenspielerin geworden - und zwar nicht irgendeine, sondern mit Ausbildung und Studium von der Pike auf. Auch sonst ist sie aufmüpfig und nicht gerade pflegeleicht - am wenigsten für sich selbst.

Ihr Universum - das ist das Ostberlin der sechziger, siebziger, achtziger Jahre. Wobei sie das Privileg hat, durchaus auch mal über die Grenzen zu dringen und zwar nicht nur ost-, sondern auch westwärts - so sieht sie das Paris der wilden 1960er.

Denn sie entstammt einer Familie von Privilegierten: Ihr Vater, Opa und Onkel waren tapfere Männer, die in der Zeit des Nationalsozialsmus für ihre politischen Überzeugungen - sozialdemokratische bzw. kommunistische - eingestanden und gekämpft haben, zudem wurden sie wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt. Aber auch mit anderen, vor allem mit Frauen, gingen sie nicht gerade zimperlich um. Ihre eigenen Frauen hatten stets mit Konkurrentinnen zu rechnen und wurden bei Bedarf auch gerne ausgetauscht. Aus einem Umfeld des Bildungsbürgertums hervorgegangen, spielt Wissen und Kultur im Leben aller Generationen eine Rolle. Die Figuren sind komplex und haben in ihrer Konstruktion eine große Nähe zu Franziska Hausers eigener Familiengeschichte.

Nach eigener Aussage der Autorin haben alle Figuren in diesem Buch mit Ausnahme des leiblichen Vaters von Henriette - ihrem eigenen Alter Ego in dem Buch - ein reales Vorbild. Ich wünsche ihr und vor allem ihrer Mutter, dass nicht alle Details dieses Romans, in denen auch Mißbrauch in verschiedenen Zusammenhängen und Ebenen zur Sprache kommt, auf wahren Begebenheiten fußen, das wäre wirklich überaus traumatisch und fatal. Allerdings befürchte ich, dass die Autorin sich in allen Aspekten ziemlich eng an der Realität orientiert hat.

Todessehnsucht ist ein Begriff, der vor allem in der Generation von Tamara Hauser, also derjenigen, die in der DDR aufwuchs und sich sozialisierte und bei deren Auflösung bereits im mittleren Alter war, immer wieder ein Thema ist. Diejenigen, die sich gegen den Nationalsozialismus durchgekämpft haben, sind anders, wenn auch nicht lebensfroh. Nein, das nicht - aber das Überleben als solches, das Durchstehen hat einen ganz anderen Wert. Zumal Tamaras Vater im Gegensatz zu ihrem Opa vollends von der DDR überzeugt ist, bis zu seinem Ende.

Doch auf ihre Art kämpfen sich alle Generationen durchs Leben. Es sind allesamt sperrige Charaktere, jeder auf seine eigene Art und so ist dieser (Über)Lebenskampf in einigen Fällen eher ein Kampf gegen das Leben. So bei Tamara, der Hauptfigur, um die sich alles rankt - auch die ausführlichen Episoden aus dem Leben des Vaters, Großvaters und Onkels, die sich vor ihrer Geburt ereignet haben, hängen letztendlich damit zusammen. Für ihre beiden Töchter ist sie keine einfache und vor allem keine sehr präsente Mutter. Und eine kapriziöse Frau, die die Existenz der DDR zum Leidwesen von Vater Alfred permanent in Frage stellt.

Eine Familie, die für ihre Überzeugungen und teilweise gegeneinander kämpft. So hat auch die Lektüre dieses Romans teilweise etwas von einem Kampf. Verstehen Sie mich nicht falsch, er ist eindringlich und gleichzeitig unterhaltsam, doch hat der Kampf zahlreicher Charaktere mich teilweise richtig zermürbt, so dass ich einfach nicht weiterlesen konnte. Auch hatte ich wieder und wieder Mitgefühl mit der Autorin, die es in dieser Familie nicht leicht hatte, auch wenn sie als Tamaras Tochter Henriette eher eine kleinere Rolle einnimmt.

Ein faszinierender, aber mehr noch beklemmender Roman, der mich sehr beschäftigt und dessen Wirkung wohl auch noch lange in mir nachhallen wird. Ein wenig sehe ich Parallelen zum Familienroman "Ab jetzt ist Ruhe" von Marion Brasch. Aber nur von der Thematik her - stilistisch und auch von der Darstellung der Inhalte her hat die Autorin ein ganz eigenes Werk geschaffen, dass nicht nur aufgrund ihres persönlichen Hintergrundes dem Leser - mir zumindest - an die Nieren geht.

Ich muss sagen, ich habe viele Passagen in dem Roman, vor allem wenn es um Sexuelles, um die Mann-Frau-Beziehung ging, in ihrer Direktheit absolut nicht gerne gelesen. Aber insgesamt empfinde ich die Lektüre dieses Romans als großen Gewinn. Wer gerne Romane liest, in denen die deutschen Entwicklungen im 20. Jahrhundert zur Sprache kommen, auch gerne zu Anspruchsvollem greift und keine Angst davor hat, mit Aufwühlendem konfrontiert zu werden und zwar (fast) durchgehend, dem empfehle ich dieses Buch. Aber Vorsicht: Ich habe Sie gewarnt. Und das nicht nur einmal.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Eine außergewöhnliche Familiengeschichte des 20. Jahrhunderts, die fast nur Opfer kennt

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Als der 60jährigen Tamara Hirsch mitgeteilt wird, dass ihre Mutter gestorben ist, setzt dies einen Erinnerungsstrom in Gang, der Tamara ihr ganzes Leben vor Augen stellt. Parallel dazu wird die Geschichte ...

Als der 60jährigen Tamara Hirsch mitgeteilt wird, dass ihre Mutter gestorben ist, setzt dies einen Erinnerungsstrom in Gang, der Tamara ihr ganzes Leben vor Augen stellt. Parallel dazu wird die Geschichte ihrer Vorfahren erzählt, beginnend mit dem sechsjährigen Friedrich Hirsch, Tamaras Grossvater. Er und seine Eltern sind Juden, die bereits seit langer Zeit im badischen Endingen leben und erfolgreich eine Schneiderei betreiben. Dennoch gehören sie nicht dazu, was ihnen immer wieder deutlich gemacht wird. Friedrich wird ein erfolgreicher Mathematikprofessor, doch als der Nationalsozialismus sich in Deutschland breit macht, muss er erkennen, dass er und seine Familie unerwünscht sind. Es zerstreut sie in alle Himmelsrichtungen, Friedrichs Kinder wenden sich voller Hingabe dem Kommunismus zu und wie durch ein Wunder finden sie sich alle nach Kriegsende wieder. Sie beginnen ein neues Leben in der DDR und haben dort ebenfalls Erfolg; doch der Krieg hat Spuren hinterlassen, mit denen nicht nur Friedrichs Kinder, sondern auch seine Enkel sehr zu kämpfen haben.
Es ist unglaublich, was den einzelnen Mitgliedern dieser Familie widerfährt, vom moralischen Abgrund bis zu schwindelerregenden Höhen durchqueren sie praktisch jeden erdenklichen Punkt. Es gibt Demütigungen, Gewalt, sexuellen Missbrauch, aber auch die reine Lebensfreude, Ehrungen, Würdigungen, Luxus - die Familie lässt nichts aus. Eine Achterbahn von Erlebnissen und Gefühlen, die insbesondere die Generation Tamaras zeitlebens daran hindert, Glück zu empfinden. Doch ihre Eltern sind ebenfalls durch die Kriegserlebnisse schwer gezeichnet, wenn auch beide aus unterschiedlichen Gründen.
Eigentlich eine grandiose Familiengeschichte, denn die Autorin hat zudem einen sehr eindringlichen Sprachstil: "Sie hatten jahrelang die Zähne zusammengebissen vor Angst, und die Angst hatte ihnen die Kieferknochen zermahlen."- "Offenbar bin ich in einem System gross geworden, das mit dem Erwachsenwerden seiner Kinder nicht gerechnet hat." Doch zwei Dinge lassen mich hadern mit diesem Roman.
Zum einen ist es die Nichtreflektiertheit fast aller ProtagonistInnen, die sich weigern, sich mit ihrer Vergangenheit und den daraus resultierenden Verletzungen auseinanderzusetzen. Stattdessen wird auf Teufel komm raus gelebt, um Alles zu vergessen, auch wenn es den Kindern die grössten Schmerzen zufügt. Bei der Kriegsgeneration ist dies vielleicht noch halbwegs nachzuvollziehen, aber bei deren Kindern? Insbesondere Tamara mit ihrer Wut und Aggression gegen alles und jeden wurde mir immer unsympathischer, auch wenn diese durch die Ursachen nachvollziehbar wurden.
Zum andern habe ich so meine Schwierigkeiten mit der Erzählweise. Tamara erzählt chronologisch rückwärts ausgehend vom Tod ihrer Mutter, immer mit mehreren Jahren Abstand dazwischen. Zwischen ihren Abschnitten findet sich die Geschichte Friedrichs und seiner Söhne, diese aber chronologisch vorwärts, auch hier mit grösseren Zeitabständen. Zum Verständnis hier der Aufbau der ersten 100 Seiten: 2011, 1889, 1996, 1903, 1991, 1918, 1989, 1932, 1986, 1933 usw. Ich mag diese Form des Erzählens nicht allzu sehr, da ich durch diese ständigen Wechsel sowohl zeitlich wie auch personell keine richtige Beziehung zu den Figuren aufbauen kann. Man springt hin und her und zumindest zu Beginn musste ich ständig den glücklicherweise auf der letzten Seite vorhandenen Stammbaum der Familie zu Hilfe nehmen.
So bleiben letztendlich gemischte Gefühle.