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Veröffentlicht am 16.08.2020

Vom Leben und der Bedeutung von Heimat

Jahresringe
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Als Leonore aus Ostpreußen fliehen muss, ist sie 21 Jahre alt. Zumindest behauptet sie das, denn als dreizehnjähriges Mädchen käme sie nicht weit. Ihr Weg führt sie immer weiter nach Westen, das ist ihr ...

Als Leonore aus Ostpreußen fliehen muss, ist sie 21 Jahre alt. Zumindest behauptet sie das, denn als dreizehnjähriges Mädchen käme sie nicht weit. Ihr Weg führt sie immer weiter nach Westen, das ist ihr einziges Ziel - bis sie irgendwann in einem kleinen Dorf am Rand des Bürgewalds strandet, der später als "Hambacher Forst" bekannt wurde. Leonore bleibt, sie trotzt der Ablehnung, die ihr, dem Flüchtling, von den meisten Dorfbewohnern entgegengebracht wird. Auch noch nach Jahren ist sie die Fremde, fühlt sich nie vollständig angekommen in ihrem neuen Zuhause. Und doch bedeutet ihr dieser Ort viel, das wird ihr vor allem bewusst, als eines Tages Pläne für die Umsiedelung des Dorfes und seiner Bewohner geschmiedet werden. Denn der Wald soll gerodet werden, um an die großen Braunkohlevorkommen darunter zu gelangen.

Das Buch beginnt mit der Ankunft Leonores im Dorf und erzählt zunächst, wie sie sich dort ein neues Leben zu erkämpfen versucht. Der zweite Teil handelt dann von Paul, dem Sohn Leonores, während dessen Jugend das alte Dorf dem Erdboden gleichgemacht wird. Auch er sieht sich nun mit der Frage konfrontiert, was Heimat bedeutet und wo sein Zuhause ist. Im letzten Teil wiederum geht es um Sarah und Jan, Pauls Kinder. Für beide stellt der Hambacher Forst den Mittelpunkt ihres Lebens dar - für Paul wurde er zum Arbeitsplatz, Sarah bietet er einen Platz zum Leben.

Alle Figuren verbindet somit neben ihrer Verwandtschaft vor allem eines - sie sind auf der Suche, auf der Suche nach einem Zuhause, einer Heimat. Einem Ort, an dem sie bleiben und Schutz finden können. Gleichzeitig wird, zunächst wie nebenbei, die Geschichte des Hambacher Forstes erzählt, der einstmals von Karl dem Großen unter Schutz gestellt wurde und nun seinem Ende entgegensieht.


Einfühlsam, atmosphärisch und bewegend gelingt es Andreas Wagner hier mit seinem Debütroman, nicht nur die Geschichte Leonores und ihrer Familie zu erzählen, sondern leise und beinahe unbemerkt noch eine viel größere. Denn: Der Hambacher Forst steht nicht zuletzt auch symbolisch für das, was gerade im großen Stil mit der Erde geschieht. So, wie der einstige Bürgewald für viele als Heimat verloren ging, sind wir im Begriff, auch den Planeten Erde, unsere Heimat, immer weiter zu zerstören.


Ich bin sehr positiv überrascht von diesem Debütroman, der sehr angenehm zu lesen war und nachdenklich zurücklässt. Ich bin gespannt auf weitere Werke des Autors und kann eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen!

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Veröffentlicht am 31.07.2020

2045 kommt schneller als man denkt...

Im nächsten Leben wird alles besser
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Arnold hat bisher eigentlich ein recht durchschnittliches, beschauliches Leben geführt: Er besitzt eine kleine Buchhandlung, mit der er seinen knappen Lebensunterhalt verdient, hat zwei bereits erwachsene ...

Arnold hat bisher eigentlich ein recht durchschnittliches, beschauliches Leben geführt: Er besitzt eine kleine Buchhandlung, mit der er seinen knappen Lebensunterhalt verdient, hat zwei bereits erwachsene Kinder und ist verheiratet. Doch als Arnold eines Morgens aufwacht, kann er zunächst nicht glauben, wie sehr sich sein Leben über Nacht verändert haben soll. Denn es ist zwar wie erwartet der 16. Februar, jedoch nicht im Jahr 2020, sondern im Jahr 2045. Arnold ist nun 73 und muss sich nicht nur in seinem plötzlich um 25 Jahre gealterten Körper, sondern auch in einer hochtechnisierten Welt zurechtfinden. Fenster sind keine Fenster, sondern nur von Nanobots erzeugte Illusion, tägliches Einnehmen von Funktionstränken hält den Alterungsprozess auf und überall trifft man auf sogenannte synthetische Charaktere, nahezu perfekte künstliche Intelligenzen in exakten Nachbildungen von menschlichen Körpern. Einer dieser synthetischen Charaktere ist Gustav, Arnolds persönlicher Assistent, der ihm im Alltag zur Seite steht. Doch Arnolds scheinbar plötzlich und unerklärlich aufgetretene Amnesie erregt Aufmerksamkeit in einer Welt, in der alles kontrolliert abläuft und in der die Superreichen an der Macht sind. Da Arnold eine potenzielle Gefahrenquelle darstellt, soll er nach Times Beach umgesiedelt werden - an einen virtuellen Ort, in den das Bewusstsein der einzelnen Menschen eingespeist werden kann, sodass sie fortan in der Realität nur noch als Datensatz existieren...

Im ersten Moment denkt man vielleicht, diese Entwicklungen seien zu weit hergeholt. Doch es lässt sich nicht leugnen, dass gerade in der Technik die Fortschritte immer schneller aufeinanderfolgen, und so fragt man sich beim Lesen dieses Buches sicherlich mehr als einmal, ob so oder so ähnlich wohl tatsächlich unsere nähere Zukunft aussehen könnte. Denkbar wäre es zumindest in Teilen allemal. Ich fand diese Vorstellung einerseits irgendwie beklemmend, andererseits ist sie hochinteressant. Entwicklungen, die sich schon heute abzeichnen (etwa Fitnesstracker und Co), werden hier auf die Spitze getrieben und gleichzeitig aber auch so dargestellt, dass es durchaus vorstellbar bleibt und nicht zu abstrus wirkt. Der Schreibstil ist wie vom Autor gewohnt humorvoll, behält jedoch auch stets einen gesellschaftskritischen Unterton bei. Insgesamt lässt sich das Buch sehr gut lesen und lädt zum Nachdenken ein!

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Eher "Der Ruf des Amazonas"

Der Ruf der rosa Delfine
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Direkt vorab: Mir hat das Buch wirklich gut gefallen, nur hatte ich irgendwie die Erwartung, es ginge um Delfine. Ging es aber nicht, zumindest nicht so wirklich.

Dem Buch, das erstmals vor 20 Jahren ...

Direkt vorab: Mir hat das Buch wirklich gut gefallen, nur hatte ich irgendwie die Erwartung, es ginge um Delfine. Ging es aber nicht, zumindest nicht so wirklich.

Dem Buch, das erstmals vor 20 Jahren erschienen ist, wurde ein zweites, aktuelles Einführungskapitel vorangestellt. Schon auf diesen ersten Seiten erhält der Leser einen erschreckenden Einblick, wie schlimm es um die Wälder des Amazonasgebietes steht und wie wenig bisher für ihren Erhalt getan wurde. Im eigentlichen Hauptteil wird dann Sy Montgomerys Reise nach Brasilien und Peru beschrieben, auf die sie sich begeben hat, um mehr über die sagenumwobenen, kaum erforschten rosa Delfine, auch Botos genannt, in Erfahrung zu bringen.

Was mir sehr gut gefallen hat, sind zum einen der gut lesbare Schreibstil, der auch kompliziertere Fakten leicht verständlich macht, und zum anderen die kleinen Illustrationen von Tieren des Amazonasgebiets, die alle paar Seiten eingestreut wurden. Insbesondere ist auch die wirklich hohe Informationsdichte an interessanten Fakten über Tier- und Pflanzenwelt, aber auch über die Lebensweise und Bräuche der Einheimischen sowie die (zu dem Zeitpunkt) aktuelle gesellschaftliche Situation hervorzuheben. Das bietet einen tollen Einblick in diese uns so fremde Welt. Besonders schön fand ich auch, dass an einer Stelle auf die zeitgeschichtliche Entwicklung eingegangen wurde.

Würde der Titel nun also "Der Ruf des Amazonas" lauten, wäre ich insgesamt vermutlich vollkommen zufrieden gewesen mit diesem Buch, das einen so schönen Rundumblick auf so viele verschiedenen Aspekte bietet und im Leser die Bilder wunderschöner Wald- und Flusslandschaften oder von Städten mit ihren Märkten voller pulsierenden Lebens hervorruft.

Da der Titel aber nunmal "Der Ruf der rosa Delfine" lautet, hatte ich automatisch die Erwartungshaltung, vorrangig auch genau das zu bekommen - rosa Delfine eben. Und ja, natürlich spielen sie eine Rolle, denn sie sind ja der Grund, aus dem die Autorin sich überhaupt erst auf diese Reise begeben hat, und auch ihr Handeln vor Ort ist größtenteils darauf ausgerichtet, den Delfinen zu begegnen. Nur will das einfach nicht so recht gelingen, da sich die Delfine gerade anfangs kaum zeigen und man sie wenn, dann auch nie vollständig zu Gesicht bekommt. Ich kann es absolut nachvollziehen, dass dadurch wirkliche Beobachtungen ungemein erschwert werden. Allerdings hatte ich gerade weil der Titel etwas von Delfinen sagt und ja auch einer auf dem Cover abgebildet ist, erwartet, dass es letztendlich doch gelingen wird. Jedoch kann kaum etwas über die Delfine in Erfahrung gebracht werden, die meisten Informationen werden noch am ehesten aus Geschichten und Sagen bezogen, die die Autorin immer wieder von Einheimischen erzählt bekommt. Leider wird das beim Lesen irgendwann eher nervig, da die Geschichten sich alle schon sehr stark ähneln, und wenn man mehr oder weniger dieselbe Geschichte gerade zum siebten Mal liest... Naja.

Am Ende des Buches bin ich mit sehr gemischten Gefühlen zurückgeblieben. Einerseits hat mir die Gestaltung des Buches sehr gut gefallen, ich fand die vielen Informationen wirklich sehr spannend und habe mich auch wirklich gedanklich ins Amazonasgebiet versetzt gefühlt. Andererseits hatte ich mich auf das Buch gefreut, weil ich die Erwartungshaltung hatte, etwas über die rosa Delfine zu erfahren, und das war leider nicht der Fall. Sie sind nach dem Lesen ein genauso großes Mysterium wie zuvor und neue Erkenntnisse über sie habe ich nicht erlangt.



Mein Fazit also: Das Buch ist wirklich gut, keine Frage, ich hatte mir nur etwas ganz anderes erhofft und bin daher etwas enttäuscht. Trotzdem schätze ich die Arbeit, die die Autorin in das Buch gesteckt hat und habe die vielen Fakten über den Amazonas sehr genossen. Ich denke, wenn man im Voraus schon weiß, dass die Delfine nur Nebenfiguren sind und nicht der Hauptgegenstand, kann man mit einer ganz anderen Sicht an das Buch herangehen. Diese Information hätte ich mir also vorher gewünscht!

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Sehr spannende Thematik

Lips Don't Lie
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Als Riley mit ihrem Vater wiederholt umzieht, ahnt sie noch nicht, was sie dieses Mal erwarten wird - denn der neue Bezirk, in dem sie lebt, ist das Reich der Fifty-Sevens, einer Gang, die vor nichts zurückzuschrecken ...

Als Riley mit ihrem Vater wiederholt umzieht, ahnt sie noch nicht, was sie dieses Mal erwarten wird - denn der neue Bezirk, in dem sie lebt, ist das Reich der Fifty-Sevens, einer Gang, die vor nichts zurückzuschrecken scheint. Auch Tristan ist Teil dieser Gang, doch er scheint anders zu sein - an ihm entdeckt Riley eine fürsorgliche, sanfte, menschliche Seite, und schon bald entwickelt sie Gefühle für ihn. Auch Tristan verspürt die Anziehungskraft, die von Riley ausgeht, und über das große Hobby beider - das Basketballspielen - nähern sie sich an. Doch Tristan weiß, dass er Riley nicht in sein Leben als Gangmitglied hineinziehen darf, denn das kann schnell wirklich gefährlich werden...


Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Riley und Tristan, jeweils aus Ich-Perspektive. Beide Protagonisten sind interessant und gut ausgearbeitet. Wir haben einmal Riley, deren Mutter vor zwei Jahren verschwand, sodass sie und ihr Vater die alte Wohnung aufgeben und sich eine neue Bleibe suchen mussten. Um ihrem Alltag zu entkommen, hat Riley sich ganz dem Basketballspiel verschrieben und hofft trotz der schlechten Schule, auf welche sie nun gehen muss, auf ein Collegestipendium. Tristans Vater starb früh, und so geriet er ins Visier des Anführers der machthabenden Gang - er wurde gewissermaßen zu dessen Ziehsohn. Anfangs als kleines Kind noch ganz begeistert von diesem spannenden Leben, kommen im Teenageralter erste Zweifel auf und er merkt schnell, wie grausam und brutal die anderen Gangmitglieder sind. Am liebsten möchte er austreten, doch das kann er nicht, denn damit würde er zum Sicherheitsrisiko werden und das würde der Ganganführer niemals so hinnehmen.

Die Thematik ist sehr interessant und ungewohnt, die Ausgangssituation spannend - die ersten 100 Seiten lagen hinter mir, kaum hatte ich das Buch in die Hand genommen. Im Laufe der Geschichte habe ich dann aber doch einige Sachen vermisst. Beispielsweise gibt es mehrere Nebencharaktere, bei denen man mehr hätte in die Tiefe gehen können, da sie so eigentlich sehr interessant wirkten. Insgesamt bleiben alle Figuren bis auf Riley und Tristan jedoch eher blass. Nicht ganz so gut gefallen hat mir außerdem, dass das Ende recht schnell abgehandelt wurde - ich möchte nicht spoilern, deshalb sage ich nur, dass eine wirklich spannende Situation, aus der man viel hätte rausholen können, auf wenigen Seiten nur kurz beschrieben wurde. Da hätte ich mir mehr Ausführungen erhofft. Vor allem steht es in keinem Verhältnis zur vorherigen Ausführlichkeit, denn die erste Woche, die Riley in ihrer neuen Heimat verbringt, wird so detailreich erzählt, dass man beinahe das Gefühl hat, sie sei schon einen Monat dort. Längen ergeben sich dadurch allerdings keine!

Es sollte auch noch erwähnt werden, dass die Liebesgeschichte, die man hier womöglich aufgrund des Covers und Titels erwartet, tatsächlich eher im Hintergrund bleibt. Sie wird natürlich erzählt, allerdings könnte man sich da, wenn man nach dem Äußeren des Buches geht, möglicherweise mehr erhofft haben, deshalb diese kleine "Warnung". Mich persönlich hat das aber gar nicht gestört und ich fand die Mischung aus Liebesgeschichte und Spannung eigentlich recht gelungen!


Mein Fazit also: "Lips don´t lie" ist ein schönes Jugendbuch, das sich angenehm und leicht lesen lässt mit einer spannenden und ungewöhnlichen Thematik. Schön wäre es gewesen, wenn noch etwas mehr auf die Nebencharaktere eingegangen wäre, aber alles in allem hat mir das Buch gut gefallen!

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Veröffentlicht am 02.05.2020

Die große Debatte um das Thema Abtreibung

Der Funke des Lebens
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"Du wirst nicht erschossen." - [...] "Das wissen Sie nicht." - Natürlich nicht. ´Leben´ war immer ein Verb im Konditional.


Als in einer Abtreibungsklinik in Jackson, Mississippi, erste Schüsse fallen, ...

"Du wirst nicht erschossen." - [...] "Das wissen Sie nicht." - Natürlich nicht. ´Leben´ war immer ein Verb im Konditional.


Als in einer Abtreibungsklinik in Jackson, Mississippi, erste Schüsse fallen, wird der Polizeiunterhändler Hugh McElroy verständigt, um mit dem Schützen zu verhandeln. Denn: Es befinden sich noch mehrere Personen in der Klinik. Doch was Hugh zunächst nicht weiß, ist, dass sich auch seine eigene 15-jährige Tochter Wren und seine Schwester Bex unter den Geiseln befinden. Als ihm dies klar wird, lässt er sich nicht, wie es Vorschrift wäre, von dem Fall abziehen, sondern sieht sich nun erst recht in der Pflicht dazu, mit dem Geiselnehmer zu verhandeln. Schnell wird klar, dass der Schütze aus persönlichen Gründen gehandelt hat - erst kurz zuvor hatte sich seine eigene Tochter für eine Abtreibung entschieden.


Die Geiseln, welche der Mann in seine Gewalt gebracht hat, könnten unterschiedlicher nicht sein: ein Arzt und eine Krankenschwester, eine Frau, die gerade abgetrieben hat, eine Abtreibungsgegnerin und auch Patienten, die lediglich einen Termin zur Untersuchung hatten. Nach und nach werden Vorgeschichte und Motivation der einzelnen Figuren beleuchtet, ihre teils sehr konträren Positionen deutlich gemacht. Dabei werden die unterschiedlichsten Aspekte auf der langen Pro-und-Kontra-Liste zum viel umstrittenen Thema Abtreibung beleuchtet. Das Besondere ist, dass alle Positionen beim Lesen absolut nachvollziehbar erscheinen, gelingt es doch bemerkenswert gut, sich in die verschiedenen Personen hineinzuversetzen.

Das große Thema, um welches es hier geht, wird von den unterschiedlichsten Seiten angegangen, und je mehr man über das Leben der Beteiligten erfährt, desto enger ziehen sich die Kreise. Eindrucksvoll ist vor allem die Tatsache, dass sich die eigentliche Diskussion nicht im Gespräch zwischen den Figuren untereinander entwickelt, sondern nach und nach im Kopf des Lesers entsponnen wird.

"Der Funke des Lebens" ist definitiv ein Buch, das fordert, das einen packt und nicht mehr loslassen will. Denn neben der wichtigen Frage nach ethischer und gesetzlicher Vertretbarkeit von Abtreibungen oder deren Verbot ist natürlich auch die Umgebung, in welcher sich die Geschichte abspielt, hervorragend gewählt: eine kleine Klinik in den USA, die plötzlich von einem Mann mit Waffe gestürmt wird. Ganz nebenbei und wie zufällig wird so auch die Diskussion um die viel zu leichte Verfügbarkeit von Waffen angesprochen - denn wie kann es sein, dass es schwieriger ist, eine Abtreibung vorzunehmen, als an eine Schusswaffe zu gelangen, die mit einem Mal so viele Menschen töten kann? Auch der Rassenkonflikt spielt eine Rolle, ist doch Mississippi mit rund 38% der Bundesstaat mit dem größten Anteil Schwarzer und Afroamerikaner.

Die Spannung wird durch das ganze Buch hinweg hervorragend aufrechterhalten. Dies ist sicher auch der eher ungewöhnlichen Erzählweise geschuldet, denn es wird von hinten nach vorne erzählt - der erste Abschnitt beginnt um 17 Uhr, ab da wird schrittweise im Stundentakt bis 8 Uhr morgens zurückgegangen. Man könnte meinen, es sei unnötig noch weiterzulesen, wo man doch den Ausgang der Geschichte bereits kennt - doch Irrtum, hier stellt das In-der-Zeit-Zurückgehen tatsächlich einen großen Mehrwert für die gesamte Geschichte dar. In jedem dieser Kapitel kommen alle beteiligten Personen zu Wort - es wird erzählt aus der Sicht Hughs, der von draußen Kontakt mit dem Geiselnehmer aufnimmt; aus der Sicht des Schützen selbst darüber, wie er die Situation in der Klinik unter seine Kontrolle bringt; aus der Sicht Wrens, des Arztes, der Patienten. So kann man nicht nur die aktuelle Lage aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten, sondern begleitet die Figuren auch in ihre Erinnerungen und erfährt, wie sie in diese Situation hineingeraten sind. Nach und nach wird so das Bild, welches man anfangs betrachtet, in seine einzelnen Teile zerlegt, und eben dadurch erst kann ersichtlich werden, dass es sich dabei eigentlich um ein großes, komplexes Puzzle handelt.


Die interessante Erzählweise, die authentisch wirkenden Charaktere, der wunderbare Schreibstil und die Brisanz des Themas - all das trägt dazu bei, dass mich dieses Buch sofort mitgerissen hat. Ich konnte es wirklich kaum mehr aus der Hand legen. Es ist spannend geschrieben, man kann als Leser sehr gut mit den Figuren mitfühlen und es bietet definitiv ganz viel Stoff zum Nachdenken. Für mich ein ganz wunderbares Buch, das ich wärmstens empfehlen kann!

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