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Anselm-Rotkehl

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Veröffentlicht am 30.12.2020

Faszination von Bewegung und Ruhe

Blicke trieben schwerelos
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Elisabeth Drab nimmt in diesem Gedicht den Leser mit auf eine alte Brücke über einen Fluss, lässt ihn teilhaben an der Situation des lyrischen Ichs, verfolgt dessen Blicke, die nach Betrachtung der Spiegelung ...

Elisabeth Drab nimmt in diesem Gedicht den Leser mit auf eine alte Brücke über einen Fluss, lässt ihn teilhaben an der Situation des lyrischen Ichs, verfolgt dessen Blicke, die nach Betrachtung der Spiegelung des eigenen Gesichts die Oberfläche des Wassers durchdringen und bis auf den Grund des Flusses fallen. Die konkrete, doch poetische Sprache - die Wahrnehmung der Fische, das Gewoge der Pflanzen - erschafft reale Bilder mit magischer Kraft. Sie lässt Lesende eine Welt miterleben, in die das lyrische Ich eintaucht und in der es das Gefühl des Eins seins mit der es umgebenden Natur erfährt: Es existiert und ist Teil des ewigen Kreislaufs der Natur.
Faszinierend ist die Musik der Sprache Elisabeth Drabs, das Paradox von Bewegung und Ruhe, gleichsam ein Andante tranquillo, das sie durch den langsamen Rhythmus und die Versform der Septenare herstellt! Nichts drängt zur Eile oder müsste hastig gesprochen werden, im Gegenteil: dieser Tagtraum entrückt aus der Realität des Alltags, lässt Bewegung und Ruhe gleichzeitig erleben, wie etwa das stetige Strömen der Musik Johann Sebastian Bachs dieser eine große innere Ruhe verleiht.
Die formale Komposition der antiken Form mit alternierenden Kadenzen finde ich sehr gelungen, wenn Drab – ähnlich dem Meistersonett in Ihrem Sonettenkranz “Windwechsel” – die zweizeiligen Aussagen zwischen den achtzeiligen in den zwei Schluss-Strophen bündelt, damit dem fließenden Gedankengang eine Art von festem Ufer gibt. Damit nicht genug! Die letzte Aussage “Heute bade ich in meinem grün behaarten Fluss” holt -auch durch den einzigen Gebrauch des Präsens - Lesende wieder in eine alltägliche Realität zurück, lässt somit auch das lyrische Ich “real” werden. Das finde ich meisterhaft!
Und nicht zuletzt zeugen Evelyn Zilessens sensible Illustrationen von kongenialem Verständnis und feiner empathischer Umsetzung der Sprach-"Bilder" Elisabeth Drabs!
Rainer Ehmanns

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