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Veröffentlicht am 20.04.2017

Faustische Morde

Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)
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Der Polizist Wolf (so genannt, weil er einen zusammengestückelten Namen besitzt, deren erste Buchstaben eben Wolf ergeben und weil es wahrscheinlich dem Autor cool vorkam) ist ein aggressiver, cholerischer ...

Der Polizist Wolf (so genannt, weil er einen zusammengestückelten Namen besitzt, deren erste Buchstaben eben Wolf ergeben und weil es wahrscheinlich dem Autor cool vorkam) ist ein aggressiver, cholerischer Typ, der vor vier Jahren im Gerichtssaal einen Verdächtigen fast umgebracht hatte, weil der von der Jury auf "nicht schuldig" gesprochen wurde. Dafür kam er in die Klappse, wo er eigentlich auch am besten aufgehoben war. Durch Ereignisse, die zwar nicht logisch waren, aber dem Autor trotzdem cool vorkamen, wurde er später rausgelassen und sogar wieder in den Polizeidienst übernommen, rechtzeitig, um einem Serienmörder gegenübergestellt zu werden, der eine aus sechs Personen bestehende Flickenpuppe aus Leichenteilen gebastelt hatte. Derselbe Killer hat auch eine Liste seiner zukünftigen Opfer hinterlassen mitsamt Datum, wann sie sterben würden. Und weil der Täter hellsichtig und übermenschlich ist, schafft es ein ganzes Team von Polizisten nicht, ihn an seinem Vorhaben zu hindern.

Ja, ich weiß, schon in der Beschreibung verurteile ich das Buch, aber es ist auch wirklich übelst konstruiert. Mal davon abgesehen, dass keine Behörde der Welt einen Mann wie Wolf jemals wieder eingestellt hätte, auch wenn er noch so Recht hatte mit seiner Vermutung, aber der Typ ist nicht ganz sauber. Alle fünf Minuten geht er hoch wie ein Geysir und prügelt herum, ohne auf Freund oder Feind Rücksicht zu nehmen. Seine Kollegen sind ähnlich irre. Baxter, seine Ab-und-an-Polizeipartnerin dreht ebenso alle fünf Minuten am Rad und fährt so irre, dass eigentlich zehn Leichen ihren Fahrtweg säumen müssten - ist bestimmt auch was, das der Autor für cool hält. Obwohl das der größte Fall ist, den London je erlebt hat, schaffen es die Polizisten nicht, ein vernünftiges Team auf die Beine zu stellen, Profiler scheint es auch nicht zu geben, dafür darf sich ein junger Polizist zum Experten aufschwingen, der eigentlich zum Betrugsdezernat gehört. Von dem Killer will ich gleich gar nicht anfangen. Dessen gottgleiche Fähigkeiten imponierten mir. Der war dank Lappie allwissend und allmächtig und sowieso immer zur Stelle, der konnte auch alles vorhersehen, was passieren würde. Ursprünglich war das Buch als Drehbuch geplant, und ich finde, das merkt man. Jede Logik wurde für Tempo und Spannung (in der Tat habe ich mich auch nicht gelangweilt, nur geärgert) über Bord geworfen. Als Film oder Serie für den Samstagabend 20.15 Uhr funktioniert die Story bestimmt gut. Hirn aus, Fernseher an, Popcorn auf dem Schoß, alles gut.

Veröffentlicht am 18.04.2017

Meisterin der Tränke

The Sleeping Prince – Tödlicher Fluch (Tödlich 2)
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Errin ist allein verantwortlich für ihre kranke Mutter. Ihr Vater ist vor einem halben Jahr gestorben, ihr Bruder Lief (man erinnere sich an Teil 1) verschollen. Obwohl alles dagegen spricht, glaubt sie ...

Errin ist allein verantwortlich für ihre kranke Mutter. Ihr Vater ist vor einem halben Jahr gestorben, ihr Bruder Lief (man erinnere sich an Teil 1) verschollen. Obwohl alles dagegen spricht, glaubt sie nicht, dass die Truppen des Schlafenden Prinzen ihn getötet haben. Sie ist arm und kommt nur mühsam über die Runden. Der einzige Lichtblick ist der immer in einen Umhang verhüllte Silas, der ihr Tränke abkauft und sie damit finanziell unterstützt. Doch dann nähern sich die Truppen des Schlafenden Prinzen und die Ereignisse überschlagen sich. Um sich und ihre Mutter zu retten, muss Errin zu Erpressung greifen, doch überall lauern Verrat und Intrigen, und es gibt kaum eine Aussicht auf Hoffnung.

Dieser zweite Teil der Reihe präsentiert sich düsterer und weniger märchenhaft, was ihn tatsächlich besser macht als den doch meistens langatmigen ersten Band. Anfangs ist man verwirrt, erwartet man doch eigentlich die weiteren Erlebnisse um Twylla, doch Errin ist eine gute Protagonistin, nicht ganz so naiv und sie braucht auch nicht so lange, um hinter gewisse Dinge zu steigen. Als Twylla dann schließlich auftaucht, empfand ich ihre Wandlung zur blutrünstigen Kriegerprinzessin als so unglaubwürdig, dass es schon wieder Einbußen in der Bewertung gab. Und obwohl mir natürlich klar ist, was Lief für eine Sache abzieht, konnte ich ihn noch weniger ausstehen als im Vorgänger. Der Schluss reißt wieder einiges raus, so dass ich bei dem ewigen Auf und Ab dieser Geschichte am Ende wohlwollende 3,5 Punkte vergeben kann.

Veröffentlicht am 16.04.2017

Ein Kochbuch voller Lieblingsrezepte

Mia liebt Pasta
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Dieses Buch, diese Köchin hat mir der Himmel geschickt, absolut sicher. Ich war schon immer ein Fan von Nudeln und am liebsten gehe ich zum Italiener zum Essen. Das wird in Zukunft allerdings weniger vorkommen, ...

Dieses Buch, diese Köchin hat mir der Himmel geschickt, absolut sicher. Ich war schon immer ein Fan von Nudeln und am liebsten gehe ich zum Italiener zum Essen. Das wird in Zukunft allerdings weniger vorkommen, weil ich festgestellt habe, dass ich selbst genauso gut kochen kann, Mia sei Dank. Gut, genug gelobhudelt. Was macht dieses Buch so besonders?

Erst einmal ist es rein vegetarisch, aber man vermisst kein Fleisch. Und es ist irre abwechslungsreich. Hier wird gekocht, gefüllt, gebacken, was das Zeug hält, und etwas, das ich nie für möglich gehalten habe: Auch gesüßte Nudeln gehen. Oder gekühlt. Es gibt Pastagrundrezepte und - sehr geil! - Pestorezepte. Pesto mag ich gern, aber das gekaufte ist irgendwie nie so cool wie das beim Italiener. Oder jetzt das eigene.

Ich habe bestimmt inzwischen die Hälfte der Rezepte nachgekocht. Meine absoluten Favoriten sind Pasta mit Tomatenpesto und Kichererbsen (!), Linguine mit Süßkartoffel-Kokos-Creme (gab's jetzt schon dreimal) und Pfannenlasagne (geniale Idee!). Total originell finde ich die Pastatorte und Spaghettimuffins. Die süßen Cannelloni mit Apfel-Zimt-Füllung sind zum Niederknien, haben allerdings so viele Kalorien, dass ihr die Fastenzeit knicken könnt. ;)

Gut finde ich auch die Erklärungen am Anfang, die im Plauderstil und sehr sympathisch gehalten wurden. Ehrlich, hier bleibt mir einfach nichts weiter übrig als die volle Punktzahl zu vergeben. Wer Pasta mag, wird dieses Kochbuch lieben.

Veröffentlicht am 16.04.2017

Austausch der Besten

Lost in Fuseta
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Ein europäisches Austauschprogramm von Kriminalbeamten macht es möglich: ein deutscher Kommissar kommt ins portugiesische Fuseta, das nur knapp vorm Ar... der Welt liegt. Sein Name ist Leander Lost und ...

Ein europäisches Austauschprogramm von Kriminalbeamten macht es möglich: ein deutscher Kommissar kommt ins portugiesische Fuseta, das nur knapp vorm Ar... der Welt liegt. Sein Name ist Leander Lost und er ist seltsam, finden seine neuen Kollegen Carlos und Graciana. Gekleidet wie ein Bestattungsunternehmer, trotz der septemberlichen Wärme, spricht er nach dreiwöchigem Sprachkurs fließend Portugiesisch und versteht trotzdem keiner der Witze oder Ironie der anderen. Gleich am ersten Tag macht er sich unbeliebt. Um einen Verbrecher zu stoppen, schießt er Carlos ins Bein. Kein Beginn einer wunderbaren Freundschaft, doch da ist etwas, das die anderen erst später erfahren - Lost ist Asperger mit Inselbegabungen, und er wird noch ein wertvolles Mitglied ihres Teams werden.

Ich habe diesen Krimi von der ersten Seite an genießen können. Mal davon abgesehen, dass hier mal ein wirklich originelles Setting in Portugal mit dem seltsamen Leander Lost aufgebaut wurde, gab es auch einen Schreibstil, der endlich mal wieder nicht in den Augen wehtat und eine Kriminalgeschichte mit Hintergrund, die nicht schon von hier bis Sibirien ausgelutscht und langweilig ist. Geradezu niederknien möchte man für die Protagonisten, die alle interessant und gut ausgearbeitet waren und hallelujah, keiner von ihnen war depressiv und/oder Trinker. Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt gab (und das ist ein pures Luxusproblem), dann der, dass mir relativ schnell klar war, wer hinter allem steckte, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ich möchte mehr von diesem coolen Team lesen!

Veröffentlicht am 14.04.2017

I see dead people ...

Der Freund der Toten
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Ich würde gern sagen, dass dies das außergewöhnlichste Buch ist, das ich zumindest in letzter Zeit gelesen habe. Und auf gewisse Weise stimmt das auch, denn allein die Sprache ist wahnsinnig poetisch auf ...

Ich würde gern sagen, dass dies das außergewöhnlichste Buch ist, das ich zumindest in letzter Zeit gelesen habe. Und auf gewisse Weise stimmt das auch, denn allein die Sprache ist wahnsinnig poetisch auf eine Art, die nicht aufgesetzt wirkt. Warum dann trotzdem nicht volle Punktzahl? Ich versuche mal, die Sache zu beleuchten.

1976. In Mulderrig, Irland, ticken die Uhren noch ein wenig anders als im Rest vom UK. Fremde sind dort nicht willkommen, und doch taucht eines Tages ein solcher auf: Mahoney, ein junger Mann in abgerissenen Klamotten, der Dubliner Großstadtjunge mit jeder Faser schreit. Trotz seines unrasierten, ungewaschenen Äußeren wirkt er anziehend auf die Leute, er, mit seinen dunklen Augen, die vielen der Leute bekannt vorkommen, mit seinem schnellen Lächeln, seiner ganzen Art. Er sagt, er will mal raus aus der Großstadt, doch in Wirklichkeit sucht er etwas: die Wahrheit über seine Mutter, denn Mahoney ist im Waisenhaus aufgewachsen. Und so wirbelt er die kleinstädtische Idylle auf, macht sich gute Freunde und erbitterte Feinde und die Damenwelt liegt ihm zu Füßen. Doch es gibt auch einen Mörder, der viele Jahre lang seine Ruhe hatte, und der nicht bereit ist, seine idyllische Ruhe stören zu lassen. Was die meisten nicht wissen: Mahoney kann die Toten sehen, und die Toten sind auf seiner Seite.

Ist es ein Krimi? Nein, auch wenn kriminelle und ermittlungstechnische Elemente enthalten sind.
Ist es der große irische Roman? Bestimmt auch nicht, trotz der außergewöhnlichen Sprache und Poesie, mit welcher die Autorin ihre Worte und Geschichte webt.
Dieses Buch lässt sich in keine Schublade stecken, was gut ist. Ich war nahezu durchweg gefesselt, obwohl die Spannung mäßig ist - dieser Roman hat Spannung in dem Sinne nicht nötig, ich hatte sogar das Gefühl, dass er mich und meine Art (in der Regel sehr schnell) zu lesen entschleunigt. Er vermittelt trotz grausamer Momente eine Art Ruhe und oft auch Schmunzeln. Der einzige Grund, warum es dann doch Abzüge gab in der Bewertung war mein Unverständnis dafür, dass jede Frau einem abgerissenen, ungewaschenen (!) Hippie so hinreißend fand, dass sie ihre Röcke für ihn lüften wollen, das ging mir nach einer Weile auf die Nerven. Auch die plötzliche Liebe, die gleich mehrere Damen für ihn empfanden, war trotz meiner Sympathie für Mahoney nicht nachvollziehbar. Wen solche Sachen nicht stören, wird einen wirklich außergewöhnlichen Roman mit sympathischen und unsympathischen Protagonisten, einer ungewöhnlichen Handlung und faszinierenden Sprache vorfinden.