Profilbild von Archer

Archer

Lesejury Star
online

Archer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Archer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

James Bond ist eine echte Lusche

Stormglass. Angriff der Killerbienen
0

James Bond kann abtreten, hier kommen Jake und seine Freunde Lizzie und Filby. Sie sind 13/14 Jahre alt und Agenten von Stormglass, einer super geheimen Organisation, die sich nur jugendlicher Agenten ...

James Bond kann abtreten, hier kommen Jake und seine Freunde Lizzie und Filby. Sie sind 13/14 Jahre alt und Agenten von Stormglass, einer super geheimen Organisation, die sich nur jugendlicher Agenten bedient, weil die unauffälliger sind. (Ach?!) Wobei Jake eben erst rekrutiert wurde und nur staunen kann über die technischen Gadgets, die man ihnen zur Verfügung stellt. Hochausgerüstete Räder sind da nur die Spitze des Eisberges, sie besitzen winzige, hochleistungsfähige Computer, Blendgranaten, Münzen, die Hilferufe ausstoßen, Quads und Motorräder, mit denen man unendlich schnell durch unwegsames Gelände rasen kann und vieles mehr. Sie haben auch gleich einen extrem gefährlichen Fall an der Backe: jemand hat Killerbienen kreiert, welche die normalen Honigbienen umbringen, um so den Bienenbestand der Welt auszurotten. Denn wenn die Bienen sterben, sterben auch die Menschen. Hinter dieser Aktion steht ein verrückter Doktor und ein Konzern, beides schon ewig die Erzfeinde von Stormglass, die für ihre Ziele auch über Leichen gehen.

Einerseits hat mir das Buch ganz gut gefallen. Es ging rasant los, hielt durchgehend Action bereit und war kurzweilig zu lesen. Doch manchmal ging es mir - auch für ein Jugendbuch - zu übertrieben zu. Jake bekommt eine anderthalbtägige Ausbildung (die er natürlich mit Bravour besteht) und ist sofort mindestens genauso gut wie die beiden anderen. Es gibt keine Situation, die er nicht auf der Stelle meistert, so dass man zwar spannende Situationen findet, aber sich nie an den Fingernägeln nagen muss, denn Jake kann und weiß sowieso gleich alles, findet immer eine Lösung. Zu Beginn kam er mir auch jünger als seine 14 vor, und plötzlich wächst er rasant in sein Alter und seine Rolle. Das war zu viel des Guten, ein ganz kleines bisschen Realismus in der Sache hätte dem Buch schon nicht geschadet. Immerhin wurde auf ein globales Problem eingegangen, auch Freundschaft und Verrat wurden angesprochen. Das Ende ist so abrupt, dass man kopfkratzend dasitzt und sich denkt: Öhm ...

Alles in allem ein nettes Jugendbuch, dessen Fortsetzung ich auch lesen würde, trotzdem wünsche ich mir mehr Lebensnähe in den beschriebenen Szenen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Blutschule? Sechs, setzen!

Die Blutschule
0

Ja, ich habe den PR-Gag verstanden: Herr Fitzek schreibt über einen erfolglosen Thriller-Autor, der ein superschlechtes Buch schreibt. Aber muss es dann wirklich soooo schlecht sein? Ich finde, nein, muss ...

Ja, ich habe den PR-Gag verstanden: Herr Fitzek schreibt über einen erfolglosen Thriller-Autor, der ein superschlechtes Buch schreibt. Aber muss es dann wirklich soooo schlecht sein? Ich finde, nein, muss es nicht. Ein bisschen ernst nehmen sollte man seine Leser und Fans schon, aber dieses Machwerk hier ist reine Geldschneiderei und ich schäme mich zuzugeben, dass ich drauf reingefallen bin.

Worum geht es also? Zwei Jungen ziehen mit ihren Eltern aus Berlin in ein Kaff in Brandenburg, in dem es außer (schöner) Landschaft, klischeehaften Dorfjugendcheckern und einem komischen Typen mit dunker Vergangenheit nichts gibt. Oder fast nichts, denn es gibt die Legende vom Spiegel im See, der jeden, der jemals reinschaut, umdreht. Wer also gut ist, wird böse, wer böse ist, wird gut, und wer vom Mond kommt, darf auf der Erde wohnen. (Den letzten Blödsinn habe ich mir ausgedacht, aber es wäre bei dem Buch auch nicht so abwegig gewesen.) Natürlich glaubt niemand an die Legende (jedenfalls keiner der Neuankömmlinge), bis sich eines Tages der coole Vater verändert und beginnt, seine Söhne im Töten und Foltern zu unterrichten.

Ich sag's mal so: Hätte man das als Kurzgeschichte herausgebracht, könnte man es vielleicht durchwinken und sagen, ja, geht grad noch so. Horrorstorys zeichnen sich ja meistens nicht durch Logik oder sprachliche Feinheiten aus. Aber knapp über 200 Seiten gepflegte Langeweile, stumpfer Splatter und Klischees, dass man bis zum Hals drin watet - danke. Nein, danke. Was für eine gehässige Art, seinen Lesern für ihre Treue zu danken.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hinterkaifeck als Kammerspiel

Tannöd
0

Tannöd - einen besseren Titel hätte die Autorin für dieses Buch nicht finden und verwenden können. Denn dort, abgeschieden von der Dorfgemeinschaft, lebt die Familie Danner, eine seltsame Familie, die ...

Tannöd - einen besseren Titel hätte die Autorin für dieses Buch nicht finden und verwenden können. Denn dort, abgeschieden von der Dorfgemeinschaft, lebt die Familie Danner, eine seltsame Familie, die kaum jemand wirklich kennt und über die höchstens Gerüchte im Umlauf sind, samt deren Magd. Doch eines Tages sind sie tot, alle miteinander, selbst die kleinen Kinder wurden auf brutalste Weise erschlagen. Wer könnte für diese grausame Tat infrage kommen? Jemand aus dem Dorf? Ein Fremder, der zufällig vorbei kam? Mehrere Täter? Hier kommt die Interviewerin ins Spiel, welche ins Dorf kommt und einfach die Menschen befragt. Nachbarn (im Sinne von denjenigen, die am nächsten wohnen, denn Tannöd ist außerhalb der Dorfgemeinschaft), der Priester, Klassenkameradinnen der Tochter.

Sie kommen alle zu Wort, und das Geniale daran ist, dass damit jeder seine eigene Stimme bekommt, seine eigene Art zu sprechen, zu denken. Während die Befragten ihren Monolog über die Ermordeten halten, lernt man nicht nur die Opfer dieses Verbrechen kennen, sondern auch den Sprecher, die Dörfler, die Umgebung, ja, selbst die Beziehungen untereinander in der Gemeinschaft. Was die Geschichte so authentisch wirken lässt, ist, dass tatsächlich ein Hauch von Authenzität besteht, denn die Autorin hat sich an dem realen Mordfall Hinterkaifeck orientiert, der offiziell nie aufgeklärt wurde. Ich weiß, dass viele Leser diese Art von Schreibstil und vor allem die Gebete dazwischen nervig fanden, mich hat es einfach nur reingezogen in die Geschichte und mitgenommen in eine Zeit und Welt, die zwar immer noch existiert, aber von den meisten von uns auf diese Weise gar nicht wahrgenommen wird. Klasse Debüt, gut umgesetzt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Drogen gefährden Ihre Gesundheit!

Killgame
0

Warum ich diese Überschrift wählte? Weil ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, der Autor hätte sich vorm Schreiben Pilze einverleibt, die nicht zum Verzehr geeignet waren. Anders kann ich mir die teils ...

Warum ich diese Überschrift wählte? Weil ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, der Autor hätte sich vorm Schreiben Pilze einverleibt, die nicht zum Verzehr geeignet waren. Anders kann ich mir die teils extrem wirren Ausflüge zu Aberglauben, Geistererscheinungen und Schattengefasel nicht erklären.

Zusammengefasst ist die Geschichte schnell. Ein Mädchen verschwindet, ein Mann (ihr Onkel) macht sich auf die Suche nach ihr, eine Truppe zu reicher Typen sucht den ultimativen Kick, die Menschenjagd. Ein alter, gebrechlicher Mann entpuppt sich als der übermenschliche Antagonist, der mit Geistern im Bunde steht, Menschen in der Wildnis "riechen" kann (Menschen riechen unrein, egal wie oft sie sich waschen, wohingegen Tiere pur und rein riechen, heißt es im Buch). Ein Mann, der halb so alt ist wie der Superschurke ist eine Art gefürchteter Kopfgeldjäger, der ebenso an Geister glaubt und Schatten sehen kann, die böse sind. Beraten lässt er sich dabei von seiner seit 11 Jahren toten Zwillingsschwester, die so viel Eindruck in der Welt hinterlassen hat, dass selbst über ein Jahrzehnt später die Menschen vor Trauer noch total am Ende sind. Nichts gegen Trauer, aber nach so langer Zeit, ist die nicht mehr so frisch und schmerzend, wie es hier ständig beschrieben wird. Das ist allerdings das Harmloseste, wer sich auf das Buch einlässt, bekommt ununterbrochen Sprüche zu hören, wie sie indische Gurus von sich geben könnten oder sie auf chinesischen Glückskeksen stehen.

Herzlich gelacht habe ich über seine Behauptungen, die er über Bögen oder das Bogenschießen aufstellt. Er drückt Computernerds 45-Pfund-Bögen in die Hand (hätte zu gern gesehen, wie die versuchen, die auszuziehen) und die Frau, die immerhin auch einen 38-Pfünder schießt, beherrscht ihr neues Spielzeug bereits nach einem Tag zur Perfektion. Ihre männlichen Begleiter übrigens auch. Ich kenne mehrere österreichische Staatsmeister im Recurve- und Langbogenschießen und einige deutsche Bogenschützen, die ebenfalls bei Europameisterschaften antreten. Ich werde die bei Gelegenheit mal fragen, warum die so dumm sind, so viel zu trainieren - es reicht nämlich völlig, einen Tag mal zwei Stunden zu üben und sich dann einzureden: Ich habe genug trainiert, ich bin vorbereitet, ich bin gut, um einen Pfeil ins Kill zu bringen.

Was soll ich sagen? Mit diesem Buch hat sich der Herr Winkelmann selbst ins Knie geschossen. Ob mit einem Bogen oder was anderem spielt dabei keine Rolle mehr.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Philosophie der Rechtssprechung

Verbrechen
0

Ferdinand von Schirach, der Autor, schreibt über Verbrechen, und das tut er aus erster Hand. Er ist Berliner Strafverteidiger, erfolgreich als solcher, doch nicht nur in seinen Plädoyers beweist er Scharfsinn ...

Ferdinand von Schirach, der Autor, schreibt über Verbrechen, und das tut er aus erster Hand. Er ist Berliner Strafverteidiger, erfolgreich als solcher, doch nicht nur in seinen Plädoyers beweist er Scharfsinn und Redegewandheit. In diesem Buch stellt er elf seiner Fälle vor. Was diese Fälle so außergewöhnlich macht, sind nicht die Verbrechen an und für sich, denn sie sind so normal, wie es Verbrechen sind, die nicht von Sherlock Holmes gelöst werden, sondern aus dem normalen Leben stammen. Nein, was sie einzigartig macht, ist die seltsam nüchterne, geradezu lakonische Ausdrucksweise Schirachs, gleichzeitig ungeschnörkelt und doch von einer Eindringlichkeit, der man sich kaum entziehen möchte.

Er schreibt über einen alten Arzt, der nach Jahrzehnten seine Frau umbringt, und doch nicht ins Gefängnis muss, sondern mit drei Jahren offener Vollzug davonkommt. Anfangs ist man empört, als man die Geschichte hinter dem Mord erfährt, fast erleichtert.

Über drei Kleinkriminelle, welche die falsche Person ausrauben und völlig aus dem Häuschen sind, als rings um sie her plötzlich Menschen sterben. Dieses Mal kommt keiner in den Knast, obwohl der gesunde Menschenverstand sagt, jemand hätte es verdient.

Eine Schwester tötet ihren Bruder - am Ende ist die ganze Familie tot und niemand wandert hinter schwedische Gardinen. Man empfindet nur noch Mitleid.

Zuerst sterben Tiere, dann verschwindet ein Mädchen. Und ein Junge gibt allem eine Zahl und damit eine Bedeutung. Kein Knast, keine Heilung in Sicht.

So seltsam, wie die Auswahl meiner Beschreibungen hier klingen, so seltsam und wortkarg ist auch das Buch, aber es schadet ihm in keinster Weise. Vielleicht könnte man von Schirach vorwerfen, dass er fast nur reiche Menschen verteidigt oder Verbrechen, in denen es um viel Geld geht, aber ich kenne den Mann nicht, so will ich es ihm nicht unterstellen. Ich kann nur sagen, dass ich ... nun, kann man es Vergnügen nennen, wenn es um Mord oder Tod geht? Vielleicht nicht, aber immerhin lässt sich dieses Buch hervorragend lesen.