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Veröffentlicht am 15.09.2016

Der erste Ermittler der Weltgeschichte

Steinroller
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Tote hat Steinroller schon viele gesehen. Doch so plattgewalzt wie seinen Vetter noch keinen. Was ist da geschehen? Ist er von einem Mammut zertrampelt worden? Eher nicht, erkennt er, denn Mammute können ...

Tote hat Steinroller schon viele gesehen. Doch so plattgewalzt wie seinen Vetter noch keinen. Was ist da geschehen? Ist er von einem Mammut zertrampelt worden? Eher nicht, erkennt er, denn Mammute können nicht fliegen und würden von daher Spuren hinterlassen. Es war also Mord. Was tun? Da Sherlock Holmes erst in etwa 30.000 Jahren geboren wird, bleibt dem jungen Urmenschen mit dem großen Gehirn wohl nichts anderes übrig, als den Fall selbst zu klären. Zum Glück ist sein Vater der Anführer der Urmenschensippe, so dass er ihn zum Kommissar (das Wort hat Steinroller natürlich selbst erfunden, weil es so wichtig klingt) ernennt und ihm außerdem gleich eine Frau und einen Assistenten an die Seite stellt. So ausgerüstet macht sich Steinroller daran, einem Mörder das Handwerk zu legen. Nebenbei macht seine Frau einige dramatische, lebenserhaltende Erfindungen und Steinroller lernt äußerst geschäftstüchtige Nachbarn kennen ...

Das ist ja mal eine außergewöhnliche Idee. Ermittler kennen wir ja schon zu allen Zeiten, seien es viktorianische oder mittelalterliche oder sogar welche im Alten Rom. Aber Steinroller ist sicherlich mit Fug und Recht der Erste seiner Zunft. Lassberg hat einen locker-leichten Ton angeschlagen, er berichtet mit einem Augenzwinkern von einer Zeit, in der eigentlich keiner was zu lachen hatte. Dabei nimmt er durchaus Bezug zur heutigen Zeit und man kann problemlos vieles wiedererkennen, das uns heute vertraut ist. Ob das Amtsmissbrauch ist oder Habgier, Steuerabgaben, Geschäftstüchtigkeit, Erfindergeist, es ist alles dabei. Amüsant sind dabei typische Stereotypen wie der Handtaschenfimmel von Frauen oder alternde Sexprotze, die noch immer versuchen, alles flachzulegen, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Und als Erkenntnis konnte man dann schon in der Urzeit mitnehmen: Drogen zerstören die Gesundheit!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Moral und Motiv

Bevor ich verschwinde
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Hunter Forbes ist ein ziemlich normaler achtzehnjähriger amerikanischer Junge. Er spielt Baseball, hat relativ gute Noten, steht kurz vor dem Abschluss, hat einen besten Freund und eine hübsche Freundin. ...

Hunter Forbes ist ein ziemlich normaler achtzehnjähriger amerikanischer Junge. Er spielt Baseball, hat relativ gute Noten, steht kurz vor dem Abschluss, hat einen besten Freund und eine hübsche Freundin. Ein Sportstipendium für eine Universität winkt ihm auch noch. Das einzige Problem, das er hat, sind seine Eltern, mit denen er ziemlich viel streitet. Er hat das Gefühl, dass seine Mutter zu wenig hinter ihm steht und sein Vater ihn nur beachtet, wenn er Scheiße baut - also tut er das gelegentlich. Als es wieder einmal zu einem Mordsstreit kommt und sich außerdem seine Freundin von ihm trennen möchte, ist er verzweifelt. Und plötzlich verschwunden. Die Polizei glaubt die meiste Zeit, dass er von sich aus abgehauen ist, doch Caleb, sein bester Freund, und sein Vater Paul denken nicht daran, sich mit dieser Erklärung zufrieden zu geben. Sie sind sich sicher, dass ein Verbrechen passiert sein muss.

Ich hatte anfangs ein wenig Schwierigkeiten, in das Buch reinzukommen. Hunter empfand ich als meistens unsympathisch und egoistisch, alles in seinem Leben drehte sich nur um ihn. Später wurde mir klar, dass wir fast alle mit 18 so waren, und es gelang mir besser, mich in ihn einzufühlen. Die Geschichte entwickelt sich allmählich zu einem beklemmenden Kammerspiel, das droht, hoffnungslos zu enden - wenn da nicht Caleb wäre. Dieser Junge ist einfach der beste Freund, den man sich vorstellen kann, und wenn es Hunter geschafft hat, so einen Jungen zum Freund zu haben, dachte ich, muss er eigentlich auch ziemlich schwer in Ordnung sein. Mir gefiel zum Schluss nicht die Entscheidung seines Vaters - sie ist verständlich, aber rechtlich oder moralisch einwandfrei bestimmt nicht. Trotzdem eine interessante Story mit interessanten Protagonisten, die jeder ein eigenes Motiv verfolgten. Just like the real life.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mensch, jetzt mach halt endlich den Mund auf!

Die Diamantkrieger-Saga - Damirs Schwur
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So richtig kommt nicht heraus, in welcher Zeit oder an welchem Ort genau man sich befindet, man kann sich aber denken, dass es eine sehr nahe Zukunft ist in einer deutschen Stadt. Hier lebt Sara, eine ...

So richtig kommt nicht heraus, in welcher Zeit oder an welchem Ort genau man sich befindet, man kann sich aber denken, dass es eine sehr nahe Zukunft ist in einer deutschen Stadt. Hier lebt Sara, eine toughe 17jährige, die hochintelligent ist, meistens die Schule schwänzt, ihre Mutter hasst (und vise versa) und ihre demenzkranke Oma liebt. Sie kann Diamanten "hören", was für ihren "Hauptjob" unabdingbar ist, denn sie ist eine Meisterdiebin, die für einen sadistischen Unterweltboss arbeitet. Unterwelt kann man dabei wörtlich nehmen, denn Kratos, wie er sich nennt, trifft sich fast nur in den Katakomben unterhalb der Stadt mit ihr, wo sie ihm ihren gestohlenen Klunker übergibt. Sie braucht das dafür verdiente Geld, um eine Betreuung für ihre Oma zu finanzieren. Eines Tages spürt sie, dass sie verfolgt wird, und als sich ihr Verfolger ihr in den Katakomben zeigt, bricht etwas in ihr auf. Ihr ganzes Leben wird auf den Kopf gestellt, denn Damir, so der Name des Verfolgers, hat etwas ausgelöst, etwas, das beinahe noch schlimmer ist als die Todesdrohungen Kratos', der Tod der Oma oder der Hass ihrer Mutter. Plötzlich mit einer Art zweiter Persönlichkeit - einem Diamantkrieger - konfrontiert zu sein löst körperliche Beschwerden aus und die Gefahr, die von Kratos ausgeht, wird immer schlimmer.

Dieses Buch hat einen super Schreibstil und eine toughe Heldin, die nur wenig zickig ist und auf sich selbst aufpassen kann und muss. Es ist nicht gerade Lektüre für Kinder, denn es werden Drogen genommen bis zum Tod, gefoltert, vergewaltigt - nie im grausamen Detail, aber deutlich ausgesprochen. Der Inhalt kann jedoch manchmal verwirren, denn ehrlich gesagt hätten sich viele Konflikte vermeiden lassen, wenn Damir oder meinetwegen auch La Loba (welch schmeichelhafter Name) einfach mal den Mund aufgemacht hätten. Gerade Damir, der zwar nicht der Hauptprotagonist ist, aber doch immerhin eine große Rolle spielt und im Titel vorkommt, hüllt sich in kryptische Andeutungen, ohne jemals konkret zu werden, dass man ihn einfach nur packen und erwürgen wollte. Zugang bekam ich zu dem Kerl eh nicht, er war mir eher unsympathisch, so wie er beschrieben wurde, und die Zuneigung, die Sara ihm gegenüber verspürte, nicht nachvollziehbar, auch wenn sie öfter erklärt wurde. Überhaupt hätte mit ein paar erklärenden Sätzen Sara gegenüber vieles vermieden werden können, was passiert ist, zumal meiner Meinung nach nichts passiert wäre, wenn sie es nicht auf die schmerzvolle Tour erfahren hätte. Die Schmerzen und Qualen, durch die sie ging, waren allgemein too much und zusammen mit den ganzen Quacksalbersprüchen Damirs und La Lobas hat mir das einen großen Teil des Lesevergnügens genommen. Mit all den angedeuteten Ereignissen in Bezug auf den Anwalt Goldwasser oder auch dem ach-so-verständnisvollen Lehrer ist das Potenzial für eine große Trilogie vorhanden, doch in diesem ersten Teil wurde es nicht voll ausgeschöpft. Eher 3,5 als 4 Punkte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Knochen und Klingen

Black Blade
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Lila Merriweather ist in ihrem neuen Job angekommen. Als Leibwächterin von Devon, dem Wächter der Sinclairs, ist sie ein echtes Mitglied der Familie geworden, die nicht nur Freundschaft für die meisten ...

Lila Merriweather ist in ihrem neuen Job angekommen. Als Leibwächterin von Devon, dem Wächter der Sinclairs, ist sie ein echtes Mitglied der Familie geworden, die nicht nur Freundschaft für die meisten empfindet, sondern für Devon selbst noch ein bisschen mehr. Doch das, so glaubt sie, muss zurückstehen, denn sie will sich ja eigentlich nur an Victor Draconi rächen und dann Cloudburst Falls verlassen.
Wie das mit Plänen so ist, die gehen meistens schief. Zuerst finden sich in und um die Umgebung von Cloudburst Falls plötzlich jede Menge Leichen von Monstern, für die die Stadt bekannt und bei den Touristen äußerst beliebt sind. Jemand tötet diese Wesen auf grausame Weise, und Lila kann mit ihrer Sichtmagie erkennen, dass sich jemand dabei auch noch amüsiert. Doch das ist nicht alles: Das Turnier der Klingen wurde ausgerufen und Lila als einer der Kämpfer der Sinclar-Familie nominiert. Obwohl sie alle Chancen auf einen Sieg hat, hat sie andere Probleme: Was hat Victor Draconis, der Mörder ihrer Mutter, jetzt schon wieder vor? Und welche Rolle spielen seine Tochter und seine Frau in ihrem Leben?

Die Ideen und den Schreibstil finde ich grandios. Lila ist, wie auch schon Esteps Zigeunermädchen Gwen, clever, stark, mutig und lässt sich auch von gefährlichen Situationen nicht abschrecken. Ich mag die Vermischung von modernster Technik und dem Mittelalterflair, das für Touristen aufgezogen wird, wobei natürlich die Musketierklamotten nichts mit dem Mittelalter zu tun haben. Ein wenig zu klischeebeladen finde ich die Entwicklung zwischen Lila und Devon, überhaupt ist mir Devon jemand, der zu gut ist und zu wenige Kanten besitzt. Ein paar weniger Wiederholungen (tiefblaue Augen, die Beschreibung der Wappen) hätten nicht geschadet, dafür wäre ich über eine Erklärung, warum sich der Mörder zum Schluss die Klingen in den Leib rammen und daraus gestärkt wieder hervorkommen konnte, während jemand anders daran fast starb, dankbar gewesen.
Trotzdem ist die Reihe wieder eine der faszinierenden auf dem Fantasy/Jugendmarkt, und ich werde auch den dritten Teil lesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

German Tourist

Laufen. Essen. Schlafen.
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Christine Thürmer ist 2004 das, was man gemeinhin eine Powerfrau nennt. Sie saniert Betriebe, reduziert Kosten, streicht Personal. Und eines Tages ist sie selbst dran. So ganz genau ist nicht klar, warum ...

Christine Thürmer ist 2004 das, was man gemeinhin eine Powerfrau nennt. Sie saniert Betriebe, reduziert Kosten, streicht Personal. Und eines Tages ist sie selbst dran. So ganz genau ist nicht klar, warum sie gehen muss, aber für das Buch selbst ist das auch nicht wichtig. Randnotiz: Ihr Anwalt holte noch eine Abfindung von zwei Monatsgehältern heraus. Was soll's, sie steht jetzt da. Finanziell geht es ihr gut, einen neuen Job bekäme sie bei ihren Qualifikationen wohl auch problemlos. Doch will sie das überhaupt? Dann stirbt auch plötzlich ein Freund von ihr, und sie weiß, dass sie ihr Leben anders gestalten will.

Sie hat einige Zeit vorher einmal junge Leute getroffen, die echte Thruhiker waren: Menschen, die einen der amerikanischen Langstreckenwanderwege durchwanderten. Sie entschließt sich, das auch zu machen und wählt als erstes den PCT, den Pacific Crest Trail, der an der mexikanischen Grenze beginnt und an der kanadischen Grenze endet. Schlappe 4300 Km. Glühende Hitze in Kalifornien, schneebedecktes Hochgebirge in Oregon. Dazwischen alles andere, was es so gibt. Klapperschlangen, Vogelspinnen, Wasser aus Tiertränken. Abgerissene Kleidung, durchgelaufene Schuhe. Erschöpfung, aber auch extreme Glücksgefühle. Freundschaften, Bekanntschaften, Legenden. Das ganze Programm. Nach wenigen Wochen hat sie ihren Trailnamen weg: German Tourist. Er wird sie für immer begleiten. Obwohl sie sich selbst als unsportlich bezeichnet, packt sie von Anfang an diese mörderische Aufgabe: jeden Tag 33 km laufen, sechs Tage die Woche. Sie hat nur fünf Monate Zeit für die mehr als 4000 Km, denn es gibt für die Hochgebirge nur kleine Zeitfenster. Doch sie schafft es und hat Blut geleckt: als nächstes ist der Continentel Divide Trail (CDT) und danach der Apalachian Trail. Mehr als 12000 Km wird sie Ende 2008 gewandert sein und erhält verdient ihre Triple Crown - eine winzige Medaille. Und das reicht noch immer nicht. Seit dieser Zeit ist sie unterwegs: zu Fuß (um die 34.000 Km), mit dem Rad (etwa 30.000 Km), mit dem Kanu (etwa 6000 Km).

Alles nach der Triple Crown wird nur mal kurz erwähnt, es geht um ihre Erlebnisse und Erfahrungen auf den amerikanischen Trails. Mir persönlich hat der erste Bericht über den PCT am besten gefallen, er war der ausführlichste und am besten beschriebendste. Auf dem CDT ging sie mir manchmal recht auf die Nerven mit ihrer Beziehung zu einem weiteren Thruhiker, und der Apalachian Trail erschien mir als der am wenigsten "schönste". Die Autorin hat in ihrem "ersten" Leben genügend verdient, um sich diese Touren leisten zu können, wenn sie sparsam unterwegs lebt. (Nur, falls sich jemand fragt, wie sie das finanziert.) Deshalb ist klar, dass das nicht jedermans Sache ist oder sein kann. Trotzdem: Diesen Bericht zu lesen, hat Spaß gemacht und wird ganz bestimmt die Abenteuerlust einiger wecken, die es ihr gleich tun wollen.