Très aimable - oder wie man sich in die Stadt Paris verliebt
Die Blüten von PigalleParis, 1945, nur wenige Wochen nach Kriegsende. Das noble Hotel Lutetia, zu Kriegszeiten von den Nazis besetzt, bietet nun Asyl für die Heimkehrer aus deutschen Lagern. Ausgemergelte ehemalige Inhaftierte ...
Paris, 1945, nur wenige Wochen nach Kriegsende. Das noble Hotel Lutetia, zu Kriegszeiten von den Nazis besetzt, bietet nun Asyl für die Heimkehrer aus deutschen Lagern. Ausgemergelte ehemalige Inhaftierte werden hier von überarbeiteten Büroangestellten registriert, befragt und weitergeleitet. Mittendrin das diskrete bis stoische Personal, das von der Pariser Noblesse über Nazigrößen und Kollaborateuren bis hin zu Résistance-Mitgliedern und Ex-Häftlingen alles erlebt hat. Ein Mikrokosmos der im Kleinen die Verhältnisse von Paris im Großen wiederspiegelt. Eine Stadt im Aufbruch zu neuen Ufern, die alte Sünden aufarbeiten muss und doch die Gräuel des Krieges hinter sich lassen will. Und mittendrin passiert ein Mord an einem der Heimkehrer. Nicht alle sind an der Aufklärung interessiert und tun ihr Möglichstes, um diese zu verhindern. Beste Voraussetzungen für einen historischen Kriminalroman.
Das Ermittlerteam um den jungen Kommissar Jean Ricolet und ihre Arbeit bei Außeneinsätzen, Fahndungen und Verhören, aber auch den Alltag im Büro, finde ich gut beschrieben. Es sind unterschiedliche Charaktere, die sich in ihrer Art abgrenzen, bei der Arbeit aber gut ergänzen. Jean als junger Ermittler aus der Provinz hat sich im Laufe des Buches gut entwickelt vom noch etwas zurückhaltenden Fragesteller zum selbstbewussten Fahnder. Er ist mir sehr sympathisch. Seine Freundin Pauline hingegen stammt aus den besseren Kreisen, teilt sich eine kleine Wohnung mit ihrer Mutter. Diese kann sich nicht damit abfinden, dass sie nach der Pleite nicht mehr zur Oberschicht gehören. Sie trauert den alten Zeiten nach, hegt und pflegt ihre Standesdünkel und möchte Pauline möglichst gut verheiraten. Jean passt gar nicht zu ihren Vorstellungen. Pauline selbst steht dazwischen, einerseits noch die verwöhnte Tochter aus gutem Hause, andererseits schon modern und selbstbestimmt. Weil der Ermordete der Verlobte ihrer Freundin Eloise war, mischt sie sich in die Ermittlungen der Polizei ein. Dabei ist sie mit ihren Verbindungen in die Oberschicht teils hilfreich, durch ihre oft unbedarfte Art kompliziert sie aber stellenweise auch die Ermittlungen und gerät in Gefahr. Ein Streit mit Jean macht die Sache nicht besser.
Wunderbar detailgenau erleben wir die Stadt, die Streifzüge durch die Straßen und Viertel. Z. B. die Gässchen am Montmartre, die Häuserzeilen im Marais oder die Clochards am Fluss. Man meint, selbst den Duft von frischem Baguette in der Nase zu haben, ist geblendet von der Sonne, die sich in den Fenstern spiegelt oder zieht die Jacke enger, weil abends über die Seine der Nebel in die Stadt einzieht. Auch die Beschreibung der Verstrickungen der Kollaborateure empfinde ich als sehr gelungen und hätte für mich noch etwas mehr ins Detail gehen können. Das Pariser Flair ist im gesamten Buch hervorragend beschrieben und gefällt mir sehr gut. Die Aufbruch-Stimmung kommt gut rüber und auch der Wandel von der alten Zeit mit den Standesdünkeln zur jungen Generation ist gelungen. Der leseleichte Schreibstil tut sein Übriges dazu, dass man sich fast ein bisschen verliebt. In die Stadt, die Gerüche, den Sound, eben in Paris. Leider führen aber teils zu überkonstruierte Teile der Handlung und auch völlig überflüssige Nebenhandlungsstränge dazu, dass die Spannung eindeutig zu kurz kommt. Das ist sehr schade.
Insgesamt also ein sehr schönes Buch was das Zeitkollorit und das Pariser Flair betrifft, als Krimi leider nur mäßig spannend.