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Veröffentlicht am 14.11.2019

Aquitaine & Austern im Winter

Winteraustern
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Austern - das essen die Franzosen traditionell zur Weihnachtszeit. Und so ist die Vorweihnachtszeit die Hochsaison für Austernzüchter. So ist es auch im Bassin d´Archachon im Südwesten Frankreichs, ...

Austern - das essen die Franzosen traditionell zur Weihnachtszeit. Und so ist die Vorweihnachtszeit die Hochsaison für Austernzüchter. So ist es auch im Bassin d´Archachon im Südwesten Frankreichs, bei Bordeaux.

Der Vater von Luc Verlain war auch Austernzüchter in der Region. Sein Sohn ist ein berühmter Kommissar geworden - eigentlich in Paris - aber derzeit in Bordeaux. Denn der Vater ist unheilbar erkrankt und der Sohn ist zurückgekommen in seine Heimat. Und hat in seiner Kollegin Anouk eine neue, vielversprechende Liebe gefunden.

Aus Nostalgie fahren Luc und sein Vater mit der Gendarmerie raus zu den Austernbänken. Die Gendarmerie macht Jagd auf Austerndiebe. Denn die Meeresfrüchte sind teuer und beliebt. Und Luc und sein Vater wollen einfach nur in Erinnerungen schwelgen an alte Zeiten. Da macht die Gendarmerie eine grausame Entdeckung.....

Dieser inzwischen dritte Fall von Luc Verlain bietet wieder viel französisches Lokalkolorit. Diesmal nicht sonnig-heiter sondern es ist Winter und eiskalt in der Aquitaine. Das gute Leben mit viel Wein, viel Austern und viel gutem Essen lassen sich die Menschen jedoch nicht verbieten. Auch nicht direkt nach Todesfällen. So stellt man sich das vor in Frankreich: Jeden Tag Wein, Champagner und gutes Essen.
Da ich selbst einige Sommer in Korsika verbracht habe, bin ich aus meiner Erfahrung geneigt, das zu glauben. Es ist für uns Deutsche schon erstaunlich zu sehen, wie viel Geld Franzosen für gutes Essen und Wein ausgeben. Und immer muss es Champagner sein - Sekt geht gaaar nicht.

Mich hat dieser Krimi wieder sehr gut unterhalten. Auf eine gewisse Weise ist es ein Wohlfühl-Krimi (wegen Wein und so) und die Liebe kommt auch nicht zu kurz. Aber natürlich gibt es auch einen verzwickten Fall und es ist spannend.

Ich mag diese Krimireihe sehr - und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht.

Austern mag ich persönlich übrigens gar nicht (außer überbacken) - aber nach der Lektüre habe ich doch ein wenig Lust bekommen, es noch einmal mit den Austern zu probieren. Aber wenn - dann nur die aus der Aquitaine.

Veröffentlicht am 05.11.2019

Schon sehr gemächlich

Wisting und der Tag der Vermissten
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Wisting arbeitet als Kommissar in Larvik in Norwegen und jedes Jahr nimmt er sich den gleichen "Cold Case" vor - immer am Jahrestag des Verschwindens von Katharina Haugen. Zurückgelassen hatte ...

Wisting arbeitet als Kommissar in Larvik in Norwegen und jedes Jahr nimmt er sich den gleichen "Cold Case" vor - immer am Jahrestag des Verschwindens von Katharina Haugen. Zurückgelassen hatte sie einen gepackten Koffer, einen Strauß Rosen und einen Zettel mit einem bis heute nicht entschlüsseltem Code - inzwischen "Katharina Code" genannt.

Wisting besucht am Jahrestag des Verschwindens immer Martin Haugen, den Ehemann, den er irgendwie immer noch verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun zu haben.

Aber dann ist Martin an diesem Tag plötzlich nicht zu Hause - obwohl er weiß, dass Wisting vorbeikommt. Und dann nimmt ein Ermittler aus Oslo einen anderen alten Fall wieder auf, in den Martin Haugen involviert zu sein scheint. Und auch Wistings Tochter wird beauftragt, als Journalistin über diesen Fall zu berichten.

Die Kapitel in diesem Buch sind kurz, die Geschehnisse werden aus diversen Blickpunkten erzählt, der Plot ist geheimnisvoll und interessant. Das versprach Spannung. Die gibt es auch. Allerdings eher gemäßigt. Das Erzähltempo ist schon sehr gemächlich, quasi Einblick in die Ermittlungen in Echtzeit. Dazu viele Beschreibungen der Natur, des allgegenwärtigen Regens in Norwegen im Oktober und des Fischfangs (das ist in Norwegen anscheinend immens wichtig, wenn man auf die dort verbreiteten Hütten fährt).

Gerne gelesen habe ich den Krimi schon. Ich mag skandinavische Krimis, das bodenständige, die rauhe Natur, die realistischen Schilderungen. Auch Wisting als Protagonist gefiel mir. Nahe gekommen ist mir aber leider keiner der Protagonisten, dazu fehlte mir irgendwie die emotionale Nähe. Es wird eher spröde erzählt, Emotionen werden sachlich geschildert.
Und die Auflösung fand ich zwar spannend - aber nicht atemberaubend. So ein klein wenig war ich enttäuscht. Obwohl ich keine bluttriefenden Thriller mag und Krimis mag, die vor allem psychologische Spannung bieten, so war es mir hier doch ein wenig zu gemächlich.
Da lese ich doch viel lieber Melanie Raabe - sie ist eine Meisterin der psychologischen Spannung. Oder die neuen Doggerland-Krimis, da passiert irgendwie mehr - oder vielmehr, ich werde mehr berührt.




Veröffentlicht am 18.10.2019

Ein fast vergessener Schatz der amerikanischen Literatur

Ein anderer Takt
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Dieser Roman erschien erstmal 1960 und wurde jetzt neu aufgelegt. Und das ist richtig und wichtig. Einerseits aufgrund der literarischen Qualität des Romans. Andererseits aufgrund der Thematik ...

Dieser Roman erschien erstmal 1960 und wurde jetzt neu aufgelegt. Und das ist richtig und wichtig. Einerseits aufgrund der literarischen Qualität des Romans. Andererseits aufgrund der Thematik des Romans - von Gleichberechtigung sind Afroamerikaner nämlich weiterhin weit entfernt.

Der Roman spielt in einem fiktiven Südstaaten-Staat, der im Jahre 1957 von allen Afroamerikanern (im Buch noch Neger genannt) verlassen wird. Dies geschieht alles innerhalb von wenigen Tagen. Und die (weiße) Bevölkerung ist ratlos. Beim täglichen Plausch auf der Veranda des kleinen Ladens wird gemunkelt und jeder hat so seine eigenen Anmerkungen. Außerdem kommen in verschiedenen Kapiteln verschiedene Personen zu Wort, die alle irgendwie mit der (vermeintlich) zentralen Figur dieses "Auszugs" zusammenhängen.

Und so wird ein Panorama einer Kleinstadt im Süden der USA entworfen, das vielleicht typisch ist. Einige Bewohner sind liberal und hoffen auf eine Zukunft ohne Rassenprobleme. Einige hängen noch an den alten Ideen der Südstaaten. Einige verfolgen kommunistische Gesellschaftsvisionen. Einige möchten die Gesellschaft von oben verändern. Und alle stehen einigermaßen fassungslos vor der Tatsache, dass quasi "mit den Füßen" abgestimmt wurde - die Afroamerikaner sind einfach gegangen. In den Norden, keiner weiß genau wohin.

Die möglichen Gründe für den "Auszug" werden eher subtil vermittelt und angedeutet in den Erzählungen der einzeln Personen in den einzelnen Abschnitten. Ebenso subtil wird ein Portrait der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in dieser Zeit dargestellt. Sehr gut hat mir die Stimmung gefallen, die im Roman vermittelt wird. So ein wenig wie bei Carson McCullers, die ich sehr schätze.

Erzählt wird vom Autor konsequent aus Sicht der "weißen" Bevölkerung. Was einerseits verwundert - denn der Autor war Afroamerikaner - andererseits ein interessanter literarischer Schachzug ist. Eine Rolle gespielt haben mag auch, dass der Autor in einem weitgehend "weißen" Umfeld aufgewachsen ist, was Wohnort und Schule betrifft - das steht in der Einführung.

Die ausgiebige Einführung in des Werk des Autors steht am Anfang des Romans. Vielleicht ist diese zu ausgiebig geraten - und vieles wird im Nachwort noch einmal erzählt. Daher diese Einführung besser erst am Ende lesen.
Immerhin weiß ich dadurch jetzt, dass ich die späteren Werke des Autors nicht mehr lesen möchte (sie erscheinen mir zu abgedriftet) aber dieses frühe Werk empfehle ich uneingeschränkt!




Veröffentlicht am 23.09.2019

Berührende Geschichte über zwei Mädchen alleine in den schottischen Highlands

Sal
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Sal ist 13 und ihr jüngere Schwester Peppa ist 10, als die beiden in die schottischen Highlands fliehen. Wovor sie fliehen wird schnell klar, warum auch: Sal wollte ihre Schwester vor dem retten, was ihr ...

Sal ist 13 und ihr jüngere Schwester Peppa ist 10, als die beiden in die schottischen Highlands fliehen. Wovor sie fliehen wird schnell klar, warum auch: Sal wollte ihre Schwester vor dem retten, was ihr Stiefvater mit ihr gemacht hat, seit sie 10 Jahre alt war....


Sal hat die Flucht akribisch vorbereit: Messer, Gewehr, Tarnnetz, Schlafsack, Angeln, Outdoor-Klamotten. Und sie hat eine Menge You-Tube-Videos über Survival gesehen. Und weiß daher, wie man Kaninchen ausnimmt, wie man Fallen stellt, wie man Feuer macht.... aber in der Realität ist das Leben in der Wildnis doch schwieriger als gedacht. Aber dann bekommen die Mädchen unerwartet Hilfe..... werden sie es schaffen, in der Natur zu überleben?

Das Schicksal dieser beiden Mädchen, mit Sal&Peppa sehr gut benannt, berührt. Schwierige Verhältnisse, Mutter Alkoholikerin, Stiefvater über-griffig. Und Sal, die viel zu früh Verantwortung für ihre kleine Schwester übernehmen muss. Der Schreibstil ist eher nüchtern-beschreibend - was für mich zur Geschichte passte. Denn hier ist nichts mit romantischer Landschaft und Rückzug in die Natur zum Erholen - hier geht es ums Überleben in einem Umfeld, dass für Kinder nicht geeignet ist. Und das Leben der Kinder war schon vorher alles andere als rosig.

Das Ende ist etwas übereilt und holprig - trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen. So eine berührende Geschichte kitsch-frei zu erzählen - das ist dem Autor weitgehend gelungen.

Veröffentlicht am 16.09.2019

Wunderschönes Buch über Natur, Einsamkeit und den Willen zu Überleben

Der Gesang der Flusskrebse
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Kya wächst unter sehr ärmlichen Verhältnissen im Marschland von North Carolina auf. Der Vater trinkt und ist gewalttätig, die älteren Geschwister verlassen - sobald erwachsen genug - fluchtartig ...

Kya wächst unter sehr ärmlichen Verhältnissen im Marschland von North Carolina auf. Der Vater trinkt und ist gewalttätig, die älteren Geschwister verlassen - sobald erwachsen genug - fluchtartig das Haus. Als auch der jüngste Bruder und die Mutter gehen, bleibt Kya alleine mit dem Vater zurück. Da ist sie gerade einmal 7 Jahre alt und muss mit dem wenigen Geld auskommen, dass der Vater ihr für den Haushalt gibt. Dafür muss sie einkaufen und den gesamten Haushalt erledigen. Und irgendwann wird der Vater auch verschwinden - und noch als Kind muss Kya ums Überleben kämpfen. Unterstützung ist nicht zu erwarten - für die Bewohner der nächsten Kleinstadt sind alle Bewohner des Marschlandes Weißes Pack, man verachtet sie und verhöhnt sie. Und als Kya von der Behörde zum Schulbesuch gezwungen wird, hält sie es dort nur einen Tag lang aus - zu sehr schmerzt das höhnische Gelächter der anderen Schüler wegen ihres Benehmens und wegen der mangelnden Bildung.

Und so wird Kya eine Außenseiterin werden. Ohne Schulbildung - aber doch überdurchschnittlich gebildet in Bezug auf Flora und Fauna. Mit feinen Antennen für die Natur. Kya wird überleben, mit Hilfe der Natur. Mit Hilfe von Muscheln suchen, Fischen fangen, Gärten anlegen. Und mit der Hilfe von anderen Außenseitern, wie dem Schwarzen Jumpin und seiner Frau Mabel. Und mit Hilfe eines Jungen aus der Stadt, der sich mit Kya anfreundet.

Diese Geschichte geht ans Herz. Und ist doch frei von Kitsch geschrieben. Dafür mit wunderbaren Worten für die Schönheit der Natur. Mit feinen Beobachtungen der Natur, von der Kya fürs Leben lernt.

Die Geschichte ist auch sehr geschickt aufgebaut. Es gibt nämlich zwei Zeitstränge, in denen erzählt wird und die sich immer weiter annähern. Es beginnt mit einen Mord Ende der 60er Jahre. Für den Kya als Täterin unter Verdacht gerät. Und danach kommt direkt der zweite Erzählstrang, der Anfang der 50er Jahre beginnt, als Kya von ihrer Familie verlassen wird.

Es bleibt also spannend. Bis zum Schluss.

Dazwischen entwickelt sich eine schöne Geschichte über das Leben im Einklang mit der Natur. Aber auch eine Geschichte über die Grausamkeit der Natur. Über die Einsamkeit eines Menschen, der alleine in der Natur überleben muss. Und von der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Und der nur ganz selten das Gefühl von Zuneigung, Liebe und Zusammengehörigkeit erfahren darf. Und davon fürs Leben geprägt wird.

Dieses Buch ist sicherlich eines meiner Lese-Highlights dieses Jahr.