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Veröffentlicht am 03.11.2020

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Trümmermädchen
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1941-1948 Köln. Die Bäckerei von Tante Marie und Onkel Matthias ist der liebste Platz der 11-jährigen Anna, doch der Krieg zerstört ihre kleine heile Welt. Onkel Matthias wird zum Kriegsdienst eingezogen, ...

1941-1948 Köln. Die Bäckerei von Tante Marie und Onkel Matthias ist der liebste Platz der 11-jährigen Anna, doch der Krieg zerstört ihre kleine heile Welt. Onkel Matthias wird zum Kriegsdienst eingezogen, so dass Anna und ihre schwangere Tante Marie allein auf sich gestellt sind. Als eine Bombe die Bäckerei völlig zerstört, wird die Lage für Anna, Marie und deren gerade im Bunker geborenen Sohn Karl sehr schwierig, da Köln in Schutt und Asche liegt, es kaum noch Lebensmittel gibt und auch der Kältewinter vor der Tür steht. Anna schließt sich einer Schwarzmarktbande an und betätigt sich fortan als Kohlediebin, um sich und ihre Familie über die Runden zu bringen. Dabei verlieren sie das Versprechen Onkel Matthias gegenüber nie aus den Augen, auch wenn ihnen immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen werden und sie oftmals an den Rand der Verzweiflung sind…
Lilly Bernstein hat mit „Trümmermädchen“ einen sehr anrührenden Roman mit historischem Bezug vorgelegt, in dem sie nicht nur Informationen ihrer eigenen Familienbiografie verarbeitet hat, sondern auch in lebhafter Form die damaligen harten Lebensumstände authentisch wiederspiegelt. Der flüssige, bildreiche und emotionale Erzählstil bindet den Leser schnell an die Handlung und lässt in die Zeit zurückwandern, um Köln mitten im Krieg zu erleben, während er sich in Annas Familie einnistet. Schilderungen der Bombardierung von Köln, der nervenaufreibenden, ängstlichen Zeit im Bunker sowie die Trümmerlandschaft brennen sich dem Leser während der Lektüre in die Netzhaut und verursachen Gänsehautmomente sowie ein mulmiges Gefühl. Auch die stetig schlimmer werdende Kälte, der unbändige Hunger sowie die ständige Angst sind allgegenwärtig, während immer mal wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer durchblitzt, der ein wenig Wärme versprüht in dieser kalten Zeit versprüht. Eindrucksvoll vermittelt die Autorin anhand ihrer Protagonisten, wie sehr gerade Frauen und Kinder sich in der Nachkriegszeit verdient gemacht haben, weder vor unkonventionellen Ideen noch vor harter Arbeit zurückzuschrecken, um ihre Lieben halbwegs ernähren, wärmen und vor allem ihr Überleben sichern zu können. Unsereins kann sich kaum vorstellen, wie es ist, im eisigen Winter ohne Schuhe zu laufen oder über ein kleines Stückchen Brot unendlich dankbar zu sein. Freud und Leid liegen hier so nahe beieinander, dass man als Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle wandelt, während man das Schicksal der Menschen von damals so greifbar vor Augen hat und ihren Mut, ihren Zusammenhalt und vor allem ihren Kampfgeist nur bewundern kann.
Liebevoll und detailliert gezeichnete Charaktere mit individuellen Ecken und Kanten wurden hier perfekt in Szene gesetzt, so dass der Leser sich ihnen sofort anschließt und mit ihnen fürchtet, bangt und hofft. Anna ist zwar noch ein Kind, jedoch wirkt sie aufgrund der Umstände oftmals wie eine alte weise Frau. Sie ist fleißig, verantwortungsvoll, hilfsbereit und mutig, immer mit dem Blick nach vorn. Auch Marie und Matthias sind sehr sympathische Menschen, die andere selbst in dunkelster Zeit unterstützen, obwohl sie selbst kaum etwas haben. Doch die Liebe und ihre Träume halten sie zusammen und lassen sie über sich hinauswachsen. Aber auch Karl, Agnes, Ruth, Dean, Hilde, Joseph und viele mehr berühren mit ihren Geschichten und lassen dieses Buch zu einem wahren Erlebnis werden.
„Trümmermädchen“ fesselt mit einer emotionalen Geschichte über den täglichen Überlebenskampf der Menschen im Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit, über harte Entbehrungen sowie die kleinen Freuden und Hoffnungsschimmer in einer dunklen, schweren Zeit. Anrührend und unerwartet bildgewaltig, man hat das Gefühl, leibhaftig dabei zu sein. Absolute Leseempfehlung für einen richtigen Bücherschatz! Chapeau – besser geht es nicht!

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Schmöker zum Ab- und Eintauchen

Palais Heiligendamm - Ein neuer Anfang
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1912. Mit dem „Palais Heiligendamm“ in Doberan an der Ostseeküste will der Berliner Hotelier Heinrich Kuhlmann nebst Familie dem bereits etablierten und allseits bekannten „Grand Hotel“ die Gäste abspenstig ...

1912. Mit dem „Palais Heiligendamm“ in Doberan an der Ostseeküste will der Berliner Hotelier Heinrich Kuhlmann nebst Familie dem bereits etablierten und allseits bekannten „Grand Hotel“ die Gäste abspenstig machen. Allerdings muss er sich erst einmal einen Namen machen, bevor sich die Haute Volée bei ihm die Klinke in die Hand gibt, zu sehr setzen sie noch auf Altbewährtes. Während sich Heinrichs Sohn Paul lieber der Musik widmet und mit dem Hotel wenig am Hut hat, ist es ausgerechnet Tochter Elisabeth, die mit innovativen Ideen und Sachverstand das Hotel auf Kurs bringen möchte. Allerdings stehen ihr dabei nicht nur ihre Eltern mit ihren engen Traditionskorsett im Weg, ihr Vater überträgt mit Julius Falkenhayn auch noch einem Fremden eine Teilverantwortung für die weitere Entwicklung des Hotels…
Mit „Palais Heiligendamm“ hat Michaela Grünig einen sehr gelungenen Auftakt ihrer Heiligendamm-Dilogie vorgelegt, der dem Leser nicht nur mit zauberhaften Bildern des Ostseestreifens einen sepiafarbenen Film vor Augen führt, sondern auch mit gut recherchiertem historischen Hintergrund sowie einer unterhaltsamen Familiengeschichte zu punkten weiß. Der locker-flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Reise in die Vergangenheit ein, wo dieser sich im Kuhlmannschen „Palais Heiligendamm“ häuslich einrichtet und nicht nur das Hotel unter die Lupe nimmt, sondern beim Blick durchs Schlüsselloch auch die Akteure genau kennenlernt. Wer Heiligendamm kennt, weiß um die alten Prachtbauten, die einem vermitteln, die Zeit wäre in der Vergangenheit stehengeblieben. Die Strandpromenade, das wiegende Dünengras und die unendlich weite Blick auf die See laden dazu ein, die Seele baumeln zu lassen. Die Schilderungen der Autorin vermitteln genau diese Auszeit-Atmosphäre, gleichzeitig lassen wechselnde Perspektiven geschäftiges Treiben im Hotel und innerhalb der Familie stattfinden. Während sich die politische Lage wandelt, die dunklen Wolken des Ersten Weltkrieges bedrohlich näher kommen und auch vor dieser Idylle nicht Halt machen, wird anhand von Elisabeth die Rolle der Frau zur damaligen Zeit sehr schön wiedergespiegelt. Alte Traditionen und verstaubte Denkweisen machen es ihr schwer, zukunftsweisende Ideen für das Hotel umzusetzen. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut und schraubt sich bis zum Ende immer weiter in die Höhe, um den Leser mit einem Knall zu entlassen, der nun gespannt auf die Fortsetzung warten muss.
Liebevoll ausgestaltete Charaktere versprühen mit ihren facettenreichen Ecken und Kanten Lebendigkeit und Authentizität. Der Leser bewegt sich gern in ihrer Mitte und nimmt Anteil an ihren Schicksalen. Elisabeth ist eine intelligente, fleißige junge Frau mit innovativen Ideen, die innerhalb der eigenen Familie gegen Windmühlen kämpft. Ihre Eltern Ottilie und Heinrich halten an alten Zöpfen fest, bilden eine unterkühlte und harte Einheit, deren Wünschen man sich zu unterwerfen hat. Paul ist ein feinsinniger, sensibler junger Mann, der ganz in seiner Musik aufgeht und dann an der Front die grausamsten Erfahrungen machen muss, die Narben auf seine Seele brennen. Zimmermädchen hat schon einige Schicksalsschläge hinter sich, die ihre Persönlichkeit geprägt und gestärkt haben. Julius Falkenhayn ist ein sympathischer, freundlicher Kerl, der sich nicht in Schubladen stecken lässt. Er ist hilfsbereit und voller Elan.
„Palais Heiligendamm“ überzeugt mit farbenprächtigem Erzählstil, gut recherchiertem historischem Hintergrund sowie einem gelungenen Mix aus Familiengeschichte, Liebe, Intrigen, Tragödie, Krieg unterlegt mit einer Achterbahn der Gefühle. Ein wunderbarer Schmöker zum Abtauchen, bei dem man die Zeit vergisst. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Minas mutiger Kampf

Der Glanz der neuen Zeit
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20er Jahre Hamburg. Der erste Weltkrieg ist vorbei, auch die Kaffeeimportfirma Kopmann und Deharde muss mit den Folgen kämpfen. Mina führt seit dem Tod ihres Vaters und in Abwesenheit ihres Ehemannes Frederik ...

20er Jahre Hamburg. Der erste Weltkrieg ist vorbei, auch die Kaffeeimportfirma Kopmann und Deharde muss mit den Folgen kämpfen. Mina führt seit dem Tod ihres Vaters und in Abwesenheit ihres Ehemannes Frederik Lohmeyer das Kontor in der Speicherstadt und hat ihren Schwiegervater Paul kontaktiert, um eventuell Ware von seiner Kaffeeplantage beziehen zu können. Paul, dessen Verhältnis zu seinem Sohn Frederik schon lange sehr schwierig ist, ist froh, Mina unterstützen zu können. Doch Frederik passt diese Zusammenarbeit gar nicht, so tut er alles, um die Kooperation zu sabotieren und scheut dabei vor nichts zurück…
Fenja Lüders hat mit „Der Glanz der neuen Zeit“ den zweiten Teil ihrer Speicherstadt-Trilogie vorgelegt, der dem ersten Band an Unterhaltungswert und Spannungsmomenten in nichts nachsteht. Mit flüssig-leichtem, gefühlvollem und farbenfrohem Erzählstil wird der Leser schnell in die Zeit zurückversetzt, wo er sich wieder an Minas Fersen heftet, um den Entwicklungen im Kontor, aber auch in ihrem Privatleben folgen zu können. Wieder einmal hat die Autorin sehr gute Recherchearbeit geleistet, spiegelt das damals herrschende Gesellschaftsbild wunderbar wieder, wo Frauen allein nicht handlungs- und geschäftsfähig sind, sondern alles nur mit einem Ehemann regeln können. Die Zeit kurz nach dem Krieg ist schwierig, Waren sind knapp und müssen für viel Geld importiert werden. Für einen Kredit benötigt Mina die Unterschrift ihres Mannes, was schon einiges an Konfliktpotential in sich birgt und sehr unschöne Szenen zwischen dem Ehepaar hervorruft, die dem Leser geradezu die Haare zu Berge stehen lassen und das Gefühlsbarometer in Wallung bringen. Die bildhaften Beschreibungen von Hamburg und der Speicherstadt lassen während der Lektüre im Kopf des Lesers einen Film ablaufen, was ihm das Gefühl vermittelt, ebenfalls Teil der Handlung zu sein. Die Geschichte endet mit einem Zeitsprung, der einige Fragen beim Leser aufwerfen und ihn somit neugierig auf den letzten Band warten lassen.
Die Charaktere sind durchweg sehr detailliert, glaubwürdig und mit Leben ausstaffiert worden, so dass sich der Leser schnell unter sie mischen kann, um ihren unterschiedlichsten Unternehmungen zu folgen und mit ihnen zu fiebern. Mina hat sich weiterentwickelt und zu einer fleißigen, starken, verantwortungsvollen Frau avanciert, die sich nicht nur um ihre Familie, sondern auch ums Geschäft kümmert. Außerordentlichen Mut beweist sie darin, sich Frederik gegenüber immer wieder zu behaupten, auch wenn sie oft schmerzlich Federn dabei lassen muss. Schwester Agnes ist eine intelligente und erwachsene Frau geworden, die für das Kontor die eine oder andere Idee beisteuert. Frederik ist ein anmaßender, gewalttätiger Großkotz, der seine Macht dazu missbraucht, andere zu schikanieren und zu unterdrücken. Er ist ein Spieler, Intrigant und dazu völlig talentfrei. Sein Vater Paul ist dagegen freundlich, hilfsbereit und warmherzig. Ebenso wichtig für die Handlung sind Großmutter Hiltrud, Irma, Heiko und Edo, die ihre Fußspuren hinterlassen.
„Der Glanz der neuen Zeit“ kann mit einer spannenden Handlung, interessanten Protagonisten, Geheimnissen, Intrigen, Liebe und einem gelungen gezeichneten historischem Hintergrund wieder einmal überzeugen und fesselt von Beginn an. Offene Fragen lassen nun das gespannte Warten auf Band 3 lang werden! Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 01.11.2020

"Und wenn sie tanzt, ist sie wer anders, lässt alles los nur für das Gefühl." (Max Giesinger)

Und wenn sie tanzt
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Eine Berghütte in den Runaway Mountains in Tennessee ist der Zufluchtsort für die 35-jährige Hebamme Tess, die den plötzlichen Tod ihres Mannes erst einmal verkraften muss. Das einzige Mittel zur Trauerbewältigung ...

Eine Berghütte in den Runaway Mountains in Tennessee ist der Zufluchtsort für die 35-jährige Hebamme Tess, die den plötzlichen Tod ihres Mannes erst einmal verkraften muss. Das einzige Mittel zur Trauerbewältigung ist für Tess Tanzen, so dreht sie die Musiklautstärke auf Anschlag und vergisst für kurze Zeit alles um sich herum. Dass sich andere von dem Lärm allerdings gestört fühlen, ist ihr nicht in den Sinn gekommen. Umso überraschter ist sie, als der berühmte Street-Art-Künstler Ian North auf ihrer Matte steht, der von dem Krach völlig genervt ist. Schließlich braucht er seine Ruhe, um endlich wieder Ideen entwickeln zu können. Die beiden können vom ersten Moment an nicht miteinander. Trotzdem kümmert sich Tess um die schwangere Bianca, die bei Ian wohnt, und als die Wehen einsetzen, ist es mit Tess Suche nach Einsamkeit endgültig vorbei…
Susan Elizabeth Phillips hat mit „Und wenn sie tanzt“ einen unterhaltsame und gleichsam bittersüße Geschichte vorgelegt, die von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln weiß. Der locker-leichte, anrührende und mit wohldosiertem Humor gewürzte Erzählstil beamt den Leser geradezu mitten hinein in Tessas Leben, um mit ihr in der Einsamkeit Gesellschaft zu leisten, ihre Geschichte kennenzulernen und mit ihr zusammen abzurocken. Der Autorin gelingt es sehr gut, die Verzweiflung ihrer Protagonistin heraus zu kitzeln, aber auch das männliche Gegenstück nahe an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Spritzige Dialoge werfen sich die beiden so gegensätzlichen Protagonisten hin und her und offenbaren dabei doch so viel über ihre jeweiligen Persönlichkeiten, die nicht nur mit ihren eigenen Schicksalen vollauf beschäftigt sind, sondern gleichzeitig auch einen Weg aus ihrer Misere suchen. Neben Trauerbewältigung hat die Autorin noch eine Menge anderer ernster Themen auf dem Zettel, die sie tiefgründig und gekonnt in ihrer Geschichte unterbringt, was zusätzlich eine Achterbahn der Gefühle beim Leser auslöst. Da geht es um Schwangerschaft, Mutter- bzw. Vaterschaft und Verantwortungsgefühl, aber auch darum, was Familie und Eltern sein bedeutet. Dazu kommen noch die Ortsbewohner, die sich schnell die Neuigkeit zunutze machen, Tess für alle ihre Wehwehchen einzuspannen und so in ihre Gemeinschaft zu integrieren. Wer die Bücher der Autorin kennt, weiß normalerweise um die Vorhersehbarkeit ihrer Geschichten. Doch diesmal ist alles etwas anders und vor allem so gar nicht oberflächlich.
Lebendig gestrickte Charaktere mit glaubhaften Ecken und Kanten bezirzen den Leser von Beginn an und ziehen ihn regelrecht in ihren Bann, so dass sofort eine Nähe geschaffen ist, die Mitfühlen und Mitbangen möglich machen. Tess ist eine selbstbewusste, schlagfertige, hilfsbereite und starke Frau mit einem Hang zur Besserwisserei, was nicht jeder in ihrem Umfeld goutiert. Ihr Art der Trauerbewältigung ist ungewöhnlich, aber nachvollziehbar, denn die richtige Musik hilft in den dunkelsten Stunden dabei, Lebensfreude zurückzugewinnen. Ian ist ein abweisender und unterkühlt wirkender Mann, der seine Gefühle für sich behält, um nicht verletzt zu werden. Insgeheim hat er ein großes Herz und lässt jedem Hilfe zukommen, der sie benötigt. Bianca ist eine schwangere junge Frau, die die Einsamkeit nicht ertragen kann und Anschluss sucht. Aber auch die Bewohner des Örtchens Tempest geben ihren Input zu dieser zu Herzen gehenden Geschichte.
„Und wenn sie tanzt“ ist nicht nur unterhaltsam, sondern tiefgründig, bittersüß, humorvoll und spritzig. Ein Liebesroman mit Umwegen, an dem man ab der ersten Seite kleben bleibt. Ein etwas anderer Phillips, der auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.11.2020

"Kaffee gibt mir einen Schmerz, der nicht ohne Lustgefühl ist." (Napoleon Bonaparte)

Die Kaffeedynastie - Tage des Aufbruchs
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Aachen. Corinne und Alexander Ahrensberg müssen sich als gleichberechtigte Partner um die familieneigene Kaffeerösterei kümmern, als Vater Günther nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage ist, das ...

Aachen. Corinne und Alexander Ahrensberg müssen sich als gleichberechtigte Partner um die familieneigene Kaffeerösterei kümmern, als Vater Günther nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage ist, das Unternehmen zu führen. Schon bald kommt es zwischen den Geschwistern zu Zwistigkeiten, denn beide haben völlig verschiedene Vorstellung von der Leitung des Unternehmens. Während Alexander nur auf den Umsatz schaut, schmiedet Corinne Zukunftspläne in Richtung Fair Trade und Produktinnovationen. Als Corinne sich einmal mehr mit der Geschichte des Unternehmens beschäftigt, findet sie das alte Tagebuch ihres Großvaters Eberhard, der einst die Rösterei gegründet hat. Seine Geschichte bestärkt Corinne in dem Wunsch, ihren eigenen Weg zu verfolgen…
Paula Stern hat mit „Tage des Aufbruchs“ den Auftakt Ihrer historischen Kaffeedynastie-Trilogie vorgelegt, der mit zwei unterschiedlichen Zeitebenen und einer interessanten Familiengeschichte zu unterhalten weiß. Mit flüssig-leichtem, bildreichem und gefühlvollem Erzählstil lädt die Autorin den Leser ein, die Familiengeschichte der Ahrensberg zu entdecken, und lässt ihn zwischen dem Jahr 1945 und der Gegenwart hin und her springen, um nach und nach den Werdegang sowie alle Geheimnisse und Schicksale zu lüften. Während die beiden Zeitebenen parallel nebeneinander her laufen, bewegt vor allem die Vergangenheit um Eberhard Ahrensberg, der als Kriegsgefangener in die Heimat zurückkommt, um alles in Trümmern vorzufinden und vor der Herausforderung zu stehen, irgendwie seine Familie ernähren zu müssen. Nach dem Krieg war die Zeit des Schmuggelns, vor allem Kaffee als harte Währung galt. Ebenso geht das Schicksal seiner Freundin Isabella Pelzmann und der jüdischen Familie Rosenbaum ans Herz, das für so viele Opfer der damaligen Zeit steht. Die Autorin lässt den Leser mit ihren farbenfrohen Schilderungen nicht nur an den Seiten kleben, sondern projiziert damit auch einen Film im Kopf, als wäre man hautnah dabei, während man ständig den Duft von frisch geröstetem Kaffee in der Nase hat.
Die Charaktere sind facettenreich ausgestaltet und lebendig inszeniert, so dass sie dem Leser mit ihren individuellen Ecken und Kanten Einlass in ihre Mitte gewähren, wo er mit ihnen mitfiebern kann. Eberhard ist ein fleißiger und verantwortungsvoller Mann, der unter seinem nationalsozialistisch eingestellten Vater gelitten hat. Er ist mitfühlend, ehrlich und hilfsbereit. Alexander Ahrensberg ist ein kalter Pragmatiker, der nur für Profit und Zahlen lebt und keinerlei Zukunftsvisionen hat. Corinne liebt die Arbeit mit Kaffee, hat viele frische Ideen, um das Unternehmen profitabler und ansprechender zu gestalten. Die Kooperation mit ihrem Bruder ist schwierig, bewirkt jedoch, dass sie immer mutiger und entschlossener wird. Noah Engel hat sich seinen Traum erfüllt und lebt von dem, was er liebt. Sein Sachverstand sowie sein Zuspruch helfen Corinne dabei, sich von alten Fesseln zu befreien.
„Tage des Aufbruchs“ ist ein unterhaltsamer Roman, der nicht nur historische Anteile beinhaltet, sondern den Leser neben einem Mix aus alter Familiengeschichte, neuen zarten Liebesbanden in die Welt des Kaffees entführt. Fortsetzung unbedingt erwünscht. Verdiente Leseempfehlung!