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Veröffentlicht am 17.08.2025

Theater der Hoffnung im Ghetto

Die Liebe sucht ein Zimmer
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Stell dir vor, du hast keine Hoffnung, du leidest Hunger – und der Tod lauert an jeder Ecke in einer Stadt, die schon lange nicht mehr deine Heimat ist, weil sie von Monstern okkupiert wurde.

Sehr bewegend, ...

Stell dir vor, du hast keine Hoffnung, du leidest Hunger – und der Tod lauert an jeder Ecke in einer Stadt, die schon lange nicht mehr deine Heimat ist, weil sie von Monstern okkupiert wurde.

Sehr bewegend, bedrückend und beeindruckend empfand ich diesen Roman über ein Theaterstück in den dunkelsten Zeiten im Ghetto von Warschau.

In dem Roman, der im Jahr 1942 im Ghetto von Warschau spielt, geht es um eine Gruppe Schauspieler, die unter der „Tolerierung der Nazis“ ein Theaterstück aufführen. Es handelt sich um eine heitere Musikkomödie mit dem Titel „Die Liebe sucht ein Zimmer“.

Dabei geht es um mehr als nur Theater – es geht um die Abwechslung vom Alltag, aber auch um das Leben.
Wer nicht lacht, wer nicht hofft, wer nicht träumt – der lebt nicht mehr.

Sehr einfühlsam wird eine Geschichte um die junge Schauspielerin Sara und ihre Kolleginnen Zivia, Edmund, Michal und die junge Esther erzählt.
Ein Stück, das mehr ist als Theater.

Durch ein besonderes Angebot hat Sara die Möglichkeit, mit Michal aus dem Ghetto zu fliehen. Das Problem: Sara liebt Edmund.
Ein schmerzhafter Kampf beginnt.

Zu Sara hatte ich zeitweise ein gespaltenes Verhältnis. Ich empfand sie manchmal als etwas egoistisch und selbstverliebt. Dennoch habe ich im Nachgang ihr Verhalten verstanden.

Überhaupt sind die Charaktere sehr gut ausgearbeitet. Ich fühlte mich in eine Situation hineinversetzt, in der Menschen über sich hinauswachsen.

Dem steten Tod vor Augen versuchen sie nicht jammernd in der Ecke zu sitzen, sondern trotzen der Situation heldenhaft.

Sehr einfühlsam und gut beschreibend ist der Schreibstil des Autors.

Durch ein paar Wendungen in der Geschichte war ich zeitweise hin- und hergerissen und war mir nicht sicher, wie diese Story ausgehen würde.

Das Buch ist wie ein Theaterstück aufgebaut – aber es ist mehr.
Es ist ein Ruf nach Leben, mag es noch so ausweglos sein.

Es lässt mich sehr nachdenklich zurück, aber ich bin sehr froh, dieses Buch gelesen zu haben.

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Veröffentlicht am 17.08.2025

Sittengemälde der Hamburger Gesellschaft

Im Nordlicht
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Was passiert, wenn du vor Scham nicht über deine Vergangenheit sprichst – und plötzlich alles auf dem Spiel steht?

Mit Alice hat Miriam Georg eine sehr beeindruckende Protagonistin geschaffen: eine starke ...

Was passiert, wenn du vor Scham nicht über deine Vergangenheit sprichst – und plötzlich alles auf dem Spiel steht?

Mit Alice hat Miriam Georg eine sehr beeindruckende Protagonistin geschaffen: eine starke Frau, die für ihre Tochter alles tut und ihr Ziel nie aus den Augen verliert.

Eines vorweg: Zum besseren Verständnis empfehle ich, den ersten Teil der Saga gelesen zu haben. Grundsätzlich ist das Buch zwar auch ohne Vorkenntnisse verständlich, da vieles noch einmal erklärt wird – aber der Roman knüpft nahtlos an die Ereignisse aus Band eins an. Es gibt erneut Rückblenden, wie auch schon im ersten Band, die sich deutlich besser einordnen lassen, wenn man die „Vorgeschichte“ kennt. Auch für die Figurenentwicklung ist es interessanter, den Vorgängerroman gelesen zu haben.

Alice steht im Mittelpunkt dieses Romans, doch wir erleben die Geschichte nicht nur aus ihrer Perspektive. Auch viele andere Figuren schildern die Ereignisse aus ihrem eigenen Blickwinkel – darunter natürlich John Reeven, aber auch Julius, Jaris, Henk, Blanche und einige mehr. Das gibt uns als Lesende die Möglichkeit, zu den wichtigsten Charakteren eine emotionale Bindung aufzubauen. Auf die Rolle der einzelnen Figuren möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, um nicht zu viel von der Handlung zu verraten.

Der Roman ist geprägt von starken Gefühlen: Scham, Trauer und Verzweiflung – aber auch der unbeschreiblichen Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Themen wie häusliche Gewalt, die Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft, Scheidung, Schwangerschaft, Suizid und Prostitution werden offen angesprochen.

Es handelt sich um ein sehr detailgetreues Sittengemälde der Hamburger Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Roman zeigt die Diskrepanz zwischen der sogenannten besseren Gesellschaft, den einfachen Arbeitern und den Dienstboten. Und doch vereinen all diese unterschiedlichen Schichten dieselben Probleme, Hoffnungen und Wünsche. Krankheit, Tod und familiäre Konflikte machen nicht vor Standesgrenzen halt – ebenso wenig wie Glück, Zufriedenheit, Freundschaft und Liebe.
Eine privilegierte Stellung bedeutet nicht automatisch ein erfülltes Leben.

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Veröffentlicht am 20.07.2025

Ein Buch wie ein Sog

Stromlinien
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Ein Pageturner, dem ich noch sehr viele Leserinnen und Leser wünsche. Rebekka Frank hat ein Buch geschrieben, welches einen ungeheuren Sog auslöst und Leserinnen und Leser gefangen nimmt.

Die Zwillinge ...

Ein Pageturner, dem ich noch sehr viele Leserinnen und Leser wünsche. Rebekka Frank hat ein Buch geschrieben, welches einen ungeheuren Sog auslöst und Leserinnen und Leser gefangen nimmt.

Die Zwillinge Enna und Jale sind unzertrennlich, bis zu dem Tag an dem Jale verschwindet. Es ist der Tag, an dem ihre Mutter aus dem Gefängnis entlassen wird. Dort sind die beiden Mädchen auch zur Welt gekommen, sie freuen sich endlich ihre Mutter in Freiheit zu sehen und fiebern dem Tag entgegen. Doch auch die Mutter ist verschwunden. Für Enna, die Ich-Erzählerin des Hauptstrangs, bricht eine Welt zusammen. Eine abenteuerliche Suche nach ihrer Schwester und Mutter beginnt. Und sie fragt sich zum ersten Mal, warum hat ihrer Mutter eigentlich im Gefängnis gesessen und kenne ich meine Mutter eigentlich…

Ein Roman voller psychologischem Feingefühl, welches mich überzeugt hat. Am Anfang konnte ich die verschiedenen Zeitebenen nicht einordnen und hatte keine Ahnung, in welcher Beziehung die Personen zu Enna stehen, bzw. von wem die Rede ist. Doch das Geflecht der Geschichte wird immer enger und es kommt sehr viel zum Tragen.

Für mich ein Familienroman der nicht nur menschliche Abgründe offenbart, sondern auch Familiendynamiken offenbart. Der wieder einmal zeigt, wie wichtig Reden innerhalb der eigenen Familie ist. Der Schauplatz des Romans, die Marsch der Elbe wird eindrucksvoll beschrieben, ebenso die Flora und Fauna. Man hat förmlich das Gefühl mit Enna auf dem Boot zu sein und über die Elbe und ihre Nebenarme zu schippern.

Für mich großes Kino, dass ich allen Leserinnen und Lesern nur ans Herz legen kann. Ein Roman der erste etwas ruhig daherkommt und dann aber zu einem super Spannungsroman mit Krimielementen wird.

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Veröffentlicht am 20.07.2025

Einfühlsames eindringliches Buch

Frag nicht nach Agnes
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Valerie Jakob hat ein sehr eindringliches Buch geschrieben, welches in mir noch sehr lange nachgehallt hat. Es ist die Geschichte von Großmüttern, Müttern und Töchtern und inwiefern die Lebenserfahrungen ...

Valerie Jakob hat ein sehr eindringliches Buch geschrieben, welches in mir noch sehr lange nachgehallt hat. Es ist die Geschichte von Großmüttern, Müttern und Töchtern und inwiefern die Lebenserfahrungen unserer Mütter und Großmütter unser eigenes Leben beeinflussten, ob durch Wissen oder Unwissen.

Im Mittelpunkt steht die junge Goldschmiedin Lilo, aus ihrer Sicht wird der Roman zu großen Teilen erzählt. Sie versucht mehr über ihre Großmutter Agnes heraus-zubekommen, aber ihre Mutter mauert und bezichtigt wiederum Agnes, ihr Leben zerstört zu haben. Lilo möchte wissen, was in der Vergangenheit passiert ist, und begibt sich auf eine spannende Suche. Agnes, Lilos Großmutter erzählt auf der zweiten Zeitebene, vor allen Dingen aus den 50er Jahren und wie hart das Leben für Sie und die Familie nach dem Krieg war.

Zwei Frauen, die um Selbstbestimmung und Freiheit ringen. Der Roman beinhaltet so viele Themen, ob es die Rolle der Frau in den 50er Jahren ist (sie durfte nur mit der Erlaubnis ihres Mannes arbeiten) oder die Kriegsverbrechen und deren Vertuschung. Ein starkes Zeitzeugnis, welches zeigt wie tief manche Dinge verwurzelt sind und dass ein Neuanfang, nicht immer ein klarer Cut ist, so sehr wir uns auch bemühen.

Es geht um Ungesagtes, über das, worüber nicht gesprochen wird oder wurde. Dennoch hat diese “Lücke” das Leben vieler Menschen und Generationen geprägt. Teilweise ein aufwühlendes und beklemmendes Buch, welches ich gerade am Ende kaum aus der Hand legen konnte.

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Veröffentlicht am 08.06.2025

Historischer Pageturner

Berchtesgaden
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Für mich war dieser Roman ein wahrer Pageturner, spannend geschrieben und authentisch sowie historisch fundiert erzählt.

Schauplatz des Romans ist, wie der Titel schon verrät, das beschauliche Berchtesgaden, ...

Für mich war dieser Roman ein wahrer Pageturner, spannend geschrieben und authentisch sowie historisch fundiert erzählt.

Schauplatz des Romans ist, wie der Titel schon verrät, das beschauliche Berchtesgaden, der Rückzugsort Hitlers, wo viele Nazi-Größen ein und aus gingen. Dieser Ort ist für die Alliierten wichtig, sind es die Amerikaner oder die Franzosen, die zuerst dort einmarschieren. Man will nah dran sein und die Wahrheit aufdecken. Im Mittelpunkt der Erzählung steht Sophie eine junge unerschrockene Frau, ihre beiden Brüder haben an der Front gedient, der eine war, sogar bei der SS. Sie will nicht einfach nach vorne schauen und so weitermachen. Nein, sie hinterfragt und will alles genau wissen, sie setzt sich mit dem Geschehenen auseinander und stellt die Frage nach Recht und Gerechtigkeit. Sie fängt an für die amerikanische Militärregierung zu arbeiten und bekommt so einen Einblick in das, was wirklich geschah, aber kaum jemand wahrhaben wollte.

Weitere wichtige Personen sind der Jude und GI Frank Rosenzweig, der damals aus München in die USA floh und nun nach Deutschland zurückgekehrt ist und nun vieler Verhöre leitet, da er sowohl der deutschen als auch englischen Sprache mächtig ist. Zu nennen ist weiterhin Rudolf Kriss der Bürgermeister von Berchtesgaden, der von den Amerikanern eingesetzt worden ist, er wurde von den Nazis zum Tode verurteilt und hat auf wundersame Weise überlebt.

Spannend ist das Verweben von Fakten und Fiktion, genauso hätte es ablaufen können und vielleicht ist es auch genauso passiert. Viele Figuren haben wahre Vorbilder andere sind gänzlich frei erfunden, sie agieren aber stimmig und absolut authentisch.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr einnehmend und gut zu lesen, am Ende wird es immer spannender und man will das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Die verschiedenen Blickwinkel lassen es zu, dass wir vielen Personen im Laufe der Erzählung nahekommen, was mich wirklich sehr beeindruckt hat. Der angedeutete Dialekt sorgt zusätzlich für Authentizität, den richtiges Bairisch hätten wohl kaum die wenigsten lesen können.

Ein absolut wichtiges Zeugnis zum 80 Jahrestag des Kriegsendes. Ein meisterliches Debüt mit starken Protagonisten, die facettenreich und nahbar wirken. Eine Geschichte, die niemals vergessen werden darf. Für mich ein wahres Highlight in diesem Lesejahr.

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