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Veröffentlicht am 26.02.2023

Seelensturm über den Schären

In blaukalter Tiefe
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Die Konstellation hat mich an Martin Walsers Novelle "Ein fliehendes Pferd" erinnert: Zwei Paare, ungleich, im Urlaub, auf dem Wasser, Fassaden die bröckeln, Leben die Risse bekommen. Kristina Hauff hat ...

Die Konstellation hat mich an Martin Walsers Novelle "Ein fliehendes Pferd" erinnert: Zwei Paare, ungleich, im Urlaub, auf dem Wasser, Fassaden die bröckeln, Leben die Risse bekommen. Kristina Hauff hat ihrem Roman noch mehr Konfliktpotential zugegeben: Der eine Mann (Andreas) ist der Chef des anderen Mannes (Daniel), und sie stehen daher in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einander. Es gibt eine fünfte Person in dieser Gruppe: Den rauen und unnahbaren Eric, den Eigner des Segelschiffes, auf dem die zwei Paare einen Urlaub in den schwedischen Schären verbringen wollen. Von Beginn an spielen alle ihre Rollen an Bord. Es herrscht eine angespannte Stimmung, die zunächst noch überspielt werden kann. Aber die beengten Verhältnisse, die kaum vorhandene Privatsphäre zerren schon recht bald an den Nerven aller. Und wie bei Walser schaukelt sich die innere Stimmung mit den Wellen immer höher, denn ein Sturm zieht auf und dieser Extremsituation sind nicht nur zwei Männer auf dem Bodensee ausgesetzt, wie bei Walser, sondern fünf Personen in den Schären.

Präzise nimmt Hauff ihre Figuren auseinander. Wie unter einem Mikroskop werden die Schwachstellen immer deutlicher eingestellt, je länger die Reise dauert. Hierbei ist Caroline, Andreas' Ehefrau, die komplizierteste Figur. Auch die anderen Charaktere sind gut getroffen und die Dialoge untereinander, die immer hitziger und vorwurfsvoller werden, sind wirklich glaubhaft und mitreißend. Die Autorin schreibt, als wäre man selbst in der Enge des Schiffes gefangen oder in steifer Segelkleidung an Deck dem Wetter ausgesetzt. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht der vier "Urlauber" geschildert und bringt so das Innenleben der Charakter ans Licht. Nach diesem Törn wird sich das Leben für alle geändert haben.

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Veröffentlicht am 01.11.2022

Die Geheimnisse von Tall Oaks

Was auf das Ende folgt
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Ein kleines Kind verschwindet spurlos in einer überschaubaren kalifornischen Kleinstadt. Wie schon in seinem zuerst in Deutschland veröffentlichten Roman "Von hier bis zum Anfang" stehen auch in Whitakers ...

Ein kleines Kind verschwindet spurlos in einer überschaubaren kalifornischen Kleinstadt. Wie schon in seinem zuerst in Deutschland veröffentlichten Roman "Von hier bis zum Anfang" stehen auch in Whitakers Debüt ein Ort und seine Bewohner, ihre langjährigen Beziehungen sowie Lügen und Geheimnisse neben einem Kriminalfall im Mittelpunkt. In "Tall Oaks" (so auch der Originaltitel) scheint mit dem Vermisstenfall das Böse Einzug gehalten zu haben. Allerdings beschleicht einen bei der Lektüre langsam die Erkenntnis, dass es zumindest teilweise schon längst da war.

Kapitel für Kapitel lernen wir die Einwohner des Städtchens durch Alltagssituationen kennen, erfahren von ihren Nöten, Ängsten und Sorgen. Jim, der Polizeichef vor Ort, gibt auch nach Monaten die Suche nach dem verschwundenen Harry nicht auf und versucht Jess, die Mutter des Kleinen, zu trösten. Derweil brauen sich an verschiedenen Fronten Unwetter zusammen und es kommen immer mehr Verdächtigte zum Vorschein.

Zu Beginn hatte ich etwas Probleme in die Handlung zu finden, da wirklich viele Personen eingeführt werden. Die unterschiedlichen Charaktere haben mir aber gefallen, mein Favorit ist Gangster-Manny. Auch die Figuren von Jerry und Jared sind toll gelungen, andere fallen dagegen etwas ab. Besonders Jim ist mir nicht so nahe gekommen, wie Polizeichef Walk aus "Von hier bis zum Anfang". Manny ist zwar sympathisch, aber er vermag nicht so zu beeindrucken, wie die kleine Duchess aus "Von hier bis zum Anfang". Es fehlt hier für mich die zentrale Figur, die den Leser bedingungslos in die Geschichte hineinzieht. Die Handlung wirkt durch die vielen Charaktere und Nebenschauplätze auch etwas zerfasert. Allerdings bietet dies auch ein ordentliches Sammelsurium an bedenklichen Figuren.

Der Roman ist wirklich gut geschrieben, man kann den einzelnen Handlungssträngen - abgesehen von den zunächst verwirrend vielen Personen - gut folgen. Die Dialoge sind glaubwürdig und in den Szenen mit Manny wirklich witzig. Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten, es ist nicht so ausgefeilt wie die vorherige Veröffentlichung des Autors, aber für mich hat es dennoch knapp fünf Sterne verdient. Es gibt einige Wendungen und Überraschungen.

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Veröffentlicht am 13.10.2022

Wenn das Leben in die Schieflage gerät

Die Ewigkeit ist ein guter Ort
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Elke verliert den Halt. Von jetzt auf gleich kann die junge Theologin aus Köln nicht mehr beten, weder laut noch leise. Die Worte wollen einfach nicht aus dem Mund, selbst das Vaterunser geht nicht mehr ...

Elke verliert den Halt. Von jetzt auf gleich kann die junge Theologin aus Köln nicht mehr beten, weder laut noch leise. Die Worte wollen einfach nicht aus dem Mund, selbst das Vaterunser geht nicht mehr über ihre Lippen. Elkes Umwelt reagiert mit Unverständnis. Sie soll doch die Pastorenstelle ihres Vaters übernehmen, in einem kleinen Ort in Norddeutschland. Aber will sie das wirklich? Ihr Leben gerät buchstäblich aus den Fugen, mit einer toten Maus, einem Papagei namens Gertrude, einer Gruppe von Steilwandfahrern und einer Leerstelle in ihrem Leben.

Der Roman hat mir gut gefallen. Eine ungewöhnliche Geschichte, an der mich nur der allzu verständnisvolle und perfekte Jan etwas gestört hat. Die Autorin hat mit der Schieflage von Elke und der väterlichen Kirche ein schönes Bild gefunden. Wenn das Fundament nicht fest ist, wackelt es oben. Es geht um ein unverarbeitetes Ereignis, das sich durch die Sprachlosigkeit einen Weg an die Oberfläche sucht.

Die Geschichte ist leicht geschrieben, läßt sich flott lesen, regt aber dennoch zum Nachdenken an. Es handelt sich keinesfalls um eine Art Bekehrungsschrift, sondern um die teils amüsante, teils traurige Sinnsuche der Protagonistin, aus der jede/r etwas für sich selbst mitnehmen kann.

"Ich weiß noch nicht, wie es um mein Fundament bestellt ist. Aber ich möchte mein Leben gerne im Licht dieser Ewigkeit sehen. Die Ewigkeit ist ein guter Ort." (S.295)


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Veröffentlicht am 11.06.2022

Was geschah mit Marie?

Kaltherz
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Der zweite Thriller von Henry Faber orientiert sich an seinem erfolgreichen Debüt: Ein Kriminalfall, suspekte Figuren und ein Ermittlercharakter mit Ecken und Kanten, zahlreiche Wendungen und am Ende ist ...

Der zweite Thriller von Henry Faber orientiert sich an seinem erfolgreichen Debüt: Ein Kriminalfall, suspekte Figuren und ein Ermittlercharakter mit Ecken und Kanten, zahlreiche Wendungen und am Ende ist doch alles anders als gedacht.

Die toughe, schlagfertige und unangepasste Kim Lansky hat sich aus einem Münchener Ghetto bis zur Polizei hochgearbeitet. Bei ihren Kollegen ist sie wenig beliebt und landet schließlich - ihr letzte Chance - in der Vermisstenabteilung. Dort übernimmt sie den Fall eines aus dem Auto der Mutter entführten fünfjährigen Mädchens. Die Eltern wollen keine öffentliche Fahndung und es gibt keine Lösegeldforderung. Kim vergräbt sich in den Fall - mit ungeahnten Folgen.

Wie sein Vorgänger, besticht dieser eher unblutige Thriller durch eine schlau konstruierte Handlung und die dynamische Erzählweise. Aus der Perspektive von drei Personen wird die Handlung erzählt: Lansky und den Eltern von Marie. Statt einer Tätersicht wie in "Ausweglos", gibt es dieses Mal als Bonus die Opferperspektive. Kim ist als Charakter ausgefeilter als der Hamburger Kollege Blom aus "Ausweglos", das hat mir gut gefallen. Die unterschiedlichen Ich-Perspektiven sorgen für Spannung und Abwechslung im Lesefluss.

"Kaltherz" ist durchweg fesselnd und treibt mit immer neuen Erkenntnissen und Wendungen auf ein unerwartetes Ende zu. Auch für das zweite Buch von Henry Faber gilt: Ein prima Thriller, den ich nicht weglegen konnte und der mich gut unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Eine Todesliste und eine verschwundene Polizistin

Die Früchte, die man erntet
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Im 7. Band der Serie um den Psychologen Sebastian Bergmann geht es um die Suche nach Serienmördern, einen davon kennen Fans der Serie bereits.

Als in einer Kleinstadt drei Menschen erschossen werden, ...

Im 7. Band der Serie um den Psychologen Sebastian Bergmann geht es um die Suche nach Serienmördern, einen davon kennen Fans der Serie bereits.

Als in einer Kleinstadt drei Menschen erschossen werden, steht Vanja als neue Leiterin der schwedischen Reichsmordkommission vor ihrem ersten großen Fall. Zunächst scheinen die Toten nichts mit einander zu tun zu haben, aber bald findet das Ermittlungsteam einen Zusammenhang. Zeitgleich bahnen sich innerhalb des aktuellen Teams und seiner früheren Mitglieder, Torkel und Sebastian, verhängnisvolle Entwicklungen an.

Schon recht früh weiß man, wer hinter den Morden steckt. Diese Konstellation finde ich in Thrillern nicht so spannend, wie die Variante, dass man als Leser*in gemeinsam mit der Polizei zunächst mehrere Richtungen verfolgt und Verdächtige ausschließen muss. Etwa ab der Hälfte ist diese Handlung auch nahezu abgeschlossen und die Entwicklungen innerhalb des Teams rücken mehr in den Vordergrund. Hier geht es um Billy, den langjährigen Mitarbeiter und IT-Fachmann, der im Dienst bereits zwei Menschen erschießen musste. Er hat seine Neigung lange unter Verschluss gehalten, aber dann bietet sich ihm eine Gelegenheit, die besser nicht sein könnte.

Im Heckenschützenfall hat es mir ein bisschen an Spannung gefehlt, die stellt sich dann aber ein, als es im zweiten Teil hauptsächlich um das Team geht. Auch ist es Schade, dass Sebastian Bergmann nicht mehr Mitglied der Reichsmordkommission ist, seine Figur kommt mir hier fast zu kurz, obwohl er wichtiger Teil der Handlung ist. Vieles, was die Serien ausgemacht hat, hängt mit seiner Figur zusammen. Ich hoffe hier auf den nächsten Teil.

Die Kapitel sind wieder recht kurz und treiben die Handlung voran und im Verlauf auch die Spannung. Zum Ende hin wird es wirklich aufregend und nach dem Showdown kommt erst der richtige Hammer und jetzt heißt es wieder warten, warten, warten bis der nächste Band erscheint.

Man kann den 7. Teil unabhängig lesen, würde sich aber um viele Aha-Momente und spannende Entwicklungen in den vorherigen Büchern bringen, wenn man dieses Buch als erstes lesen würde. Es reicht hier nur für wohlwollende viereinhalb Sterne. Insgesamt ist es aber eine meiner Lieblingsreihen. Wer sie noch nicht kennt, unbedingt lesen!

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