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Veröffentlicht am 23.12.2021

Königliches Lesevergnügen

Die souveräne Leserin
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Die Queen verirrt sich auf der Suche nach ihren bellenden Corgis auf den Küchenhof des Palastes. Dort steht, wie jeden Mittwoch, der Wagen der fahrenden Bibliothek der City of Westminster. Aus Verlegenheit ...

Die Queen verirrt sich auf der Suche nach ihren bellenden Corgis auf den Küchenhof des Palastes. Dort steht, wie jeden Mittwoch, der Wagen der fahrenden Bibliothek der City of Westminster. Aus Verlegenheit entleiht die Queen ein Buch und setzt damit eine Leseleidenschaft in Gang, die nicht nur den Palast in Erstaunen versetzt, sondern auch Besorgnis auslöst. Unterstützt von ihrem Bücherbeauftragten Norman, einem ehemaligen Küchenangestellten, liest sich die Monarchin durch die Epochen und rund um die Welt. Sie, die eigentlich alles gesehen und miterlebt hat, ist fasziniert von den Möglichkeiten der Literatur.

Bennett stellt neben der Entwicklung von einer unerfahrenen zu einer souveränen Leserin (so der deutsche Titel) auch eine hoch sympathische Königin vor. Mit dem für Briten typisch trockenem Humor läßt er sie die neu entdeckte Leseleidenschaft gegenüber dem verschreckten Personal, internationalen Gästen und selbst dem Premierminister selbstsicher und ungefragt verbreiten.

Nimmt die Queen zu Beginn des schmalen Büchleins (120 Seiten) noch empfohlenen Lektüre an, geht sie bald dazu über, ihren Lesestoff selbst auszuwählen, um dann ihrerseits (nachdrücklich) Bücher zu empfehlen. Schließlich setzt sie sich intensiv mit den Werken auseinander und macht sich umfangreiche Notizen. Bei einem Bankett muss sie jedoch auch erkennen: "Authors, she decided, were probably best met with in the pages of their novels, and were as much creatures of the reader's imagination as the characters in their books." (S. 53) - Das Lesen verändert ihre Sicht auf die Dinge.

Ein vergnügliches und schlaues Buch hat Bennett hier geschrieben, das man problemlos in einem Rutsch lesen kann. Eine Hommage an die Kraft der Literatur, die selbst eine Queen aus der Bahn werfen kann. Fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 17.12.2021

Gerichtsthriller der Extraklasse

Thirteen
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Vorab: Der Thriller war richtig, richtig gut!

Eddie Flynn ist Strafverteidiger in New York. Er ist sympathisch, mehr oder weniger ehrlich und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Allerdings gehört er ...

Vorab: Der Thriller war richtig, richtig gut!

Eddie Flynn ist Strafverteidiger in New York. Er ist sympathisch, mehr oder weniger ehrlich und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Allerdings gehört er nicht zur oberen Riege seiner Zunft. Ganz anders Bobby Solomon, er ist Teil der ersten Garde von Hollywood-Superstars und ist des Doppelmordes angeklagt. Ganz großes Pech, denn alle Beweise sprechen gegen ihn. Er beteuert seine Unschuld und zu seinem Glück glaubt Eddie dem jungen Mann.
Da gibt es jedoch im Hintergrund jemanden, der die Fäden zieht und zwar extrem geschickt und skrupellos. Ich spoilere nicht, wenn ich schreibe, dass er in der Jury sitzt, die über diesen Fall entscheiden soll, denn das steht auch auf dem Klappentext. Wie er dahin gekommen ist? Ganz großes Kino!

Eddi Flynn ist ein wirklich cooler Charakter. Extrem entspannt, ironisch und wirklich super sympathisch. In seinem vorherigen Leben war der Trickbetrüger - macht sich immer gut, wenn man auf sowas zurückgreifen kann.
Die Handlung wird parallel auf zwei Ebenen erzählt, die sich aber deutlich unterscheiden lassen: Eddie spricht in der Ich-Perspektive und dann haben wir da den wirklich fiesen Serienkiller, dessen Part durch einen personalen Erzähler berichtet wird. Die Geschichte springt zwischen beiden Perspektiven hin und her und das macht das Buch unheimlich spannend. Der Autor hat einen flotten Schreibstil und läßt die Leser*innen auch am Innenleben der Charaktere teilhaben. Nach dem Prolog beginnt die Handlung an einem Montag und endet am folgenden Freitag. Eine Arbeitswoche, die es wirklich in sich hat.
Mir hat die Geschichte richtig gut gefallen. Die Idee, dass ein Serienmörder in einer Jury sitzt, ist klasse umgesetzt und es gibt reichlich Stoff zum Mitfiebern.
Ich lese unheimlich gerne Szenen, in denen der überheblichen und unsympathischen Partei vor Gericht ein unschlagbarer Zeuge oder ein unumstößliches Beweisstück um die Ohren fliegt. Davon gibt es einige in diesem Thriller.

Das Buch hat mich sehr gut unterhalten und ich habe es wirklich schnell gelesen. Steve Cavanagh ist selbst Anwalt und läßt seinen Helden Flynn hier schon im vierten Band unterwegs sein. Die Serie war mir bisher völlig entgangen. Dieser Teil ist aber problemlos ohne Vorkenntnisse lesbar. Auf jeden Fall werde ich mir die anderen Teile auch noch holen. Eine klare Leseempfehlung für Thriller-/Gerichtsthrillerfans. Fünf Sterne für Eddie Flynn.

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Veröffentlicht am 13.12.2021

Mord in der Literaturwelt

In ewiger Freundschaft (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 10)
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Bereits seit zehn Bänden verfolgen wir die Fälle von Pia Sander und Oliver von Bodenstein. Für diesen "Jubiläumsband" hat sich die Autorin ein besonderes Setting ausgesucht.

Eine verschwundene Frau läßt ...

Bereits seit zehn Bänden verfolgen wir die Fälle von Pia Sander und Oliver von Bodenstein. Für diesen "Jubiläumsband" hat sich die Autorin ein besonderes Setting ausgesucht.

Eine verschwundene Frau läßt das Ermittlerteam tief in die Welt der Bücher, Autorinnen und des Verlagswesens eintauchen. Aus dem Vermisstenfall wird sehr schnell ein Mordfall und jedes Gespräch mit der Polizei scheint neue Ungereimtheiten ans Licht zu bringen. Abhängigkeiten, alte Rechnungen, Liebe und Hass wurden lange unter den Teppich gekehrt, bis Pia und Oliver den Verlag, die Verlegerfamilie und zahlreiche andere Personen aus deren Umfeld genau unter die Lupe nehmen. Wer hat was zu verbergen? Es bleibt nicht bei einem Mord, um das Geheimnis zu hüten.

Zunächst macht das Setting des Romans unheimlich Spaß. Es gibt skurrile Typen (der einbeinige Kranich) und reichlich Anspielungen auf tatsächliche Kritiker, Autoren etc. Da Henning, Pias Ex-Mann und Leiter der Rechtsmedizin in Frankfurt, selbst unter die Krimiautoren gegangen ist, gibt es zahlreiche Querverbindungen. So wird Henning mit Prof. Boerne aus dem "Tatort" verglichen und Hennings Bücher haben die Titel von Taunus-Romanen von Nele Neuhaus. Da geht es kreuz und quer und Realität und Fiktion sind auf verschiedenen Ebenen verzahnt, ebenso wie Fiktion und Fiktion. Da wird z.B. Oliver Bodenstein eine Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Tim Bergmann nachgesagt, der ja auch in den Verfilmungen die Rolle des Oliver spielt. Indem Henning in seinen Kriminalromanen Fälle von Pia und Oliver "verarbeitet", haben die beiden Charaktere quasi in Hennings Büchern ein zweites literarisches Leben als Baron von Buchwaldt und Kommissarin Gevenkamp. Kurz und gut, es gibt im ersten Teil reichlich Stoff zum Schmunzeln. In der Mitte des Romans nehmen einige Längen das Tempo raus, das aber zum Ende hin mit einem rasanten Showdown wieder deutlich anzieht. Es gibt lediglich eine Szene, die für mich über das Ziel hinausgeschossen ist (Stichwort: Brot).

Insgesamt unterhält der Krimi sehr gut. Nele Neuhaus schreibt gewohnt flott und glaubhaft, so dass man der Geschichte gerne folgt. Aber es gibt dieses Mal wirklich reichlich Charaktere und Beziehungen, daher ist das vorangestellte Personenregister sehr hilfreich. Gelegentlich muss man sich veranschaulichen, wer wer ist, wer was weiß und wer mit wem wie befreundet oder verwandt ist. Der Kriminalfall ist nahezu durchweg spannend und wendungsreich. Die Literaturszene sorgt für den nötigen Humor und das Privatleben von Oliver für einige heftige Aufreger.

Der Krimi läßt sich auch ohne Vorkenntnisse lesen, aber Fans haben sicherlich Freude an den Hinweisen auf die alten Fälle. Die Erwartungen an den 10. Band der Taunus-Reihe hat Nele Neuhaus für mich voll erfüllt, dafür gibt es fünf Sterne.


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Veröffentlicht am 22.11.2021

Durch Zeiten und Geschichten

Wolkenkuckucksland
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Der neue Roman von Pulitzer-Preisträger Anthony Doerr ist eine Hommage an die Werke der Antike, an Bibliotheken und Bücher, die Natur, an unsere Welt - großartig!

1453 wird das christliche Konstantinopel ...

Der neue Roman von Pulitzer-Preisträger Anthony Doerr ist eine Hommage an die Werke der Antike, an Bibliotheken und Bücher, die Natur, an unsere Welt - großartig!

1453 wird das christliche Konstantinopel belagert und nach fast 1000 Jahren werden die starken Mauern erstmals fallen. Hinter diesen Mauern lebt die kleine Waise Anna, die als Stickerin arbeitet. Draußen vor der Mauer muss Omier die Osmanen bei der Eroberung der Stadt unterstützen.

2020 kann Seymour die Zerstörung der Umwelt nicht mehr ertragen und will ein Bauunternehmen in Idaho schädigen, indem er in der benachbarten Bibliothek eine Bombe platziert.

In einer fernen Zukunft ist Konstance in einem Raumschiff unterwegs, um gemeinsam mit ihren Eltern und anderen Passagieren, einen neuen Planeten zu besiedeln.

Diese Schicksale sind durch einen antiken Roman verbunden, in welchem der (Anti-)Held auf der Suche nach der Stadt in den Wolken ist.

Wow, was für ein Buch. So viele Geschichten, so viele Charaktere und so eine unglaublich breit gefächerte Handlung.

Der Roman ist komplex angelegt, da nicht nur die drei Erzählstränge abwechselnd aufgegriffen werden, sondern diese auch noch durch Einschübe aus dem antiken Roman gegliedert werden. Zudem gibt es noch Zeitsprünge innerhalb der einzelnen Erzähltstränge, die Abschnitte werden nicht chronologisch erzählt.

Was zunächst etwas verwirrt, entfaltet bald eine unglaubliche Sogwirkung, denn Doerrs Charaktere sind so tief, besonders und glaubwürdig gezeichnet, dass man ihnen und ihren Geschichten einfach folgen muss. Wir können bis in das Innerste der Figuren schauen. Der dichte, atmosphärische Schreibstil und die Detailfreunde des Autors lassen das mittelalterliche Konstantinopel ebenso vor dem geistigen Auge lebendig werden, wie die Zustände im Raumschiff.

Die antike Mythologie, ihre Romane und Helden spielen als Unterbau eine wichtige Rolle im Roman. Es gibt viele Anspielungen, die das Lesevergnügen noch steigern. So heißt z.B. die künstliche Intelligenz im Raumschiff Sybil, nach der antiken Seherin/Prophetin Sibylle. Daneben werden Umweltzerstörung und globale Technologie thematisiert.

Im Mittelpunkt stehen aber die jungen Protagonisten in den verschiedenen Jahrhunderten, die alle an einem Wendepunkt in ihrem Leben stehen.

Das Buch ist wahrlich umwerfend konstruiert und geschrieben, ein Leckerbissen für Literaturfans. Man sollte aber gerade zu Beginn nicht der Versucherung erliegen, immer nur kleine Häppchen zu lesen, da sich dies wegen der kurzen Kapitel anbietet. Lieber für den Einstieg etwas Zeit nehmen und sich mit allen Erzählsträngen vertraut machen, dann kann man das Buch kaum noch aus der Hand legen.

Eine absolute Leseempfehlung und fünf Sterne für Wolkenkuckucksland in seinem wunderschönen Cover.

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Veröffentlicht am 20.10.2021

Von der Kraft der Liebe

Vom Ende der Einsamkeit
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"Du bist nicht schuld an deiner Kindheit und am Tod deiner Eltern. Aber du bist schuld daran, was diese Dinge mit dir machen. Du allein trägst die Verantwortung für dich und dein Leben. Und wenn du nur ...

"Du bist nicht schuld an deiner Kindheit und am Tod deiner Eltern. Aber du bist schuld daran, was diese Dinge mit dir machen. Du allein trägst die Verantwortung für dich und dein Leben. Und wenn du nur tust, was du immer getan hast, wirst du auch nur bekommen, was du immer bekommen hast." (S. 185)

Drei Geschwister, die unterschiedlicher nicht sein könnten, kommen in ein Internat, nachdem ihre Eltern tödlich verunglückt sind. Jeder der drei versucht auf seine Art, mit dem Verlust und der neuen Situation umzugehen. Liz, die Älteste, nimmt das Leben gierig an und läßt nichts aus. Marty, der mittlere Sohn, wird zum Eigenbrötler und der sensible Jules verliert sein Selbstbewusstsein und trauert dem verlorenen Familienglück hinterher. In Alva findet er eine Freundin, die weißt, was Verlust bedeutet. Erst als die Kinder erwachsen sind, können sie über ihre Gefühle sprechen und die Vergangenheit annehmen.

Benedikt Wells hat einen tieftraurigen und zugleich wunderschönen Roman über das Erwachsenwerden, über Familie, Freundschaft und Einsamkeit geschrieben. Über dreißig Jahre verfolgt man die Geschichte der Geschwister, wobei immer einige Jahre in Kapiteln zusammengefaßt werden, um einen einschneidenden Lebensabschnitt aufzuzeigen. Die Handlung wird aus der Sicht von Jules in der Ich-Perspektive geschildert, dadurch fühlt man sich ihm besonders nahe und verfolgt gebannt wie sich seine Beziehung zu Liz und Marty und vor allem zu Alva entwickelt. Wells erzählt die Geschichte eindringlich und auf scheinbar ganz leichte Weise. Die Protagonisten sind alle, trotz ihrer Schwächen, sympathisch und ebenso glaubhaft wie die Dialoge. Obwohl das Geschehen quasi zu Ende erzählt wird, hätte ich noch ewig weiterlesen können, die Handlung hat mich tief berührt.

Nach "Hard Land" hat mich auch "Vom Ende der Einsamkeit" von Benedikt Wells begeistert; wirklich schön geschrieben, mit tollen Figuren und einer Geschichte, die einem mehr als einmal die Tränen in die Augen treibt. Dafür vergebe ich gerne fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

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