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Fannie

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Viel verschenktes Potenzial

Die Garnett Girls
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Die Isle of Wight im Süden Englands als Schauplatz, ein Familiendrama und drei Schwestern mittendrin: Mir war sofort klar, dass ich „Die Garnett Girls“ von Georgina Moore unbedingt lesen muss! Das wunderschöne ...

Die Isle of Wight im Süden Englands als Schauplatz, ein Familiendrama und drei Schwestern mittendrin: Mir war sofort klar, dass ich „Die Garnett Girls“ von Georgina Moore unbedingt lesen muss! Das wunderschöne Cover tat sein Übriges dazu und ich konnte es nicht erwarten, in diesem Roman abzutauchen. Am 10. April 2025 erschien „Die Garnett Girls“ bei Kiepenheuer & Witsch.

Als großer Südengland-Fan hatte ich mir natürlich imposante Darstellungen der Isle of Wight erhofft – doch leider: Fehlanzeige. Die Geschichte hätte auch ebenso gut an der Ostsee spielen können, ohne dass es einen Unterschied gemacht hätte. Das war sehr enttäuschend für mich, denn damit hat Georgina Moore unglaublich viel Potenzial verschenkt.

Das plakativ angekündigte Familiendrama sowie das Rätsel um die jüngste Schwester Sacha, die laut Klappentext „ein Geheimnis mit sich herumträgt, das die Familie in ihren Grundfesten erschüttern wird“, entpuppt sich als die Trennung der Eltern vor langer Zeit, die das Schwestern-Trio Rachel, Imi und Sacha verständlicherweise nachhaltig geprägt hat, sowie eine zugegebenermaßen schockierende Tatsache, die ich allerdings nicht spoilern möchte.

Margo, die Mutter der Schwestern, ist einerseits eine schillernde Figur, andererseits aber eine fürchterliche Person, die ein echtes Problem mit dem Altern hat und für die die Privatsphäre ihrer Kinder schlicht nicht existiert. Die drei Schwestern bleiben neben ihrer Mutter eher blass.

Abgesehen davon unterhält einen „Die Garnett Girls“ mit vergleichsweise alltäglichen Problemen: In der Ehe zwischen Sacha und ihrem Mann kriselt es, zu ihrer Mutter hat sie ein angespanntes Verhältnis, während Imi sich als lesbisch outet.

Ach Georgina Moore, da wäre so viel mehr drin gewesen! Bedauerlicherweise hat die in einem Hausboot auf der Themse lebende Autorin so vieles in ihrem Debütroman ungenutzt gelassen: Die Story wirkt oberflächlich, der Handlungsort beliebig und die ganze Geschichte plätschert ein wenig lieblos vor sich hin.

Das Buch „Die Garnett Girls“ hat es leider nicht vermocht, mich in seinen Bann zu ziehen und ließ mich trotz eines vollmundigen Klappentextes und der Tatsache, dass das Buch in Großbritannien ein „Sunday Times“-Bestseller wurde, enttäuscht zurück.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Prosaisches Denkmal für eine in Vergessenheit geratene Frau

Für Anna. Eine Belichtung
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Die Engländerin Anna Atkins, geboren im ausgehenden 18. Jahrhundert, hat sich zu ihren Lebzeiten der Cyanotypie verschrieben – ein Vorläufer der Fotografie, bei dem Objekte sich Blaupausen gleich mithilfe ...

Die Engländerin Anna Atkins, geboren im ausgehenden 18. Jahrhundert, hat sich zu ihren Lebzeiten der Cyanotypie verschrieben – ein Vorläufer der Fotografie, bei dem Objekte sich Blaupausen gleich mithilfe spezieller Chemikalien und Licht selbst abbilden. Leider ist Anna Atkins in Vergessenheit geraten. Die Autorin Simone Scharbert arbeitet mit ihrem Buch „Für Anna – Eine Belichtung“ gegen das Vergessen einer klugen und für ihre Zeit erstaunlich emanzipierten Frau an.

Ich hatte das große Glück, Simone Scharbert und ihr am 24. März 2025 bei Voland & Quist erschienenes Buch über die 1871 verstorbene Anna Atkins im Rahmen eines Cyanotypie-Workshops auf der Leipziger Buchmesse 2025 kennenzulernen.

Simone Scharbert brachte den Teilnehmerinnen viel Wissenswertes über die Cyanotypie bei und wir durften uns selbst ausprobieren. In den Pausen, in denen unsere Kunstwerke, die gepresste Blumen und Gräser abbildeten, trockneten, las Simone Scharbert aus ihrem aktuellen Buch. Mit weicher, zarter Stimme und liebevoller Prosa gab sie Einblicke in das Leben von Anna Atkins, die sehr wissenschaftsaffin war.

Ich freute mich auf die Geschichte dieser außergewöhnlichen Frau. Das Buch beginnt im Jahr 1806. Die siebenjährige Anna bittet ihren Vater, sich an ihre verstorbene Mutter zu erinnern. Dieser frühe Verlust wird nicht der einzige bleiben, den Anna bewältigen muss. Immer wieder kehrt der Tod ins Hause Atkins ein. Ihr Vater unterdessen ermutigt Anna trotz aller Trauer dazu, ihren Weg zu gehen. Im Sammeln und Katalogisieren alles Botanischen geht Anna vollkommen auf. Sie wird 1839 auf Bitten ihres Vaters gar in die Botanical Society aufgenommen. Dennoch werden sich später nicht viele an sie erinnern …

Umso schöner, dass Simone Scharbert Anna Atkins mit „Für Anna – Eine Belichtung“ ein Denkmal gesetzt hat. Die Cyanotypie auf dem wunderschönen Cover stammt übrigens von der Autorin selbst.

Dem Buch ist eine äußerst gründliche Recherche anzumerken. Im Glossar stellt die Autorin Gelehrte vor, die Anna bewundert und mit denen sie teilweise zusammengearbeitet hat. Auch die drängenden Themen der damaligen Zeit, wie beispielsweise die Kolonialisierung und die Sklaverei, werden erläuternd aufgegriffen.

Mit viel Gefühl und fast schon zärtlich erzählt Simone Scharbert von Anna, in einer einzigartigen Mischung aus bildgewaltigen Darstellungen und poetischen Worten, so leicht wie Schmetterlingsflügelschlagen. Doch ein ganzes Buch in diesem Stil zu lesen, erwies sich für mich mit der Zeit als ermüdend. Ich hatte angenommen, bei „Für Anna – Eine Belichtung“ handele es sich um eine Biografie, romanartig erzählt. Doch die Erzählung ist als Prosatext verfasst. Simone Scharbert legt dabei viel Wert auf Satzfragmente.

Deshalb kann ich letztlich nur drei Sterne vergeben, denn mit dem durchgehend prosaischem, künstlerischen Schreibstil bin ich leider nicht warm geworden. Wer aber Freude an derlei Texten hat, für den wird „Für Anna – Eine Belichtung“ genau das Richtige sein.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Gute Geschichte, verwirrende Auflösung

Die Festung
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Nach dem Tod ihrer Mutter plagen finanzielle Sorgen die Schwestern Clara und Bonnie. Damit sie weiterhin die Raten der Hypothek für das Haus bezahlen können, meldet sich Clara, die Jüngere, für eine Realityshow ...

Nach dem Tod ihrer Mutter plagen finanzielle Sorgen die Schwestern Clara und Bonnie. Damit sie weiterhin die Raten der Hypothek für das Haus bezahlen können, meldet sich Clara, die Jüngere, für eine Realityshow an, bei der ein Preisgeld winkt – und wird tatsächlich eine der Kandidatinnen. Doch kurz bevor es losgehen soll, bricht sie sich das Schienbein. Ihre Schwester Bonnie springt widerwillig für sie ein und gibt sich als Clara aus.

Keiner der Teilnehmer weiß, wohin sie das Boot, in das sie am Hafen von Portsmouth in Südengland steigen, bringen wird. Schließlich landen sie auf einer verlassenen Festung. Dort müssen sie verschiedene Aufgaben meistern und Rätsel lösen. Und bald schon müssen die Kandidaten schmerzlich erfahren, dass es um Leben und Tod geht, wenn es ihnen nicht gelingt, die an sie gestellten Anforderungen zu bewältigen.

„Die Festung“ von L. D. Smithson, erschienen am 6. Juni 2025 bei Hoffmann und Campe, ist ein abwechslungsreicher Thriller, der aus der Perspektive verschiedener Erzählerinnen und Erzähler geschrieben wurde: Da ist einerseits Bonnie, die Hauptfigur, es gibt Interviews mit den Kandidatinnen und Kandidaten der Realitysendung „Die Festung“, Bonnie spricht mit dem ehemaligen Kriminalbeamten Shane Fletcher in seinem Podcast „Das Unerwartete erwarten“ und regelmäßig bestehen Kapitel aus Social Media-Posts, in denen die Zuschauer ihre Meinung zu „Die Festung“ kundtun.

Eine krasse Realityshow, Social Media, Escape Room-Vibes und ein True Crime-Podcast: L. D. Smithson, deren echter Name Leona Deakin lautet, ist mit „Die Festung“ unleugbar am Puls der Zeit. Bei diesem Buch handelt es sich um einen klassischen Locked Room-Thriller, denn die Teilnehmer können nicht weg von der Festung, die vollständig von Wasser umgeben ist. Streitigkeiten und zwischenmenschliche Animositäten sind da natürlich vorprogrammiert. Die Charaktere, die L. D. Smithson erschaffen hat, bedienen die Klischees einer solchen Sendung. Der Schönling fehlt ebenso wenig wie das hässliche, aber schlaue Entlein oder das hübsche Dummchen. Leider bleiben alle Figuren ein wenig unscharf und beliebig.

Je weiter es auf den Schluss der Geschichte zugeht, desto diffuser und verwirrender wird sie. Gegen Ende stellt man sich als Leser die Frage, was Realität und was Fiktion ist. Natürlich bereichern unerwartete Wendungen, wenn sie gut gemacht sind, eine Geschichte, aber bei L. D. Smithson ist es meiner Meinung nach ein bisschen zu viel des Guten.

Beim Lesen lege ich besonders viel Wert auf Atmosphäre. Das überaus gelungene Buchcover verspricht dahingehend wirklich eine Menge. Und L. D. Smithson ist es recht gut gelungen, die bedrückende Atmosphäre auf der Festung wiederzugeben.

Unterm Strich ist „Die Festung“ durchaus keine schlechte Geschichte und insbesondere das Setting hat viel Potenzial, aber im Hinblick auf die Charaktere und die Auflösung hätte L. D. Smithson noch Luft nach oben gehabt. Die Meinung von Lee Child, die auf dem Cover prangt und lautet: „Spannender geht es nicht“, kann ich leider nicht teilen. Denn den Atem geraubt hat mir dieser Thriller nicht.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Tiefgründige Spannungsliteratur made in England

Das Nest
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Gibt es melancholische Krimis? Nachdem ich „Das Nest“ von Sophie Morton-Thomas gelesen habe, kann ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Der 304-seitige Kriminalroman der britischen Autorin ...

Gibt es melancholische Krimis? Nachdem ich „Das Nest“ von Sophie Morton-Thomas gelesen habe, kann ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Der 304-seitige Kriminalroman der britischen Autorin erschien am 2. Juli 2025 im Pendragon Verlag und wurde übersetzt von Lea Dunkel. Der Titel der Originalausgabe lautet „Bird Spotting In A Small Town“.

Die Geschichte beginnt anheimelnd: Wir lernen Fran kennen, die in einem englischen Küstenort Fran’s Holiday Vans, eine Wohnwagensiedlung, betreibt. Gemeinsam mit ihrem Mann und Sohn Bruno lebt sie auf dem Gelände und liebt es, im angrenzenden Marschland die Vögel zu beobachten.

Doch auf leisen Sohlen schleicht sich das Unbehagen ein und schließlich auch das Grauen. Autorin Sophie Morton-Thomas enthüllt Stück für Stück die Untiefen ihrer Geschichte. Da ist einerseits die familiäre Situation, die Fran belastet. Zu ihrer Schwester Ros, der Fran Unterschlupf in einem der Mobilheime gewährt, findet sie keinen Zugang mehr. Ros‘ Tochter Sadie zieht immer wieder mit unbekanntem Ziel gemeinsam mit Bruno los. Frans Schwager Ellis verschwindet – und das ausgerechnet, als die Lehrerin von Bruno und Sadie ermordet aufgefunden wird. Und dann sind da noch die Roma, die gleich neben der Wohnwagensiedlung Halt machen …

Sophie Morton-Thomas hat einen düsteren Kriminalroman mit ganz viel Atmosphäre geschrieben. Die salzige Luft des Marschlandes steigt einem beim Lesen in die Nase, man spürt das Zerren des Windes und den peitschenden Regen förmlich am eigenen Leib. Die großen und kleinen Geheimnisse, die zwischenmenschlichen Abgründe, offenbaren sich erst nach und nach. Und über allem steht die Frage: Wer hat die Lehrerin ermordet?

„Niemand in meiner Welt ist gerade unschuldig, mit Ausnahme meines Kindes.“

Dieses Zitat von Protagonistin Fran auf Seite 247 bringt es auf den Punkt: So gut wie jeder hat ein Motiv zur Ermordung der Lehrerin, die in ihrer Art sehr eigen war und von den Dorfbewohnern argwöhnisch beäugt wurde.

Gegen Ende ihres Romans zieht Sophie Morton-Thomas die Zügel gehörig an. Eine unfassbare Enthüllung reiht sich an die andere – bis es schließlich zur überraschenden Auflösung kommt.

Ich persönlich hätte mir am Ende des Buchs etwas weniger Tempo gewünscht, um als Leserin all die Geständnisse und Entwicklungen verdauen zu können, aber das ist auch schon mein einziger Kritikpunkt.

Mit „Das Nest“ hat Sophie Morton-Thomas einen stillen und doch gewaltigen Roman geschrieben, in dem sie ausnahmslos alle handelnden Personen geschickt miteinander verbindet. Und am Ende gibt uns die Autorin eine Metapher mit, über die man auch dann noch nachdenken wird, wenn man das Buch bereits zugeklappt hat – und die bezieht sich (ohne, dass ich zu viel verrate) auf den Titel „Das Nest“.

Ein außergewöhnliches Buch, das ich gern allen Freunden von tiefgründiger Spannungsliteratur ans Herz legen möchte.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Ein Trauerredner gegen das Organisierte Verbrechen

Über die Toten nur Gutes
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Mads Madsen wohnt in Glücksburg. Sein Elternhaus teilt er sich mit seinem schrulligen Vater Fridtjof und der Malteserhündin Bobby. So weit, so beschaulich. Doch dann erfährt Mads, dass Patrick, sein Freund ...

Mads Madsen wohnt in Glücksburg. Sein Elternhaus teilt er sich mit seinem schrulligen Vater Fridtjof und der Malteserhündin Bobby. So weit, so beschaulich. Doch dann erfährt Mads, dass Patrick, sein Freund aus Kindertagen, unter tragischen Umständen verstorben ist. Mithilfe mysteriöser Nachrichten und versteckter Schätze aus Kindertagen lotst der Verblichene Mads posthum auf die Spur seines rätselhaften Todes. Obwohl Mads eigentlich nur eine Trauerrede für Patrick schreiben will, steckt er bald bis zum Hals in Ermittlungen, die er besser der Polizei überlassen sollte. Denn mit den finsteren Gestalten, mit denen es Mads zu tun bekommt, ist nicht zu spaßen …

Andreas Izquierdo hat sich 2013 mit seinem Roman „Das Glücksbüro“ in mein Herz geschrieben. Der facettenreiche Schriftsteller, der gleich in mehreren Genres zu Hause ist, hat nun mit Mads Madsen einen warmherzigen Hauptdarsteller erschaffen, der in „Über die Toten nur Gutes“ über ein Minenfeld aus Verbrechen gemeingefährlicher Typen stolpert. Glücksburg goes Crime, könnte man sagen. Denn das beschauliche Leben von Mads wird ordentlich auf links gedreht, als er nachforscht, wie sein Freund Patrick ums Leben gekommen ist.

In seine Figuren hat Andreas Izquierdo wieder einmal viel Leidenschaft investiert. Man weiß gar nicht, wen man zuerst ins Herz schließen soll: Mads selbst, seinen Bingo-süchtigen Vater, die putzige Malteserhündin Bobby, seinen treuen Bestatterkumpel Fiete oder gar den stillen Herrn Barnady, der im Laufe der Geschichte mit so manch unentdecktem Talent aufwartet.

Andreas Izquierdo erzählt einmal mehr lebhaft, dialogreich, originell und trifft dabei immer den richtigen Ton. Denn auch wenn sein Kriminalroman „Über die Toten nur Gutes“ der Sparte Cosy Crime zugeordnet wird, widmet er sich den Themen Tod und Schicksal dennoch mit dem gebotenen Respekt.

Die Geschichte geht gut voran und unterhält hervorragend. Dabei ist „Über die Toten nur Gutes“ keiner der Krimis, die das Herz des Lesers schneller klopfen lassen oder gar Gänsehaut erzeugen, wohl aber eine Geschichte über die Kraft der Freundschaft, die einen oft schmunzeln, aber auch so manches Mal nachdenklich werden lässt.

Am 16. September 2025 ist das 304-seitige Buch bei DuMont erschienen. Good News für alle, die (wie ich) noch mehr über den ermittelnden Trauerredner Mads lesen wollen: Im Herbst 2026 erscheint mit „Niemals geht man so ganz“ der zweite Band der Reihe.

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