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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2025

Unter die Haut gehende Grundidee, leider oberflächlich in der Ausführung

Heimat
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„Heimat“ von Hannah Lühmann hat einen unheimlich spannenden Ausgangspunkt: Was passiert mit einer orientierungslosen jungen Frau, der in ihrem Familienleben etwas fehlt, wenn sie mit dem radikal rechten ...

„Heimat“ von Hannah Lühmann hat einen unheimlich spannenden Ausgangspunkt: Was passiert mit einer orientierungslosen jungen Frau, der in ihrem Familienleben etwas fehlt, wenn sie mit dem radikal rechten Milieu in Gestalt einer Tradwife-Influencerin in Kontakt kommt? Das Buch trifft von der Themenwahl her genau meinen Geschmack, und ich habe mich begeistert in die Lektüre gestürzt. Was eine tiefgründige Charakter- oder Milieustudie hätte werden können, bleibt in diesem gerade mal 170 Seiten langen Roman allerdings leider zu weit an der Oberfläche.

Jana zieht mit ihrem Partner und den zwei Kindern hinaus ins Grüne in eine Neubausiedlung. Den Job hat sie gekündigt, die finanzielle Lage ist nicht gerade rosig, und in der Beziehung kriselt es. Jana liebt ihre Kinder, schwebt aber irgendwie orientierungslos durchs Leben. Als Leserin erfährt man nie so recht, wer sie eigentlich ist: was sie will im Leben, wo ihre Überzeugungen liegen, welche Leidenschaften sie antreiben (oder zumindest einmal angetrieben haben). Diese Kontrastlosigkeit ist es auch, die die eigentlich brisante Begegnung mit der Familien-Influencerin Karolin relativ unspektakulär verlaufen lässt: Karolin erzieht die fünf Kinder primär zu Hause, backt Kuchen und findet Kitas unmenschlich. Von Anfang an ist klar: Hier herrscht ein erzkonservatives Familienbild. Aber Jana bleibt im Kontakt merkwürdig passiv: Man begreift nicht, ob sie Karolins Haltung eigentlich ablehnt oder nicht – und folglich auch nicht so recht, wie ihre Haltung sich im Laufe des Romans verändert. Was also eine psychologisch tiefe Geschichte darüber hätte werden können, wie ganz normale Menschen in ein gefährliches Milieu abgleiten können, bleibt relativ monoton. Von Subtilität und Zwischentönen ist im Roman wenig zu spüren, stattdessen bekommen wir mehr oder weniger auf dem Silbertablett serviert, wer welche Agenda verfolgt (Janas Ehemann ist zum Beispiel ein glühender Gegner des Rechtsrucks, der im Buch klar ausbuchstabiert wird).

Trotzdem hat Lühmanns Buch auch seine Stärken. Der knappe, unaufgeregte Stil liest sich flüssig, und mit der Themenwahl trifft die Autorin trotz ausbaufähiger Umsetzung einen Nerv. Ihr nach rechts abgewandertes Deutschland mit seinen Stay-at-Home-Moms, den AfD-Ständen im Stadtzentrum und den Anschlägen auf Politiker
innen mag etwas plakativ daherkommen, fühlt sich aber doch nicht weit entfernt von der Realität an. Und auch wenn man sich bei Jana mehr Tiefe in der Entwicklung gewünscht hätte (und mehr Subtilität bei Karolins Versuch, sie auf ihre Seite zu ziehen), ist sie doch auch eine interessante Figur, gerade weil sie so wenig starke eigene Meinungen mitbringt. Vielleicht ist diese Figur sogar eigentlich keine Romanfigur, sondern eher eine Allegorie der schweigsamen Mitte der Gesellschaft, die sich ohne große Leidenschaft in die eine oder die andere Richtung ziehen lässt, je nachdem, von welcher Seite stärkere Kräfte wirken.

Insgesamt ist „Heimat“ ein Buch mit großem Potenzial, das vor allem an seiner Kürze krankt. Wäre das Szenario in doppelter Länge, mit mehr Tiefgang und psychologischer Vielschichtigkeit ausgebreitet worden, hätte das ein sehr bedrückendes, nachdenklich machendes Buch werden können. Vor allem dank des sehr abrupten Endes lässt einen die Lektüre dieses schmalen Bändchens leider ein wenig ratlos zurück. Kein schlechter Roman, aber auch keine große Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 14.12.2024

Spannung von der ersten bis zur letzten Seite

The Killer Profile
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„The Killer Profile“ ist ein Pageturner vom Feinsten, der auf jeder Seite neue, überraschende Wendungen bereithält. In Kombination mit den überzeugenden Figuren und dem flüssigen Schreibstil wird so aus ...

„The Killer Profile“ ist ein Pageturner vom Feinsten, der auf jeder Seite neue, überraschende Wendungen bereithält. In Kombination mit den überzeugenden Figuren und dem flüssigen Schreibstil wird so aus Helen Fields’ neuestem Thriller ein absolutes Lieblingsbuch.

Bereits das Setting des Romans ist originell und bietet reichlich Futter für Spekulationen: ein undurchsichtiger Tech-Konzern, der dank kontinuierlicher Überwachung der Mitarbeitenden und restriktiver Firmenregeln durchaus dystopische Züge trägt. Dort arbeitet Protagonistin Midnight und wertet von morgens bis abends Profile von Menschen aus, die eigentlich bloß einen Studienplatz ergattern oder einen neuen Job finden wollen. In Midnights Realität muss man sich dafür komplett nackig machen, und gerade dieser dystopische, jedoch keinesfalls realitätsferne Aspekt des Settings macht „The Killer Profile“ schon zu einer lohnenswerten Lektüre. Noch spannender wird es allerdings, als Midnight auf das Profil eines Menschen ohne jede Empathie und mit Spaß am Leiden anderer stößt – quasi zum selben Zeitpunkt, als der erste grausame Mord die Stadt erschüttert. Midnight hat das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen, aber Eigeninitiative sehen die Firmenregeln nicht vor …

„The Killer Profile“ ist ein gelungener Thriller, der sich stets zwischen Psychothriller und Dystopie bewegt. Beinahe ebenso wichtig wie die Aufklärung der Morde ist nämlich der Blick auf eine nicht besonders ferne Zukunft, in der der gläserne Mensch allmählich zu handfester Realität wird, und zwar ganz ohne Big Brother, sondern indem Menschen, vermeintlich aus freien Stücken, ihr Innerstes vor Großkonzernen offenlegen. Diese beklemmenden Hintergründe verleihen dem Roman eine ganz besondere Wucht. Zugleich ist „The Killer Profile“ ein clever konstruiertes Katz-und-Maus-Spiel mit vielen wirkungsvoll eingesetzten Perspektivwechseln und einem gekonnten Aufbau, in dem erst nach und nach alle wichtigen Details ans Licht kommen. Somit ist das Buch nonstop spannend, selten vorhersehbar und besticht vor allem durch seine glaubwürdigen Figuren.

Absolute Leseempfehlung für Fans von Thrillern mit dem gewissen Etwas.

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Veröffentlicht am 04.11.2024

Ein bewegender Roman über Leidenschaft und die Verwobenheit menschlicher Schicksale

Das große Spiel
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In „Das große Spiel“ zeichnet Autor Richard Powers mit Prägnanz und Poesie die Biographien mehrerer Menschen nach, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch tief miteinander verbunden sind. Der ...

In „Das große Spiel“ zeichnet Autor Richard Powers mit Prägnanz und Poesie die Biographien mehrerer Menschen nach, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch tief miteinander verbunden sind. Der Roman beschäftigt sich vorrangig mit den Leidenschaften seiner Figuren und Fragen von Herkunft, Zugehörigkeit und Menschlichkeit.

„Das große Spiel“ ist eines dieser Bücher, bei denen eine Inhaltsangabe schwerfällt: Mehrere parallele Handlungsstränge leiten durch den Roman, die alle miteinander verknüpft zu sein scheinen, deren Verknüpfung aber nicht auf den ersten Blick offenbar wird. Ein todkranker Tech-Mogul, der auf sein Leben und sein Schaffen zurückblickt, in erster Linie aber an seinen ältesten, entfremdeten Freund zurückdenkt, mit dem er eine große Leidenschaft teilte: das Go-Spiel. Eine Meeresforscherin, die ihren Beruf gegen alle Widerstände der sexistischen Nachkriegsgesellschaft auslebt. Eine Insel im Pazifik, die mit ihrem kolonialen Erbe ringt. All diese Geschichten stehen für sich, sind bewegende und tiefgehende Biographien aus sich selbst heraus. Aber sie gehören auch zusammen, und das ist das eigentlich Beeindruckende an diesem Roman.

Richard Powers ist mit „Das große Spiel“ ein flammendes Plädoyer für menschliche Leidenschaft gelungen. Die Geschichten seiner Figuren zeigen, welch kraftvollen Antrieb echte Leidenschaft darstellen kann, aber auch, welches zerstörerische Potenzial ihr innewohnt. Gerade die Geschichte um die zerbrechende Freundschaft von Internet-Billionär Todd Keanes und Rafi, seinem Freund aus Jugendtagen, ist zugleich wunderschön, berührend und schmerzhaft realitätsnah. Dieses Konzept der Leidenschaft kontrastiert Powers immer wieder mit dem technologischen Fortschritt, repräsentiert durch Todd und seinen Drang zur Innovation und Automatisierung. Über den Biographien dieser Menschen liegt also wie ein dünner Schleier stets auch die Frage danach, was echte Menschlichkeit ausmacht. All dies stellt Powers in einer bildhaften, kraftvollen Sprache dar, wobei seine Schilderungen nicht ganz ohne Längen bleiben. Hier und da mäandert der Text vielleicht ein wenig zu weit davon, aber es gelingt ihm doch immer wieder, seine Leserschaft aufs Neue zu packen und zum Kern der Sache zurückzuleiten.

Ein anspruchsvolles, poetisches und bewegendes Buch mit vielen aktuellen Bezügen und Denkanstößen.

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Veröffentlicht am 27.10.2024

Spannende Idee mit mauer Umsetzung

Sisters in Blood - Der Schwur
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„Sisters in Blood. Der Schwur“ ist ein historischer Roman, der sich mit einigen Handlungselementen und Figuren auf altnordische Sagas aus dem mittelalterlichen Island zurückbezieht. In diesem Rahmen erzählt ...

„Sisters in Blood. Der Schwur“ ist ein historischer Roman, der sich mit einigen Handlungselementen und Figuren auf altnordische Sagas aus dem mittelalterlichen Island zurückbezieht. In diesem Rahmen erzählt Autorin Genevieve Gornichec eine häufig modern anmutende Geschichte über zwei Frauen, die ihren Weg im Leben suchen, gewürzt mit vielen Details über das Leben im mittelalterlichen Norden.

Die Schwestern Signy und Oddny verbindet eine tiefe Freundschaft mit Gunnhild, die sich zur Hexe ausbilden lassen möchte. In jungen Jahren schwören die drei, einander immer beizustehen, bevor Gunnhild für ihre Ausbildung einen Weg fernab der beiden einschlägt. Als der Hof von Signy und Oddny überfallen und Signy verschleppt wird, heißt es, den Schwur einzulösen und Signy zu retten. Gunnhild und Oddny begeben sich auf die Suche nach ihrer (Bluts-)Schwester und treffen dabei beide auf Männer, die ihr Leben auf den Kopf stellen, während sie zugleich noch mit eigenen Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten ringen. Insbesondere Gunnhild ist eine zutiefst konfliktbehaftete Figur, deren magische Fähigkeiten immer wieder auf die Probe gestellt werden und der auch Scheitern nicht fremd ist.

„Sisters in Blood“ hätte eigentlich das Zeug zu einem durch und durch spannenden historischen Roman gehabt, der vor allem Menschen mit Interesse am mittelalterlichen Norden und seinen kulturellen Besonderheiten hätte Spaß machen können. Leider gelingt es der Autorin jedoch nicht, diese kulturellen Besonderheiten auf organische Weise in den Handlungsverlauf einzuweben. Insbesondere in der ersten Hälfte reiht sich oftmals Infodump an Infodump. Sobald sich diese informationslastige Erzählweise etwas gelegt hat, stehen dann sofort die respektiven Liebesgeschichten von Gunnhild und Oddny im Vordergrund, die zwar mit der Suche nach Signy zu tun haben (beide Romanzen entwickeln sich, weil die Frauen Unterstützung von den Männern brauchen), dieses zentrale Ziel jedoch häufig in den Hintergrund verdrängen. Am Ende möchte das Buch im Grunde sagen, dass Frauen sich selbst behaupten können, untergräbt diese Aussage aber dadurch, dass seine beiden Heldinnen sich jeweils an (mächtige) Männer hängen.

Ein Buch, das ich leider Fans von historischen Romanen nicht empfehlen kann. Wer auf Liebesgeschichten in einem historischen Setting steht, könnte vielleicht etwas mehr Freude an dem Roman haben, die informationslastige Erzählweise und eine ganze Reihe von unglaubwürdigen Entwicklungen im Verlauf der Geschichte werden die Lesefreude allerdings auch für diese Zielgruppe etwas dämpfen. Leider keine Empfehlung.

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Veröffentlicht am 06.10.2024

Amüsanter Whodunit

Mrs Potts’ Mordclub und der tote Bürgermeister
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Hört man den Namen Robert Thorogood, wissen Krimi-Fans eigentlich sofort, dass sie ein besonderes Schmankerl erwartet. Auch der dritte Band von Mrs Potts’ Mordclub („Der tote Bürgermeister“) überzeugt ...

Hört man den Namen Robert Thorogood, wissen Krimi-Fans eigentlich sofort, dass sie ein besonderes Schmankerl erwartet. Auch der dritte Band von Mrs Potts’ Mordclub („Der tote Bürgermeister“) überzeugt durch sein liebevoll-verschrobenes Setting und seinen wohldurchdachten Mordfall. Einzig die Schrulligkeit der Ermittlerinnen kommt in diesem Band ein wenig zu kurz.

Judith Potts landet mit ihren ermittlungswütigen Freundinnen Becks und Suzie schon wieder mitten in einem mysteriösen Mordfall, der das lauschige Marlow erschüttert. Diesmal muss der Bürgermeister dran glauben – dabei scheint er allgemein beliebt und ein durch und durch anständiger Mensch gewesen zu sein. Oder hütete er ein dunkles Geheimnis? Die drei Damen vom Mordclub wollen es herausfinden, diesmal sogar in offizieller Rolle, denn die frisch beförderte Inspektorin Tanika beruft sie diesmal als Beraterinnen in dem Fall. Das hindert die drei allerdings nicht daran, ihre Nachforschungen auf teils unkonventionelle Weise anzustellen und nicht immer in vollem Ausmaß mit der Polizei zu kooperieren.

Der dritte Band der Reihe hat im Grunde alles, was man sich von einem Cosy Murder Mystery wünscht: einen vertrackten Fall, viele, viele Zeugenaussagen und Indizien, ein schrulliges Ermittlertrio und jede Menge englischen Charme, alles gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor. Was hier allerdings ein wenig zurückbleibt, sind die Schrullen der Hauptfiguren. Hatte gerade Judith in den ersten Bänden noch ausnehmend viele Ecken und Kanten, sind diese hier schon deutlich geglättet, und auch Suzie und Becks fehlt es ein wenig an Schärfe, was ihre persönlichen Eigenheiten angeht. Zwar bekommt jede von ihnen einen kleinen Nebenhandlungsstrang, jedoch in wirklich homöopathischen Dosen. Der Vorteil: Dadurch bekommt der Fall sehr viel Raum, und Rätselfreund*innen kommen in diesem Krimi wirklich voll auf ihre Kosten. Wer zudem aber auch an den Figuren selbst interessiert ist, wird vielleicht ein wenig enttäuscht sein.

Insgesamt ein absolut lohnenswerter Krimi mit viel Charme und Witz, der die Ermittlung im Mordfall stark in den Vordergrund stellt und mit vielen Verdachtsmomenten, Irrungen und Wirrungen aufwartet.

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