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Veröffentlicht am 28.10.2025

Sehr gute, aktuelle und spannende Dilogie

Fairiegolden Town – Der König der Verdammten
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Ein gescheiterter Coup brachte die Prinzessin der Diebe in die Gewalt des gnadenlosen Lords, der nichts mehr begehrt als Macht und Kontrolle. Nun sieht sich Samuel Everett in der Bredouille: rettet er ...

Ein gescheiterter Coup brachte die Prinzessin der Diebe in die Gewalt des gnadenlosen Lords, der nichts mehr begehrt als Macht und Kontrolle. Nun sieht sich Samuel Everett in der Bredouille: rettet er die Frau, die seine Welt auf den Kopf stellte, oder sein Volk?

„(…) 𝘯𝘶𝘯 𝘸𝘢𝘳 𝘦𝘳 𝘣𝘦𝘳𝘦𝘪𝘵, 𝘥𝘪𝘦 𝘚𝘵𝘢𝘥𝘵 𝘪𝘯 𝘥𝘪𝘦 𝘏𝘢𝘯𝘥 𝘴𝘦𝘪𝘯𝘦𝘳 𝘍𝘦𝘪𝘯𝘥𝘦 𝘻𝘶 𝘭𝘦𝘨𝘦𝘯, 𝘧𝘶𝘦𝘳 𝘥𝘢𝘴 𝘓𝘦𝘣𝘦𝘯 𝘥𝘦𝘳 𝘍𝘳𝘢𝘶, 𝘪𝘯 𝘥𝘪𝘦 𝘦𝘳 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘷𝘦𝘳𝘭𝘪𝘦𝘣𝘵 𝘩𝘢𝘵𝘵𝘦.“

Mit „𝐃𝐞𝐫 𝐊𝐨𝐞𝐧𝐢𝐠 𝐝𝐞𝐫 𝐕𝐞𝐫𝐝𝐚𝐦𝐦𝐭𝐞𝐧“ endet die politische Fantasy-Dilogie über „𝐅𝐚𝐢𝐫𝐢𝐞𝐠𝐨𝐥𝐝𝐞𝐧 𝐓𝐨𝐰𝐧“ – es wird spannend, emotional und aufregend.
Diese Story spielt in einer Zeit, nachdem ein Krieg Fairies und Menschen unwiderruflich entzweite und zahlreiche Länder zerstörte. Liverpool scheint sich als Einziges von der Tragödie erholt zu haben, für ein Miteinander zu stehen. Verantwortlich hierfür ist vornehmlich die Skyson-Gang – unter Führung von Cormorant Samuel Everett. Darüber ist der Lord Mayor Chapman, zumindest auf dem Papier die mächtigste Instanz, nicht erfreut und sieht sich jetzt endlich in der Position, diesen Umstand zu ändern …

Haben wir in „𝐃𝐢𝐞 𝐏𝐫𝐢𝐧𝐳𝐞𝐬𝐬𝐢𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐃𝐢𝐞𝐛𝐞“ die Hauptakteure, die aufrührerische, stetig mehr kippende Situation des eigentlich Einheit symbolisierenden Orts kennengelernt, verfolgt, wie sich die Wege der unterschiedlichen Parteien kreuzen und sich die Gefahr in Form eines blutrünstigen Dämons über das Wasser nähert; Einblicke in den existenziell bedrohlichen Plan des Mayors und in die von Ideologien geprägten „Purebreads“ bekommen, geht die Geschichte nun nahtlos weiter. Aufgrund der Zeit, die seit dem Vorgänger vergangen ist, der komplexen Gegebenheiten und der Vielzahl von Perspektiven brauchte ich etwas, um mich erneut in der explosiven Welt einzufinden, aber davon abgesehen hatte ich eine aufregende, eindrucksvolle Lesezeit.

#JenniferBenkau schuf mit ihren eindringlichen Worten, mit lebendigen Szenarien, gewaltvollen Machtdemonstrationen, flotten Dialogen und der brodelnden Stimmung, mit deftigen Konflikten, Rebellion und klugen Diskussionen eine dichte, oft beklemmende Atmosphäre, in der hier und da Hoffnungssprenkel und Witz, Magie und sogar ein Hauch Romantik zu finden sind. Dabei wird auf Schwarz und Weiß, auf klassische HeldInnen, auf Rosapuder verzichtet, sondern auf raue, von Erfahrungen, Erwartungen und (inneren) Narben gezeichnete Charaktere gesetzt, die in moralischen Grauzonen, in dunklen Ecken, agieren. Und das macht Sabria O'Toole, Sebestien, Eliah und Co. nahbar. Verletzlich. Echt.
Rory, die sich zu Beginn ihrer Reise noch nicht über das Ausmaß ihrer Rolle und ihrer »Fracht« bewusst war, rückt nun präsenter ins Geschehen; wird gezwungen, sich mit relevanten und nachhaltigen Themen auseinanderzusetzen, ihr eigenes Vorhaben zu hinterfragen und schwerwiegende Entscheidungen zu treffen.
Eine ebenso große Entwicklung zeigt die Prinzessin der Diebe. Bria wächst über sich hinaus, stellt sich ihrem eigenen Gefühlschaos, ihrer Herkunft und ihren, von einer Gesellschaft, die von Ungerechtigkeiten und Vorurteilen, von Angst und Hass auseinandergerissen wurde, beeinflussten Intentionen. Als Bria auf der Suche nach Antworten auf eine ungeahnte Macht in ihrem Inneren und den damit verbundenen Einfluss stößt, findet sie auch Mut – solchen, der den Verlauf prägt, Samenkorn ist für jene Veränderungen, die Fairies und Menschen brauchen.
Auch Samuel, weiterhin in einer gewichtigen Position und bisher unerschütterlich in seinen Zielen, nicht bereit, Liverpools pluralistische Stellung aufzugeben, wenn gleich der Cormorant schon so viel für seine Stadt gegeben, so viel gesehen und verloren hat, lernen wir noch intensiver kennen. Sein augenscheinlich kaltes und hartes – gleichzeitig reflektiertes und bedachtes – Verhalten, seine Reaktionen, waren nachvollziehbar ausgearbeitet, sodass es einfach war, Verständnis und Mitgefühl zu empfinden. Seine Ideale zu übernehmen und mit ihm zu kämpfen.
Nicht zu vergessen sind Aiven, Kayleigh und all die anderen, die nicht nur den Trupp um Everett vervollständigen, sondern entscheidend sind, Hilfe bringen, Vernunft. Freundschaft und Zusammenhalt symbolisieren, Gleichheit.

Aufgrund der missständigen Situation, in die wir geworfen werden, der vielschichtigen Figuren und zwielichtigen Parteien fließt ganzheitlich eine subtile (An)Spannung mit, eine nervöse, Vorsicht heischende Note, die selbst in ruhigen Abschnitten dazu verführt, achtsam und aufmerksam zu bleiben. Gleichzeitig fasziniert die Autorin mit mystischen Wesen, berührt mit Tragik und erinnert uns daran, wie leicht sich Fairiegolden Town in unsere Realität projizieren lassen kann. Wie schnell sich Hetze ausbreiten, wie einfach Angst geschürt werden, ein Ganzes zerspringen kann. Mit der hier geschilderten, bewussten und systematischen Spaltung eines Reiches, den Anfeindungen und der Ausgrenzung, der endlosen Diskriminierung wird Gänsehaut erzeugt, Melancholie, etwas Düsteres.
Da zwischenmenschliche Dramen, Gefühlswirrwarr und unnötige Ausschweifungen nicht dominieren, sondern sich auf charakterliche sowie für die Stadt essentielle Entwicklungen konzentriert wird, bleiben weder Lücken offen noch Raum für Langeweile.
Jennifers Low-Fantasy-Dilogie enthält interessante Hintergründe, unerwartete Geschehnisse, alles aus dem Gleichgewicht bringende Enthüllungen und rührende Augenblicke. Zusätzlich gibt's Action, Tempo, Spaß und personifizierte Stärke. Für das Ende war ich eigentlich noch nicht bereit, aber hier fügen sich alle Fäden zusammen, Geheimnisse werden gelüftet und Fragen beantwortet, bevor uns ein runder Abschluss umfängt.

Es war gewissermaßen erfrischend, in diese komplexe, tiefgründige und aktuelle Geschichte, die sich doch – gemessen an Anspruch und Themen – deutlich von den Trends abhebt, einzutauchen. Unbedingt mehr davon!

„Fairiegolden Town“ erzählt von dem Mut, für- und miteinander aufzustehen, von dem nie endenden Kampf gegen Vorurteile und ideologisiertes, sich rasend schnell ausbreitendes Gedankengut; für eine Welt, in der Gleichberechtigung und Gleichheit herrschen. Von Freundschaft und Liebe.

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Veröffentlicht am 28.10.2025

Wichtige Themen ummantelt von einer 0815-Mafia-Romance

Calisto's Revenge - Eine Liebe wie Sterne
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„Calistos Revenge“ führt uns zum dritten Mal in die „Eine Liebe wie Sterne“-Welt, doch ist wie schon Band zwei als eigenständiger Roman lesbar. Nicht nur das Cover hebt sich von den beiden Vorgängern ab, ...

„Calistos Revenge“ führt uns zum dritten Mal in die „Eine Liebe wie Sterne“-Welt, doch ist wie schon Band zwei als eigenständiger Roman lesbar. Nicht nur das Cover hebt sich von den beiden Vorgängern ab, auch wird die Story als besonders dark beworben und dementsprechend für LeserInnen ab der Volljährigkeit empfohlen.

Statt im Urlaub zu entspannen, findet sich Marija Fradkow nach einer Feierlichkeit in den Fängen einer Gruppierung der russischen Mafia wieder. Gezeichnet von ihrer traumatischen Vergangenheit, die sie noch immer viel zu oft überrollt, von der sie sich jedoch weder definieren noch einschränken lässt, bietet sie ihren Entführern mutig und stolz die Stirn. Denn sie hat schon Schlimmeres überlebt …
Vadim Kamenev wurde etwas für ihn ungemein Wertvolles gestohlen. Um es zurückzuerlangen, schnappt er sich etwas, von dem er denkt, dass es Roman Fradkow am Herzen liegt: Seine Nichte. Eigentlich soll Marija als Pfand herhalten, doch die Prinzessin wird zu Kamenevs Verbündeter. Und zu so viel mehr …

Erzählt wird aus wechselnder Perspektive, sodass wir von Anfang an verfolgen können, wie sich die Protagonisten kennenlernen und einander näherkommen. Nach und nach kristallisieren sich neben Geheimnissen auch bewegende Geständnisse heraus, sodass viel Raum für eigene Spekulationen und aufwallendes Interesse bleibt.
Der Mafiaboss ist bereit, zu töten, sein Revier und seine Männer gnadenlos zu verteidigen. Wenn auch etwas Raubtierhaftes, Berechnendes in seinem Auftreten liegt, ist nicht zu übersehen, dass etwas Gutes in ihm schlummert. Präzision, Beschützerinstinkt, Humor und zumindest ein gewisses Maß an Geduld – doch diese strapaziert seine Gefangene ziemlich schnell über.
Marija ist eine schlagfertige Frau mit magischen Fähigkeiten und einem ausgesprochen genauen Gedächtnis. Vehement wehrt sie sich dagegen, erneut in eine Opferrolle gepresst zu werden. Sind ihre Hintergründe, ihr schmerzhaftes Schicksal, auch berührend, ihre Stärke bewundernswert, kam ich nicht umhin, des Öfteren eine Teenagerin in ihr zu sehen – eine, die unnötig Geld ausgeben, provozieren und mit dem Fuß aufstampfen muss.
Die Tatsache, dass ihr Onkel sie tatsächlich wiederhaben will, aber aus anderen Gründen, als von ihren Kidnappern angenommen, führt zu der Koalition mit Vadim. Seine Expertise in illegalen Gefilden sowie die Skrupellosigkeit, mit der der Russe und seine treuen Männer vorgehen, könnten in Kombination mit Marijas internem Wissen, ihrer Wut und ihrem Verlangen nach Gerechtigkeit eine Win-win-Situation und den Sturz ihres Gegenspielers ebnen – oder die Magierin und den Mafiosi zu Fall bringen.

Aufgrund des Marketings hatte ich auf eine spannende Dark-Romantasy-Story gehofft, in der sich Gefahren und Dunkelheit durch die Seiten ziehen. Bekommen habe ich eine „einfache“ Mafia-Romance mit einem Hauch Fantastik, in der zwar die Dynamik der Charaktere unterhaltsam, jedoch nicht sonderlich „Enemies“ war. Es gab einige Uneinigkeiten, aber abgesehen weniger Szenen schwang nie etwas wirklich Bedrohliches mit. Statt das vorhandene Konfliktpotenzial zu nutzen, wurde hauptsächlich der leichtere Weg gewählt. Dementsprechend fehlte es mir in der letztlich seichten, flotten romantischen Komponente an Dynamit, funkensprühenden Momenten, aufgeregtem Prickeln.
Heißt nicht, dass gänzlich auf unerwartete Turbulenzen, Tod, Blut und Verluste verzichtet wurde, nur waren diese eben nicht schockierender oder gewaltvoller als für Romance, die in Mafia oder Dark eingeordnet werden, typisch.
Ebenfalls ein Kritikpunkt: Das Magiesystem – die übernatürlichen Gegebenheiten –wird innerhalb der Handlung zu keiner Zeit erklärt oder stimmig beleuchtet. Es gibt sie eben, die Magie, wie auch – zugegeben zauberhafte – fantastische Wesen existieren.
(→ Im eBook/Print findet sich vor dem Beginn eine Zusammenfassung, diese fehlt im Hörbuch.)
Jaumanns Stil ist unkompliziert zu lesen; einerseits reich an Bildern, Gefühlen und Witz. Andererseits gab es Dialoge, die wenig Authentizität versprühten, Wortwiederholungen und Formulierungen, die unrund wirkten.

Wie die Inszenierung der bewegenden Schicksale, die wir zwischen den Zeilen ergründen, sind auch die Themen emotionaler Natur. Es sind solche, die nahegehen, die Erkennen und Verständnis entfachen. Nicht nur platziert die Autorin Figuren mit Handicaps und macht erneut auf Sklaverei und Kastensysteme aufgrund von Herkunft und Können aufmerksam. In „Calistos Revenge“ erhalten auch Frauen, die (unfreiwillig) kinderlos sind/bleiben, still unter dem Umstand und der Ursache, die vielfältiger Natur sein kann; unter unsensiblen Äußerungen und Ratschlägen leiden, die dringend nötige Sichtbarkeit.
Ebenfalls unglaublich wichtig ist die Enttabuisierung von (Kindes-)Missbrauch und die deutliche Botschaft: Schuld trägt einzig der/die TäterIn – und alle (Mit-)Wissenden, die sich nicht in der Handlungspflicht sahen, sich aus der Verantwortung zogen!
Widmung und Kern der Romance sind herzzerreißend – und allein daher ist dieses Buch schon lesenswert. Wem das nicht reicht: Wie wäre es mit Nixen, Cerberus oder Fairies?

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Veröffentlicht am 28.10.2025

Komplex und düster

Ein Schwert aus Rabenblut
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Mit dem Auftakt ihrer Chroniken führt uns Sarah Skitschak erneut ins Kronland, in dem sich eine Rebellion manifestiert hat, deren Ausmaß ebenso gewaltig ist wie Flis Schicksal.

Nach einem missglückten ...

Mit dem Auftakt ihrer Chroniken führt uns Sarah Skitschak erneut ins Kronland, in dem sich eine Rebellion manifestiert hat, deren Ausmaß ebenso gewaltig ist wie Flis Schicksal.

Nach einem missglückten Diebstahl ist Flordelis Vanyeridis – eigentlich berüchtigt für ihre Präzision und ihr geschwindes Abtauchen – auf der Flucht vor den Häschern der als gnadenlos geltenden zirkonischen Fürstin Bele Mortrenna. In einem Wegehaus wird sie von einem der Söldner aufgegriffen und raubt ihm mehr aus Reflex als aus Absicht sein Lebensglück. Um ihre Schuld wettzumachen, begibt sie sich mit dem Pechvogel auf die Suche nach jener, die ihre Tat ungeschehen machen kann. Doch die vermeintliche Juwelendiebin und ihr Begleiter geraten erst in einen blutigen Konflikt mit den gnadenlosen Soldaten der Fürstin und dann in die Hände der Rebellen. Und allein wegen dem, was Flordelis ist, wird sie von diesen gehasst. Ob ihr dreihunderteinundsechzig jähriges Leben in einer kalten Krypta endet?

Lysander Marell hätte sich an das Protokoll halten, nicht vom Gelernten abweichen und seine Neugier, die fast schon Faszination ist, im Zaum halten sollen. Stattdessen wollte er die Gejagte ohne Gewalt zurück in das Reich der Zirkonen geleiten, wollte mehr über die Chrysoberyllfrau erfahren. Nun wurde er binnen weniger Stunden zweimal beinahe getötet, hat einen Stiefel verloren und verbringt mit aller Wahrscheinlichkeit die letzten Augenblicke auf Irden in einem nassen, schimmeligen, behelfsmäßigen Gefängnis mit jener wortkargen Ewigen, die sein Glück gestohlen hat.

Obgleich sich die Handlung nur auf knapp einen Tag erstreckt und es mehrere Hürden für das erzwungene Duo gibt, ist ein Großteil der Handlung mit Überlegungen und Gedanken gefüllt. Wie diese ergründen wir auch die Ereignisse durch ausschweifende, detailreiche Schachtelsätze, was stellenweise nicht nur zu Längen führt, sondern auch zu Verwirrung. Sarahs Stil ist kein leichter, eine Mischung aus schwülstigen, nahezu poetischen und derben Worten. Trotz der düsteren Stimmung, Unzufriedenheit und einer gewissen Melancholie, drohender Gefahr, verschiedener AngreiferInnen und Mystik empfand ich die Geschichte insgesamt als eher sacht und langsam erzählt, vor allem, da die Monologe der Kopfgeldjägerin viel Raum einnehmen und ablenken.
Besonders interessant waren die Informationen über den Bruch des Kronlands, die Schöpfermythen, die uns den vornehmlichen Glauben und die Entstehung der „Arten“ näherbringen, sowie Sagen über die Körperlosen und die Präsenz von Mo. Aber auch Flordelis, in der ein besonders fordernder, animalischer, sie zu Einsamkeit verdammender Seelendurst schlummert, auf der Schuld lastet und deren größter Wunsch Freiheit ist, einer, der seit ihrer Begegnung mit Marell in immer weitere Ferne zu rücken scheint, fesselt und fasziniert. Im fortschreitenden Verlauf kristallisiert sich langsam heraus, von welch gewaltigem Fluch Flis befallen ist, doch bis es so weit ist, dass sich das ganze Ausmaß ihres Loses offenbart, sind es die kleinen Gesten, leise aufblitzende Sehnsüchte, stumme Verletzlichkeit, die uns verraten, dass sich hinter der abweisenden, präzisen und kalten Fassade so viel mehr verbirgt.

Im Vergleich zur Chrysoberyll nahm Lysander zwar eine weniger präsent ausgearbeitete Position ein, nichtsdestotrotz ist der neugierige Söldner mit Humor und Offenheit bestückt, mit Loyalität und Kampfeswillen. Mit einem unerwarteten Geheimnis.
Kam es zu Gesprächen zwischen den beiden, waren diese häufig unterhaltsam und direkt, warfen durch ausweichende Antworten aber gleichzeitig noch mehr Fragen auf.
Denn warum verdingt sich Flordelis als Juwelendiebin und welcher Mission ging sie nach, bevor es zu dem verpatzten Diebstahl und der Begegnung mit dem Söldner kam? Was verbindet einen augenscheinlich rechtschaffenen jungen Mann mit jemandem wie Mo? Selbst die Bedeutung des Titels vom Auftakt der „Kronland-Chroniken“ bleibt – größtenteils – nur eine Ahnung. Dinge, die bis zu Band 2 beschäftigen werden.
Am Ende ihrer gemeinsamen Reise angekommen, umgeben von verbotener Magery, Zaubern, die nicht ohne Gegenleistung funktionieren, setzt Sarah nochmal auf Wendungen und Details, gewährt uns Einblicke in innerste Konflikte …

LeserInnen, die anspruchsvolle Fantasy mögen, in der harsche, komplexe Gegebenheiten, politische Unruhen sowie Kämpfe zugegen und persönliche Befindlichkeiten der Erzählenden über den gesamten Verlauf verstreut sind, Verständnis erst langsam eintreten kann, werden in „Ein Schwert aus Rabenblut“ Stück für Stück eine eindrucksvolle Welt inklusive facettenreicher Charaktere und geheimnisumwobener Mystik ergründen.

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Veröffentlicht am 28.10.2025

Moralisch fragwürdige Themen und Fragen

Du bist Ich
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Die „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧“-Trilogie basiert auf schweren, moralischen Zwiespälten, auf Schicksalen und Taten, mit denen Celina Weithaas Trauer und Wut verursacht, bodenlose Verzweiflung widerspiegelt. Die (Un-)Schuldfrage ...

Die „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧“-Trilogie basiert auf schweren, moralischen Zwiespälten, auf Schicksalen und Taten, mit denen Celina Weithaas Trauer und Wut verursacht, bodenlose Verzweiflung widerspiegelt. Die (Un-)Schuldfrage immer im Hinterkopf. Triste Realität, Aussagen mit abscheulichem Wahrheitsgehalt, drumherum.

Wurden wir in Band eins in Form von Wirrungen, verschwommenen Erinnerungen und poetisch-melancholischen Gedanken durch Nathaniels Inneres geführt, mit einem unberechenbaren Psychopathen konfrontiert, einem, der so viel verloren hat und seine Fäden, mit denen er gleich einer Marionette tanzte, nicht sah, gibt uns Aria Karasaki eine neue Sicht auf den „Rattenfänger von New York“. Kalt, ja, aber auch präzise. Analytisch.

Hatte ich bei „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧 𝐃𝐮“ das Gefühl, mich auf einer Odyssee aus verschachtelten, schnörkeligen und unklaren Sätzen zu befinden, durchwirkt von Hoffnungslosigkeit und Schmerz, in dem sich Realität und Illusion zu nichts weiter vereinen als unentschuldbarer Grausamkeit – denn nein, auch ein Opfer, das zum Täter wird, ist letztlich ein Täter –, besteht „𝐃𝐮 𝐛𝐢𝐬𝐭 𝐢𝐜𝐡“ aus einer rigorosen Verteidigungsstrategie und einem punktgenauen Plädoyer. Aria schenkt dem Mörder, der sein Leben lang kämpfte und verlor, besser sein wollte und scheiterte, nach dem Glück griff und zurück in den Morast gestoßen wurde, eine Tiefe, die viele verschiedene Empfindungen auslöst und einen inneren Strudel aus Diskussionen nach sich zieht. Nathaniel wird – ungewollt und vorgeführt – zu jemandem mit Gewissen und unverarbeitetem Trauma, wird zu einem verstörten Kind, gekleidet in die Haut eines Mannes. Wahnsinnig? Definitiv. Aber auch zer- und gebrochen.

»𝘕𝘢𝘵𝘩𝘢𝘯𝘪𝘦𝘭 𝘸𝘰𝘭𝘭𝘵𝘦 𝘈𝘥𝘦𝘭𝘪𝘯𝘦 𝘥𝘪𝘦 𝘚𝘵𝘦𝘳𝘯𝘦 𝘷𝘰𝘮 𝘏𝘪𝘮𝘮𝘦𝘭 𝘩𝘰𝘭𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘩𝘢𝘵 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘢𝘣𝘦𝘪 𝘢𝘯 𝘥𝘦𝘯 𝘞𝘰𝘭𝘬𝘦𝘯 𝘷𝘦𝘳𝘣𝘳𝘢𝘯𝘯𝘵.«

Diese – intensiv geschriebene, einnehmende und durchaus intelligent konzipierte – Reihe ist im sachten Thrill-Bereich anzusiedeln, fokussiert sich die Autorin auf unterschiedliche Aspekte, die die Psyche eines (Serien-)Killers betreffen. Die Atmosphäre – von Aufregung und Dunkelheit durchzogen –, die nachhaltig beschäftigenden Themen und Fragen wie auch der fast verzweifelte Ton, in dem wir Arias leidenschaftliche Ansprache verfolgen und somit auch den Rattenfänger (nochmal neu) kennenlernen, sorgen für Gänsehaut.
Celina geht auf Nathaniels brutale Vergangenheit – den Ursprung – und seine Taten ein, wobei in „Du bist ich“ zwar eine Übersicht dieser wartet, aber keine detaillierte Zeichnung. Nur geht bereits die Gewissheit über das Ausmaß, über die erlebten und verursachten Gräuel, nah. Ebenfalls relevant und in der Lage, einen Funken Verständnis zu entfachen, sind in diesem Teil die durch Erfahrungen geprägten Wert- und Moralvorstellungen, genau wie die Faktoren, die Nathaniels Handeln beeinflussten und begünstigten – begonnen beim lückenhaften, weil überforderten Sozial- und Rechtssystem über die Resignation der Politiker und die Ausbeutung von jenen, die am Minimum existieren.
Eine weder mit Fairness noch mit Gleichheit glänzende Welt.

»𝘐𝘴𝘵 𝘥𝘢𝘴 𝘶𝘯𝘴𝘦𝘳𝘦 𝘎𝘦𝘳𝘦𝘤𝘩𝘵𝘪𝘨𝘬𝘦𝘪𝘵? 𝘋𝘢𝘴𝘴 𝘸𝘪𝘳 𝘥𝘪𝘦 𝘡𝘦𝘳𝘴𝘤𝘩𝘭𝘢𝘨𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘢𝘮 𝘉𝘰𝘥𝘦𝘯 𝘓𝘪𝘦𝘨𝘦𝘯𝘥𝘦𝘯 𝘢𝘮 𝘚𝘤𝘩𝘭𝘢𝘧𝘪𝘵𝘵𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘱𝘢𝘤𝘬𝘦𝘯, 𝘶𝘮 𝘪𝘩𝘯𝘦𝘯 𝘪𝘯𝘴 𝘎𝘦𝘴𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘻𝘶 𝘴𝘱𝘶𝘤𝘬𝘦𝘯?«

Hervorragend gelang Weithaas Arias nicht einschätzbare Rolle, ihre verwaschenen Intentionen, ihr Sehnen nach einer Gerechtigkeit, die es niemals geben wird. Ihr Mut, Nathaniel um seine Wahrheit, seine Erlösung zu berauben.
In „𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧“ geht es nicht um Schwarz und Weiß, um Richtig oder Falsch – sondern um die Nuancen dazwischen, um kleine Schattierungen, feine Unterschiede und das individuelle Abwägen.
Werden wir, Du und ich, zu TäterInnen, wenn wir für die Höchststrafe – den Tod – applaudieren?

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Veröffentlicht am 28.10.2025

Lesenswerter Thriller

Der Nachbar
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Elf Jahre sind vergangen, seit Sarah Wolff nicht nur ihren Mann verloren, sondern auch ihren Job aufgegeben hat. Dass die ehemalige Anwältin die Lügen von Ralph nicht zu durchschauen vermochte, nagt ebenso ...

Elf Jahre sind vergangen, seit Sarah Wolff nicht nur ihren Mann verloren, sondern auch ihren Job aufgegeben hat. Dass die ehemalige Anwältin die Lügen von Ralph nicht zu durchschauen vermochte, nagt ebenso sehr an der heutigen Kioskbesitzerin wie die Schuld, die sie seit ihrer Kindheit umtreibt, die kräftezehrenden Albträume und ihre Monophobie, die sie in ihrem Privatleben hindert, Entscheidungen allein zu treffen, und sie immer wieder in die Arme vermeintlich starker Männer treibt. Sarahs einzige Konstanten sind ihre Tochter und ihre Kindergartenfreundin – die Psychologin Marion –, deren Nähe ihr den Neustart in Berlin, kurz vor der offiziellen Haftentlassung von Ralph, erleichtert. Doch plötzlich ereignen sich mysteriöse Vorkommnisse – ein gefüllter Kühlschrank, unauffindbarer Abfall, der Diebstahl ihrer geheimsten Gedanken sind noch das Harmloseste. Aber als Sarah verstörende Anrufe und besorgniserregende Berichte von vorherigen HauseigentümerInnen erreichen, Leichen verschwinden und nicht mal die zuständige Kommissarin ihr Gehör schenkt, beginnt die Strafrechtlerin, langsam an ihrem Verstand zu zweifeln. …
Niemand glaubt ihr, niemand scheint sie ernst zu nehmen.

Mit „Der Nachbar“ hat Sebastian Fitzek einen mitreißenden Psychothriller konzipiert, der zwar nach einer starken ersten Hälfte etwas nachlässt, jedoch kontinuierlich an das Geschehen fesselt und ein mulmiges Gefühl weckt. Hauptsächlich verfolgen wir die Story aus der Sicht von Sarah, sind Teil ihrer Erlebnisse und Gedanken. Wir erfahren Dinge aus ihrer Vergangenheit, die Mitleid wecken, sind dabei, wenn sie sich aus Verhaltensmustern löst, unglaublich mutig – gleichzeitig überstürzt, von Angst getrieben und dementsprechend nahbar – agiert. Weitere Perspektiven – seien es jene der Opfer, der TäterIn oder relevanter anderer Figuren – mischen die Handlung auf, und verführen zu eigenen Spekulationen. Denn der Autor präsentiert genügend Verdächtige.

Durch die anhaltende Ungewissheit, wer sich hinter dem „Schutzengel-Stalker“ verbirgt, und steigendes Misstrauen jedem und jeder gegenüber schwingt durchweg eine bedrohliche Note mit, eine angespannte Stimmung, etwas, das nach Vorsicht verlangt. Je weiter der rasante Verlauf voranschreitet, desto präsenter wird „Der Nachbar“ – und seine blutigen Taten. Die Fragen nach der Identität und dem Motiv bleiben bis zur Auflösung, die ich insgesamt, wie gewöhnlich für einen Fitzek, als stark konstruiert, aber durchdacht empfand, unklar. Sensible Themen – wie traumatische Erfahrungen und deren unterschiedliche (psychische) Auswirkungen oder die Frau, die prinzipiell als hysterisch – de facto nicht ernst zu nehmend – abgestempelt wird, die fehlenden finanziellen Mittel von Polizeistellen und die Kraft der Mutterliebe – sind deutlich eingebunden und geben der Geschichte etwas Handfestes. Stilistisch lässt sich sagen, dass der Autor Wert auf klare Worte und Einfachheit legt, es gleichzeitig jedoch schafft, eine spannende Story mit einer einnehmenden Atmosphäre sowie vorstellbarem Grauen zu inszenieren. Beklemmung auszulösen.
Etwas, das ich als sehr wichtig und leider wahr erachte, ist folgende Aussage:
„Das altbekannte Stalking-Problem. Meist musste erst jemand massiv zu Schaden kommen, bevor die Opfer ernst genommen wurden.“

Fazit: Nach „Der Nachbar“ werden wir wohl alle unser Umfeld genauer inspizieren wollen. Ein Psychothriller, der sich rasch lesen lässt, an die Ereignisse fesselt und mit Tempo und Überraschungen punktet.

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