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Veröffentlicht am 26.03.2023

Eine Reise zu den Wurzeln im zitronengelben VW-Beetle

Wodka mit Grasgeschmack
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Eine Familie, eingequetscht in einen zitronengelben VW-Beetle, begibt sich auf die Reise in die polnische Region Śląsk, uns bekannt als Schlesien. Die Eltern sind nicht mehr die Jüngsten und würden gern ...

Eine Familie, eingequetscht in einen zitronengelben VW-Beetle, begibt sich auf die Reise in die polnische Region Śląsk, uns bekannt als Schlesien. Die Eltern sind nicht mehr die Jüngsten und würden gern ihre ehemalige Heimat noch einmal sehen, die Söhne hingegen wollen sich zu ihren Wurzeln begeben, wissen, woher ihre Familie stammt. Der Vater der Familie ist nie mit der Vertreibung zurecht gekommen und leidet jedes Mal ganz offensichtlich, wenn seine Entwurzelung zur Sprache kommt , die Mutter hält sich bedeckt. Die Söhne spüren von klein auf den Schmerz der Eltern, aber auch sie tragen das Trauma, das emotionale Erbe der Familie in sich, dass sich vor allem beim Erzähler der Geschichte in der Kindheit oft durch plötzliche Traurigkeit oder dem Ausmalen von Horrorszenarien bemerkbar machte. Der Ausflug nach Schlesien soll eine Heilung, eine Befreiung für alle sein, doch können die Eltern mit ihren teils schlimmen Erinnerung an Mord, Tod und Vertreibung abschließen oder reißt die Reise in die Vergangenheit nur alte Wunden auf?

Das Buch ist wirklich toll geschrieben, vor allem versteht sich Markus Mittmann darauf, mit Worten Bilder zu malen und mit Metaphern zu jonglieren. Man wird sofort ins Geschehen mit hinein gezogen und sitzt mit der Mutter und dem Erzähler stundenlang eingequetscht auf der Rückbank des Beetle (die Rückbank der kleineren VW-Modelle sind generell nicht dafür geeignet, sie sich mit einer weiteren oder zwei Personen auf längeren Strecken zu teilen, wenn man selbst ein langes Fahrgestell hat; die Erfahrung durfte ich erst kürzlich wieder machen). Auch klappert man mit dem Erzähler sämtliche schlesische Bäckereien ab (und bekommt Appetit auf Kekse), sieht die Häuser, in denen Vater und Mutter jeweils gelebt haben, vor seinem geistigen Auge, als sehe man sich Fotografien an und man leidet mit den Eltern, empfindet die Vertreibung aus deren Heimat, als wäre man persönlich dabei gewesen. Diese Geschichte war für mich mehr als nur die Geschichte von Markus Mittmann und seinem Bruder, die mit ihren Eltern nach Schlesien fahren, es war ein Stück weit auch für mich eine Reise zu meinen niederschlesischen Wurzeln und manches Mal auch zu meinen vogtländischen, da die Bilder, die beim Lesen vor meinem inneren Auge entstanden sind, meist der heimischen Landschaft eher glichen, als der schlesischen, die ich bisher nur von Bildern aus dem Internet oder aus Büchern mit alten Ansichten kenne.

Markus Mittmann hat mit "Wodka mit Grasgeschmack" nicht nur eine unglaublich bildhafte und grundsolide Erzählung vorgelegt, man fängt als Leser auch an, sich über seine eigene Herkunft Gedanken zu machen. Die Geschichte hat mich aber auch zur Auseinandersetzung mit meinem emotionalen Erbe bewogen, das tiefenpsychologisch wie epigenetisch auf mich wirkt. Welche transgenerationale Traumata trage ich wohl noch in mir und wie lassen sich diese auflösen; mit diesen Fragen werde ich mich wohl demnächst noch einmal beschäftigen müssen.

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Veröffentlicht am 15.05.2022

Ein Buch über Raubkunst, Habgier und die Bürde der Väter

Waldinneres
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Die Erscheinung von Waldinneres habe ich schon Monate im Voraus mit Spannung erwartet. Umso mehr habe ich mich gefreut, als es hieß, dass ich für die Lovelybooks-Leserunde ausgewählt wurde und mich mit ...

Die Erscheinung von Waldinneres habe ich schon Monate im Voraus mit Spannung erwartet. Umso mehr habe ich mich gefreut, als es hieß, dass ich für die Lovelybooks-Leserunde ausgewählt wurde und mich mit anderen Lesern dazu austauschen konnte.
Wie ich der Vorankündigung entnehmen konnte, geht es in dem Roman um einen echten Klimt, den Gottfried Messmer von seinem Vater erbt und dazu einen Brief mit einem Geständnis. Da ich nicht wusste, dass es sich bei dem Austragungsort der Geschichte um Zürich handelt, bin ich davon ausgegangen, dass Gottfried Messmers Vater in den dunklen Zeiten des Dritten Reiches selbst an der Requirierung von jüdischen Kunstsammlungen beteiligt war und dass er seine Rolle in der Geschichte vor seinem Tod bereut hat. Ich dachte, dass in dem Brief, der bei dem Klimt im Bankschließfach lag, ein Schuldeingeständnis ist. Aber hier verhält sich die Geschichte ganz anders: Gottfrieds Eltern waren Schweizer, die Juden geholfen haben, von Österreich aus über die Schweizer Grenze zu flüchten und unterzutauchen. Nun ist bei der Fluchthilfe etwas ganz furchtbar schief gelaufen, der Flüchtige hatte sich nämlich einen Beinbruch zugezogen und Gottfrieds Vater zog los, um Hilfe oder wenigstens Verbandszeug zu holen. Um schneller voran zu kommen, nahm er den Spazierstock des Flüchtlings mit und als er, leider mit leeren Händen an die Stelle zurückkehrte, an dem er den Verletzten zurück gelassen hatte, war dieser spurlos verschwunden. Den Spazierstock jedoch hatte Gottfrieds Vater, der dann später herausfand, dass sich im Inneren ein kleines, etwa postkartengroßes Gemälde steckt, dass Gustav Klimt gemalt und auf den Namen "Waldinneres" getauft hat. Und diesen Spazierstock vermachte er seinem Sohn zusammen mit der Bitte, den rechtmäßigen Besitzer des Bildes zu finden. Da Gottfried nicht weiß, wie er mit der Suche nach dem rechtmäßigen Besitzer beginnen soll, hängt er das Gemälde in seiner Kneipe auf, in der Hoffnung, dass es vielleicht jemand wiedererkennt und ihn auf die richtige Spur bringen kann. Doch damit tritt er ungewollt eine Lawine los, die ihn mit allerhand Ärger überrollt.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es war interessant zu sehen, wie viel Ärger und Leid Raubkunst auch heute noch verursachen kann und dass die Suche nach den rechtmäßigen Besitzern eine spannende Recherche sein kann, an deren Ende mit viel Glück die rechtmäßigen Besitzer stehen, die Erben der damals bestohlenen Juden. Mir würde mir so eine Recherarbeit wahnsinnigen Spaß machen, ich glaube, da habe ich leider den falschen Beruf gewählt. Ich glaube, dafür hätte ich Kunsthistorikerin werden müssen. Naja, vielleicht im nächsten Leben. 🤷🏻‍♀️

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Veröffentlicht am 20.04.2022

Beim Lesen selbst ein Teil der Klosebande geworden

Eine Handvoll Würfelzucker
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Während meines letzten Heimaturlaubs in Plauen bin ich in einem Buchladen auf das Buch "Eine Handvoll Würfelzucker" gestoßen und logischer Weise ist es gleich in meinen Besitz gewandert. Als ob ich um ...

Während meines letzten Heimaturlaubs in Plauen bin ich in einem Buchladen auf das Buch "Eine Handvoll Würfelzucker" gestoßen und logischer Weise ist es gleich in meinen Besitz gewandert. Als ob ich um Bücher über meine Heimatstadt einen Bogen machen könnte. 🤣 Das Haus auf dem Cover kam mir auch stark bekannt vor und obwohl ich mich in diesem Viertel von Plauen selten aufgehalten habe, fiel mir auch schnell ein, wo es bis zum heutigen Tage steht. Deswegen hatte ich es beim Lesen auch stets vor Augen. 😊

Es hat auch nicht wirklich lange gedauert, bis mich die Geschichte vereinnahmt hatte.
Beim Lesen bin ich selbst Teil der Familie Klose geworden. Ich habe mir vorgestellt, wie es im roten Backsteinhaus und auch wie der dazugehörige Garten früher einmal ausgesehen haben. Ich saß neben Elsa, wenn sie ihrem Tagebuch anvertraut hatte, wie sehr sie ihren Mann Paul vermisst, der sich ja viele Jahre in Kriegsgefangenschaft befand und konnte nachfühlen, wie sehr sich Heiner nach seinem Vater gesehnt hat. Apropos Heiner: mit ihm habe ich das heute versunkene Dorf Pöhl durchstromert und mir vorgestellt, wie es im dortigen Schloss und den beiden Gasthöfen wohl ausgesehen haben wird. Ich habe Elsas und später auch Heiner Verlust der Eltern betrauert und ich saß zwischen seinen Kindern und Enkeln als er seine, die Geschichte seiner Eltern und Urgroßeltern erzählte. Das Buch zu beenden war wie ein großes Abschiednehmen von liebgewonnenen Personen und macht mich ein wenig traurig. Gerne hätte ich noch ein wenig mehr über die Klosebande gelesen, aber wie heißt es doch so schön: "Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei".

Eine Handvoll Würfelzucker ist ein wunderbar familiäres Buch randvoll mit Geschichte und ganz viel Plauen und dem Vogtland aber es nicht nur für Plauener lesenswert.

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Putsch, Halsabschneiderei und der Tanz auf dem Vulkan

Engel des Todes
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Und hier ist er, der von mir freudig erwartete dritte Band der Paul Stainer-Reihe von Thomas Ziebula. Dieses Mal werden wir in den März 1920 entführt, in die Zeit während des Kapp-Putsches, als sich auch ...

Und hier ist er, der von mir freudig erwartete dritte Band der Paul Stainer-Reihe von Thomas Ziebula. Dieses Mal werden wir in den März 1920 entführt, in die Zeit während des Kapp-Putsches, als sich auch in Leipzig Reichswehr zusammen mit Zeitfreiwilligen und Burschenschaftlern Schießereien und blutige Schlägereien mit Spartakisten lieferten, aber auch das Feuer auf friedliche Demonstranten eröffneten, die nur gegen die neue Regierung und für die Wiedereinsetzung der Regierung der Weimarer Republik demonstrierten. Und unser guter Paul Stainer ist mittendrin und muss während der Wirren dieser Auseinandersetzung nach einem grausamen Mörder suchen, der seine Opfer enthauptet.
Auch andere bekannte (die wir schon aus den vorherigen Stainer-Romanen kennen) und unbekannte Charaktere bereichern die Geschichte durch ihre Handlungen oder sorgen für (weitere) Aufreger. Ein alter Feind taucht auf und versetzt die ganze Stadt in Aufruhr, ein Oberstleutnant, der lieber Dichter sein will, sorgt für Recht und Ordnung und eine eigenwillige Tänzerin zeigt dem spießigen Leipzig mit ihren Vorstellungen im wahrsten Sinne des Wortes den nackten Arsch.

Thomas Ziebula hat mich mit "Engel des Todes" an bekannte und mir unbekannte Flecken Leipzigs entführt, mir gezeigt, dass der Kapp-Putsch nicht nur in Berlin blutige Auseinandersetzungen heraufbeschwor und zeigt mir auf, dass Täter manchmal auch Opfer der Umstände sind. Ein weiterer lesenswerter Band der Paul-Stainer-Reihe.

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Veröffentlicht am 20.03.2022

Wald, Landschaft und ein männlicher Protagonist, bei dem ich an Henry Cavill denken muss

New Hope - Der Glanz der Hoffnung
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So langsam aber sicher kann ich von mir nicht mehr sagen, dass ich kein Freund von Young Adult-/New Adult-Büchern bin. Es gibt immer mehr Autorinnen, die wirklich gute Bücher schreiben, wo es nicht ausschließlich ...

So langsam aber sicher kann ich von mir nicht mehr sagen, dass ich kein Freund von Young Adult-/New Adult-Büchern bin. Es gibt immer mehr Autorinnen, die wirklich gute Bücher schreiben, wo es nicht ausschließlich darum geht, was die Protagonisten auf der Horizontalen so treiben, sondern eher um die Schicksale, die diese erleiden mussten und wie sie schließlich den Menschen für's Leben und ihr Glück finden. Manchmal ist mir einfach danach, hoffnungslosen Schnulz zu lesen und auf der Suche nach einem gescheiten New Adult-Roman bin ich auf die New Hope-Reihe von Rose Bloom gestoßen.

Ich bin bewusst erst mit dem zweiten Teil in die Reihe eingestiegen, weil mich die Story mehr angesprochen hat, als die des ersten Teils. Okay, vielleicht lag es auch ein klein wenig daran, dass mich von der einsamen Hütte am See mitten im Wald angesprochen hat (und dass mich die Beschreibung des männlichen Protagonisten Graham irgendwie an Henry Cavill erinnert hat). Auch Liz, der weibliche Gegenpart, war mir irgendwie sympathisch und so war ich schnell in der Geschichte drin und habe mich ebenso schnell durch das Buch gelesen. Rose Bloom kann wirklich wunderbar schreiben und ich hatte die Landschaft der Sierra Nevada bildlich vor Augen. Landschaftsbeschreibungen wecken aber auch stets das Heimweh nach meinem Vogtland in mir und so hatte ich auch die Landschaft meiner Heimat stets im Hinterkopf. Die Story, wie die durch mehrere Schicksalsschläge verstummte Liz und der grummelige, menschenscheue Ranger Graham zueinander finden, habe ich wirklich gern gelesen und denke tatsächlich drüber nach, den Nachfolgeband der Reihe, "Das Schimmern des Glücks", ebenfalls zu lesen, wenn er im Mai erscheint. Kann die Geschichte jedem empfehlen, der etwas für's Herz braucht. Und Waldlandschaften mag. Und die Ruhe und Heimat, die man im Wald findet.

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