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Veröffentlicht am 04.08.2025

"Nachl im Himml"

Nagel im Himmel
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Die grundsätzlich sehr interessant erzählte Geschichte um das sächsische Mathematikgenie Oliver, welcher bereits als Kind auf eine sogenannte Spezialschule für Mathematik geschickt wird und später zu den ...

Die grundsätzlich sehr interessant erzählte Geschichte um das sächsische Mathematikgenie Oliver, welcher bereits als Kind auf eine sogenannte Spezialschule für Mathematik geschickt wird und später zu den Sternen greift, indem er versucht die Riemannsche Vermutung zu beweisen, konnte mich zwar nicht über das komplette Buch hinweg überzeugen, bleibt aber trotzdem stark in der Grundidee.

Der Plot verfängt sofort von Beginn an. Großartig verwebt Hofmann mathematische Themen mit der Geschichte von Oliver. Gerade die Gratwanderung zwischen Genie, Wahnsinn und Schicksal in der theoretischen Mathematik schält der Autor grandios heraus. Auch die Hürden, die in der Grundlagenforschung genommen werden müssen, ohne "schnelle" Lösungen aufweisen zu können, bannt Hofmann in seinem Roman. Mathematikinteressierte Leser werden sich hier über die ausführlichen Beschreibungen freuen. Leider schwächelt der Mittelteil meines Erachtens ein wenig. Die emotionale Spannung wird aber vor allem zum Ende hin immer mehr verstärkt, sodass ich das Buch auf den letzten 80 Seiten gar nicht mehr weglegen wollte.

Ein massiver Kritikpunkt stellt für mich die Entscheidung des Autors dar, weniger intelligente, faule und in ihren Ansichten zweifelhafte Charaktere durch starken sächsischen Dialekt zu brandmarken. Dass es auch an Hochschulen durchaus hochintelligente Menschen gibt, die sich nicht darum scheren, ob sie nun Hochdeutsch oder im Dialekt sprechen, ignoriert der Autor vollkommen. So wird leider das Klischee vom dummen, faulen, voreingenommenen und auch asozialen "Ossi" vollständig bedient. Zum Teil waren die Dialoge im Sächsischen einfach zu anstrengend zu lesen und haben dem Roman den Lesefluss über weite Strecken geraubt.

Grundsätzlich gefällt mir also die Idee, diesen filmreifen Plot in Sachsen anzusiedeln, andererseits wurde hier zu stark in Schubladen gedacht. Ein großer Pluspunkt bleibt das gekonnte Einbinden der Mathematik. 3,5 Sterne meinerseits dafür, mit einem wohlwollenden Schubs nach oben. ;)

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Veröffentlicht am 04.08.2025

Bis zur Hälfte gut, danach eher vernachlässigbar.

Das Universum der Dinge
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In diesem Buch habe ich offengestanden eher eine Sammlung von Essays zum Thema "Universum der Dinge" und der "Ästhetik des Alltäglichen" erwartet. Liessmann schreibt jedoch ein durchgängig philsophisches ...

In diesem Buch habe ich offengestanden eher eine Sammlung von Essays zum Thema "Universum der Dinge" und der "Ästhetik des Alltäglichen" erwartet. Liessmann schreibt jedoch ein durchgängig philsophisches Werk über alltägliche und auch weniger alltägliche Dinge. So setzt er sich zunächst mit der Herkunft unserer in der Überflussgesellschaft existierenden Dinge auseinander. Die Verbindung, die im Industriezeitalter zwischen Herstellung, Produkt und Besitzer immer weiter auseinander gewandert ist, wird - wie im Klappentext beschrieben - recht interessant aufgearbeitet. Auch die Betrachtung bzw. Unterscheidung von Kunst und Kitsch bleibt noch interessant in der Lektüre. Mit zunehmenden Abklappern verschiedener Themenbereiche wurde mit das Buch jedoch nach den ersten 80 bis 100 Seiten zunehmend uninteressant. Hier fehlte mir dann der genannte essayistische Touch, die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit den Dingen des Alltags.

Insgesamt mal eine nette Lektüre aus dem Bereich "Philosophie des Alltäglichen", jedoch auch nicht zwingend der Rede wert.

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Veröffentlicht am 04.08.2025

Der Einzug der Impressionisten in Berlin

Tschudi
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In ihrem Roman versammelt Miriam Kühsel-Hussaini allerlei Künstler und Kunsthintergrundwissen um den Direktor der Deutschen Nationalgalerie Berlin in den Jahren um 1900. Die Erzählung setzt kurz nach dem ...

In ihrem Roman versammelt Miriam Kühsel-Hussaini allerlei Künstler und Kunsthintergrundwissen um den Direktor der Deutschen Nationalgalerie Berlin in den Jahren um 1900. Die Erzählung setzt kurz nach dem Amtsantritt des schweizerischen Adligen in Berlin ein und endet mit dessen Tod. So erfährt die Leserin viel über die Kontroversen in Deutschland um die Jahrhundertwende bezogen auf die damals sehr modernen aber auch ungewohnten impressionistischen Bilder der - vor allem - Franzosen. Bilder von Franzosen in der Deutschen Nationalgalerie passten nicht jedem und so ist dieser Konflikt über das gesamte Buch hinweg Thema.

Leider bleibt der Charakter des Hugo von Tschudi, Namensgeber des Romans, sehr blass im vergleich zu den farbenfrohen Beschreibungen der Kunst und Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Dieser von Tschudi scheint sich im gesamten Buch ausschließlich durch die Adjektive wolfskrank (bezogen auf die Lupus-Erkrankung des Museumsdirektors), körperlich groß gewachsen und schwarzäugig auszuzeichnen. Diese Beschreibungen tauchen bis zum Schluss immer und immer wieder auf. Eine psychologische Tiefe entwickelt die Figur leider gar nicht. Zu viel beschäftigt sich die Autorin mit den Zeitgenossen von Tschudis. In einem Regenguss an name dropping wird hier so ziemlich jeder aktive Künstler in Deutschland und Frankreich der Zeit genannt und bekommt mitunter ein eigenes Kapitel. Besonders Kaiser Wilhelm II., welcher im ständigen-widerständigen Dialog mit von Tschudi gestanden haben muss (andere Staatsgeschäfte scheinen, wenn man das Buch liest, nebensächlich gewesen zu sein), wird sehr stark in seinen seelischen Widersprüchen und scheinbar auch Verletzlichkeit, für die er ebenso kritisiert wurde, gezeichnet. Warum von Tschudi im Buch diese Ehre nicht zu Teil wurde, bleibt offen. So ist das Buch zwar ein durchaus interessantes, wenngleich aber ein wenig mitreißendes. Sprachlich will die Autorin vor allem im ersten Teil des Buches sehr viel, vielleicht sogar zu viel. Teilweise auch prätentiös.

Nachdem ich ein komplettes Buch über diesen Menschen gelesen habe, möchte ich nun einmal wirklich etwas zu von Tschudi erfahren und muss mich wohl erst einmal auf die bekannte Seite zurückziehen, die mit Wiki anfängt. Schade, denn eigentlich erhoffe ich mir durch ein Buch auch einen Wissenszuwachs sowohl bezogen auf das soziale Umfeld und die Zeit der Person aber auch bezogen auf die Persönlichkeit. Dies fehlt hier fast vollständig. Merke: Tschudi = wolskrank + groß + schwarzäugig.

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Veröffentlicht am 04.08.2025

Zu viel Salz in der Suppe...oder zu wenig, je wie man es sieht.

Bergsalz
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Karin Kalisa hat sich für den vorliegenden Roman viel vorgenommen. Im Setting eines kleinen Dorfes im Allgäu behandelt sie nicht nur die Vereinsamung im Alter, die Veränderung von Rollenbildern, das Herauskommen ...

Karin Kalisa hat sich für den vorliegenden Roman viel vorgenommen. Im Setting eines kleinen Dorfes im Allgäu behandelt sie nicht nur die Vereinsamung im Alter, die Veränderung von Rollenbildern, das Herauskommen aus der Vereinsamung in die Gemeinschaft, die Entstehung einer Offene Küche als soziales Engagement, die Integration von Geflüchteten, die allgegenwärtige Landflucht, eine aufflammende Heimatverbundenheit, die Traumatisierung von Helfern in Kriegsgebieten, aber auch Heilung davon und das Besinnen auf die Natur. Selbst diese Auflistung erscheint nach der Lektüre des 200 Seiten dünnen Büchleins immer noch nicht vollständig.

Damit wird klar, wo eine der vielen Schwächen dieses Buches liegt: Zu viele Themen auf zu engem Raum. Die Geschichte ist überladen an Figuren, Ereignissen und Handlungsbotschaften an die LeserInnen. Dabei geht im Plot alles viel zu glatt. Die Quintessenz: Wenn sich nur alle ein bisschen anstrengen, klappt das schon alles. Ich fühlte mich in ein absolutes Feel-Good-Movie versetzt, in dem es zwar Andeutungen von ernsteren Lebensereignissen in der Vergangenheit der Protagonisten gibt, diese aber gefühlt gar nicht so eine große Rolle spielen. Alles lässt sich kitten. Die Figuren sind zwar liebenswert, dabei aber leider nicht genug ausgeformt und bleiben schablonenhaft. Auch wird die Beziehung zwischen den Figuren häufig nicht ausreichend beleuchtet. Wichtig scheinen der Autorin auch nur die deutschen bzw. die eine britische Figur gewesen zu sein, um ihnen eine Backgroundstory zu verpassen. Die eine wichtige syrische Frauenfigur bleibt unglaublich blass.

Der Schreibtstil ist zwar flüssig und man ist schnell durch das Buch durch, hat aber trotzdem das Gefühl sich durchkämpfen zu müssen. Dies liegt einerseits an der nervigen Angewohnheit der Autorin im Fließtext jede Person mit einem Artikel vor dem Vornamen zu versehen und sie damit zu verkindlichen (obwohl es sich hauptsächlich um Frauen um die 70 Jahre handelt), zum anderen aber auch an der zu gewollt hintergründigen Sprache und Doppelbödigkeit, die nicht erstklassig ist: "Ob man die Liliane so etwas fragen konnte, war allerdings die viel fraglichere Frage."

Insgesamt stellt das Buch für mich eine Enttäuschung dar. Ich hatte viel erwartet und habe nur wenig bekommen. Grundsätzlich hat die Autorin sinnvolle Ideen dazu gesammelt, wie jeder einzelne die Gesellschaft ein bisschen besser machen kann. Das erkenne ich an. Leider wirkt das ganze Buch viel zu überladen und dadurch auch ab einem bestimmten Punkt nicht mehr glaubwürdig, um die Botschaften noch wirklich ernst nehmen zu können. Hier passt zu viel zu gut zusammen und wird am Ende doch alles wieder fallengelassen, ohne wirklich etwas auszuerzählen. Ein rundgelutschter Salzstein, ohne echte Ecken und Kanten. P.S. Das Cover find ich gut.

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Veröffentlicht am 04.08.2025

Über das Überleben

Ich bin, ich bin, ich bin
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Maggie O'Farrell macht etwas Großartiges in ihren ungewöhnlichen Memoiren: Sie versucht ihr Leben ausschließlich anhand von lebensbedrohlichen Situationen zu erzählen. In 17 dramaturgisch hervorragend ...

Maggie O'Farrell macht etwas Großartiges in ihren ungewöhnlichen Memoiren: Sie versucht ihr Leben ausschließlich anhand von lebensbedrohlichen Situationen zu erzählen. In 17 dramaturgisch hervorragend aneinander gereihten Kapiteln, welche mit einer Überschrift wie z. B. "Kopf", "Hals" etc. die jeweilige Schwachstelle, die fast die Todesursache ausgemacht hat, sowie einer Unterschrift, dem jeweiligen Jahr, in dem die Autorin dem Tod entgangen ist, versehen sind, nimmt sie die LeserInner mit auf eine intime, wie auch harte Reise durch ihr eigenes Leben.

Die Erlebnisse sind dabei nicht - wie zu erwarten wäre - chronologisch angeordnet, sondern verfolgen einen gezielten Spannungsbogen. Erst gegen Ende des Buchen bekommt die Leserin eine Vorstellung davon, welches Ausmaß die Entscheidungen im Leben der Autorin tatsächlich haben. Die Beschreibungen sind Bruchsücke eines Lebens, eine Reihe von Momenten der Bedrohlichkeit des Lebens. Und genau dieses Gefühl übeträgt sich auf die Leserin. Obwohl man erwarten könnte, dass diese Lektüre runterzieht, ist dem keineswegs so. Man wird sich selbst bewusst, wie häufig man dem Tod von der Schippe gesprungen ist, und dass es wert ist, das Leben, welches einem geblieben ist, wertzuschätzen.

Ich kann es nur jedem dringend empfehlen, sich an diese literarisch hochwertig verfassten Memoiren heranzutrauen und damit zu einem Nachdenken über das eigene Leben und die bedrohliche Kürze dessen angeregt zu werden. Mir kamen Tränen der Rührung - nicht der Trauer - als ich in das Leben von Maggie O'Farrel geschaut habe und gleichzeitig auch in mein eigenes schaute. Dies ist eines von den Büchern, die ich wohl immer mal wieder in meinem Leben zur Hand nehmen werde, um mich zu erden, um weiter zu machen, um sich auf das Wichtige zu konzentrieren.

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