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Veröffentlicht am 06.11.2018

Ein spannender Roman, der mich unheimlich polarisiert und zwiegespalten zurückgelassen hat!

Das falsche Kind
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Wenn aus einer vermeintlich heilen Welt ein Desaster zu werden scheint.
So hatte sich Sasha die Geburt ihres sehnlichst erwarteten Kindes nicht vorgestellt. Alles wird zu einem Alptraum, als bei ihr nach ...

Wenn aus einer vermeintlich heilen Welt ein Desaster zu werden scheint.
So hatte sich Sasha die Geburt ihres sehnlichst erwarteten Kindes nicht vorgestellt. Alles wird zu einem Alptraum, als bei ihr nach ihrem Autounfall ein Notfallkaiserschnitt gemacht werden muss und sie beim Anblick ihres Sohnes sofort das untrügliche Gefühl hat, dass es nicht ihrer ist. Doch ihr Mann Mark schwebt auf Wolke sieben und ist fasziniert von dem kleinen hilfsbedürftigen Wesen. Sasha weiß vor lauter Verzweiflung nicht mehr was sie machen soll. Keiner will ihr Glauben schenken, als sie ihre Vermutung kundtut, dass hier ein Fehler passiert sein muss. Beim Ultraschall war immer die Rede von einem Mädchen gewesen. Gegen den Willen ihres Mannes, vieler Widerstände und Misstrauen, versucht Sasha zwanghaft dem Rätsel auf die Spur zu kommen.

Susi Fox hat mit „Das falsche Kind“ einen psychologisch gut aufgebauten und spannenden Roman erschaffen, der mich unheimlich polarisiert hat. Ihr leicht zu lesender Schreibstil mit sehr bildlichen und detailreichen Beschreibungen von Orten, Charakteren und Szenen hat mich nur so durch die Geschichte fliegen lassen. Der Start ins Buch ist unglaublich spannend und ein Alptraum für jede Mutter. Sashas Gefühle, ihre Ängste und ihre Verzweiflung waren voll spürbar und haben eine sehr bedrückende und beklemmende Atmosphäre geschaffen. Wurde ihr Kind wirklich vertauscht? Diese Frage hat sich direkt im eigenen Kopf verankert und man leidet richtig mit ihr mit. Wem kann man trauen? Das Personal und die Ärzte im Krankenhaus verhalten sich komisch und Mark ist glücklich und kann Sasha überhaupt nicht verstehen. Je tiefer man ins Buch vordringt, umso rätselhafter wird die Geschichte. Die Autorin baut rund um Sasha viele psychologische Aspekte, die mir in manchen Szenen etwas zu viel in die Länge gezogen wurde. Aus einem anfänglichen Thriller wird ein Psychodrama.

In abwechselnden Erzählsträngen werden Rückblicke auf Marks und Sashas Beziehung geworfen und man bekommt Einblicke in ihre nicht immer einfache Kindheit. Hier werden einem so manche Gedanken, Wünsche und Handlungen von beiden klarer. Doch schon im nächsten Moment wird man wieder in die bedrückende Atmosphäre der Klinik transportiert. Wo eigentlich Freude herrschen sollte, befindet sich nur ein unsagbares Desaster voll widersprüchlicher Gefühle. Was dann aber zum Schluss passierte, entbehrte sich bei mir jeglicher Vorstellungskraft. Das unrealistische Ende hat bei mir sehr zwiespältige Gefühle hinterlassen.

Mein Fazit:

Susi Fox hat mich mit „Das falsche Kind“ gut unterhalten. Das Buch hatte viele spannende Momente und war psychologisch raffiniert aufgebaut. Einige Szenen waren mir jedoch zu sehr an den Haaren herbei und in die Länge gezogen wurden. Aus einem anfänglichen Thriller wurde im Laufe der Geschichte ein spannendes Psychodrama, das von mir 3,5 Sterne erhält.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Psychologie
  • Spannung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.10.2018

Einzigartig schön! Ein Roman, der voller Herzenswärme und Gefühlen steckt.

Zartbitterherzen
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Das größte Glück im Leben ist die Liebe!
Leider empfindet das Rosa im Moment gar nicht so. Sven, ihr Exmann hat sie nach sechsundzwanzig Jahren auf die übelste Weise für eine Jüngere abserviert und sie ...

Das größte Glück im Leben ist die Liebe!
Leider empfindet das Rosa im Moment gar nicht so. Sven, ihr Exmann hat sie nach sechsundzwanzig Jahren auf die übelste Weise für eine Jüngere abserviert und sie einfach zu ihrem besten Freund Tom geschickt. Bei ihm und dem Café Claire findet sie Unterschlupf und es scheint das Beste zu sein, was ihr passieren konnte. Ehe sie sich versieht wird sie mit in den Arbeitsalltag eingebunden und ist von der herzlichen Atmosphäre und den freundlichen Menschen, die dort arbeiten und verkehren, begeistert. Es ist ein besonderer Ort, der die Gäste nicht nur kulinarisch anlockt, sondern ihnen auch ein Stückchen Geborgenheit schenkt. Rosa liebt das Backen von kleinen Köstlichkeiten und den Kontakt mit den Menschen beim Servieren. Ein ständiger Gast hat es ihr besonders angetan, Jacob ein sehr faszinierender und aufmerksamer Mann, der an seinem Stammplatz an seinem neuesten Buch schreibt. Rosa spürt eine magische Anziehungskraft zwischen ihnen und sie öffnet ihr Herz langsam wieder. Doch plötzlich meldet sich Sven bei ihr und ihr Treffen führt zu einer Katastrophe. Rosa sieht keinen anderen Ausweg mehr für sich und bittet Professor Leclerc, der ebenfalls im Café ein und ausgeht, mit seiner entwickelten Methode ihre Gefühle zu löschen.

„Zartbitterherzen“ ist mein zweites Buch von Hanna Linzee, das ich lesen und überaus genießen konnte. Was für eine tolle Autorin, deren bewundernswerte und sehr warmherzige Art, Geschichten zu erzählen, mich unheimlich begeistert! Das Kleinod steckt voller Emotionen, kulinarischer Genüsse und einer wunderschönen Liebesgeschichte, die einen sehr berührt und auch nachdenklich macht. Der Start ins Buch ist schockierend. Wie kann ein Mensch nur das kostbare Glück im Leben vergessen wollen? Sie nennt es Frieden, andere würden es als Leere im Herzen bezeichnen. Sofort möchte man wissen, was hier mit dieser Person passiert ist.

Hanna Linzee lässt einen vier Monate zurück auf Rosas Leben blicken, das zuerst voller bitterer Enttäuschung, Verzweiflung und Trauer steckt, da ihre große Liebe Sven sie einfach ausgetauscht hat. Das Buch hat so eine starke Sogwirkung und zieht einen voll mit in die Gefühlswelt von Rosa hinein. Ich habe sie sofort in mein Herz geschlossen, weil sie so verletzlich ist und man im Laufe der Geschichte miterlebt, wie sie selber und sehr besondere Menschen wieder Freude und Glück in ihr Leben bringen. Ihr Freund Tom, den sie schon aus der Kinderzeit her kennt, ist so ein feiner und liebenswerter Mensch, der genau spürt, wie er sie ablenken und herausfordern kann. Er führt nach dem Tod seiner über alles geliebten Frau Claire, ihren Traum von einem sehr besonderen Café weiter und es war das reinste Vergnügen hier mit Gast sein zu dürfen! Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, gefühlt selber durch die tollen Beschreibungen die Köstlichkeiten probiert und auf eine spannende Entwicklung der Beziehung zwischen Jacob und Rosa hin gefiebert. Fast die ganze Zeit hat man gefühlt ein Lächeln auf dem Gesicht und verspürt eine unglaubliche Freude beim Lesen. Kein Wunder, da die Autorin neben den einzigartigen Charakteren von Rosa, Tom und Jacob noch weitere spannende und besondere Menschen mit eingebaut hat. Mac ,den Koch, der ein Geheimnis in sich trägt, Lucille, die ausgeflippte und forsche Angestellte und Professor Leclerc, dem als Wissenschaftler hier eine besondere Rolle zufällt. Rosa erfährt zum ersten Mal in ihrem Leben was wirkliche Freunde sind. Doch können ihr diese auch in einer fast ausweglosen Situation weiterhelfen? Hanna Linzee hat ein wunderschönes Ende für diese einzigartige Geschichte gefunden.

Mein Fazit:

Was für ein wunderwunderschönes Buch! Hanna Linzee hat mich mit „Zartbitterherzen“ total begeistert und berührt. Sie hat dargestellt, wie wichtig es im Leben von Menschen ist, Gefühle zu haben und sie zeigen zu können und mit Freunden gesegnet zu sein, die einem aufzeigen, wer man wirklich ist! Besonders hervorzuheben ist bei diesem Buchschatz auch noch die wunderschöne Buchgestaltung und Auszüge aus Rosas Rezeptsammlung, die voller Leckerbissen steckt. Für diesen Herzensroman kann ich nur eine unbedingte Leseempfehlung aussprechen und 5 hochverdiente Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Ein wunderbarer historischer Roman! Paulas schicksalshafte Reise an den Rhein war unvergleichlich schön!

Die vergessene Burg
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Paula Cooper hat heimlich immer von einem aufregenden Leben geträumt, doch als Gesellschafterin von ihrer invaliden Tante Harriet ist sie weit davon entfernt. Sie wird ausgenutzt, unterdrückt und hat nicht ...

Paula Cooper hat heimlich immer von einem aufregenden Leben geträumt, doch als Gesellschafterin von ihrer invaliden Tante Harriet ist sie weit davon entfernt. Sie wird ausgenutzt, unterdrückt und hat nicht viel Abwechslung in Kings Langley. Umso erfreuter ist sie, als sie von Reverend Cranston gebeten wird, für eine abendliche Veranstaltung „Das Lied der Lorely“ von Heinrich Heine vorzulesen. Schon beim Einüben erweckt es eine Sehnsucht nach dem fernen Land und dem Rhein in ihr. Als sie dann auch noch durch Zufall einen an sie adressierten Brief von Onkel Rudy aus Bonn entdeckt, entschließt sie sich dazu, ihn auf seine eindringliche Bitte hin, zu besuchen. Gegen den Willen ihrer Mutter macht sie sich 1868 auf die abenteuerliche Reise auf nach Bonn und erlebt dort eine nicht für möglich gehaltene wunderschöne und spannende Zeit. Die Begegnung mit ihrem Onkel Rudy und dem Reisefotografen Benjamin Trevor verändert ihr Leben auf eine ganz besondere Weise. Können sie ihr auch helfen, dass Rätsel um den Tod ihres vermissten Vaters zu lüften?

„Die vergessene Burg“ war für mich das erste Buch von Susanne Goga und ich war restlos begeistert von ihrer fesselnden, extrem bildlichen, poetischen, warmherzigen und unglaublich schönen Erzählweise. Sie schafft von Anfang an eine ganz besondere Atmosphäre rüberzubringen und man fühlt sich kopfkinomäßig sofort in die vergangene Zeit zurückversetzt. Ich war gefühlt in England, Bonn und der weiteren Umgebung des Rheins. Gerade weil ich schon einige ihrer Handlungsorte besucht habe, muss ich Susanne Gogas tolle, traumhafte und realitätsgenaue Beschreibung der Schauplätze hervorheben. Mit Paula zusammen von London aus auf die Reise zu gehen, ihre aufregenden Eindrücke hautnah mitzuerleben und letztendlich ihren äußerst liebenswerten Onkel Rudy kennenlernen zu dürfen, war das reinste Vergnügen. Einen besonderen Reiz in der Geschichte macht auch das Kennenlernen von Benjamin Trevor und Paula aus und später auch die spannende und schwierige Suche nach Spuren von ihrem verschollenen Vater. In Bonn erblüht Paula regelrecht und ich habe ganz oft mit einem Lächeln auf dem Gesicht ihre Geschichte gelesen, die voller Emotionen steckte.

Susanne Goga hat in ihrem Buch mit ganz viel Liebe unheimlich tolle, interessante und vielfältige Menschen erschaffen. Meine beiden Lieblingscharaktere waren Paula und Onkel Rudy, die mir im Laufe der Geschichte unglaublich ans Herz gewachsen sind. Paula ist so eine liebenswürdige, kluge, warmherzige und großzügige Frau und ich fand es wundervoll, wie selbstbewusst, mutig und weltgewandt sie in Bonn wurde. Onkel Rudy hätte ich die ganze Zeit umarmen können. So einen lebensfrohen, humorvollen, lieben und aufmerksamen Menschen hätte jeder gerne an seiner Seite und seine Beziehung zu seinem Freund August war herzerwärmend schön. Rudy und Paula verbindet nach so kurzer Zeit schon ein starkes familiäres Band, dass Paulas Mutter Margaret niemals so zu ihrer Tochter hatte. Sie kommt als verbitterte, selbstsüchtige und herzlose Frau rüber und hat mich die ganze Zeit polarisiert. Aber auch Benjamin Trevor ist ein toller Mann, der fast durch sein Stillschweigen in einer prekären Angelegenheit, seine zarte Annäherung an Paula aufs Spiel gesetzt hätte.

Zum Ende hin wurde die Geschichte noch unglaublich bewegend, berührend und mit einem wunderbaren Ausblick auf eine hoffnungsvolle Zukunft abgeschlossen.

Mein Fazit:

Susanne Goga hat mich mit “Die vergessene Burg“ außerordentlich gut unterhalten! Es ist ein wunderschönes Herzensbuch, das ich jedem Liebhaber von historischen Romanen und Familiengeschichten sehr gerne ans Herz legen möchte. Hervorzuheben ist auch noch die perfekte Buchgestaltung mit tollen bildlichen Eindrücken von Bonn und seiner Umgebung. Ich habe hier eine neue Autorin für mich entdeckt, von der ich auf jeden Fall noch weitere Bücher lesen werde. Verdient vergebe ich sehr gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.10.2018

Ein Roman mit Höhen und Tiefen

Der Abgrund in dir
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Jung, erfolgreich, gefragt und geliebt, so könnte man Rachel Childs Leben beschreiben. Für sie und ihren Ehemann Sebastian läuft es beruflich und privat gerade sehr gut und sie schwimmen auf einer Welle ...

Jung, erfolgreich, gefragt und geliebt, so könnte man Rachel Childs Leben beschreiben. Für sie und ihren Ehemann Sebastian läuft es beruflich und privat gerade sehr gut und sie schwimmen auf einer Welle des Erfolges. Doch dann bekommt ihr Leben im Bruchteil einer Sekunde auf schicksalhafte Weise eine Wendung. Als angesehene Fernsehjournalistin muss sie für eine Reportage über eine Naturkatastrophe nach Haiti reisen und ist dort von den schrecklichen Eindrücken und Erlebnissen überfordert. Vor laufender Kamera bekommt sie einen Nervenzusammenbruch und leidet zu Hause plötzlich unter bedrohlichen Panikattacken und Angstzuständen. Sebastian kommt damit überhaupt nicht klar, zieht sich von ihr auf übelste Weise zurück, fordert die Scheidung und lässt ihre finanziellen Sorgen wachsen. Rachel fällt in ein tiefes Loch und ist dankbar, als ihr früherer Bekannter Brian Delacroix auftaucht und versucht, sie mit ganz viel Geduld und Liebe aus ihrer selbstgewählten Einsamkeit herauszuholen. Doch ihr Misstrauen ihm gegenüber wird auf einmal durch einen dummen Zufall geschürt und Rachel versucht seinen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Leider entwickelt sich die ganze Sache zu einer undurchsichtigen und gefährlichen Mission.

„Der Abgrund in dir“ ist ein psychologisch gut aufgebauter Roman, der voller seelischer Probleme, menschlichen Schwächen, Liebe und einer spannenden Entwicklung in der Geschichte steckt. Mit seiner leicht zu lesenden Erzählweise schafft Dennis Lehane am Anfang eine bedrückende Atmosphäre, die durch ein schockierendes Ereignis und Rachels beklemmende Gedanken und Handlungen sehr gut dargestellt wird. Für mich holt er hier bei einigen Szenen etwas zu weit aus, sodass ich gedanklich nicht immer ganz im Buch steckte. Mit dem Auftauchen von Brian jedoch nimmt die Geschichte Fahrt auf und bekommt durch seine Geheimniskrämerei, gefährlichen Ereignissen und dem Erscheinen von zwielichtigen Personen immer mehr Dynamik. Man beginnt zu Rätseln, wird neugierig und ist so manches Mal überrascht von den unvorhersehbaren Geschehnissen, die einen am Ende des Buches noch mit einigen offenen Fragen zurück lassen.

Mit seiner Unterteilung in drei Kapitel beschreibt Dennis Lehane die verschiedenen Lebensphasen von Rachel und Brian, deren Charaktere er sehr gut herausgearbeitet hat. Im ersten Abschnitt lernt man Rachel kennen, die als Kind ohne Vater aufgewachsen ist und unter den Launen und der Bitterkeit ihrer Mutter leiden musste, die gestört und hasserfüllt rüberkam. Sie ist gefühlt immer auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit, die ihr aber bisher keiner richtig schenken konnte. Ihre steile Karriere, der tiefe Fall, ihre großen innerlichen Kämpfe und der Hoffnungsschimmer, den Brian in ihr Leben bringt, erzeugen Mitgefühl.

Brian lernt man erst richtig im zweiten Kapiteln kennen. Er scheint ein sehr einfühlsamer und ehrlicher Mann zu sein, der sich sehr um Rachel sorgt, sie liebt und alles dafür tut, dass sie aus ihrem Schneckenhaus herauskommt. Doch seine langen Geschäftsreisen und die weitere Entwicklung der Geschichte machen ihn zu einer undurchsichtigen und geheimnisvollen Person, die es in sich hat.

Dramatisch und sehr spannend geht es schließlich im letzten Kapitel zu, in dem beide um ihre Existenz, ihr Leben und eine gemeinsame Zukunft kämpfen müssen.

Mein Fazit:

Dennis Lehane konnte mich mit „Der Abgrund in dir“ nicht vollständig überzeugen. Das zeitweise Abschweifen meiner Gedanken am Anfang des Buches und einige kleine verworrene Szenen haben meinen positiven Eindruck des Romans leicht getrübt. Nichtsdestotrotz habe ich mich durch die sehr gut ausgearbeiteten menschlichen Abgründe und die spannende Entwicklung der Geschichte gut unterhalten gefühlt und vergebe hierfür 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 18.10.2018

Sehr außergewöhnlich und faszinierend! Ein Roman, den man nicht so schnell vergisst!

Ein Winter in Paris
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Victor liebt die Aussagekraft und die Bedeutung von Worten und wusste auf dem Gymnasium schon, dass er einmal in Paris am Lycée D. Geisteswissenschaften studieren wollte und hat alles dafür getan, dass ...

Victor liebt die Aussagekraft und die Bedeutung von Worten und wusste auf dem Gymnasium schon, dass er einmal in Paris am Lycée D. Geisteswissenschaften studieren wollte und hat alles dafür getan, dass sein Traum in Erfüllung geht. Sein Abschied von seiner Familie und seinem provinziellen Zuhause fiel ihm nicht schwer, doch sein Leben und Lernen in Paris hatte er sich etwas anders vorgestellt. Er fühlt sich einsam und ausgegrenzt, da er nicht dem Klischee seiner Kommilitonen entspricht. Ein bisschen Abwechslung bieten ihm nur die gelegentlichen Raucherpausen und Unterhaltungen mit Mathieu, einem jungen Mann aus der Stufe unter ihm. Doch dann geschieht plötzlich etwas Unfassbares. Mathieu begeht aus Verzweiflung Selbstmord und Victor wird, als vermeintlicher Freund von ihm, auf einmal interessant für seine Mitmenschen. Als dann auch noch Mathieus Vater Patrick Lestaing in sein Leben tritt, ändert sich für ihn auf einmal alles.

„Ein Winter in Paris“ war mein erstes Buch von Jean-Philippe Blondel und es war eine ganz neue Leseerfahrung für mich. Seine unheimlich fesselnde Erzählweise, sein faszinierender und poetischer Sprachgebrauch, seine detailreichen Schilderungen von Victors Gedanken und Beobachtungen und seine berührenden Szenen haben mich unglaublich begeistert. Es ist ein total entspanntes Lesen gewesen, bei dem man sich so vorkam, als wäre man ein gebannter Zuschauer von einem Ein-Mann-Theaterstück, bei dem man dem Schauspieler voller Faszination beim Erzählen an den Lippen hängt. Sparsam wird am Anfang mit Emotionen umgegangen, doch im Laufe der Geschichte wird es immer aufwühlender, bedrückender und es macht einen nachdenklich. Eine unglaubliche Anziehungskraft geht hier von einem einzelnen Menschen aus, der man sich nicht entziehen kann.

Der Start ins Buch zeigt auf, dass Victor gefühlt alles erreicht hat, was er sich erträumt und vorgenommen hat und er beginnt, aufgrund eines sehr persönlichen und offenen Briefes von Patrick Lestaing an ihn, auf sein bisheriges Leben zurückzublicken. Seine Rolle als Außenseiter wird hier in einer Perfektion dargestellt und es macht einen nachdenklich, wie ein Mensch fast ein Jahr lang ohne Kommunikation so durchs Leben gehen kann. Seine Sinne entwickeln sich anders und ich habe Victors Beobachtungsgabe unheimlich bewundert. Er saugt förmlich die Emotionen und Verhaltensweisen seiner Mitmenschen auf. Mit Mathieus Tod beginnt sich sein Blickwinkel auf einmal zu ändern. Hier beleuchtet der Autor vortrefflich, welche Auswirkungen ein starres Schulsystem hat, wem man wohlmöglich die Schuld an Mathieus Verzweiflungstat geben kann, wer Schuldgefühle hat, warum Menschen auf einmal aufeinander zugehen, man Halt bei anderen Personen sucht, einem die Nähe zu viel werden kann und man wachgerüttelt werden muss, damit man ein eigenständiges und erfülltes Leben führen kann. Ein Leben, das voller Liebe, Sorgen, Ängsten und einer Leidenschaft fürs Schreiben besteht. Die Geschichte regt einen unglaublich zum Nachdenken an.

Mein Fazit:

„Ein Winter in Paris“ war ein Lesegenuss! Jean-Philippe Blondel ist ein sehr besonderer Schriftsteller mit einem unglaublichen Feingefühl für Menschen, das er mit Victor hervorragend zum Ausdruck bringen konnte. Für so einen begeisternden Roman kann ich nur eine absolute Leseempfehlung aussprechen und sie jedem ans Herz legen, der leise und eindringliche Töne liebt und das wichtige im Leben der Menschen zu erkennen weiß. Hochverdient vergebe ich hier sehr gerne 5 Sterne.