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Veröffentlicht am 10.05.2022

Krimi mit Corona

Der gute Samariter
1

„Der gute Samariter“ ist Band 7 der Reihe, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die beiden Autoren diesmal über das Ziel hinausgeschossen sind. Zwar könnte dann die Konzentration auf das ...

„Der gute Samariter“ ist Band 7 der Reihe, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die beiden Autoren diesmal über das Ziel hinausgeschossen sind. Zwar könnte dann die Konzentration auf das Schicksal der Hauptfigur/en dann eine Weile helfen, aber das ist mir in diesem Genre zu dürftig, denn das reicht in der Regel nicht, um mein Interesse aufrecht zu halten. Vor allem dann, wenn keine neuen Impulse gegeben werden.

Drei unterschiedliche Ebenen bestimmen die Story, die jeweils den bekannten Protagonisten zuzuschlagen sind. Ausgangspunkt ist die Entführung von Olivia Rönning (Nr. 1) und die Suche nach ihr. Und hier greift Tom Stilton (Nr. 2) in die Handlung ein, der die selbstgewählte Isolation in Zeiten der Pandemie aufgibt und sich dem Suchteam anschließt. Es gibt zwar einen Hinweis auf den Ort, aber die Suche wird erschwert durch den Brand des Hauses, in dem Olivia gefangen gehalten wurde, denn in den Trümmern findet man eine verkohlte Leiche. Olivia taucht wieder auf, aber wer hat das Feuer gelegt und warum? Mette (Nr. 3), die Ex-Chefin, ist gelangweilt und freut sich, als man ihr eine neue Aufgabe anbietet. Sie soll als Sicherheitskoordinatorin für die Impfstofflieferungen tätig werden. Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass es jemanden gibt, der ein Interesse an der Sabotierung der Transporte hat.

Man sieht es schon, die Pandemie ist ein wiederkehrendes Thema dieses Krimis und überlagert leider streckenweise die durchaus klug und spannend angelegten und souverän verschränkten Handlungsebenen über Gebühr. Wer die Vorgänger gelesen hat, weiß, dass in dieser Reihe immer wieder zeitgenössische Probleme angesprochen werden. Das habe ich in der Vergangenheit durchaus honoriert. Aber nach den beiden zurückliegenden Corona-Jahren hält sich meine Bereitschaft, davon auch noch in Krimis zu lesen, sehr im Rahmen.

Veröffentlicht am 31.08.2021

Beängstigend realistisch!

Crash
1

Die Machenschaften fragwürdiger Immobiliengesellschaften sind in jüngster Vergangenheit in diversen Thrillern thematisiert worden, z.B. in Eckerts „Stunde der Wut“ oder Schorlaus „Kreuzberg Blues“. Nun ...

Die Machenschaften fragwürdiger Immobiliengesellschaften sind in jüngster Vergangenheit in diversen Thrillern thematisiert worden, z.B. in Eckerts „Stunde der Wut“ oder Schorlaus „Kreuzberg Blues“. Nun also Susanne Saygins „Crash“, in dem es ein Wiedersehen mit dem Nolden-Konzern gibt, den wir bereits aus dem Vorgänger „Feinde“ kennen.

Christof Nolden, der skrupellose Baulöwe ist tot. Herzinfarkt, keine Fremdeinwirkung. Seine Witwe soll die Geschäfte mit Unterstützung eines Vertreters der Wirtschaftskanzlei weiterführen, die sich bereits seit längerem um die Belange des Unternehmens kümmert. Die Wahl fällt auf Torsten Wolf, der kein gutes Gefühl bei der Übertragung des Mandats hat, aber den finanziellen Verlockungen nicht widerstehen kann. Zwar tauchen beim Prüfen der Bücher Ungereimtheiten auf, aber Geld ist ein mächtiger Ratgeber, und so verdrängt er sein ungutes Gefühl, zumal er keine Beweise findet. Als seine Assistentin spurlos verschwindet, kommt Isa ins Spiel, die Privatermittlerin, die wir aus dem Vorgänger kennen. Sie verlässt ihr mehr oder weniger freiwilliges Exil auf den Äußeren Hebriden, um nach ihrer Freundin zu suchen. Es spielt ihr in die Karten, dass Wolf eine neue Mitarbeiterin benötigt, sie bewirbt sich, bekommt die Stelle und prüft mit dessen Unterstützung die Zahlen des Konzerns. Gemeinsam kommen sie einer raffinierten Manipulation auf die Spur und finden heraus, welche Pläne die Witwe mit 50 Millionen Euro hat.

Was Saygin in diesem Berlin-Roman beschreibt, wirkt nicht weit hergeholt und kann/könnte so jederzeit geschehen. „Crash“ ist ein moderner Roman, verankert in der Realität, der keine Morde braucht, um Spannung zu erzeugen. Es reicht das genaue Hinsehen. Und das macht die Autorin, wenn sie die Verflechtungen von Kapital und Politik und deren schmutzigen Geschäfte beschreibt. Geld verschafft die Möglichkeiten, ist gleich Macht, auch wenn es darum geht, mit unkonventionellen Mitteln den Boden für populistische Bewegungen zu bereiten. Beängstigend realistisch.

Veröffentlicht am 21.07.2021

Ein feiner "Rural Noir"

Unbarmherziges Land
1

Im Zentrum der Handlung steht Mick Hardin, ein Militärpolizist, der auf Anraten seiner Schwester Linda zurück in seine Heimat, das östliche Kentucky, kommt, um private Angelegenheiten zu klären. Seine ...

Im Zentrum der Handlung steht Mick Hardin, ein Militärpolizist, der auf Anraten seiner Schwester Linda zurück in seine Heimat, das östliche Kentucky, kommt, um private Angelegenheiten zu klären. Seine Frau hatte eine Affäre, und nun ist sie schwanger. Von ihm oder ihrem Liebhaber, wer weiß? Aber noch bevor die klärende Aussprache stattfindet, wird er von Linda, die der erste weibliche Sheriff des Countys ist, um Hilfe in einem Mordfall gebeten. Ein alter Mann hat beim Ginseng sammeln in den Hügeln eine weibliche Leiche entdeckt. Unfall oder Mord, schnelle Aufklärung ist gefordert, ehe die Dinge außer Kontrolle geraten, denn im Hinterland von Kentucky ticken die Uhren anders.

„Unbarmherziges Land“ kommt im Gewand eines Thrillers daher und kann mit sämtlichen Attributen des Genres aufwarten, aber gegenüber dem Setting sind diese absolut zweitrangig und machen nicht die Qualität dieses Buches aus. Offutt ist mit der Gegend vertraut, seine Naturbeschreibungen sind mehr als bloße Dekoration, denn sie vermitteln ein Gefühl dafür, wie die Abgeschiedenheit sich auf das Leben der Menschen auswirkt. Wenn man Elmore Leonards „Raylan“ (literarische Vorlage für „Justified“) kennt, hat man schon eine ungefähre Vorstellung, was einem erwartet. In den Hügeln sind Familienbande wichtiger als Recht und Gesetz, das alttestamentarische Auge um Auge bestimmt das Handeln. Mick ist damit vertraut, er ist hier aufgewachsen, kennt die Bräuche, weiß, wen er wie ansprechen muss, um an Informationen zu gelangen, um die Hintergründe des Todesfalls aufzuklären und zu verhindern, dass die Sache aus dem Ruder läuft. Ein feiner „Rural Noir“, der hoffentlich in Serie geht!

Veröffentlicht am 12.07.2021

Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

Der langsame Tod der Luciana B
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Wenn ein promovierter Mathematiker einen Spannungsroman schreibt und dabei auch das fachliche Knowhow seiner Studien in die Story einfließen lässt, kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Ergebnis ...

Wenn ein promovierter Mathematiker einen Spannungsroman schreibt und dabei auch das fachliche Knowhow seiner Studien in die Story einfließen lässt, kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Ergebnis kein 08/15 Kriminalroman sein wird. Aber schauen wir genauer hin:

Luciana B. hat während des Studiums als Schreibkraft für den erfolgreichen Schriftsteller Kloster gearbeitet. Als sich ihr dieser auf eindeutige Weise nähert, weist sie ihn ab. Eine Anwältin rät ihr, vor Gericht zu gehen. Sie willigt ein, und das Verfahren zerstört nicht nur dessen makellosen Ruf sondern auch seine Familie.

Zehn Jahre später, mittlerweile psychisch und physisch am Boden, sucht sie Hilfe bei einem anderen Autor, für den sie auch gearbeitet hat. Sie ist davon überzeugt, dass Kloster Rache übt, er für die Todesfälle in ihrem persönlichen Umfeld verantwortlich ist. Seit sich ihre Wege getrennt haben, sind sowohl ihr Freund als auch ihre Eltern und ihr Bruder unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen. Geblieben ist ihr nur ihre jüngere Schwester. Klosters Reaktion auf Lucianas Anschuldigungen nährt Zweifel. Hat er, oder hat er nicht, ist er schuldig oder unschuldig?

Bis diese Frage geklärt ist, bedarf es des geduldigen Ausharrens und jeder Menge philosophischer Haarspaltereien, die letztlich um die Frage kreisen, wie wahrscheinlich diese Häufung von Todesfällen im Umfeld einer Person sein können und welche logischen Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Plausibel oder nicht, wer weiß das schon, denn auch hier lässt uns Martinez im Zweifel. Und dann wäre da noch das Frauenbild - lateinamerikanischer Machismo in Reinkultur - das mir den Rauch aus den Ohren treibt. Unterm Strich eine unbefriedigende Lektüre und ein Ärgernis. Punkt.

Veröffentlicht am 08.06.2021

Souverän geplotteter Kriminalroman der schottischen Queen of Crime

Ein Bild der Niedertracht
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Val McDermid zählt zweifelsohne seit vielen Jahren zu den produktivsten schottischen Krimiautorinnen. Neben zahlreichen Stand alones gibt es von ihr auch vier erfolgreiche Reihen, wobei sie allerdings ...

Val McDermid zählt zweifelsohne seit vielen Jahren zu den produktivsten schottischen Krimiautorinnen. Neben zahlreichen Stand alones gibt es von ihr auch vier erfolgreiche Reihen, wobei sie allerdings aktuell nur noch die beiden mit TonyHill/Carol Jordan sowie Karen Pirie bedient.

Im aktuellen Band „Ein Bild der Niedertracht“ müssen sich DCI Karen Pirie und DC Jason Murray von der Historic Cases Unit mit mehreren vertrackten Fällen beschäftigen. Zum einen ist die Identität eines Skeletts zu klären, das im Wohnmobil des Opfers eines Verkehrsunfalls entdeckt wird, zum anderen gilt es, herauszufinden, was es mit dem Toten auf sich hat, den die Fischer aus dem Forth of Fife geborgen haben. Was hat ein französischer Jazzmusiker in Schottland zu suchen?

Die Ermittlungen, in denen die engagierte DS Daisy Mortimer aus Fife die HCU unterstützt, fördern Unerwartetes zu Tage, denn es stellt sich heraus, dass der Tote mitnichten Franzose ist, sondern es sich um den Bruder eines seit vielen Jahren verschwundenen schottischen Politikers handelt. Ein Fall, den Karen damals nicht aufklären konnte und der sie auch gegenwärtig stark fordert, muss sie sich doch auf einem Parkett bewegen, das ihr nicht vertraut ist. Und auch im privaten Bereich hat sie mit Problemen zu kämpfen. Die Beziehung zu Hamish läuft auf Sparflamme, seitdem er abgesteckte Grenzen übertreten hat, entgegen Karens ausdrücklichen Wunsch, ihr zu einem Treffen mit dem frisch aus dem Gefängnis entlassenen Mörder ihrer großen Liebe Phil Parhatka gefolgt ist.

Was zeichnet McDermids Kriminalromane aus? Natürlich die realistisch angelegten Charaktere (samt dem Netzwerk Pieries) mit ihren Stärken und Schwächen, die trotz aller Unterschiede perfekt harmonieren und gut zusammenarbeiten. Die souverän geplottete Story, bei der die Autorin einmal mehr ihre Stärke ausspielt, gekonnt mit den verschiedenen Handlungssträngen jongliert, ihnen den Raum gibt, den sie benötigen. Die Tempowechsel, bei denen sie von Aktion in Ruhe schaltet, die ruhigen Passagen mit Informationen zum Privatleben der Ermittler und Kommentaren zum politischen Zeitgeschehen wie Corona, Brexit, BoJo sowie der Gentrifizierung Edinburghs füllt und damit den Kriminalroman in der Realität verankert. Lesen!