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Veröffentlicht am 25.02.2025

Kein Vergleich mit dem Vorgänger

Der Gott des Waldes
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Die Bankiersfamilie Van Laar veranstaltet jedes Jahr ein Sommercamp für Jugendliche auf ihrem Waldgelände in den Adirondacks. Aber an einem Tag im August 1975 ist plötzlich alles anders als zuvor. Barbara, ...

Die Bankiersfamilie Van Laar veranstaltet jedes Jahr ein Sommercamp für Jugendliche auf ihrem Waldgelände in den Adirondacks. Aber an einem Tag im August 1975 ist plötzlich alles anders als zuvor. Barbara, die Tochter der Van Laars, ist weg, spurlos verschwunden wie schon ihr Bruder Bear vor vielen Jahren. Ein Verlust, der tiefe Wunden in der Familie hinterlassen hat und bis zu diesem Tag nicht hinreichend geklärt werden konnte. Es gab zwar Vermutungen, Erklärungen und die entsprechenden Aktionen von offizieller Stelle, aber dennoch blieben Zweifel.

Was ist mit Barbara geschen? Keine Hinweise, keine Spuren. Ist sie aus eigenem Antrieb verschwunden? Hat ihre erste Liebe sie dazu veranlasst? Wurde sie entführt? Oder gibt es etwa einen Zusammenhang mit dem Ausbruch des verurteilten Mörders Jacob Sluiter aus dem Gefängnis? Wiederholen sich die Ereignisse um das Verschwinden Bears? Und wie kann die Famile den erneuten Verlust eines Kindes verkraften und damit umgehen?

Gerüchte und Vermutungen brechen sich Bahn, verändern den Blick der Außenwelt auf die Familie. Als eine groß angelegte Suchaktion kein Ergebnis bringt, muss an von dem Schlimmsten ausgehen und die Ermittlungen in die Hände der Polizei geben. Aber auch Judyta Luptack, die junge Inspektorin, verantwortlich in diesem Fall, steht vor einem Rätsel und kommt nicht weiter, was allerdings auch dem Umstand geschuldet ist, dass kein Vertrauen in sie gesetzt und sie massiv bei ihren Nachforschungen behindert wird.

Nun könnte man meinen, Liz Moore hätte einen Kriminalroman geschrieben. Weit gefehlt. Sie nutzt zwar das Verschwinden eines Teenagers als Ausgangspunkt, aber ihr eigentliches Thema ist die Milieustudie einer dysfunktionalen Familie im Allgemeinen und die verhängnisvollen Auswirkungen psychischer Misshandlung in den Beziehungen im Besonderen.

Durch den multiperspektivischen Aufbau ihres Romans führt sie uns die dunklen Abgründe, allmählich Risse und deren Auswirkungen vor Augen, die bei genauerem Hinschauen in den Beziehungen sichtbar werden. Die Geringschätzung, die Vernachlässigung, die psychische Gewalt – all das lauert um die Ecke und ist nicht nur im Familiengefüge der Van Laars zu finden.

Familiengeschichten, ein Thema, das schon oft in der Literatur beackert wurde und auch bei Moore kaum Neues zu bieten hat. Über weite Strecken habe ich mich als außenstehender, unbeteiligter Beobachter gefühlt, bar jeglicher Emotionen, die ich beim Lesen von „Long Bright River“ empfunden habe, was meiner Meinung nach an dem riesigen Personentableau lag plus den ausführlichen und sich teilweise wiederholenden Schilderungen alltäglicher Handlungen, beides für ein gleichmäßiges Dahinplätschern auf mittlerem Niveau, ohne große Höhen oder Tiefen, verantwortlich. Weit entfernt von dem Vorgänger, der mein Buch des Jahres 2021 war. Schade.

Veröffentlicht am 23.02.2025

Zeit des Neubeginns

Berchtesgaden
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Mai 1945. Der Krieg ist vorbei, aber die Wunden, die er geschlagen hat, sind noch offen. Die Amerikaner haben den Wettlauf gegen die Franzosen gewonnen und die Verwaltung übernommen. In Berchtesgaden herrscht ...

Mai 1945. Der Krieg ist vorbei, aber die Wunden, die er geschlagen hat, sind noch offen. Die Amerikaner haben den Wettlauf gegen die Franzosen gewonnen und die Verwaltung übernommen. In Berchtesgaden herrscht Aufbruchstimmung. Die öffentlichen Ämter müssen neu besetzt werden, was sich als einigermaßen schwieriges Unterfangen herausstellt. Parteimitglieder, Mitläufer, Regimegegner, Kriegsheimkehrer und Überlebende, die dem Kriegsende ihre Freiheit verdanken. Alle benötigen den Persilschein, müssen sich deshalb einer Befragung unterziehen, aber nur wenige haben tatsächlich eine blütenweiße Weste.

An Einzelschicksalen sehen wir die Wunden, die der Krieg im Kleinen und Großen geschlagen hat. Frank, vor Kriegsausbruch gerade noch mit seiner jüdischen Familie nach Amerika geflüchtet, ausgebildet in Verhörtechniken in Camp Richtie, der die Befragungen der Einheimischen durchführt. Sophie, die naive junge Frau, die dessen Interviews protokolliert und sich in einen schwarzen GI verliebt. Rudolf Kriss (historisch verbürgt), von einem Nachbarn denunziert, was Konzentrationslager und Todesurteil zur Folge hatte. Nach der Befreiung Berchtesgadens Bürgermeister. Max, Sophies Bruder, Angehöriger der Waffen-SS, aus Angst vor Konsequenzen in die Berge geflohen…und…und.

Carolin Otto ist Drehbuchautorin (Polizeiruf, Tatort), und auch dieser Stoff hätte eigentlich eine TV-Serie zum 80. Jahrestag des Kriegsendes werden sollen. Aber da sich das Projekt zerschlagen hat, hat sie die Rechercheergebnisse zu ihrem Roman „Berchtesgaden“ verarbeitet. Zum Glück, kann ich da nur sagen.

Sie hat sich bei ihrer Recherche intensiv mit der Nachkriegsgeschichte Berchtesgadens auseinandergesetzt, thematisiert aber nicht nur die Probleme, sondern auch die Chancen, die sich (nicht nur) für die Einheimischen durch die Ankunft der Amerikaner ergeben. Jede/r der Protagonisten hat eine persönliche Geschichte, eine Vergangenheit, aber auch eine Zukunft. Ist Teil einer Gemeinschaft, die sich neu orientieren muss.

Und ja, man merkt die Drehbuchautorin. Ganz gleich, ob Personen, ihre Handlungen oder die Landschaft, alles wird sehr bildhaft und eindrücklich geschildert, vermittelt das Gefühl, man sähe es direkt vor sich. Und auch die Cliffhanger am Ende der aus wechselnder Sicht erzählten Kapitel sind perfekt gesetzt, so dass man unbedingt wissen möchte, wie sich die jeweilige Geschichte entwickelt und in das große Ganze eingebettet ist.

Ein gelungener historischer Roman, in dem die Einzelschicksale eng mit dieser besonderen Zeitspanne der unmittelbaren Nachkriegszeit verknüpft sind. Sehr informativ, aber auch spannend und einfühlsam erzählt. Nachdrückliche Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.02.2025

„Leute, trinkt Wasser“ *Ironie aus*

What I eat in a day
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Ich bin grundsätzlich skeptisch, wenn mir Laien etwas von gesunder Ernährung erzählen wollen. Noch misstrauischer werde ich, wenn dies von Influencerinnen und/oder ContentCreatorinnen kommt. Tja, was soll ...

Ich bin grundsätzlich skeptisch, wenn mir Laien etwas von gesunder Ernährung erzählen wollen. Noch misstrauischer werde ich, wenn dies von Influencerinnen und/oder ContentCreatorinnen kommt. Tja, was soll ich sagen? Meine Vorurteile wurden wieder einmal bestätigt, denn der Fokus der Autorin liegt weniger auf gesunden Mahlzeiten als vielmehr auf solchen, die der Gewichtsreduktion dienen.

Bunte Bilder, in denen sich die Autorin mit knappen Oberteilen in Szene setzt, unzählige Seiten, die den Eindruck vermitteln sollen, dass hier ein Profi schreibt, aber unterm Strich nur Allgemeinplätze zum Thema wiederkäuen, die man schon tausendfach gehört hat. Und ein 14-Tage-Plan, bei dem man sich weitestgehend aus der Schüssel, pardon, der Bowl, ernährt. Und auch die weiteren „Mahlzeiten“ sind nichts Besonderes: Pastagerichte, Salate, Smoothies – sorry, aber dafür braucht selbst ein absoluter Kochanfänger keine Rezepte.

Für diejenigen, die sich, wenn auch nur ansatzweise schon einmal mit dem beschäftigt haben, was bei ihnen auf den Teller kommt, ist dieser „Ratgeber“ komplett überflüssig.

Veröffentlicht am 19.02.2025

Leider springt der Funke nicht über

Die Komplizin – Ihr Mann ist ein Serienkiller. Was ist sie – Täterin oder Opfer?
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„Die Komplizin“, das siebte Buch der Eddie Flynn-Reihe lässt mich etwas ratlos zurück, denn obwohl ich die Vorgänger allesamt sehr gerne gelesen habe, wollte der Funke diesmal nicht so richtig überspringen.

Worum ...

„Die Komplizin“, das siebte Buch der Eddie Flynn-Reihe lässt mich etwas ratlos zurück, denn obwohl ich die Vorgänger allesamt sehr gerne gelesen habe, wollte der Funke diesmal nicht so richtig überspringen.

Worum geht’s? Die Polizei weiß Bescheid, der flüchtige Daniel Miller ist der „Sandmann“, ein Killer, der 17 Frauen brutal ermordet hat. Aber als bei der Hausdurchsuchung an einem Kleidungsstück seiner Frau Carrie Blutflecken gefunden werden, die, wie sich bei der Analyse herausstellt, von einem Opfer stammen, gerät auch sie in den Fokus. Wusste sie, dass ihr Mann ein Killer ist, oder hat sie ihm gar bei seinen Morden geholfen?

Sie wird festgenommen, aber gegen Kaution bis zum Prozess wieder auf freien Fuß gesetzt. Ihr Anwalt bittet Eddie inständig, den Fall vor Gericht zu vertreten. Nach kurzen Zweifeln ist er von der Unschuld der zukünftigen Mandantin überzeugt und übernimmt in Absprache mit seinem Team die Verteidigung. Und schon geht der Schlamassel los. Carrie taucht ab, was wiederum ihren Killer-Ehemann auf den Plan ruft…

Okay, ich bin keine Freundin der Serientäter-Thematik, die meist plump inszeniert und oft die Mängel des Plots übertüchen soll. Aber da ich davon ausgegangen bin, dass Cavanagh den Fokus, wie in den Vorgängern, auf Eddies clevere Tricksereien während der Gerichtsszenen legt, habe ich mich entschieden, es dennoch zu lesen. Hätte ich es mal lieber gelassen, denn im Wesentlichen spielt sich die Handlung außerhalb der „heiligen Hallen“ ab und lässt gewährt den Taten des Sandmanns für meinen Geschmack viel zu viel Raum.

Da sind sie wieder, diese altbekannten Versatzstücke: Ein Mord und noch ein Mord, Entführung, Befreiung unter Zeitdruck etc. Kurze Kapitel, wechselnde Perspektiven und Tagebuch-Auszüge des Täters und dessen Frau sorgen zwar für Tempo, bieten aber kaum Überraschungen. Und was ich definitiv vermisst habe, war der tiefere Blick in Psyche und Motiv des Täters. Einziger Lichtblick ist Gabriel Lake, der Neuzugang mit FBI-Vergangenheit in EddiesTeam, der mit Sicherheit auch in der Fortsetzung der Reihe seinen Auftritt haben und die eine oder andere entstandene personelle Lücke füllen wird.

Fazit: Die Handlung ist konventionell gestrickt, bietet kaum Überraschungen und ist inklusive der Auflösung vorhersehbar. Der schwächste Band der Reihe.

Veröffentlicht am 17.02.2025

Raffinierter Genre-Mix

Der letzte Mord am Ende der Welt
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107 Stunden, und die Uhr tickt. Knapp fünf Tage, und dann ist die Welt Geschichte. Die Welt, die nur noch aus 122 Menschen auf einer kleinen griechischen Insel mitten im Meer besteht, und eine Geschichte, ...

107 Stunden, und die Uhr tickt. Knapp fünf Tage, und dann ist die Welt Geschichte. Die Welt, die nur noch aus 122 Menschen auf einer kleinen griechischen Insel mitten im Meer besteht, und eine Geschichte, die niemand mehr hören kann…

Wissenschaftler, die nicht nur das tägliche Leben sondern auch die Gedanken kontrollieren. Ein diffiziles Abwehrsystem, das vor dem schädlichen externen Einfluss schützt, der alles Leben auslöschen wird. Ein Mord, der genau dieses Abwehrsystem außer Kraft setzt und dem tödlichen Nebel Zugang gewähren wird. Und der verzweifelte Versuch, zu retten, was zu retten ist.

Ich bin kein Fan von Sci-Fi, und auch mit Dystopien kann man mich üblicherweise nicht hinter dem Ofen vorlocken. Aber Turtons neuem Roman gelingt es, was einmal mehr dem Genre-Mix geschuldet ist, den der Autor so perfekt beherrscht. Seine Bücher werden zwar durchgängig mit dem Etikett Kriminalroman versehen, lassen sich aber durch die Komplexität, die sie auszeichnet, diesem Genre nicht eindeutig zuordnen.

Eine spannende, über weite Strecken unvorhersehbare Lektüre, die zum Nachdenken anregt. Lesen!