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Veröffentlicht am 09.09.2021

Vor Gericht und auf hoher See...

Pirlo - Gegen alle Regeln
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So schnell kann’s gehen: Dr. Anton Pirlo, eben noch bekannt aus Funk und Fernsehen, Superstar in einer Anwaltskanzlei und dann, nach acht Jahren, in denen er alles gegeben hat, mit fadenscheinigen Begründungen ...

So schnell kann’s gehen: Dr. Anton Pirlo, eben noch bekannt aus Funk und Fernsehen, Superstar in einer Anwaltskanzlei und dann, nach acht Jahren, in denen er alles gegeben hat, mit fadenscheinigen Begründungen auf die Straße gesetzt.

Leben neu sortieren, Perspektiven ausloten, weitermachen. Sollte man annehmen, aber dazu kommt es nicht, da unerwarteter Besuch in seiner Wohnung aufschlägt. Die Mutter eines ehemaligen It-Girls aus der Düsseldorfer Haute Volée bittet ihn, die Verteidigung ihrer Tochter Marlene zu übernehmen, die des Mordes an ihrem steinreichen Mann verdächtigt wird und in U-Haft sitzt.

Parallel dazu meldet sich die Vergangenheit in Form seiner beiden Brüder, die eine Riesendummheit begangen haben und nun seine Hilfe benötigen. Pirlo wurde nämlich als Ramzes Kathib in eine libanesische Familie hineingeboren, die es im Gegensatz zu ihm mit den Gesetzen nicht so genau nimmt. Sein Weg sollte das nicht sein, deshalb hat er den Namen gewechselt und ist auf die andere Seite gewechselt.

Okay, er übernimmt Marlenes Verteidigung, stellt auf Empfehlung seines alten Mentors dessen engagierte Doktorantin Sophie für die langweiligen Routinearbeiten ein und stürzt sich kopfüber in ein Abenteuer, dessen Ausgang mehr als ungewiss ist.

Ingo Bott ist nicht nur der Autor dieses Justiz-Krimis, sondern auch ein renommierter Strafverteidiger in den Bereichen Wirtschaftsstrafrecht und Compliance, weiß also, wovon er schreibt. Und das macht er gut. Interessantes Personal, verschiedene Perspektiven, die richtige Dosis Privates, Hintergrundinformationen zu Aufbau und Durchführung des Verfahrens. Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen. Die Argumentationen sind zwar schlüssig, aber die Auswahl an möglichen Tätern und Motiven sind sehr übersichtlich. Von daher bleibt die Spannungskurve auf einem gleichbleibenden Level, steigt im Verlauf der Handlung nicht an. Und spätestens nach der Erwähnung von Genua ist zu vermuten, in welche Richtung der Hase läuft.

Nichtsdestotrotz hat mich der erste Fall des Strafverteidigers Pirlo und seiner Assistentin Sophie so gut unterhalten, dass ich die Reihe mit Sicherheit weiterverfolgen werde.

Veröffentlicht am 03.09.2021

Die Sprache der Toten

Tote schweigen nie
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Es scheint mir ziemlich offensichtlich, wen A.K. Turner vor Augen hatte, als sie die Protagonistin Cassie Raven kreiert hat, denn die Ähnlichkeiten mit der Serienfigur Abby aus der erfolgreichen Navy CIS ...

Es scheint mir ziemlich offensichtlich, wen A.K. Turner vor Augen hatte, als sie die Protagonistin Cassie Raven kreiert hat, denn die Ähnlichkeiten mit der Serienfigur Abby aus der erfolgreichen Navy CIS Fernsehserie drängen sich förmlich auf. Das beginnt bereits bei den Äußerlichkeiten: Piercings, Tattoos, schwarz gefärbte Haare, Goth-Look und geht weiter mit der Sensibilität, mit der sie die Toten behandelt, wobei Gespräche mit den Toten in der Pathologie kein Alleinstellungsmerkmal sind, sowohl in Verfilmungen als auch in Thrillern/Krimis findet man dieses Verhalten auffällig oft.

Cassies neuer Chef, Dr. Archie Chuff, verkörpert die andere Seite der Medaille. Eingebildet, empathielos, offenbar aus begütertem Haus, ein Paragrafenreiter vor dem Herren, der seine Arbeit nach dem Motto „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ verrichtet. Hier sind Konflikte bereits vorprogrammiert.
Die Dritte im Bunde betritt die Bühne, als eine Leiche unerklärlicherweise aus der Pathologie verschwindet, DS Phyllida Flyte, Typ graue Maus, misstrauisch, etwas unsicher im Umgang mit Menschen, aber gut im Job. Mit ihr wird zukünftig mit Sicherheit noch zu rechnen sein, zumal sie und Cassie mit großem Engagement bei der Sache sind, weil sie der Wunsch nach Gerechtigkeit für die Opfer eint. Und auf der Suche nach der Wahrheit gehen beide bis an ihre Grenzen.

Alles in allem ein unterhaltsamer Thriller aus dem Forensik-Bereich, der weniger mit Hochspannung als mit sympathischem, originellem Personal glänzt. Was die Zielgruppe angeht, bin ich mir nicht sicher. Wenn man sich die eher simple Sprache (wobei das auch an der Übersetzung liegen könnte) und die überschaubare Handlung ansieht, neige ich dazu, das Buch eher der jungen weiblichen Leserschaft zu empfehlen. Für die üblichen Thriller-Leser ist es meiner Meinung nach weniger geeignet.

Veröffentlicht am 02.09.2021

New girl in town

Die Tote mit der roten Strähne
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Wenn eine Autorin das Genre wechselt, von historischen Frauenromanen auf die dunkle Thrillerseite wechselt, kann das gut funktionieren? Es ist gut gegangen, wie man am Beispiel Kathleen Kents sieht, die ...

Wenn eine Autorin das Genre wechselt, von historischen Frauenromanen auf die dunkle Thrillerseite wechselt, kann das gut funktionieren? Es ist gut gegangen, wie man am Beispiel Kathleen Kents sieht, die gleich bei ihrem ersten Versuch „Die Tote mit der roten Strähne“ für den renommierten Edgar Award sowie den Nero Award nominiert wurde. Man merkt die routinierte Autorin, die weiß, wie man eine spannende Geschichte erzählt und interessante Charaktere kreieren kann.

Im Zentrum der Handlung steht Detective Betty „Riz“ Rhyzyk, keine Irin sondern mit polnischen Wurzeln, aufgewachsen in Brooklyn in einer Familie, in der das Cop-Sein Tradition hat. Großgewachsen, rothaarig, zäh und taffer als so mancher ihrer männlichen Kollegen. Und dennoch muss sie sich permanent mit sexistischen Diskriminierungen und homophobe Beleidigungen nach dem Umzug mit ihrer Lebensgefährtin ins texanische Dallas auseinandersetzen. Aber glücklicherweise erfährt sie von ihrem Partner Seth Unterstützung in allen Belangen, der sich wohltuend von den Macho-Typen abhebt, die ihr ständig ans Bein pinkeln. Pech für Riz, dass der erste Einsatz, den sie leitet, komplett in die Hose geht und mit drei Toten endet. Und dass es keine gute Idee ist, die Skrupellosigkeit und Brutalität der Drogenkartelle zu unterschätzen, wird ihr spätestens dann klar, als ein abgetrennter Kopf vor ihrer Haustür liegt.

Interessanter Auftakt einer neuen Reihe mit einer sympathischen Protagonistin, gut geplottet und spannend erzählt. Das lässt für die nachfolgenden Bände hoffen. Ich freue mich darauf.

Veröffentlicht am 17.08.2021

Wo Reacher draufsteht...

Der Spezialist
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Es ist an der Zeit langsam Abschied zu nehmen, denn „Der Spezialist“ ist das vorletzte Buch aus der Reacher-Reihe, das komplett aus der Feder des Autors stammt. Und einmal mehr setzt Lee Child das bewährte ...

Es ist an der Zeit langsam Abschied zu nehmen, denn „Der Spezialist“ ist das vorletzte Buch aus der Reacher-Reihe, das komplett aus der Feder des Autors stammt. Und einmal mehr setzt Lee Child das bewährte Konzept um: Der Protagonist reist durch Amerika, landet 1.) in einem kleinen Städtchen, hilft 2.) jemandem aus der Bredouille und handelt sich 3.) damit eine Menge Ärger ein, was aber kein Problem ist, weil Reacher immer gewinnt. So auch diesmal, denn wo Reacher draufsteht, ist Reacher drin.

Okay, also dann. Jack Reacher ist auf dem Weg nach Westen und unterbricht die Fahrt in Laconia, New Hampshire, weil dieser Ort mit seiner Familiengeschichte verknüpft ist, sein Vater dort gelebt hat. Natürlich trifft er dort auf eine junge Frau in Not, die sich eines Angreifers nicht erwehren kann. Reacher greift ein und verpasst dem Kerl eine tüchtige Abreibung, nicht wissend, dass es sich bei diesem um den Sohn eines einflussreichen Unterweltlers handelt, den es natürlich nach Rache dürstet. Er hetzt ihm seine Handlanger auf den Hals und es kommt zu tätlichen Auseinandersetzungen. Soweit so bekannt, so vorhersehbar.

Jetzt kommt der zweite Handlungsstrang ins Spiel, denn zeitgleich strandet ein kanadisches Pärchen nach einer Autopanne in einem zwielichtigen Motel außerhalb des Städtchens. Hat erstmal nichts mit unserem Serienhelden zu tun, die Verbindung ergibt sich erst später, als Reacher zufällig dort landet und ihnen zur Hilfe eilt.

Was allerdings aufgrund dieser diversen Aktionen etwas in den Hintergrund rückt, ist die Suche nach der Vergangenheit seines Vaters, denn es gibt keine aussagekräftigen Aufzeichnungen, sondern nur vage Hinweise darauf, dass dieser an der Tötung eines tyrannischen Soziopathen beteiligt war. Aber Reacher weckt mit seiner Herumschnüffelei schlafende Hunde, was unweigerlich Ärger nach sich zieht. Unterstützt wird er von der ortsansässigen Polizistin, aber diese ist, wie so oft in Childs Thrillern, nur schmückendes Beiwerk.

Natürlich ist diese Reihe erfolgreich. Der Leser weiß, dass ihn Spannung gepaart mit Action und keine Abhandlung über Raketenwissenschaft erwartet. Und ja, das ist, wenn auch vorhersehbar, äußerst unterhaltsam, gerade weil man weiß, das der Serienheld manchmal lädiert, aber immer als Sieger aus seinen Auseinandersetzungen hervorgeht. Aber ich denke, dass selbst dem Autor die ewig gleichen Variationen des Themas genug sind und nichts mehr hergeben. Ob die Übergabe an seinen Bruder Andrew Child, der bereits unter dem Pseudonym Andrew Grant einige Thriller veröffentlicht hat, neue Impulse bringt bleibt abzuwarten.

Veröffentlicht am 04.08.2021

Spannung mit Schwerpunkt auf der Vergangenheit

Dein ist die Lüge
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Beim Lesen der letzten Bände der Reihe machte sich bei mir Ermüdung breit, was vor allem daran lag, dass die Handlung doch sehr vorhersehbar war und zum wiederholten Mal die immer gleichen Sitten und Gebräuche ...

Beim Lesen der letzten Bände der Reihe machte sich bei mir Ermüdung breit, was vor allem daran lag, dass die Handlung doch sehr vorhersehbar war und zum wiederholten Mal die immer gleichen Sitten und Gebräuche der Amisch thematisiert wurden.

„Dein ist die Lüge“ überrascht, denn hier verzichtet Linda Castillo auf einen Todesfall als Ausgangssituation und zeigt uns eine neue Facette von Kate Burkholder, die mit ihrer Vergangenheit in Gestalt einer alten Weggefährtin konfrontiert wird. Gina, ihre ehemalige Freundin und Mitbewohnerin aus der Zeit an der Polizeiakademie, liegt halb erfroren auf dem Grundstück der Lengachers. Adam bringt sie in Sicherheit und alarmiert Kate.

Gina erzählt von einem schief gelaufenen Einsatz mit tödlichem Ausgang, von Korruption auf höchster Ebene, ist auf der Flucht vor ihren Kollegen, die sie aus dem Weg schaffen wollen, fürchtet um ihr Leben. Kate hat ihre Zweifel, weiß sie doch aus ihrer gemeinsamen Zeit, dass diese es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, insbesondere dann, wenn es zu ihrem eigenen Vorteil ist. Ein Katz-und-Maus Spiel beginnt, das seine besondere Dramatik durch den Blizzard erhält, der das Verlassen der Farm unmöglich macht, während Ginas Verfolger immer näher kommen und auch Adam und seine Kinder in Gefahr bringen.

Es sind verschiedene Elemente, die hier Spannung generieren. Zum einen natürlich die Frage nach Ginas Glaubwürdigkeit, zum anderen der Gewissenskonflikt, in dem sich Adam befindet, weil er sich von ihr angezogen fühlt. Wird er die Regeln der Amisch verletzen? Bringt er sich und seine Familie in Gefahr? Und dann sind da noch die Erinnerungen, die nostalgische Solidarität, die Kates Urteilsvermögen trüben könnte. Aber glücklicherweise lässt Tomasetti seine Beziehungen spielen und liefert ihr damit wichtige Hinweise für die Beurteilung der Lage, bevor es zum finalen Showdown kommt.