Rechtfertigungen ade, gesellschaftliche Akzeptanz juche?
Will ich ein Kind?Melanie Hughes, Ende 30 und mit ihrer derzeitigen Lebenssituation eigentlich recht zufrieden, wurde mit einer Frage konfrontiert, von der die Gesellschaft (immer noch!) annimmt, sie sein so ohne weiteres ...
Melanie Hughes, Ende 30 und mit ihrer derzeitigen Lebenssituation eigentlich recht zufrieden, wurde mit einer Frage konfrontiert, von der die Gesellschaft (immer noch!) annimmt, sie sein so ohne weiteres stellbar: ‚Wann ist es denn bei euch soweit mit Nachwuchs?‘ Aber eben diese Erkundigung nach dem eigenen Fortpflanzungsvorhaben ist in hohem Maße übergriffig und hat außer den zwei Betroffenen niemanden etwas anzugehen – und doch ist es gesellschaftlich nicht verpönt, dass man danach fragt und sich somit in fremde Lebenskonzepte einmischt (von aufgerissenen Wunden, durch unverschuldete Kinderlosigkeit gar nicht erst zu sprechen!).
Und so stellt sich die Autorin der Sachlage, indem sie eine Pro- und Kontra-Liste erstellt, die sie hier in mehreren Kapiteln aufarbeitet. Zur Sprache kommen dabei Themen wie das generell veränderte Zeitmanagement, die Vereinbarkeit von Kind und Karriere bzw. Arbeitswunsch, die Veränderungen des Körpers durch eine Schwangerschaft, die Finanzierung und Betreuung eines Kindes und neu entstehende Abhängigkeiten, auch innerhalb der Beziehung zum Partner. Sie geht dabei besonders auf die Punkte des Generationenvertrages (Rente und Pflege im Alter) und die Schwierigkeit der derzeitigen Betreuungslage in Deutschland ein und unterzieht alle diese Aspekte einer gesellschaftskritischen Betrachtung.
Aber Achtung: Wer sich von einer gehörigen Prise Sarkasmus schnell angegriffen oder überfordert fühlt, sollte dieses Buch lieber weglegen. Er trieft aus allen Ecken und zielt auf alle greifbaren Menschengruppen: Helikoptereltern, (freiwillige oder unfreiwillige) Anhänger neuer Food-Trends und auch disziplinierte oder zu chaotische Freunde bekommen ihr Fett weg.
Ich persönlich stimmte mit Melanie Hughes in fast allen Punkten überein: „Kinderkriegen ist heute keine Selbstverständlichkeit im Leben einer Frau, erst recht keine Verpflichtung. Und so ist die Entscheidung, Mutter zu werden, eine bewusste, reiflich überlegte.“ (S. 123) Ich kann ihre Zukunftsängste bezüglich ihrer eigenen Person, aber auch die Aussichten ihr Kind betreffend gut nachvollziehen. Wie wird die Welt in 50 Jahren aussehen, wenn der Klimawandel voll zugeschlagen hat? Werden sich unsere Kinder dann sagen: ‚Wären wir besser nie geboren worden!‘? Aber: Dieses Buch wird mit „Eine Entscheidungshilfe“ beworben. Das ist es aber in keinem Fall, denn dazu fehlen hier die Argumente auf der Pro-Kind-Seite. Natürlich ist Liebe der schlagende und über allem stehende Aspekt, aber eben nicht der einzige.
Es handelt sich hier also eher um eine kurzweilige Lektüre, die Denkanstöße zu Themen gibt, denen man sich bei der Planung von Kindern in unserer heutigen Gesellschaft stellen sollte bzw. muss.