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Veröffentlicht am 04.09.2021

Nachwuchsdetektive auf dem Campingplatz- so spannend und aufregend kann Camping sein

Mission Hollercamp Band 1 - Der unheimliche Fremde
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Jedes Jahr treffen sich Leon, Emily und Jakub auf dem Campingplatz am Hollersee. Doch dieses Jahr ist alles nicht ganz so harmonisch und idyllisch wie sonst. Erst reist überraschend Charlie, Leons überaus ...

Jedes Jahr treffen sich Leon, Emily und Jakub auf dem Campingplatz am Hollersee. Doch dieses Jahr ist alles nicht ganz so harmonisch und idyllisch wie sonst. Erst reist überraschend Charlie, Leons überaus nervige Cousine, an, um ihren Urlaub mit Leons Familie zu verbringen und dann häufen sich lauter merkwürdige Ereignisse wie Klamottendiebstahl oder plötzlich auftauchende, ziemlich unfreundliche Graffitis. Ob der unheimliche Fremde dahinter steckt, der barfüßig herumschleicht und im Wald wohnt? Die Kinder beschließen, den Dingen auf den Grund gehen und beginnen mit ihren Ermittlungen…

Erzählt wird die Geschichte lebendig, kindgerecht und gut verständlich aus Leons Sicht in Gegenwart. An manchen Stellen sind handschriftlich von Emily witzige Bemerkungen eingefügt. Zwischen dem Text finden sich kleine Bilder von Gegenständen oder Tieren, die mit der Handlung zu tun haben. Diese wiederholen sich teilweise. Die Kinder sind im Buch nicht abgebildet, nur auf dem Cover.
Die Schrift ist normal groß, die Kapitel haben einen leicht zu bewältigenden, übersichtlichen Umfang. Kinder ab neun Jahren werden das Buch selbständig lesen können. Zum Vorlesen eignet es sich auch für jüngere Kinder.

Die drei Freunde sind ziemlich verschieden, Leon freut sich sehr auf den Urlaub, muss aber dummerweise am längsten darauf warten, denn seine Freunde reisen stets ein paar Tage früher an. Leon mag es, wenn alles wie immer ist. Da stört ihn Charlies Anwesenheit gewaltig, zumal er ihr immer noch frühere Fehler vorhält und ihr nicht verzeihen kann. Jakub zeltet mit seinem Vater. Er ist ziemlich sportlich, trägt ein Hörgerät und ist meistens die Ruhe in Person. Emily verbringt die Ferien mit ihrer Oma, die Engländerin ist, in deren Wohnwagen. Das Mädchen ist praktisch veranlagt und in handwerklichen und handarbeitstechnischen Dingen außergewöhnlich geschickt. Charlie, Leons Cousine, wirkt auf den ersten Blick ziemlich verrückt, schrill und aufdringlich, aber das ist nur der äußere Schein. Die Beziehung zwischen Charlie und Leon einerseits und die Freundschaft der drei „alteingesessenen“ Camper andererseits bestimmt die gelungene Figurenkonstellation. Mit den Kindern werden sich die jungen Leser leicht identifizieren können.

Camping kann ziemlich aufregend und spannend sein. Im Hollercamp geht es jedenfalls ganz schön geheimnisvoll und rätselhaft zu. Was die Freunde erleben, entwickelt sich zu einem echt spannenden Urlaubskrimiabenteuer, das ich im Nu verschlungen habe. Es werden ganz beiläufig Themen wie Vorurteile und falsche Verdächtigungen angesprochen. Gut gefallen hat mir, wie selbstverständlich und natürlich alle Beteiligten auf Jakubs Behinderung, seine Schwerhörigkeit, reagieren. Sensibel und feinfühlig befasst sich Autorin Lena Hach zudem mit Streitigkeiten von Eltern und der Rolle der Kinder dabei. Das Ende empfand ich als zu abrupt, die Handlung wird nicht richtig abgeschlossen. Der zweite Band ist zwar schon erschienen und es kann übergangslos mit der Geschichte weitergehen, trotzdem, hätte ich einen weniger plötzlichen Schluss bevorzugt.
Dennoch für mich ein stimmig aufgebauter, mitreißender und kurzweiliger Kinderkrimi für Mädchen und Jungen, der mich neugierig auf die weiteren Missionen der Truppe macht.

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Eine etwas andere magische Klasse: phantasievoll, witzig und mit wichtiger Botschaft

Die Schule der magischen Missgeschicke – Der erste Tag
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Nory Horace ist Fluxerin. Sie kann die Gestalt von verschiedenen Tiere annehmen. Aber leider geht ihr beim Zaubern in der Regel etwas schief. Statt in ein bestimmtes Tier, verwandelt sie sich oft in Mischungen ...

Nory Horace ist Fluxerin. Sie kann die Gestalt von verschiedenen Tiere annehmen. Aber leider geht ihr beim Zaubern in der Regel etwas schief. Statt in ein bestimmtes Tier, verwandelt sie sich oft in Mischungen aus zwei Tierarten, verliert die Kontrolle und richtet Unheil an. Norys Vater ist Direktor der Genie-Akademie und erwartet von Nory, dass sie wie ihre Geschwister Dalia und Laurence an seiner Schule aufgenommen wird. Doch leider rasselt sie mit Pauken und Trompeten durch die Aufnahmeprüfung. Daher zieht Nory zu ihrer Tante Margo, um die Dunwiddle-Zauberschule zu besuchen. Auch ihre Klassenkameraden dort sind wie Nory Murks- oder Zickzack-Zauberer. Klar, dass es in so einer Klasse nie langweilig wird…

Das Autoren-Trio Sarah Mlynowski, Lauren Myracle und Emily Jenkins schreibt kindgemäß und gut verständlich. Die Geschichte lässt sich schön flüssig (vor-)lesen. Besonders humorvoll und unterhaltsam sind die Passagen von Norys Verwandlung beschrieben: „Da ist kein Fisch, beschwor Menschen-Nory Katzen-Nory. Ihr Vater aß gerne geräucherten Lachs zum Frühstück. Der Geruch hing noch an seinen Händen, das war alles. Aber Katzen-Nory hörte nicht auf Menschen-Nory.“ Bei all dem Widerstreit der verschiedenen Persönlichkeiten wird es oft ganz schön verwirrend und gleichzeitig können die Leser prima nachvollziehen, was im beschriebenen Moment in Nory vorgeht, welche Gefühle und Instinkte miteinander streiten. Dorothee Mahnkopf hat zu den Leseabschnitten „Vignetten“ gestaltet. Am Anfang jedes Kapitels findet sich ein größeres, ansprechendes Schwaz-Weiß-Bild, das sich auf das folgende Kapitel bezieht und neugierig macht.
Das Buch richtet sich an Leser ab acht, neun Jahren, zum Vorlesen eignet es sich auch für jüngere Kinder ab sieben Jahren.

Nory hat es schwer. Sie fühlt sich wegen ihrer Murks-Zauberei unwohl und allein. Sie wäre gerne so normal wie ihre Geschwister. Das Mädchen leidet sehr darunter, dass sich ihr Vater für sie schämt. Nory hat deshalb natürlich Schwierigkeiten, sich selbst zu akzeptieren, wie sie ist. Sie möchte ihre „unnormale Seite“ in sich ausschließen. In der Zickzack-Klasse lernt sie viele andere Kinder mit ähnlichen Problemen kennen: Elliot, ein Fackler, der alles, was er in Brand setzt hinterher frostet, Pepper, die nicht wie andere Flauscher einen speziellen Zugang zu Tieren hat, sondern sie wie ein Faucher garantiert erschreckt, Flieger Andrés, der nicht mehr aufhören kann zu fliegen oder Fluxer Baxter, der sich statt in Tiere in Gegenstände verwandeln kann. Alle Charakter sind besonders, phantasievoll und originell. Lehrerin Miss Star mit ihrer verständnisvollen, sensiblen und einfühlsame Art hat es meinen Kindern und mir besonders angetan.

Manche Kinder sind anders, aber eben nicht abwertend vermurkst, sondern „Zickzack“. Dass sie dabei aber durchaus das Zeug zu Superhelden haben, zeigt die „Schule der magischen Missgeschicke“ gerade zum Ende hin eindrucksvoll. Der Schlüssel zum Erfolg und zum Glücklichsein liegt nicht darin, besondere Fähigkeiten und Wesensmerkmale in sich zu unterdrücken, sondern sie anzunehmen. „Es geht nicht darum, eure Gefühle zu kontrollieren, ihr müsst sie verstehen!“ fasst es Miss Star zusammen. Das begreift Nory im Verlauf der Geschichte. Und während das Buch klar macht, wie wichtig es ist, sich und andere zu akzeptieren, wird der Umstand, dass manche eben anders sind, auf sehr komische Weise dargestellt. So gehören zum Inventar der Zickzackschule Regenschirme, falls es im Klassenzimmer zu plötzlichen Regenfällen kommen sollte oder eine Schubkarre zum Transport von medizinischen Notfällen ins Krankenzimmer.
Ein einfallsreiches, unterhaltsames, komisches und magisches Schulabenteuer über Freundschaft und darüber, dass gerade Anderssein eine Gemeinschaft bereichert. Wer „School of Talents“ mochte, wird auch an der „Schule der magischen Missgeschicke“ seine Freude haben.

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Ein Jobtausch mit Folgen: leichter Wegträum- und Wohlfühlroman, der für Entspannung sorgt

Happy Ever After – Wo Geschichten neu beginnen
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„In Schottland ändert sich die Welt um einen herum mit ihren Farben täglich, manchmal sogar stündlich, das Rosa üppiger Blüten, das Gold der Narzissen, die tiefen Grüntöne des Grases nach dem Regen, das ...

„In Schottland ändert sich die Welt um einen herum mit ihren Farben täglich, manchmal sogar stündlich, das Rosa üppiger Blüten, das Gold der Narzissen, die tiefen Grüntöne des Grases nach dem Regen, das sanfte Lila des Heidekrauts auf den Hügeln, das leuchtende Gelb der Rapsfelder, die reinen weißen Lämmer, die überall wie Wölkchen verteilt waren, eine riesige untergehende Sonne am Horizont.“

Lissa arbeitet in London als Krankenschwester in einer ambulanten Pflegeeinrichtung. Sie kümmert sich bei ihren Besuchen engagiert um ihre manchmal schwierigen Patienten, sich selbst vergisst sie dabei oft. Als sie Zeugin eines tödlichen Unfalls wird, stürzt sie das in eine tiefe Krise. Ein Austauschprogramm, bei dem sie mit dem Pfleger Cormac aus dem schottischen Dorf Kirrinfief für drei Monate ihre Arbeit tauscht, soll ihr helfen, über das traumatische Ereignis hinwegzukommen. Während Cormac in London nach Abwechslung sucht, lernt Lissa langsam, die idyllische Ruhe und das dörfliche Miteinander zu schätzen. Lissa und Cormac stehen per Mail in Kontakt, halten sich über ihre Arbeit auf dem Laufenden. Doch bald schon verbindet die beiden mehr als das Berufliche, sie werden sich immer sympathischer, ohne sich je gesehen zu haben.

Jenny Colgan schreibt angenehm, flüssig und wunderbar leicht. Sie erzählt abwechselnd von Lissas und Cormacs Erebnissen während ihrer „Austauschzeit“.

Lissa ist sensibel und zurückhaltend, wirkt auf andere erst einmal distanziert. Ihr Privateben hat sie zuletzt ein wenig vernachlässigt. An Londoner Verhältnisse gewöhnt, hat sie Probleme, sich in Schottland zurechtzufinden. Die direkte, herzliche, aber auch neugierige Art der Bewohner von Kirrinfief schreckt sie zunächst ab. Aber das Leben der Dorfbewohner macht auch Eindruck auf sie: „In letzter Zeit kam es ihr oft so vor, als würde sie wie im Fernsehen oder durch eine Glasscheibe glücklichen Menschen zusehen, als würde sie an einem Leben teilnehmen, welches gar nicht ihr gehörte, ihr rechtmäßig nicht zustand.“ Lissa merkt langsam, dass ihr der Austausch, ihre neue Wirkungsstätte gut tut.
Cormac ist ein „feiner Kerl“ und eigentlich ziemlich entspannt, wobei ihn die Hektik der Großstadt Londons durchaus auch an seine Grenzen bringen kann. Er nutzt den Austausch, um neue Impulse zu bekommen, neue Erfahrungen zu sammeln, denn die Arbeit auf dem Land bietet ihm doch generell wenig Abwechslung und Überraschung.
Dass die Charaktere aus den beiden ersten Bänden der „Happy ever after“ Reihe, Bücherbusbesitzerin Nina und Kindermädchen Zoe auftauchen, gefällt mir. Hier erfährt man, wie es ihnen weiter ergangen ist, sie spielen aber nur Nebenrollen. Der Kreis der Handlung der Trilogie „schließt sich“, die Romane lassen sich aber auch unabhängig voneinander lesen.

Lissa findet in Schottland zur Ruhe, fängt an, das Landleben zu genießen und zu schätzen. Jenny Colgan beschreibt die Schönheiten Schottlands derart intensiv und anschaulich, dass man sich auch bei der Lektüre dem Charme dieser Gegend nicht entziehen kann. Gleichzeitig hat sie aber auch Positives über London zu erzählen: In Schottland ist die Welt bunt, in London sind es die Menschen, sie fügen bunte Elemente zur steinernen Landschaft der Stadt hinzu.
Colgan wagt sich scheinbar nebenbei an verschiedene schwierige Themen wie Ghosting, PTBS oder Drogen, gerade in London lässt sie Cormac Erschütterndes erleben. Wie Colgan das Thema Organspende in ihre Geschichte einbindet, hat mich emotional stark berührt.
Lissa findet wie alle Colgans-Figuren in ihren Eskapismus-Romanen auf dem Land, was sie sucht, ohne vorher zu wissen, was das eigentlich ist. Dass Lissas und Cormacs Beziehung durch Emails enger und tiefer wird, erinnert ein wenig an den Film „Email für Dich“ oder Daniel Glattauers Roman „Gut gegen Nordwind“.

Manchmal weiß ich bei Autoren und ihren Büchern schon vorher genau, was mich erwartet. Und das ist perfekt so. Jenny Colgans Romane sind für mich wie Schokolade und romantische Komödien. Sie gehen immer, auf Colgan ist einfach Verlass.
Ein wunderbar süßer, mitreißender Wegträumroman mit sympathischen Figuren und Entspannungsgarantie inklusive.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Im Schatten des Genies - ruhige, lesenswerte Romanbiographie einer vergessenen Frau

Fräulein Mozart und der Klang der Liebe (Ikonen ihrer Zeit 4)
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„Ich bin eine Frau. Hast Du das übersehen? Papa hat mich nie in Komposition unterrichtet, so wie dich. Ich habe als Mädchen das Wunderkind sein dürfen, und jetzt bin ich dazu verdammt, in deinem Schatten ...

„Ich bin eine Frau. Hast Du das übersehen? Papa hat mich nie in Komposition unterrichtet, so wie dich. Ich habe als Mädchen das Wunderkind sein dürfen, und jetzt bin ich dazu verdammt, in deinem Schatten zu stehen.“

Maria Anna, genannt Nannerl, ist die Schwester des weltberühmten Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Gemeinsam mit ihrem Bruder tritt die hochbegabte Pianistin bei zahlreichen Konzerten in ganz Europa auf. Doch im Mittelpunkt steht nur ihr Bruder. Als Nannerl den Lehrer Franz Ippold kennenlernt, verliebt sie sich sofort in den jungen, gebildeten und kultivierten Mann. Doch die Familie Mozart verfügt über wenig Vermögen, Nannerls Mitgift wäre sehr gering. Zudem darf Ippold aufgrund seiner aktuellen Stellung keine Ehe eingehen. Ob die Liebe der beiden trotzdem eine Chance hat?

Der Schreibstil der Autorin Beate Maly liest sich angenehm flüssig, gut verständlich und unkompliziert. Nannerls Geschichte wird chronologisch erzählt.

Nannerl hat wie ihr Bruder ein außergewöhnliches musikalisches Talent. Wenn sie am Klavier sitzt, verliert sie sich in der Musik, die Realität rückt in den Hintergrund: „Wichtig war nur der Moment.“ Doch Nannerl steht im Schatten ihres übermächtigen Bruders, worunter sie leidet: „In all den Jahren hatte sie ebenso hart gearbeitet wie Wolfgang. Es war ungerecht, dass sie übergangen wurde. Es gab sogar Stimmen, die behaupteten, dass sie die Klavierstücke italienischer Komponisten besser interpretierte als ihr Bruder.“ Auch ihr Vater Leopold hat nur Wolfgangs Karriere im Sinn. Als er Nannerl verwehrt, Wolfgang auf eine Konzertreise zu begleiten, begründet er dies so: „Außerdem soll die Reise dazu dienen, Wolfgang endlich den Ruhm zu verschaffen, der ihm zusteht. Er ist ein Ausnahmemusiker. Da ist es wenig hilfreich, wenn die große Schwester mit auf der Bühne steht.“ Nannerl ist verletzt, passt ihre Träume letztlich der Wirklichkeit an und beschließt: „Ich werde mich mit den Möglichkeiten arrangieren, die das Leben für mich bereithält.“

Auch wenn in dieser Romanbiographie nicht Wolfgang, sondern Nannerl im Fokus steht, spielt Wolfgang im Leben von Nannerl und seinen Eltern immer die Hauptrolle. Er beeinflusst deren Entwicklung und Schicksal maßgeblich. Der zweifellos geniale Komponist ist ein Wunderkind. Wenn Nannerl seine Musik zum besten gibt, erzählt sie der Welt von ihrem Bruder: „Mit jedem Tastenschlag gab sie seine Unbekümmertheit, seine Lebensfreude und seinen kindlichen Optimismus wieder.“ Wolfgang reißt mit, begeistert, aber er hat große Schwierigkeiten, sich in der realen Welt zurechtzufinden. Wie Vater Leopold treffend feststellt, steckt im erwachsenen Wolfgang das Gemüt eines Zehnjährigen. Er kann mit Geld nicht umgehen, lebt verschwenderisch, macht viele Schulden und seine Familie soll es dann richten. Nannerl erhält keine nennenswerte Mitgift, muss selber als Klavierlehrerin bei so manchen unangenehmen Schülerinnen arbeiten, um Geld zu verdienen. Erstaunlicherweise ist sie Wolfgang deswegen aber nicht böse. Sie versteht, dass Musik in seinem Leben der „unentbehrliche Mittelpunkt“ darstellt. Mozart einmal aus einer anderen Perspektive kennenzulernen, fand ich sehr aufschlussreich.


Damals herrschten andere Zustände, die Reichen schwelgten im Luxus, der überwiegende Teil der Bevölkerung musst hart ums Überleben kämpfen. Frauen wurden bevormundet, freie Entscheidungen waren aber auch für Männer nicht die Regel. Wer nicht aufpasste, dem drohte der Pranger oder weit Schlimmeres. Beate May stellt das sehr anschaulich heraus und macht zudem klar, dass es Nannerl doppelt schwer hatte. Das Leben an der Seite des Genies Wolfgang Amadeus war eine besondere Herausforderung. Nannerls Geschichte, ihr Weg, der so stark von ihrem Bruder beeinflusst und geprägt war, fesselte mich. Ihr Pragmatismus, das Beste und Vernünftigste aus ihren Möglichkeiten zu machen und ihre Gelassenheit, die Dinge so zu nehmen wie sie sind, ohne zu bereuen und zu hadern, hat mir imponiert. Einige Figuren und Entwicklungen sind fiktiv. Fest steht aber: Nannerl, die überragende Musikerin, die als Frau zur falschen Zeit geboren wurde, hat es verdient, mehr beachtet zu werden.
Ein leises, bescheidenes Leben, eine ruhige, aber absolut überzeugende und unterhaltsame Romanbiographie, die in eine andere Zeit mit viel schillerndem, aber oft nur oberflächlichem Glanz entführt. Ich möchte gerne noch mehr von dieser beeindruckenden Protagonistin Maria Anna Mozart erfahren.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Authentisch, nordisch ruhig und dennoch packend

Nordwestzorn
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Anna Wagner ist zurück in Sankt Peter Ording. Als Leiterin der neu gegründeten Vermisstenstelle bearbeitet sie aktuelle und zurückliegende Vermisstenfälle, Kollege Henrik Norberg bietet ihr bereitwillig ...

Anna Wagner ist zurück in Sankt Peter Ording. Als Leiterin der neu gegründeten Vermisstenstelle bearbeitet sie aktuelle und zurückliegende Vermisstenfälle, Kollege Henrik Norberg bietet ihr bereitwillig seine Unterstützung an. Annas erster Fall hat es gleich in sich: Vor mehr als fünfzehn Jahren verschwand der Junge Florian Berger aus einem Sommercamp. Drei Männer, unter anderem der Leiter des Sommercamps, gerieten damals ins Visier der Ermittlungen. Doch der Fall blieb ungelöst, Florian wurde nie gefunden. Nach jahrelanger Zeit im Ausland kehrt der damals Verdächtige Camp-Leiter Carsten Witt in seine Heimat zurück. Kurze Zeit später verschwindet er spurlos. Anna Wagner ist sich sicher, dass die beiden Fälle ganz eng zusammenhängen.

Svea Jensen schreibt klar, flüssig, gut verständlich und angenehm unaufgeregt. Dadurch entsteht eine ruhige, fast nordische Atmosphäre, die sehr gut zum Roman und seinem Handlungsort passt.
Die Autorin schildert als auktoriale Erzählerin das, was aktuell passiert. Aber immer wieder schiebt sie auch Rückblenden ein, Erinnerungen der vom Fall Betroffenen an die Vergangenheit. Meist beziehen diese sich wie im Prolog auf die Zeit des Verschwindens des Jungen. Dadurch fügen sich immer mehr wichtige Details zu einem Ganzen zusammen, nach und nach wird der Fall so „entwirrt“ und gelöst.

Kommissarin Anna Wagner ist eine sehr sympathische Erscheinung. Sie geht einfühlsam, offen und unaufdringlich auf andere zu, wirkt sehr ausgeglichen. So gewinnt sie zum Beispiel rasch das Vertrauen ihrer Vermieterin und Hendrik Norbergs Schwiegermutter Corinna Heckler. Henrik Norberg zeigt sich introvertierter als seine Kollegin, er lässt sich nicht in die Karten schauen, macht seine privaten Probleme mit sich aus. Über seinen Kummer wegen des Todes seiner Frau und die Differenzen mit seinem älteren Sohn spricht er kaum. Es dauert, bis er seine Mitmenschen an sich ran lässt, bis man mit ihm warm wird. Ihn einzuschätzen ist nicht leicht. Wagner und Norberg arbeiten - obwohl sie sich nicht lange kennen - effektiv und wie ein eingespieltes Team zusammen. Sie verstehen sich intuitiv auch ohne viele Worte. Die besondere Dynamik zwischen den beiden Figuren, ihr harmonisches Miteinander tragen entscheidend zum Ermittlungserfolg bei.
Mit Norbergs Widersacher, dem ehemaligen Polizisten Paulsen, und den früher mit dem Fall des vermissten Jungens betrauten Kommissaren Thomsen, Johannsen und Lürssen sowie den damals Verdächtigen Carsten Witt greifen interessante Charaktere ins Geschehen ein, die alle möglicherweise etwas zu verbergen haben und nicht mit offen Karten zu spielen scheinen.

Was geschah wirklich mit Florian Berger? Und wo ist Carsten Witt?
Zwar nicht atemberaubend spannend oder außergewöhnlich actionreich, aber durchaus packend und mitreißend laufen die Ermittlungen zu den beiden Vermisstenfällen ab. Der solide, gut gemachte, runde Krimi mit nordischer Grundstimmung und ohne Krawall hat mich wie auch der Vorgänger „Nordwesttod“ einwandfrei unterhalten. Die Figuren, das Setting und der Plot wirken als Gesamtpaket authentisch und nachvollziehbar. Die angenehm ruhige Art und Weise, mit der Anna Wagner und Henrik Norberg zusammenarbeiten, die sich langsam und ganz behutsam entwickelnde Freundschaft der beiden überzeugt mich nach wie vor. Für mich ein stimmiger cosy Regionalkrimi. Ein Buch wie der Genuss einer Tasse Kaffe mit Blick aufs Meer. Ich habe von diesem Ermittlerteam noch lange nicht genug.

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