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Veröffentlicht am 11.03.2024

Kunst braucht Leidenschaft

Die Entflammten
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Das Cover könnte einem der Bilder von Vincent van Gogh entnommen sein: zwei verblühte Sonnenblumen vor grünblauem Hintergrund, der Wind scheint ihnen zugesetzt zu haben. Die „Sonnenblumen“ von van Gogh ...

Das Cover könnte einem der Bilder von Vincent van Gogh entnommen sein: zwei verblühte Sonnenblumen vor grünblauem Hintergrund, der Wind scheint ihnen zugesetzt zu haben. Die „Sonnenblumen“ von van Gogh bezeichnen eine Bilderreihe, die von Vincent van Gogh im Jahre 1888 gemalt wurden.

Man sollte von dem Buch „Die Entflammten“ keine Romanbiografie oder eine kunstgeschichtliche Abhandlung erwarten.

Simone Meier hat hier zwei Geschichten in einer verflochten. In der ersten Geschichte geht es um Jo van Gogh-Bonger, die Frau von Theo van Gogh, dem Bruder Vincent van Goghs. Es war Jo, die nach dem Tod ihres Schwagers und dem Tod ihres Mannes den Maler erst berühmt machte.

Die zweite Geschichte dreht sich um Gina. Auch sie kommt aus einer Künstlerfamilie, ihr Vater hat in jungen Jahren einen erfolgreichen Roman geschrieben, leidet seitdem aber mehr oder weniger an einer Schreibblockade. Er lebt in Italien und Gina besucht ihn dort.

Es ist ein Buch, das man am besten gleich zweimal liest. Zum ersten, um einen Eindruck zu gewinnen und ein weiteres Mal um diese Eindrücke beim zweiten Lesen entweder bestätigt zu bekommen oder wieder zu verwerfen. Dieses Ineinanderfließen zweier Leben erschwert das Lesen, hin und wieder weiß man gar nicht, in wessen Leben man sich gerade befindet.

Gina hatte schon als Kind eine Faszination für Vincent van Gogh entwickelt. Im Bildband ihrer Oma hatte sie das Selbstbildnis mit dem großen Verband entdeckt, das van Gogh nach der Entfernung seines Ohres gemalt hatte. Daraus rührte eine langjährige Faszination für den Maler, den sie aufgrund der psychischen Probleme auch immer mit ihrem Vater verglich.

Und Gina vergleicht sich mit Jo, auf deren Geschichte sie während ihres Kunststudiums stößt. Gina, die ihrem Vater wieder auf die Beine helfen will, die zumindest seine Unterstützung bei der Niederschrift ihres eigenen Buches einfordert und Jo, die Vincent zwar nicht helfen konnte, die aber die Arbeit ihres Mannes Theo erfolgreicher als er es jemals gewesen war, fortsetzte und Vincent van Gogh weltberühmt machte. Hier beginnen die Parallelen, die später zur Verschmelzung der beiden Charaktere im Buch führen werden.

Aber zunächst einmal wird in aller Ausführlichkeit das Leben von Jo van Bonger geschildert, als sie noch in Amsterdam lebte, in einen anderen verliebt war und sich dann doch ganz langsam für Theo van Gogh entschied, der sich aber auch nicht hatte abweisen lassen. Gina erforscht die Geschichte der beiden und je länger sie Jo folgt, desto mehr wird sie zu ihr selbst. Es gibt diese Szene in Paris, als Gina sich auf den Spuren von Jo und Theo bewegt. Gerade ist noch von Gina die Rede, dann wechselt die Perspektive übergangslos zu Jo. Und Gina beschreibt es einige Seiten weiter auch genauso: „da verschmolz ich mit ihr ganz gegen meinen Willen“.

Gina ist während ihrer Recherchen fast besessen von Jo, sie erscheint ihr in ihren Träumen, sie spricht mit ihr, Jo interessiert sich selbst für Ginas Leben und ihre familiären Probleme. Sie erzählt ihrer Schwester, wie Jo von einem Interesse zur Besessenheit wurde, wie sie Jos Empfindungen nachempfindet, aber auch, wie leer ihr das eigene Leben erscheint. Sie ist überwältigt und diese Überwältigung fließt in ihr Schreiben ein. Sie hat kein Problem damit, die leeren Blätter zu füllen, ganz anders als der Vater, der offenbar schon lange nicht mehr überwältigt war.

Wir wissen aus dem Prolog, bzw. den ersten Seiten des Buches, dass Gina es geschafft hat, das Buch zu schreiben. Und dort erfahren wir auch, dass der Vater seiner Tochter wertvolle Unterstützung geleistet hat. Er hat sich überwinden können, die Tochter nicht als Konkurrenz zu sehen, sondern einfach stolz auf sie zu sein.

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Veröffentlicht am 08.03.2024

Selbstverwirklichung und Liebe - beides geht auch zusammen

Sturmjahre
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„Die Melodie der Freiheit“ ist der dritte Band aus der Reihe „Sturmjahre“ und spielt in dem fiktiven Dörfchen Foxgirth in der Nähe von Edinburgh. Es geht um die Familie Dennon mit ihren erwachsenen Kindern. ...

„Die Melodie der Freiheit“ ist der dritte Band aus der Reihe „Sturmjahre“ und spielt in dem fiktiven Dörfchen Foxgirth in der Nähe von Edinburgh. Es geht um die Familie Dennon mit ihren erwachsenen Kindern. Jedem der Söhne und Töchter wird ein Band gewidmet und ein Teil ihres Lebens geschildert.

In diesem Band geht es um Keillan, der kürzlich aus dem 1. Weltkrieg in Frankreich und Flandern heimgekehrt ist. Trotz körperlicher Unversehrtheit plagen ihn die Erinnerungen und Verluste, die er in dieser Zeit hinnehmen musste. Unerwartet lernt er Isabella Mac Conallta kennen, die Tochter des mächtigen Bosses der Edinburgher Unterwelt. Sie ist auf der Flucht vor ihrer Familie, denn sie soll an einen Viscount zwangsverheiratet werden. Sie ist eine sehr freiheitsliebende junge Dame, die gerne etwas Sinnvolles aus ihrem Leben machen würde. Keillan gibt ihr sein Ehrenwort, ihr zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen.

Ein Ehrenwort hatte unter Soldaten und Anfang des 20. Jh. noch einen ganz anderen Stellenwert als das heute der Fall wäre. Und Keillan ist ein äußerst korrekter junger Mann, der sich aber natürlich dem Reiz von Isabella nicht entziehen kann. In der Einsamkeit eines Bauernhofes weit weg von Edinburgh kommen sie sich allmählich näher und Isabella lernt viel von ihm und seiner Familie. Vor allem, wie man mit dem mit krummen Geschäften erworbenen Geld doch noch etwas Gutes tun kann.

Das Buch ist fesselnd geschrieben und die Beschreibungen von der Farm „Whispering Acre“ sind so, dass man am liebsten gleich dorthin aufbrechen möchte. Die Autorin versteht es, die Spannung aufrecht zu halten, sie driftet nicht ab ins Schwülstige, ihre Charaktere sind glaubhaft dargestellt. Und ganz oft kann man sich auch ein Lachen nicht verkneifen, wenn z. B. Isabellas erste Versuche in der Hausarbeit beschrieben werden.

Es hat Spaß gemacht, das Buch zu lesen und ich kann es gerne empfehlen.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Was bedeutet Familie?

Schwestern in einem anderen Leben
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Christiane Wünsche hat mit „Schwestern in einem anderen Leben“ ein nachdenkliches Buch geschrieben. Kurz und sehr oberflächlich zusammengefasst geht es um eine Jugendliche, die in einem frühen Stadium ...

Christiane Wünsche hat mit „Schwestern in einem anderen Leben“ ein nachdenkliches Buch geschrieben. Kurz und sehr oberflächlich zusammengefasst geht es um eine Jugendliche, die in einem frühen Stadium der Schwangerschaft eines Nachts aus ihrem Elternhaus verschwindet und für Jahrzehnte verschwunden bleibt. Wie geht die Familie damit um? Spricht man darüber? Hat man Schuldgefühle, macht sich deshalb jemand Vorwürfe? Wie fühlt sich die Betreffende selbst dabei, hat sie Heimweh? Gelingt es ihr, in einer zweiten Persönlichkeit heimisch zu werden? Wie entwickelt sich nach einer solchen Katastrophe das Verhältnis zu den Nachbarn und Freunden?

Alle diese Fragen werden anhand der Geschichte von Rebekka aufgeworfen und müssen sehr differenziert beantwortet werden, denn jeder reagiert anders.

Die Handlung beginnt in den 70er Jahren, als Moral noch einen ganz anderen Stellenwert hatte. Die Elterngeneration ist von Religion und strengen moralischen Maßstäben geprägt und will diese auch an die nächste Generation weitergeben. Doch es gab nicht umsonst eine 68er Revolte. Die Jungen wollten Freiheit und oft genug schlug das ins andere Extrem um. Ihre Rebellion zeigte sich in der Kleidung, an langen Haaren der Jungs, an radikalen politischen Ideen, am musikalischen Geschmack und in der freien Liebe, die damals aber noch oft auch Folgen haben konnte.

Wir folgen Rebekka und Personen ihrer Familie über fast 50 Jahre hinweg. Rebekka/ Rosi hat die Lebensdaten einer früheren Freundin ihrer Schwester, die nach Kanada ausgewandert war, übernommen und hat die Extreme ihrer Generation kennengelernt, zunächst in einer Kommune, später im Zusammenleben mit einem Punk. Sie hat schon auf einem Biohof gearbeitet, als das für die Mehrheit der Bevölkerung noch kaum ein Thema war. Als ihr Leben durch die Ehe mit einem Anwalt in ruhigere Bahnen eintritt, denkt sie auch immer öfter an ihr ursprüngliches Zuhause.

Miriam, Rebekkas jüngere Schwester, war 10, als die Ältere verschwand. Sie ist diejenige, die davon überzeugt ist, dass Rebekka noch lebt und sie versucht auch in den folgenden Jahrzehnten, das zu beweisen.
Ruth ist diejenige, die sich die meisten Vorwürfe macht. Sie hatte Rebekkas Schwangerschaft an die Eltern verraten und sie in die Situation gebracht, aus der sie dann keinen anderen Ausweg mehr sah, als die Flucht. Sie reagiert mit starken psychischen Problemen, zunächst in Form von Bulimie, später durch starke Medikamenteneinnahme und eine Veränderung ihrer Persönlichkeit. Sie entscheidet sich für ein Leben in einem Heim, wo sie sich behütet fühlt.

Mutter Hilde kann erst loslassen, als in den Niederlanden die Leiche einer jungen Frau mit den äußeren Merkmalen ihrer Tochter gefunden wird. Sie ist der festen Überzeugung, dass es sich dabei um Rebekka handelt. Mit einem Grab, das sie aufsuchen kann, geht es ihr besser.

Vater Rainer hingegen frisst zuhause alles in sich hinein. Nach außen hin engagiert er sich weiterhin in der Kirchengemeinde und im Schützenverein und gibt sich jovial, zuhause weist er alle Schuld seiner Frau zu. Das verschärft sich noch nach einem Schlaganfall.

Gezeigt wird, wie sehr das Leben von einem solchen Ereignis geprägt werden kann, sei es das Leben der Geflüchteten oder das Leben der Hinterbliebenen.


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Veröffentlicht am 02.03.2024

Leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen

Was die Dünen verheißen. Die St.-Peter-Ording-Saga
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Es handelt sich hier um den zweiten Teil der Trilogie „Die St. Peter-Ording-Saga“ und sie spiegelt das Leben der Familie Hansen in den 70er Jahren wieder.

Ich kannte den ersten Band der Reihe nicht, steige ...

Es handelt sich hier um den zweiten Teil der Trilogie „Die St. Peter-Ording-Saga“ und sie spiegelt das Leben der Familie Hansen in den 70er Jahren wieder.

Ich kannte den ersten Band der Reihe nicht, steige also erst in den 70er Jahren in die Geschichte ein.

Das Cover dieser Trilogie stimmt gut auf St. Peter-Ording ein und hat durch die sehr ähnliche Aufmachung auch einen hohen Wiedererkennungswert mit den anderen Bänden. Die beiden Personen, die da laufend und Händchen haltend den Strand verlassen passen allerdings nicht, weil zumindest der Mann deutlich älter ist als Achim oder Björn.

Die Zwillinge Achim und Julia sind 17 Jahre alt und sollen darauf vorbereitet werden, Hotel und Café in St. Peter-Ording zu übernehmen. Während Achim den Plänen seiner Eltern begeistert Folge leistet, sogar mit 17 schon Vater wird, hat Julia ganz andere Pläne. Ihr Traumberuf ist Stewardess, sie will etwas von der Welt sehen. Darüber gibt es häufig Auseinandersetzungen zwischen ihrem Vater und ihr, die Mutter ist geschickter im Umgang mit ihrer pubertierenden Tochter und erinnert sich vor allem auch daran, wie sie selbst als Jugendliche war.

Die Handlung spielt nicht nur an der Nordsee sondern zwischendurch auch ein paar Wochen in Gelsenkirchen, dort sind einige Events der 70er Jahre gut beschrieben.

Für mich war es ein Roman ohne Höhen und Tiefen. Da gab es einiges an Schicksalsschlägen und ein paarmal habe ich mich dabei ertappt, auf der nächsten Seite eine spannende Wendung zu erwarten, die dann aber nicht eintraf. Ganz im Gegenteil, das nächste Kapitel spielte schon wieder am nächsten Tag und die emotionsgeladene Situation des Vortags wurde in einem Nebensatz aufgelöst.

Es stimmt zwar, dass Eltern in den 70er Jahren jünger waren als Eltern in unserer heutigen Zeit und es kam natürlich auch vor, dass die jungen Eltern nicht einmal erwachsen waren. Dennoch habe ich mich über die begeisterte Reaktion der Großeltern in spe doch etwas gewundert. Meine Eltern hätten anders reagiert.

Andererseits ist der familiäre Zusammenhalt, der in unserer fiktiven Familie Hansen herrscht, schon bemerkens- und nachahmungswert. Wenn ich als junge Frau sicher sein kann, dass die Familie mich auffängt, dann macht das eine frühe Mutterschaft deutlich leichter.

Es ist eine leicht zu lesende Lektüre und wer sich auf den Urlaub an der Nordsee einstimmen möchte, ist sicherlich auch gut damit bedient.

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Veröffentlicht am 29.02.2024

Nicht nur ein Krimi sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem Altern

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt (Die Mordclub-Serie 4)
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Joanna, Joyces Tochter, hatte ihrer Mutter zu Weihnachten eine Thermoskanne mit dem Aufdruck "Auf ein Jahr ohne Morde" geschenkt, doch schon Tage später wird ein Bekannter des Donnerstagsmordclubs, der ...

Joanna, Joyces Tochter, hatte ihrer Mutter zu Weihnachten eine Thermoskanne mit dem Aufdruck "Auf ein Jahr ohne Morde" geschenkt, doch schon Tage später wird ein Bekannter des Donnerstagsmordclubs, der Antiquitätenhändler Kuldesh Shamar erschossen. Wie es scheint, war er in ein Drogengeschäft verwickelt. Vom Paket fehlt allerdings jede Spur. Nicht nur Elizabeth, Ron, Ibrahim und Joyce suchen danach, da sind ganz andere Kaliber hinter dem Heroin her.

Rahmenhandlung des 4. Falles für den Donnerstagsmordclub ist dieses Mal das Rauschgiftgeschäft. Aber tatsächlich geht es in diesem Buch um sehr viel tiefgreifendere Themen. Es geht um das Älterwerden, den Umgang mit Krankheiten, die keine Besserung erwarten lassen und schließlich auch um die Entscheidung, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden. Das Fortschreiten der Demenz von Stephen nimmt sehr viel Raum im Buch ein, daher steht bei der Lösung des Falles Elisabeth nicht so zur Verfügung, wie die Gruppe das gewohnt ist. Aber Joyce hat sich an ihr ein Beispiel genommen und vertritt sie gut.

Ich finde es gut, dass in einem Buch mit betagten Ermittlern auch einmal auf diese Themen eingegangen wird, auch wenn die Spannung natürlich darunter leidet.

Aber das typisch Englische kommt nicht zu kurz, da blitzt ganz oft der feine englische Humor durch die die Gespräche und lässt den Leser zumindest schmunzeln. Wem es nicht in allererster Linie auf die Spannung ankommt, der ist mit diesem Buch gut bedient.

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