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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.05.2025

Eine spannende Geschichte

Annika und der Stern von Kazan
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Annika, die als Findelkind wohl behütet bei einer Köchin in einem großen Haushalt in Wien um 1900 aufwächst, träumt davon, dass ihre echte Mutter plötzlich vor ihr steht und sie in ihre Arme nimmt. Doch ...

Annika, die als Findelkind wohl behütet bei einer Köchin in einem großen Haushalt in Wien um 1900 aufwächst, träumt davon, dass ihre echte Mutter plötzlich vor ihr steht und sie in ihre Arme nimmt. Doch als das endlich geschieht, bemerkt sie, dass sie sich nie Gedanken darüber gemacht hat, was dann geschehen wird.

Dieses Buch hat alles, was ein guter Abenteuerroman benötigt: Spannung durch wechselnde Schauplätze, unerwartete Wendungen, verschiedene, anschaulich beschriebene Gesellschaftsschichten und gut gezeichnete Charaktere, Gefühl durch eben diese unterschiedlichen Charaktere, einen „Schatz“ mit einer mysteriösen Geschichte aus der Vergangenheit, der gefunden, geborgen und verteidigt werden muss, Freundschaft, Zusammenhalt und sogar noch Tiere, die eine wichtige Rolle spielen.

Dabei wird die Geschichte zum großen Teil aus Annikas Perspektive, aber von einem auktorialen Erzähler erzählt, teilweise aber auch aus der Sicht anderer Protagonisten. So kann der Erzähler auch andere Fakten, Ereignisse und Sichtweisen einbringen. Die Zeit verläuft linear manchmal mit kurzen Rückblenden. Alle Figuren in diesem Roman entwickeln sich auf ihre Art weiter, wachsen teilweise sogar über sich hinaus, und nehmen neue Perspektiven ein oder tun etwas, was sie noch nie getan haben. Jeder Lesenden findet hier eine Person, mit der er sich identifizieren, aber auch eine, von der er sich distanzieren kann.

Man fliegt beim Lesen nur so durch dieses Buch, hält teilweise den Atem an und will immer wissen, wie es weitergeht, bis das Gute siegt – wie eben bei einem guten Abenteuerroman!

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Veröffentlicht am 11.05.2025

Kleine Leute

Die Borger
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In alten viktorianischen Landhäusern kann man sie finden: die Borger. Sie leben versteckt an den verschiedensten Orten dieser Häuser und haben daher ihre Namen, denn auch diese sind "geborgt", wie alles, ...

In alten viktorianischen Landhäusern kann man sie finden: die Borger. Sie leben versteckt an den verschiedensten Orten dieser Häuser und haben daher ihre Namen, denn auch diese sind "geborgt", wie alles, von dem die Borger leben oder was sie besitzen. Doch ihr Leben ist gefährlich, denn die meisten Menschen möchten sie nicht im Haus haben.

Die Wiederauflage dieses Kinderbuches ist eine gute Entscheidung des Verlages. Es erzählt von den winzig-kleinen Borgern, menschenähnlichen Wesen, die in allen möglichen Winkeln und Verstecken eines alten Hauses leben könnten.

Hier wird die Geschichte von der Familie Clock, Vater Pod, Mutter Homily und Tochter Arrietty (14 Jahre alt), erzählt, die unter der Küche einer alten gregorianischen Villa leben. Sie heißen Clock, weil der Eingang zu ihrer Wohnung unter einer alten Standuhr liegt.

Es geht ihnen gut dort bei der alten Herrin mit ihrer alten Köchin und ihrem alten Gärtner mit deren Routinen, die es Pod ermöglichen unbemerkt auf Beutezug zu gehen, bis eines Tages der Menschenjunge einzieht, um sich von einer Krankheit zu erholen.

Arietty freundet sich mit ihm an, obwohl das bei Borgern streng verboten ist, bis die Haushälterin sie eines Tages entdeckt und alles in Bewegung setzt, um sie loszuwerden.

Hier wird eine spannende fantastische Geschichte in eine Rahmenhandlung gekleidet und so folgt man ihr atemlos aus der Sicht der Zuhörerin Kate, die am liebsten alles sofort von ihrer Tante wissen möchte. So geht es dann auch den Lesenden.

Mary Norton hat mit ihrem 1952 geschriebenen Roman die Erzählungen um die kleinen Wesen, wie Feen, Elfen und Borger, neu entfacht, hält jedoch den Glauben an ihre Existenz auch hier offen, indem sie eine Frau über die Erlebnisse ihres verstorbenen Bruders erzählen lässt, die also unmöglich nachprüfbar sind. So kann die Vorstellung über die Lebensumstände der Borger in Kates Kopf in all ihrer Phantasie blühen.

Die Spannung der Geschichte wird stringent von Anfang an aufgebaut, angefangen bei einer beschaulichen Beschreibung der Lebensumstände der Beteiligten über den ersten Beutezug von Arietty, wo sie den Menschenjungen kennenlernt, als erstem, kleinem Höhepunkt bis zu der Entdeckung, die alles weitere in Gang setzt.

Wer phantastische Literatur liebt, wird hier gut bedient, denn diese Erzählung ist nicht von „gestern“.

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 05.05.2025

Eine Familientragödie

Die Inselschwimmerin
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Der Roman erzählt die Lebensgeschichte der jetzt in Jahr 2024 38jährigen Evie und ihrer Familie, angefangen beim Kennenlernen ihrer Eltern, in Zeitsprüngen und auf verschiedenen, wechselnden Zeitebenen. ...

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte der jetzt in Jahr 2024 38jährigen Evie und ihrer Familie, angefangen beim Kennenlernen ihrer Eltern, in Zeitsprüngen und auf verschiedenen, wechselnden Zeitebenen. Dieser Wechsel zeigt prägenden Faktoren in ihrem Leben und erzeugt eine gewisse Spannung.

Die Familiensituation entwickelt sich in immer schwierigere Dimensionen, so dass am Ende die Ehe der Eltern zerrüttet ist, die Schwester Liv ihre Eltern und ihre Schwester erpresst und ein Leben mit Drogen und Alkohol führt und Evie nach London fliehen muss.

Dort geht sie eine toxische Beziehung ein, da sie das Gefühl hat, nichts wert zu sein und große Schuld auf sich geladen zu haben.

Nach zwanzig Jahren, in denen sie nur Kontakt zu einer alten Freundin im Alter ihrer Eltern hatte, erkrankt ihr Vater schwer und Evie kehrt zurück auf die wunderschönen Orkney-Inseln. Hier versucht sie, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Bis zum letzten Drittel des Buches wissen die Lesenden nicht, was Evie getan hat. Als dieses Geheimnis gelüftet ist, verliert das Buch sehr an Spannung und die Handlung sich in Nebenschauplätzen.

Viele Figuren sind leider nicht sehr tiefgründig dargestellt, sondern eher plakativ und klar in „Gut und Böse“ unterteilt. Die Dialoge erscheinen oft hölzern und nicht sehr zeitgemäß. Auch der simple Schreibstil hat mich nicht angesprochen.

Das Buch hätte von seinem Thema her – Flucht aus der Heimat, Familientragödie und Schuldverarbeitung – viel mehr Potential gehabt, dass aber leider nicht ausgeschöpft wurde. Auch andere wichtige Themen, wie z. B. Traumaverarbeitung, Person of Colour, Demenz, wurden nur oberflächlich angesprochen, dafür wurde Unwichtiges, wie z. B. eine Hochzeitsplanung, unnötig in die Länge gezogen.

So konnte mich das Buch trotz einer tollen Idee nicht wirklich überzeugen, auch wenn die tragische Familiengeschichte gut dargestellt wurde.

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Veröffentlicht am 07.04.2025

Authentisch und lebensnah

Before I Let Go
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In ihrem Roman über ein seit zwei Jahren geschiedenes Ehepaar beschreibt die Autorin in Rückblenden sehr intensiv und lebensnah, was zu dieser Scheidung führte und wie sie beide diese Zeit erlebten. Gleichzeitig ...

In ihrem Roman über ein seit zwei Jahren geschiedenes Ehepaar beschreibt die Autorin in Rückblenden sehr intensiv und lebensnah, was zu dieser Scheidung führte und wie sie beide diese Zeit erlebten. Gleichzeitig erzählt sie mit den beiden als wechselnden Ich-ErzählerInnen, wie sie die Zeit jetzt erleben, denn sie sind immer noch durch zwei gemeinsame Kinder und ein zusammengeführtes Restaurant eng miteinander verbunden.

Dabei ist das Buch nicht einfach nur eine Liebesgeschichte, sondern behandelt auch die großen menschlichen Themen Tod, Trauer, psychische Heilung und individuelle Fortentwicklung. Auch die Familie und Freunde der beiden rücken dabei in den Focus und werden als Nebenfiguren gut „ausgekleidet“. Außerdem bringt die Autorin den Lesenden als besondere Beigabe noch den heutigen Alltag von Afroamerikanern/Innen nahe.

Die Haupt- wie Nebenfiguren handeln und denken sehr authentisch und nachvollziehbar, so dass den Lesenden die Geschichte immer sehr emotional berührt. Dies wird durch die Ich-Perspektiven verstärkt.

Die zwischen den beiden Eheleuten noch immer stark bestehende körperliche Anziehung wird für mein Empfinden oft zu deutlich und ausführlich beschrieben. Da hätten auch Andeutungen völlig ausgereicht.

An manchen Stellen hatte die Erzählung für mich durchaus auch ihre kleinen Längen, an denen ich dachte: „Jetzt redet doch endlich offen und ehrlich miteinander!“ Aber natürlich ist jeder Mensch anders und alles braucht seine eigene Zeit. Nichtsdestotrotz transportiert die Autorin hiermit die Botschaft, wie wichtig eine gute Kommunikation in jeder Beziehung/Ehe ist, gerade in herausfordernden Zeiten. (Dies unterstreicht sie durch eine Auflistung von Diskussionsfragen zum Inhalt des Buches an seinem Ende, so dass man es auch als Ehepaar oder in einer Therapiegruppe zusammenlesen könnte.)

Da durch das Restaurant oder auch durch „Liebe geht durch den Magen“ das Essen in dieser Geschichte eine wichtige Rolle spielt, ist es nur konsequent und originell, dass das Buch vor der Danksagung einige Rezepte zu den erwähnten Speisen zum Nachkochen und -backen bietet.
Ein hoch emotionales, nie ins Kitschige abgleitende Buch, das einen emotional berührt!

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Veröffentlicht am 26.03.2025

Das Mädchen und der Bär

Pearly Everlasting
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In diesem außergewöhnlichen Roman beschreibt die Autorin vor der unwirtlichen, atemberaubenden Natur der Wälder Kanadas Anfang des 20. Jahrhunderts das gemeinsame Aufwachsen eines Mädchens und eines Schwarzbären, ...

In diesem außergewöhnlichen Roman beschreibt die Autorin vor der unwirtlichen, atemberaubenden Natur der Wälder Kanadas Anfang des 20. Jahrhunderts das gemeinsame Aufwachsen eines Mädchens und eines Schwarzbären, die seit ihrer Geburt in derselben „Wiege“ lagen.

Die Autorin lässt ihre fiktive Geschichte auf den Memoiren des Naturfotografen William Lyman Underwood basieren, der 1903 in Maine eine Frau traf, die ihren weiblichen Säugling zusammen mit einem Bärenjungen stillte.

Pearly Everlasting (zu Deutsch: Silberimmortelle, eine weißblühende Blume) und Bruno sind unzertrennlich und wie Geschwister und sie werden beide von ihrer Familie (Vater, Mutter und Schwester Ivy) geliebt. Der Vater ist Koch in einem Holzfällerlager, die Mutter versorgt den Haushalt und alle Wunden und Krankheiten der Waldarbeiter mit ihren Naturheilkünsten.

So wachsen die beiden ziemlich wild und entfernt von der Zivilisation auf. Als sie sechzehn Jahre alt sind, sterben im Winter Mutter und Schwester und der Vater verletzt sich schwer. Die Spannung der Geschichte steigt, als der Neffe des neuen Campaufsehers, die Bruno beide nicht leiden konnten, die Chance nutzt und Bruno unter falschen Beschuldigungen wegschaffen lässt.

Pearly macht sich durch den Schnee und die Wälder alleine auf die Suche nach ihm. Dieses Erlebnis wird ihnen alles abverlangen.

In ruhigen Bildern lässt die Autorin die Geschichte vor den geistigen Augen der Lesenden entstehen, man sieht die unberührte, unwirtliche Natur und das karge Leben der Protagonisten förmlich und friert in den harten Wintern mit. Dennoch sind diese Menschen in ihrer Armut zufrieden und bilden eine sich unterstützende Gemeinschaft. Pearly und Bruno geht es gut.

Die spürbare Angst und Verzweiflung setzen erst nach dem schrecklichen Winter und Brunos Entführung ein. Auf ihre Suche muss sich Pearly der Welt außerhalb des Holzfällercamps stellen und viele neue, teilweise gefährliche Situationen meistern. Dabei findet sie nicht nur Bruno, sondern auch sich selbst.

Die Beschreibungen der Autorin haben mich sehr berührt. Das Festhalten an der Hoffnung, dem Guten und der Liebe trotz allerhärtester Lebensbedingungen wird hier in ruhigen, poetischen Bildern und Worten ein Denkmal gesetzt.

Ein wunderbares Buch, ein Lesegenuss!

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