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Veröffentlicht am 08.10.2018

Machtgefüge

Dark Palace – Zehn Jahre musst du opfern
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Dark Palace von Vic James

10 Jahre muss jeder, der nicht zur magischen Elite Englands gehört, opfern und in den Dienst der Herrschenden treten. Manchmal unter grausamen Bedingungen. Die Hadleys glauben ...

Dark Palace von Vic James

10 Jahre muss jeder, der nicht zur magischen Elite Englands gehört, opfern und in den Dienst der Herrschenden treten. Manchmal unter grausamen Bedingungen. Die Hadleys glauben alles richtig zu machen, als sie ihre Sklavenzeit gemeinsam antreten und sich in den Dienst der mächtigen Familie Jardine stellen. Doch Luke, der Sohn, wird von den anderen getrennt und in eine Arbeiterstadt gebracht, während der Rest der Familie im Herrenhaus Dienst verrichten muss.

Diese dystopische Story konnte mich persönlich leider nicht so fesseln wie ich eigentlich erhofft hatte. Dabei hat Vic James vieles richtig gemacht: Ihr Schreibstil liest sich einfach so weg, die Seiten fliegen förmlich an einem vorbei und ich wusste gar nicht, wie ich in der Mitte des Buches gelandet bin. Ihre manchmal wunderschön bildhaften Beschreibungen zauberten Millmore oder das Herrenhaus oder den Wald und den See förmlich in meinen Kopf. Dieses Detail verstand mich zu fesseln.
Wahrscheinlich um dem Roman Komplexität zu verleihen und die Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, werden mehrere POVs ins Feld geführt. Dies gefiel mir vor allen Dingen zu Anfang ziemlich gut, da ich schnell vertrauen zu Luke und Abi fasste, den Kindern der Hadleys und ihr Alltag vor ihrer Sklavenzeit recht eindrücklich beschrieben wird. Luke fand ich besonders toll und Abi ist schlauer als ihr gut tut. Sowas mag ich (eigentlich). Auch die Idee gemeinsam die Sklavenzeit anzutreten erwuchs aus Abis hellem Köpfchen.
Die Familie Jardine schien mir schon nach dem ersten Kapitel, in dem sie ihren Auftritt hatten, recht wahnsinnig zu sein. Ein gabenloser Bruder, ein Psychopath und ein Choleriker (um es mal mit einfachen Worten zusammen zu fassen) treten hier gemeinsam auf, garniert noch mit gruseligen Haustieren und einem glänzenden Aussehen. Vic James hat hier versucht, zu viele Superlative auf einem Fleck zu vereinen, um die Dekadenz der Oberschicht und die offensichtliche Grausamkeit gegenüber ihren Untergeben darzustellen, grausam und dekadent ist diese Familie alle Mal, dabei treten aber leider ihre Charaktere in den Hintergrund. Auf mich wirkten sie (nachdem der erste Glanz verflogen war) blass. Ein wenig mehr Characterbuilding hätte hier wohl weniger geschadet).
Das selbe Muster kann man auch am Beispiel von Luke herunter deklinieren, der nach Milllmoor gebracht wurde – einer alten Arbeiterstadt. Auch hier bediente sich James vieler Klischees, die ich so auch schon in historischen Romanen des 19. Jahrhunderts gelesen habe. Grau, Trist, Arbeit, keine medizinische Versorgung und unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln. Natürlich läuft es dem Leser kalt den Rücken hinab – aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass die Autorin genau das erreichen wollte – und das wiederum überlagerte den Lesegenuss.

Im Endeffekt geht es um das Machtgefüge zwischen den Menschen. Spannung konnte dieses Machtgefüge jedoch bei mir nur teilweise wachkitzeln. Und wenn, dann wurde diese durch Infodumping, welches an manchen Stellen erfolgte, erstickt. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, immer wenn ein bisschen Spannung aufkam, mussten gleich wieder endlose Informationen folgen. Das hätte man auch eleganter lösen können.

Fazit? Eine Dystopie, die von der Grundstory her recht solide angelegt war, mich jedoch wenig zu begeistern vermochte. Schade! Ich kann hierfür nur 3 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 07.10.2018

erschreckend lebendiges Zeitporträt

Als das Leben unsere Träume fand
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Drei junge Menschen wagen in Buenos Aires Anfang des 20. Jahrhunderts einen Neuanfang. Alle drei haben in der alten Welt schreckliches durchlebt und hoffen nun auf ein besseres Leben. Versprechungen und ...


Drei junge Menschen wagen in Buenos Aires Anfang des 20. Jahrhunderts einen Neuanfang. Alle drei haben in der alten Welt schreckliches durchlebt und hoffen nun auf ein besseres Leben. Versprechungen und Hoffnungen haben sie in die brodelnde Stadt gelockt – die doch so ganz anders ist, als sie sich vorgestellt haben.

Ich liebte ja Luca di Fulvios „Der Junge, der Träume schenkte“ sehr – genau aus diesem Grund ging ich mit hohen Erwartungen an „Als das Leben unsere Träume fand“ heran. Ich wollte genauso emotional wie historisch berührt werden wie im Roman über New York,.
Ist es dem Buch gelungen?

Nun, zunächst finden wir uns in der Alten Welt wieder, wo wir drei unterschiedlichen Menschen folgen. Rocco, Rosetta und Rachel, aus deren Perspektiven das Buch zum größten Teil erzählt wird. Sie alle drei sind recht divers angelegt und haben viel Leid erfahren müssen – woraus ihr Entschluss reift, in die neue Welt aufzubrechen (mehr oder minder freiwillig). Rocco hat den Zorn der Maffia auf sich gezogen, als er sich weigerte wie sein Vater in ihre Dienste zu treten. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als das Schiff zu besteigen. Rosetta flieht um die halbe Welt vor dem Zorn eines Psychopaten, eines Dons, der das Land aufkaufen wollte, das ihr ihr Vater hinterlassen hatte. Und Rachel wird von Versprechungen in die neue Welt gelockt, deren Scherben sie schon auf dem Ozeandampfer aufsammeln darf. Das sind unsere drei Protagonisten, deren Wege sich jedoch erst spät im Buch kreuzen.

Luca di Fulvio fängt die Stimmung in Buenos Aires perfekt ein. Ich hatte sofort ein Bild von dem brodelnden Schmelztiegel vor Augen, in den tagtäglich Menschen aus den verschiedensten Nationen gespült werden und die Stadt weiter anfüllen – mit Träumen, Sehnsüchten, Hoffnungen und Armut, Verzweiflung und Schrecken – die Schere zwischen Armut und Reichtum klafft erschreckend weit in dieser Stadt auseinander – wie die Menschen damit umgehen, um zu Leben und zu Überleben stellt Di Fulvio wahrlich meisterhaft dar. Für sein Stadtbild, das er in unseren Köpfen zeichnet, kann ich nur den imaginären Hut ziehen.

Di Fulvio errichtet mit seinen drei Protagonisten ein erzählerisch-dichtes Monument. Schnell wird emotionale Bindung aufgebaut und ehe ich es mich versah, fieberte ich mit den drei Jungen Menschen mit und wünschte ihnen inständig, dass sie ihr Glück finden – und das möglichst bald! Denn Di Fulvio setzt recht viele dramatische und auch brutale Elemente ein, um die Spannung hochzuhalten und den Leser noch enger an die Figuren zu knüpfen. Hurenhäuser, Gewalt, Pistolenschüsse, aber auch Psychopaten, Drogen und Bandenkriege sowie persönliches Leid finden in diesem Buch einen fast inflationären Gebrauch – und manchmal hat selbst mich das gestört, mich, die zu einer guten Portion Drama nicht nein sagt und die auch einen recht starken Magen hat, wenn literarische Gewalt an der Tagesordnung ist. Di Fulvio fuhr jedoch so starke Geschützte auf, dass er auch ein Heer an Bösewichten benötigte, um die Kugeln fliegen zu lassen und vor allem zum Ende hin bekommt der Leser das Gefühl, dass die Auflösung recht konstruiert daher kommt und die Realität dabei ein Stück weit auf der Strecke bleibt.

Was bleibt zu sagen? Das Buch ist hohe Erzählkunst und emotional wie historisch ganz oben angesiedelt. Und doch bleibt ein schaler Beigeschmack, wenn man auf das pure Konstrukt schaut – und aus diesem Grund vergebe ich für „Als das Leben unsere Träume fand“ vier Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Emotionalität
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Spannung
Veröffentlicht am 02.10.2018

Etwas andere SciFi

Binti
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Binti von Nnedi Okorafor

Binti will lernen – noch mehr lernen, als sie eh schon weiß. Sie ist eine der besten Harmonistinen der Galaxie und hat das Angebot bekommen, an der besten Universität zu studieren. ...

Binti von Nnedi Okorafor

Binti will lernen – noch mehr lernen, als sie eh schon weiß. Sie ist eine der besten Harmonistinen der Galaxie und hat das Angebot bekommen, an der besten Universität zu studieren. Aus diesem Grund wiedersetzt sie sich den Gebräuchen und Traditionen ihrer Familie und verlässt ihren Planeten – um in große Gefahr zu geraten und um unerwartete Freundschaften zu schließen.

Das vorliegende Buch ist eine Gesamtausgabe von Novellen, in sich abgeschlossene kleinere Romane, die auch als solche gelesen werden sollten und als solche ebenfalls strukturiert sind – nicht als ein vollständig durchgehender Roman. Mit diesem Hintergrundwissen ausgestattet lassen sich die einzelnen Novellen auch gleich mit viel mehr Genuss lesen, da ich für meinen Teil andere Maßstäbe an eine „lange“ Kurzgeschichte lege als an einern vollständigen Roman.
Ich hatte nach den ersten Seiten gleich einen Draht zu Binti, jener Jungen Frau, die ganz abseits aller Traditionen fort und die Galaxie erkunden möchte, trotzdem noch tief verwurzelt in den alten Gebräuchen ist und ihren Weg finden muss. Nicht nur den Räumlichen, auch den ideellen. Binti ist eine Himba, die sehr stark mit ihrer Familie verwurzelt sind und für die viele Dinge ein Tabu darstellen, die für den normalen „Menschen“ ganz selbstverständlich sind. Bintis Weg zwischen Tradition und Wissensdrang hat mich mitgerissen und über die Seiten hinweg getragen.

Die Struktur des Buches ist wie eingangs erwähnt recht ungewöhnlich – vieles wird schnell erzählt und in sich sind die Bücher schnell getaktet. Da kommt es schon mal vor, dass Tod und Überfälle auf wenigen Seiten komprimiert werden. Der Fokus liegt auf der Protagonistin und ihrer Gefühlswelt bzw. ihrer mathematischen Gabe. Interessant, neu und ungewöhnlich – für mich aber auch manchmal ein wenig zu schnell, um wirklich „mitfühlen“ zu können.

Der Stil des gesamten Werkes ist gekonnt, locker. Man fliest förmlich durch die Seiten, wird an fremde Traditionen und Spezies herangeführt, ohne ins Stocken zu kommen oder auf der letzten Seite noch einmal eine Passage nachlesen zu müssen. Mir ist das jedenfalls nicht passiert. Die Autorin versteht definitiv ihr Handwerk – und das ziemlich virtuos. In meinem Kopf wurde sowohl die trockene raue Landschaft lebendig als das ich genauso das Lehm-Öl-Gemisch auf der Haut fühlen konnte, das die Himba traditionsgemäß tragen.

Natürlich bleibt auch dieses Buch vor Kritik nicht gefeilt – manchmal empfand ich die Story nicht als wirklich durchdacht und ausgreift – Übersprungshandlungen inklusive. Natürlich könnte man argumentieren, dass dies der Struktur der Geschichte geschuldet ist – aber solche schnellen (manchmal grundlosen oder nicht genug begründeten Handlungen stoßen mir persönlich doch schon etwas sauer auf.

Insgesamt ein Buch, das allein schon wegen der Protagonistin viel Spaß macht und die Gebräuche einer fremden Gesellschaft in Science-Fiction mäßiger Umgebung wiedergibt. Toll gemacht! Wegen den Plotschwächen vergebe ich gute vier Sterne.

Veröffentlicht am 02.10.2018

Handlung bleibt leider hinter Atmosphäre zurück

Eine Krone aus Feuer und Sternen
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In diesem Buch wird zweierlei versucht, zu unterdrücken. Von der Protagonistin Denna, der Prinzessin, die einen fremden Prinzen heiraten muss, in ein fremdes Land ziehen muss. Und Denna verbirgt zwei Dinge ...

In diesem Buch wird zweierlei versucht, zu unterdrücken. Von der Protagonistin Denna, der Prinzessin, die einen fremden Prinzen heiraten muss, in ein fremdes Land ziehen muss. Und Denna verbirgt zwei Dinge – zum einen ihre Feuermagie, die in Mynaria verboten ist, und ihre Zuneigung zur Prinzessin eben dieses Landes – Mara, die auch nicht sein darf. Schließlich ist sie Prinz Thandilimon versprochen, Maras Bruder. Doch alles gerät außer Kontrolle.


Zunächst einmal: Das Buch wird als Jugendfantasyroman vermarktet – dafür ein großes Lob an den deutschen Verlag. Es wird kein Trara drum gemacht, dass die Heteronormität, die sonst in der Phantastik herrscht, in dem Buch durchbrochen wird. Find ich gut. Auch im Laufe des Buches wird die Liebesgeschichte nicht am gleichen Geschlecht von Mara und Denna festgemacht. Überhaupt bekam die Lovestory zwischen den beiden Mädchen in diesem Buch viel Raum zugesprochen und viel Zeit um sich zu entwickeln. Manchmal gar ein bisschen zu viel, sodass der Rest der Geschichte ein wenig unterging. Dabei wurde so viel Spannung aufgebaut.

Zum einen hätten wir da das Verbot der Magie in Mynaria und die Rebellion der Bevölkerung dagegen. Um Dennas Magie wird storytechnisch lange ein Geheimnis gemacht. Sie versucht sie zu verstecken und nicht daran zu denken, und doch bricht die Magie immer wieder in den unpassendsten Momenten durch (wenn ich in ihrer Nähe gewesen wäre, hätte ich längst Lunte gerochen) und es gibt deutliche Hinweise, wann ihre Magie besonders stark ist. Das wird ihr jedoch nicht klar. Viel eher wird ihr klar, dass sie sich verliebt hat, und zwar nicht in den Prinzen, dem sie versprochen wurde.

Nebenbei bemerkt, das Buch wird aus zwei Perspektiven erzählt. Mara und Denna sind hier die Erzähler und besonders Maras Perspektive hat mir viel Spaß gemacht. Sie ist impulsiver und ich hatte das Gefühl, nicht so viele innere Monologe zu lesen wie bei Denna, sondern eher Taten zu sehen.


Die Story plätschert am Anfang ziemlich dahin, da die Autorin eine große Seitenzahl darauf verwendet, die schwierige Beziehung zwischen Mara und Denna zu beschreiben. Am Anfang sind sich die zwei nämlich gar nicht zugetan. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass die beiden Figuren so unterschiedlich angelegt sein mussten, um sich langsam näher zu kommen.


Atmosphärisch finde ich das Buch gut gelungen. Man konnte die Ställe riechen, war in den Tavernen hautnah dabei und auch das Schloss sah man vor sich, sobald man es betrat. Schön gemacht!


Das hört sich nun alles so schlecht an – mir hat das Buch trotz der Makel viel Spaß gemacht und ich werde sicher auch in den nächsten Band hineinlesen. In der Zwischenzeit lasse ich vier Sterne hier.

Veröffentlicht am 14.09.2018

Komplex und genial

Zerrissene Erde
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Hugo-Award Gewinnerin? Eine vielköpfige Fangemeinde? Auf der anderen Seite des großen Teiches stellt Jemisin eine Größe in der fantastischen Literatur dar, die nicht mehr wegzudenken ist. Bei uns ist ...



Hugo-Award Gewinnerin? Eine vielköpfige Fangemeinde? Auf der anderen Seite des großen Teiches stellt Jemisin eine Größe in der fantastischen Literatur dar, die nicht mehr wegzudenken ist. Bei uns ist sie weitestgehend unbekannt. Wegen dieser großen amerikanischen Popularität schlug ich die erste Seite mit Spannung und hoher Erwartung um.

War ich begeistert? Nein. Ich war viel eher erschlagen von dem ganzen neuen Input, der dieser erste Band liefert. Ich fahnde gerade nach Adjektiven um dieses Buch zu beschreiben, und doch tue ich mich schwer mit dieser Aufgabe. Sperrig? Komplex? Ausladend? Genial? Kompliziert? Das stimmt alles mit meiner Gefühlslage überein, wenn ich an das Buch zurückdenke. Auch eine Empfehlung auszusprechen, ob positiv oder negativ, fällt mir sehr schwer. Ich kann es schlicht und einfach nicht – da sich jeder mit Jemisins Werk selbst auseinandersetzen und für sich selbst ein Urteil fällen sollte. Der Auftakt der Trilogie ist sehr speziell, auf seine Art aber auch wunderbar und faszinierend – für mich. Letztendlich ist es dem Buch gelungen mich zu packen und mitzunehmen und mich etappenweise wirklich zu begeistern.


Wodrum geht’s eigentlich? Grob gesagt: Der Kontinent hat ein paar kleinere tektonische Problemchen, die immer wieder dazu führen, dass Städte wie Kartenhäuser in sich zusammenstürzen und mit Magma gefüllte, aschespuckende Krater sich in der Erde auftun. Kein Wunder, dass die Menschen dort ein wenig anders denken als in unseren Kulturkreisen. Die Kultur hat sich eigentlich rund um die Tektonik strukturiert und ist auf das Überleben ausgerichtet. Einerseits war es spannend, die Andersartigkeiten zu entdecken und mit der westlichen abzugleichen. Andererseits ermüdete es auch bisweilen, wenn ein kompliziertes Detail in den Raum geworfen wurde, dass erst später von Bedeutung war und auch erst an dem Punkt erklärt wurde. Genauso verhielt es sich mit dem Magiesystem. Plattentektonik beeinflussen? Erdbeben verursachen? Kein Problem. Schicken wir mal ein paar Orogenen aus dem Fulchrum hin. Die werden es schon richten. Mir standen zunächst einige Fragezeichen im Gesicht, die so schnell nicht weichen wollten – vergleichbar mit einem komplizierten Puzzle, bei dem der Kopf schon beim Rand anfängt zu rauchen, der Spieler aber in hohem Maße stolz auf sich ist, je mehr Teile aneinanderpassen. Ich begann in etwa in der Mitte, diesen Stolz zu spüren.


Gleich zu Beginn ist auffällig, dass Jemisin eine sehr ungewöhnliche Kombination von Perspektiven wählt. Sie hat drei unterschiedliche Protagonisten, deren Schritte verfolgt. Zum einen die Damaya, die ihre Kräfte lernen muss zu zügeln, zum anderen Syenit, die ihre Zeit im Fulchrum schon hinter sich hat und nun Aufträge erfüllt. Und dann haben wir noch eine Protagonistin, die ein übergeordneter Erzähler direkt anspricht – es ist beinahe so, als würde der Erzähler in einem Fotoalbum blättern und sich gemeinsam mit der Figur an alte Tage erinnern. Für mich war die Erzählstruktur neu und gewöhnungsbedürftig, aber auch eine völlig andere Art, in eine Story einzusteigen. „Hey du, lass uns vom Ende der Welt reden.“ – verwirrend, aber nach einiger Zeit fand ich das auch sehr gut gemacht vom Storytelling her.


Dadurch, dass immer wieder zwischen den drei Protagonisten hin und her geswitchet wird, wird ein hohes Maß an Komplexität aufgebaut und ich für meinen Teil merkte auch nach einigen Seiten, dass ich gespannt auf das nächste Kapitel war. Was mag Essun in der Zwischenzeit geschehen sein? Und was ist mit Damaya? Zu Beginn hatte ich wirklich meine Probleme mit dem Buch, vor allen Dingen da der Stil von N.K. Jemisin gewollt sperrig ist. Er wirkt durchdacht, aber ich habe meine Zeit gebraucht, ehe ich wirklich drin war und Querverbindungen knüpfen konnte und ehe ich meine Verbindung zu den Charakteren aufgebaut hatte. Dafür ist nämlich auch Geduld vonnöten.

Im Stil bleiben vor allen Dingen die tiefgehenden Erklärungen von Jemisin im Bereich Plattentektonik und das darin verwobene magische System hängen. Man spürt, dass dahinter wirklich tiefgründige Recherche steckt. Und dass sie die Magie, die ohne Zauberei und Lichteffekte auskommt, so gekonnt darin verankert, finde ich wirklich genial. Sie stellt jedoch solchen Erklärungen auch eine geballte Ladung Action entgegen. Manchmal kam es mir so vor, dass eine Passage ihre Längen hatte, und dann wurde ich gefangen genommen von einem Erdbeben oder von einem Kampf – vollkommen überrumpelt wäre wohl der bessere Ausdruck. Auch an Geheimnissen sparte die Autorin nicht – ich sehe sie in meinem Geist händereibend vorm PC sitzen.


Jemisin schafft in „Zerrissene Erde“ eine düstere Welt – aber je weiter ich in dem Buch vorgedrungen bin, desto mehr wurde ich emotional mitgerissen. Sie spielt mit einer zunächst kühlen Betrachtung der Charaktere – deshalb kommen die Emotionen auch nur durch eine Eiswand beim Leser an. Aber irgendwann durchbricht er diese und ich fand mich plötzlich ganz verwirrt wieder, wie ich weinte, lachte und anfeuerte – und bei mir dachte: „Moment – fandest du das Buch nicht emotionslos?“.


Eine Beurteilung fällt mir unglaublich schwer. Der erste Teil der Trilogie stieg in meiner Achtung während des Lesens von „mies“ über „faszinierend“ zu „genial“ – und ich glaube, dass wollte N.K. Jemisin erreichen. Ich gebe keine Empfehlung. Mit dem Buch muss sich jeder Leser selbst auseinandersetzen – da es eben kein Mainstream ist, in keiner Art der Betrachtung – und zudem jede Art von Schreibregel bricht.

Ich betrachte es nunmehr als stark geschrieben, unheimlich kraftvoll und auf eine andere, entrückte Art emotional.