Plädoyer für die Lebensfreude
Jede SekundeEr schreibt auf Instagram über sie beide und gibt ihrer Leidenschaft ein Gesicht. Die Menschen, die seine Worte betrachten und anerkennen, geben ihrem wackligen Konstrukt den Leim, der sie beieinanderhält. ...
Er schreibt auf Instagram über sie beide und gibt ihrer Leidenschaft ein Gesicht. Die Menschen, die seine Worte betrachten und anerkennen, geben ihrem wackligen Konstrukt den Leim, der sie beieinanderhält.
Er machte sich interessant, sie fühlte sich geschmeichelt. S. 9
Sie lebt in der Ferne ihr eigenes Sein. Er stellt sich die Blicke auf ihr vor, im Supermarkt, hinter dem Steuer, im Büro, als Mutter, Chefin, Frau.
Sie atmet irgendwo und ich existiere nicht. S. 10
Die Vorahnung des Endes hatte sie in dieser heißen Dringlichkeit vorangetrieben, die Gewissheit, dass ihnen die Zeit davonliefe.
Es ist nicht schwer, in der Lebensplanung die Leichtigkeit zu verlieren. Eine Zweizimmerwohnung suchen, rechte oder linke Betthälfte, deine oder meine Eltern.
Eines Tages der graue Umriss, der auf dem Bildschirm des Gynäkologen pulsiert. S. 39
Die Freude darüber, an jeder Hand fünf Finger zählen zu können und dann die schlaflosen Nächte.
Er beobachtet die Jugendlichen, den Lebenshunger der Mädchen. Wo war der erste Sommer, in dem er sich nach dem Kuss des schönsten Mädchens sehnte, die temporeichen Radfahrten zum See. Das Brennen der einen Hand in der anderen, der Mittagsschlaf im hinteren Zimmer und der volle Bauch.
Wo war die begehrenswerte Zeit und die Möglichkeit zu Sein? S. 65
Fazit: Wer hier einen schlüpfrigen Roman, eine knackige Liaison erwartet, wird enttäuscht sein. Der Autor schenkt uns auf diesen knapp einhundert Seite etwas Tieferes. Nicolas Mathieu zeigt einen zur Melancholie neigenden Autor, der resümiert. Er sinniert über diese intensive Leidenschaft, die er mit wenigen Worten nach fünf Jahren auseinandergetrieben hat. Seine Eifersucht, wenn sie nicht bei ihm war. Ihr eigenes Leben, die Selbstständigkeit, in der sie ihn nicht brauchte. Der Mann, immer an ihrer Seite, der nicht er war. Die Kinder, die sie allein bespaßte. Doch er hält nicht an dieser intensiven Beziehung fest, lässt sie vorüberziehens. Er beschreibt den Alltag, die Sorgen und Nöte, die einem jungen Paar die Liebe verleiden können. Seinen Vater entsinnt er, der jetzt täglich vergesslicher wird, aber stets nach seiner Frau sucht, die sich längst scheiden ließ. Wo sind die Anfänge, seine unbeschwerte Kindheit geblieben, die Lust am Leben zu sein, die Intensität eines Sommers. Er vermisst den Hunger nach allem, was bewegt und die Leichtigkeit, die noch keinen Schmerz kennt. Der Autor zeigt die Essenz der Vergänglichkeit, die ein Teil des Daseins ist und er plädiert, dass wir an unserer Freude festhalten. Zufriedenheit erlangen, Lebendigkeit im Moment spüren ist ein großes Thema, das er poetisch umgesetzt hat. Ein schöner Ausflug, der mein Herz erfüllt hat.