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Veröffentlicht am 11.09.2018

Großartiger Karl May-Roman mit authentischen Charakteren

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
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Karl May, Deutschlands wohl berühmtester Autor von Abenteuer- und Reiseromanen, ist bereits 57, als er 1899 zum ersten Mal zu einer Reise aufbricht, die ihn über Genua nach Ägypten, Israel, Eritrea, Britisch-Ceylon ...

Karl May, Deutschlands wohl berühmtester Autor von Abenteuer- und Reiseromanen, ist bereits 57, als er 1899 zum ersten Mal zu einer Reise aufbricht, die ihn über Genua nach Ägypten, Israel, Eritrea, Britisch-Ceylon bis nach Sumatra führt. Zu dieser Zeit hatte er seine bekanntesten Werke wie die Winnetou-Bände, Durchs wilde Kurdistan, Der Schut, etc. bereits veröffentlicht und war in ganz Deutschland bekannt als Old Shatterhand beziehungsweise Kara Ben Nemsi. Auf seiner Reise begegnet er vielen Menschen, die ihn erkennen und von ihm selbst seine Geschichten hören wollen. Nicht wenige Male wird er auch um eine Kostprobe seiner Kunst gebeten. Sein Diener Sejd begleitet ihn seit Ägypten und lernt ihn da sehr viel besser kennen als jeder andere Reisebegleiter. Auf dem letzten Stück der Reise reist er zusammen mit seiner Frau Emma und dem befreundeten Ehepaar Richard und Klara Plöhn, auf die er im Dezember 1899 in Arenzano, Italien trifft. Zurück in Radebeul ist er durch das Reisen ein anderer Mensch geworden, die Ehe mit Emma wird für beide Seiten immer schwieriger, und Karl May fragt sich zunehmend, ob Emma, mit der er 22 Jahre verheiratet ist, ihn wirklich versteht und ihn in seinem künftigen Werk die Unterstützung geben kann, wie von ihm erhofft.

Großartiger, sehr authentischer Roman über die erste Auslandsreise des großen Schriftstellers Karl May. Der Zeitrahmen des Berichts erstreckt sich nur über einen Zeitraum von April 1899 bis Dezember 1902, auch wenn der Leser natürlich aus dem Leben vor und nach dieser Zeit einiges erfährt. Geschickt wechselt der Autor zwischen dem Reisezeitraum und der Gegenwart, in diesem Fall die Zeit unmittelbar nach der Reise bis zur Scheidung und Neuheirat Karl Mays. Zusätzlich geben Einschübe wie Zeitungsartikel und Berichte des Weltgeschehens, wie den Bau des Suez-Kanals, Zusatzinformationen, die sehr gut zur eigentlichen Geschichte passen. Der Schreibstil ist sehr gehoben und wirkt auf den modernen Leser altertümlich, davon zeugen Schriftweisen wie „Civilisation“ oder Wörter wie „just“ sowie die teilweise recht verschachtelten Sätze, was dem Lesevergnügen aber absolut keinen Abbruch tut, im Gegenteil dem Ganzen noch mehr Authentizität verleiht und sich einfach wunderbar lesen lässt. Die Geschichte wird von einer Art übergeordnetem, allwissendem Erzähler berichtet, der wie ein Beobachter auf das aktuelle Geschehen schaut und oft Erläuterungen oder Hinweise gibt. Der Leser wird auch mehrfach direkt angesprochen und so direkt in die Geschichte mit einbezogen. Alles in allem ist das Ganze sehr flüssig und mit einem großen Augenzwinkern geschrieben.

Auf der Person Karl May als Hauptfigur liegt natürlich der größte Fokus. Man verfolgt seine Reisen und Erlebnisse, in seine Gedankenwelt taucht man am besten ein und bekommt die meisten Einblicke. Aber auch die anderen Protagonisten wie seine Frau Emma oder die Freunde Klara und Richard Plöhn werden vielschichtig und menschlich dargestellt und sind als Charaktere sehr gut nachvollziehbar. Als Karl-May-Leser und Fan seiner Abenteuergeschichten wird man – das ging mir so – schon etwas desillusioniert, was Karl May als Persönlichkeit angeht. Natürlich weiß man, dass er ein ungeheuer produktiver Autor war, dass die Geschichten weitgehend am Schreibtisch mit Hilfe von Lexika entstanden sind und man kennt grob die Lebensgeschichte mit den Gefängnisaufenthalten. Die Beschreibung seiner Persönlichkeit jedoch erfordert detailliertere Kenntnisse und Forschung. Die Geschichte wurde auf der Basis dieser Forschungen verfasst, und auch wenn natürlich Details zu Begebenheiten, Handlungen und Gefühlsausbrüchen fiktiv sind – dafür ist es immer noch ein Roman – so wirken doch die zu Karl Mays Charakter sehr wahr.

May ist keinesfalls der starke Old Shatterhand, sondern wirkt eher wie ein großes Kind mit überbordender Fantasie, der sich mit zunehmendem Ruhm mehr und mehr in seiner Fantasiewelt verliert. In dieser ist er welterfahren, immer souverän und unbesiegbar, in der echten leider eher hilflos und schwach. Sehr gut erkennbar wird dies durch Einschübe seiner eigenen Gedanken, die durch Kursivschrift hervorgehoben werden, etwa auf seinen Reisen, wenn zum Beispiel sein einsamer Spaziergang durch die Gassen von Kairo beschrieben wird, er sich hoffnungslos verirrt, aber gleichzeitig denkt wie er sicher durch die Straßen streift und von allen Einheimischen begrüßt wird. Seine Gedanken stehen damit immer konträr zum wahren Geschehen. Er lebt in einer anderen Welt, was sich zunehmend auch in Wahnvorstellungen äußert. Karl hat ein völlig unrealistisches Selbstbild, er ist egozentrisch und kritikresistent, giert nach Aufmerksamkeit, ist schnell beleidigt und reagiert dann wie ein bockiges Kind. Dies ist auch nicht erst seit der Orientreise so, sondern spiegelt sich sehr schön auch in Episoden wie die der gestohlenen/geliehenen Uhr und wie er diese seinen Eltern präsentiert. Nun sieht er jedoch sich und seine Wahrheit bedroht, denn immer mehr Zeitungen in der Heimat äußern Zweifel an der Richtigkeit seiner Darstellungen und damit auch an seiner Person als Old Shatterhand. Er sieht sich gezwungen seinen Kritikern entgegen zu treten und genau dazu soll diese Reise dienen. Dennoch ist er eben auch ein kluger und einfallsreicher Mensch, und sein Herausmanövrieren aus für ihn kritischen Situationen, wenn beispielsweise Mitreisende Kostproben seines Könnens verlangen und er genau weiß, er kann sie nicht geben, sind echte Eulenspiegeleien und köstlich zu lesen, so etwa das Aufsagen eines chinesischen Gedichts als Beweis seiner Sprachkenntnisse.

Die Reise verändert ihn und sein Leben auf vielfältige Weise. Er selbst wird moralischer und will am liebsten seine ersten, etwas anstößigen Werke vergessen machen. Sein Geist ist voll von Ideen und Eindrücken und er hat das Gefühl diese nicht mit seiner Frau teilen zu können. Dies wird durch den Tod seines besten Freundes Richard verstärkt. Mit ihm verliert er nicht nur einen verständnisvollen und einfühlsamen Zuhörer und Gesprächspartner, auch die Beziehungen der Verbliebenen untereinander verändern sich. Es entsteht eine Menage á trois zwischen Karl, Emma und Klara, und dies tut keinen richtig gut. Karl fühlt sich mehr und mehr zu Klara hingezogen, das widerspricht jedoch seinen strengen Moralvorstellungen. Aber auch hier schafft er es, sich eine Scheidung plausibel zu machen und diese als absolut unabdingbar anzusehen. Charakterlich sind auch Emma und Klara sehr interessant und kommen sehr nah an Hauptfiguren heran, ihre Persönlichkeiten sind sehr gut herausgearbeitet und teilweise überraschend. Bei mir wandelte sich Antipathie in Sympathie (bei Emma) und umgekehrt (bei Klara) und ich lebte stark bei diesem Trio und seinen Irrungen und Wirrungen mit.

Fazit: Großartiger Roman mit Karl May als Hauptfigur, vielschichtig und durchaus komplex und auch tiefenpsychologisch interessant. Karl May- Fans sollten sich auf eine realistische Darstellung ihres Idols einstellen, aber sie erwartet genau wie alle anderen eine spannende Reise durch den Orient und durch Karl Mays Leben. Dem Autor ist ein wunderbar literarischer Schreibstil zu eigen und ihm gelingt eine sehr authentische Darstellung der Begebenheiten. Mich hätte noch seine Motivation interessiert, ausgerechnet als Textchef eines Wirtschaftsmagazins einen Karl-May Roman zu schreiben, leider habe ich dazu nichts im Netz gefunden. Einziger kleiner Wehrmutstropfen im eBook war der fehlerhafte Link zur Karte, der lautete dort www.kiwi-verlag.de/karteflimmern-der-wahrheit und ging weder im Handy noch im Tablet, Varianten eingeben sowie elektronische Nachfrage beim Verlag fruchteten leider auch nicht. Der korrekte Link lautet https://www.kiwi-verlag.de/buecher/specials/karte-flimmern-der-wahrheit.html. Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt und nachhallt.

Veröffentlicht am 23.08.2018

Sehr spannender Schweden-Krimi und ein neues interessantes Ermittlerteam

Der Schmetterling
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Johan Rokka kehrt nach einigen Jahren im Polizeidienst in Stockholm zurück in seine Heimat, der Kleinstadt Hudiksvall, wo er noch während seines Urlaub, zwischen unausgepackten Umzugskartons hockend, gleich ...

Johan Rokka kehrt nach einigen Jahren im Polizeidienst in Stockholm zurück in seine Heimat, der Kleinstadt Hudiksvall, wo er noch während seines Urlaub, zwischen unausgepackten Umzugskartons hockend, gleich zu seinem ersten Einsatz gerufen wird: Die Ehefrau des berühmten schwedischen Fußballers Mans Sandin wurde ermordet. Für Rokka besonders brisant: Sandin gehörte einst zu seinem Freundeskreis, bestehend aus Schulkameraden und Fußball verrückten Teenagern, bis Sandin entdeckt und gefördert und weltberühmt wurde. Rokka und sein Team ermitteln in mehrere Richtungen und haben dabei nicht nur ihre Vorgesetzten im Nacken, sondern auch die nationale und internationale Presse, die sich wie die Geier auf die Story stürzen. Bald geschieht ein weiterer brutaler Mord im Umfeld des Trabrennsports: Ein Spieler, der höhere Summen gewettet und gewonnen hat. Was zunächst einfach aussieht, entpuppt sich bald als Geflecht aus Lügen, Betrug, Erpressung und Mord, und Rokka muss feststellen, dass er bald auch in seinem eigenen Freundeskreis ermitteln muss…

Sehr solider, gut geschriebener und fesselnder Schweden-Krimi mit gut gezeichneten vielschichtigen Charakteren und einem spannenden Kriminalfall. Als Leser und Krimifan ist man sofort in der Geschichte drin und ermittelt fleißig mit. An sich als klassischer Whodunnit-Krimi konzipiert, erweist sich die Geschichte als komplexer als zunächst gedacht und überrascht durchaus mit einigen unvorhergesehenen Wendungen. Die Autorin versteht es sehr gut, die Spannung langsam aber stetig zu erhöhen, was ihr erstens vor allem durch die vielen verschiedenen Erzählstränge und Perspektiven gelingt und zum Zweiten durch die persönliche Involviertheit ihrer starken Hauptfigur Johan Rokka. Auch merkt man ihren Beschreibungen der Umgebung an, dass sie sehr vertraut ist mit Hudiksvall – es ist ihre Heimatstadt -, denn das kommt alles sehr realistisch rüber. Die Handlung wird durch die unterschiedlichen Perspektiven gehörig nach vorne getrieben und auch die Ermittlungsarbeit ist gut nachvollziehbar, so dass sich nach und nach die Hintergründe offenbaren. Besonders die kursiv hervorgehobenen Einschübe in Briefform treiben die Spannung meines Erachtens gewaltig in die Höhe. Anfangs können die verschiedenen Perspektiven noch ein wenig verwirren und man fragt sich nach den Zusammenhängen, aber dadurch erlangt der Leser tiefe Einblicke in das Geschehen und die Gedanken- und Gefühlswelt aller Protagonisten, die Autorin verwebt einfach sehr geschickt die verschiedenen Stränge und am Ende kommt die Lösung als großes Ganzes ganz hervorragend schlüssig daher.

Rokka als Charakter polarisiert – manchmal war er mir direkt unsympathisch, dann wieder fand ich ihn klasse, was zeigt, dass er kein einfacher Charakter, aber gerade durch seine menschlichen Schwächen authentisch ist. Eigentlich ist er ein ganzer Kerl, ein Single, der um die Häuser zieht und mit den Kumpels einen trinken geht, der unüberlegt Dinge heraushaut und manchmal ganz schön taktlos sein kann. Dann wieder ist er verletzlich und voller Selbstzweifel. Eines jedoch passt immer: Seinen Job macht er gewissenhaft und mit viel Gerechtigkeitssinn und Einfühlungsvermögen und ohne Rücksicht auf sein Privatleben, und er gibt seinem Team allen Rückhalt und traut ihnen große Kompetenz zu.
Auch wenn Rokka ein starker Charakter ist, so sind ihm die anderen Figuren durchaus gewachsen. Auch sie sind menschlich gezeichnet und überzeugen durch Vielschichtigkeit und eigenständige Persönlichkeiten. Meine weibliche Lieblingsfigur war natürlich sofort Kriminaltechnikerin Janna Weissmann, eine Außenseiterin mit schwieriger Kindheit, aber auch Pelle Almen, der eigentlich einer anderen Einheit angehört, den Rokka aber sofort rekrutiert, und den leicht skurrilen Kriminaltechniker Hjalmar Albinsson fand ich so interessant, dass ich mehr über sie erfahren wollte. Und der eine oder andere, wie zum Beispiel Angelica Fernandez, hat mich auch positiv überrascht.

Fazit: Sehr gelungener Schweden-Krimi ohne die oft gewollt düstere Atmosphäre und/oder depressive Grundstimmung, sehr spannend mit authentischen Charakteren und viel Lokalkolorit. In Deutschland der erste Fall für Johan Rokka und sein Team, in Schweden sind ja schon mehrere Bände erschienen. Nun darf man hoffen, dass die Reihe auch in Deutschland ihre stetige Fortsetzung findet!

Veröffentlicht am 13.08.2018

Toskana-Krimi - Zweiter Fall für RA Robert Lichtenwald

In Schönheit sterben
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Robert Lichtenwald, erfolgreicher Anwalt aus München, hat nach einem kurzen Intermezzo seine Zelte in München endgültig abgebrochen um in seinem Ferienhaus in Morcone in der Toskana zu leben. Als seine ...

Robert Lichtenwald, erfolgreicher Anwalt aus München, hat nach einem kurzen Intermezzo seine Zelte in München endgültig abgebrochen um in seinem Ferienhaus in Morcone in der Toskana zu leben. Als seine gute Bekannte Giada, ihres Zeichens Journalistin, ihn bei einem mysteriösen Fall um Hilfe bittet, kann er nicht ablehnen. Giada recherchiert im Mordfall eines exzentrischen Kunstsammlers aus Rom, der im Besitz einer geheimnisvollen und sehr wertvollen Statue gewesen ist und die entwendet wurde. Die Recherche führt Robert zu Raubgräbern, in Geisterstädte der entlegensten Gegenden der Toskana und zu schillernden Persönlichkeiten der Römer Kunstszene. Das Auftauchen seiner von ihm getrennten Frau Stefanie verkompliziert sein Leben zusätzlich. Da verschwindet Giada, und Robert muss all seine Energie und Mut zusammennehmen um sie zu finden.

Zweiter Fall für den ehemaligen Rechtsanwalt und jetzigen Privatier Robert Lichtenwald, der eigentlich nur sein Leben in der Toskana genießen und über die Trennung seiner Frau Stefanie hinwegkommen will. Der Autor schreibt in gewohnt flüssiger Manier, mit dem Prolog baut er gleich gehörig Spannung auf und auch seine Beschreibungen von Landschaften und Figuren sind wieder sehr liebevoll und detailliert. Die Spannung flacht allerdings in den folgenden Kapiteln ab, es wird sehr viel Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen gelegt, die erotische Spannung zwischen Robert und „den Frauen“ wird sehr häufig thematisiert, und besonders als seine Ex Stefanie auftaucht, tritt der Kriminalfall doch sehr in den Hintergrund und rückt erst wieder in den Vordergrund, als Giada verschwindet. Ich hätte mir deutlich mehr Ermittlungsarbeit gewünscht, vor allem von meiner weiblichen Lieblingsfigur Donatella Lagana, wenn aber Recherchearbeit passiert, zumeist von Giada, ist dies aber auch immer spannend und sehr gut nachvollziehbar. Spannung tritt vor allem immer dann auf, wenn einem lieb gewonnene Figuren in Gefahr sind.

Der Fall selbst und seine Hintergründe werden so nach und nach offenbar, da der Leser im Gegensatz zu den Protagonisten allwissend ist, kommt er schneller auf die Zusammenhänge. Kriminalistisch fand ich es wenig komplex. Die Geschichte lebt vor allem von den Figuren, besonders Robert finde ich als Charakter vielfältig. Er wirkt immer als „kühler Deutscher“ zwischen all den heißblütigen Italienern, geht aber zunehmend aus sich heraus, und das Hauptaugenmerk liegt denn auch auf seinem Zustand und seinen Gefühlen. Er reflektiert sehr viel, ist ein Kümmerer und wie im ersten Band wird er eher widerwillig in den Fall verwickelt, er verbeißt sich nur Giada zuliebe darin. Mit den weiblichen Personen hatte ich einmal mehr so meine Probleme, bis auf Lagana waren sie mir nicht grundsätzlich sympathisch. Für meinen Geschmack wurde die Figur der Stefanie zu stark betont und ich konnte auch nicht nachvollziehen, wieso sie als Roberts Ex so ein starkes Interesse daran haben soll, Giada zu helfen. Giada ist mir zu impulsiv, und das Herumreiten auf ihren Hexenohrringen, die Gefahr vorhersagen, und die Betonung ihrer Schönheit auf jeder dritten Seite fand ich dann auch irgendwann einmal überflüssig, nichtsdestotrotz passt es zum Motiv und dem sehr passenden Buchtitel, und sie hat eine starke Persönlichkeit, ist mutig und intelligent. Eine gewisse Situationskomik und skurrile Figuren dürfen auch wieder nicht fehlen, das Ganze ist in sich stimmig und einfach gut zu lesen.

Fazit: Gelungener zweiter Fall für Robert Lichtenwald und seinen toskanischen Freunden, mit viel Lokalkolorit und liebevoll gezeichneten Figuren. Der Autor bleibt seiner Linie treu und besticht vor allem durch seine Landschaftsbeschreibungen und der detaillierten Sicht auf das Leben und die Menschen in der Region. Die Zusammenhänge ahnt man recht schnell, trotzdem ist es ein durchaus solider und spannender Krimi. Wer den ersten Band mochte, wird auch diesen verschlingen.

PS: Der Klappentext deutet das schreckliche Schicksal einer jungen Römerin namens Donatella Fortunata an – ich habe keine Figur dieses Namens finden können. Sehr rätselhaft….

Veröffentlicht am 03.08.2018

Überzeugender Politkrimi aus dem Berlin der 1968er Jahre

Die Tote im Wannsee
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West-Berlin, Herbst 1968: Wolf Heller, Kommissar bei der Mordkommission, wird zu einer Toten an den Wannsee gerufen. Mit mehreren Messerstichen wurde die junge Frau brutal ermordet und in den See geworfen. ...

West-Berlin, Herbst 1968: Wolf Heller, Kommissar bei der Mordkommission, wird zu einer Toten an den Wannsee gerufen. Mit mehreren Messerstichen wurde die junge Frau brutal ermordet und in den See geworfen. Bei seinen Ermittlungen stößt Heller nicht nur auf Steine schmeißende Studenten, sondern auch auf allerlei Ungereimtheiten, woher zum Beispiel hatte die Tote ein Sparbuch mit 12.000 D-Mark? Heller merkt außerdem, dass er ausgebremst werden soll, seine Vorgesetzten legen ihm nahe den Fall abzuschließen, der Schuldige sei gefunden. Heller jedoch glaubt nicht an diese einfache Lösung und beginnt zu graben. Dabei gerät er immer tiefer in einen Sumpf aus Lügen und Verschwörungen, auch Geheimnisse aus der Vergangenheit spielen eine Rolle, und schlussendlich muss er erkennen, dass es um hohe Politik geht.

Sehr gut geschriebener und fesselnder Polit-Krimi aus der Zeit der 68er Studentenproteste im geteilten Berlin. Das Autorentrio versteht es, die Atmosphäre der Zeit sehr gut einzufangen und die Spannung recht kontinuierlich hochzuhalten. Wolf Heller ist ein interessanter Charakter an sich nicht besonders politisch, eher einzelgängerisch, und er knabbert am rätselhaften Tod seiner Mutter. Er arbeitet für das sogenannte Establishment, hegt aber durchaus gewisse Sympathien für die rebellierenden Studenten. Auch die anderen Charaktere sind gut herausgearbeitet und vielschichtig, die wechselnden Perspektiven geben gute Einblicke in die Motive und Gefühle der handelnden Personen.

Mit den weiblichen (Haupt-)Figuren hatte ich mitunter so meine Probleme, Louises Aktionen konnte ich gar nicht nachvollziehen, sie ist eine Tochter aus reichem Hause, nicht wirklich politisch und teilweise wirklich nervend, Paula fand ich merkwürdig und in ihren Prinzipien nicht überzeugend. Sehr gut dargestellt fand ich die historischen Umstände, z.B. die Zustände im geteilten Berlin, wo erst vor kurzem die Mauer errichtet wurde und Menschen getrennt wurden. Besonders gut konnte man sich auch in die Gedankenwelt der rebellischen Studenten hineinversetzen, auch wenn sie einem politisch fremd bleiben mag. Die Handlung ist stringent und überzeugend, die Zusammenhänge erschließen sich nach und nach. Es ist nicht wirklich eine klassische Detektivgeschichte, wo man bis zu Ende auf die Nennung des Mörders wartet. Die Spannung ergibt sich eher aus dem sukzessiven Herausfiltern der politischen Zusammenhänge, der Ambivalenz der Charaktere und der beiden parallel laufenden Geschichten um die Studentenaufstände und der Ermittlungsarbeit.

Da sich der Handlungsverlauf nur über etwa zwei Wochen erstreckt, wirkt das Ganze sehr kompakt, was auch an der mitunter recht sachlichen Sprache und den kurzen Sätzen liegt, trotzdem ist die Handlung aber durchaus komplex. Vier lange Kapitel teilen den Handlungsverlauf auf, die wiederum mit Datumsangaben überschrieben sind. Mich hat nur gestört, dass manchmal innerhalb nur weniger kurzer Absätze mehrfach die Perspektive gewechselt hat, dadurch wirkte das Ganze manchmal etwas abgehackt.

Fazit: Kompakter und solider Politkrimi vor spannendem historischen Hintergrund. Die Beschreibungen des geteilten Berlin, der Menschen und ihrer Motive sind sehr überzeugend. Spannend fand ich auch die vielen bekannten Namen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die zum großen Teil auch heute noch präsent sind. Alles in allem ein gut gelungenes Buch für alle, die sich für diese Zeit interessieren.

Veröffentlicht am 24.06.2018

Super spannender Thriller und ein echter Pageturner

Das Haus der Mädchen
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Leni Fontane will in Hamburg ein Praktikum absolvieren und mietet sich aus Geldknappheit bei einem online-Anbieter ein WG-Zimmer. Das Zimmer ist überraschend geräumig und schnell freundet sich die zurückhaltende, ...

Leni Fontane will in Hamburg ein Praktikum absolvieren und mietet sich aus Geldknappheit bei einem online-Anbieter ein WG-Zimmer. Das Zimmer ist überraschend geräumig und schnell freundet sich die zurückhaltende, schüchterne Leni mit der quirligen Vivien, ihrer Zimmernachbarin, an. Dann jedoch verschwindet Vivien spurlos, ohne Abschiedsgruß, ihr Zimmer wird weitervermietet. Leni wird misstrauisch: Hätte sich Vivien wirklich so einfach aus dem Staub gemacht? Sie erinnert sich an Viviens Äußerungen, stellt Beobachtungen an und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was geschehen sein könnte.
Unabhängig von ihr versucht sich der Obdachlose Frederic „Freddie“ Förster zu schützen, denn er hat einen Mord beobachtet! Der Mörder ist hinter ihm her, und als er schließlich beschließt, dass Angriff die beste Verteidigung ist, ist er schon ganz tief in ein Geschehen verwickelt, das nur vordergründig nichts mit den anderen Ereignissen zu tun hat…

WOW! Ein grandioser, super spannender Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen kann! Die verschiedenen Handlungsstränge verknüpfen sich aufs Trefflichste zu einem großen Ganzen, und die unterschiedlichen Perspektiven – aus Täter- und Opfersicht, aus Ermittlersicht und auch aus der Lenis und Freddies – tragen erheblich zur Spannung bei. Diese Spannung wird anfangs noch langsam, aber stetig aufgebaut, die einzelnen Kapitel sind wiederum unterteilt in verschiedene Unterkapitel, die oftmals gar nicht so lange sind. Anfangs muss man sich an diese schnellen Wechsel gewöhnen und man meint, was hat das denn jetzt damit zu tun, aber 1. sind sie für sich als einzelner Strang auch schon spannend und 2. erkennt man nach und nach die Zusammenhänge, was den Spannungsboden zusätzlich in die Höhe treibt. Da nimmt das Ganze dann zusätzlich Fahrt auf und ebbt bis zum fulminanten Finale auch nicht mehr ab.

Die Charaktere sind einfach großartig, und mehr als einer hat mich positiv überrascht. Sie sind keineswegs schwarz-weiß, ein jeder ist ein Mensch mit Schwächen und mit Altlasten. Besonders Leni, das wirklich fast schon unglaublich naive junge Ding vom Lande, macht eine starke Entwicklung durch. Von der schüchternen grauen Maus wird sie mit jeder bedrohlichen Situation mutiger und will mit allen Mitteln Vivien finden und helfen. Sie verteidigt ihre Interessen und muss dann auch nicht mehr everybody´s Darling sein. Auch der Ermittler Jens Kerner hat mich sehr positiv überrascht. Aus dem behäbigen Polizisten wird ein Bullterrier, der sich mit Instinkt, Menschenkenntnis und Hartnäckigkeit in den Fall verbeißt und mit unorthodoxen nicht immer legalen Mittel alles dransetzt, den Fall zu lösen und der auch als erster Zusammenhänge erkennt. Man darf ihn nicht unterschätzen, auch wenn er manchmal ein wenig träge daherkommt. Der Autor verzichtet – zumindest größtenteils – auf die ganz blutigen Szenen, dennoch ist einiges Thriller-mäßig schockierend und gruselig, und seine Beschreibungen sind bildhaft und einprägsam und lassen der Fantasie dennoch ihren Platz. Einziges kleines Manko: Das Lektorat hätte besser sein können. Dass man das Anredepronomen Ihr/Sie großschreibt, wird nahezu immer ignoriert, und auch sonst gibt es einige Rechtschreibefehler, die meines Erachtens mangelnder Sorgfalt geschuldet sind, z.B. „mir“ statt „mit oder groß geschriebene Adjektive. Das tut jedoch dem grandiosen Erzählstil und dem Inhalt keinen Abbruch und wird nur erwähnt, weil es ein bisschen zu häufig vorkommt.

Fazit: Ein sehr fesselndes Buch, das alles hat, was ein guter Thriller braucht! Vielschichtige Charaktere, eingängige Beschreibungen von Menschen und Situationen, äußerst verzwickte Fälle und einfach sehr intelligent gemacht, wie sich alles zusammenfügt. Für Thrillerfans ein Muss!