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Veröffentlicht am 01.06.2020

poetische Komplexität

Eine echte Mutter
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Eine Geschichte über Gefühle, echt, unverfälschte Gefühle, muss nicht immer eine Liebesgeschichte sein. Das hat Saskia de Coster hier eindrucksvoll bewiesen. Über allem steht die Frage: was macht einen ...

Eine Geschichte über Gefühle, echt, unverfälschte Gefühle, muss nicht immer eine Liebesgeschichte sein. Das hat Saskia de Coster hier eindrucksvoll bewiesen. Über allem steht die Frage: was macht einen zur Mutter?


Weil der Kinderwunsch von Saskias Freundin Juli ins Unermessliche wächst, gibt Saskia nach und stimmt zu, eine Familie mit Juli zu gründen. Doch als Juli dann Saul auf die Welt bringt, kann Saskia nichts für ihn empfinden. Sie zweifelt an sich, an ihrer Beziehung und daran, ob sie jemals eine gute Mutter sein kann, wenn zwischen ihr und dem Kind gar keine körperliche Bindung war - so, wie Juli sie erfahren hat.

Der Klappentext gibt schon viel her, und was sich lustig anhört - eine Reise zu sich selbst auf einer Hippie-Insel - entwickelt sich zu einem Drama und erzeugt viel mehr Tiefe, als man es aus einer Zusammenfassung herauslesen könnte. Auch in unserer "modernen Welt" ist gleichgeschlechtliche Liebe und der Kinderwunsch in diesen Beziehungen leider immer noch ein Tabuthema.

Durch die verschiedenen Erzählperspektiven ist die Distanz zwischen Saskia und ihrem Sohn gut spürbar geworden. Je größer die Zweifel, desto unüberwindbarer erschien der Graben zwischen Mutter und Sohn. Gerade die Notizen geben einen Eindruck davon, wie komplex die Gefühlslage der Mutter ist und wie groß auch ihre Ängste sind.

Besonders der bildhafte Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Man könnte jetzt denken, dass das zu einer Geschichte mit dieser Thematik überhaupt nicht passt. Aber die fast schon poetische Beschreibung ihrer Gefühle zeigt, wie sehr Saskia sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Es vermittelt nur einen Bruchteil davon, wie tief die komplexe Thematik in ihr Leben eingreift und auch in ihrer Kindheit verwurzelt ist.

Dies ist definitiv kein Titel für zwischendurch, aber dennoch sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

Gut erzählt

Der Sommer mit Ellen
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Jakob ist 50, Architekt und steckt gerade mitten in der Scheidung von seiner Exfrau Kirste.n. Da erhält er sehr überraschend einen Anruf seines Onkels Anton mit der Bitte, sofort zu dessen Hof nach Jütland ...

Jakob ist 50, Architekt und steckt gerade mitten in der Scheidung von seiner Exfrau Kirste.n. Da erhält er sehr überraschend einen Anruf seines Onkels Anton mit der Bitte, sofort zu dessen Hof nach Jütland zu kommen. Jakob soll Ellen finden. Die hat Mitte der siebziger Jahre bei Anton und Anders auf dem Hof gelebt. Inzwischen sind die Männer Anfang/Mitte 90 und es ist für Jakob unbegreiflich, warum er für sie nach Ellen suchen soll. Nach einem Streit mit ihrem damaligen Freund ist sie aus der Kommune, in der die beiden lebten, ausgezogen und hat sich bei den Brüdern einquartiert, bis sie spurlos verschwand.

Zu Beginn braucht die Geschichte etwas, bis sie anläuft. Der Leser wird ins kalte Wasser geworfen und muss erst einmal die verschiedenen Personen den Phasen in Jakobs Leben zuordnen. Dann lernt man den Protagonisten in zwei Versionen kennen: sein Teenie-Ich und sein erwachsenes Ich. Der Jakob, der den Sommer mit Ellen verbracht hat, ist anfangs schüchtern und dann heftig in die junge Frau verliebt. Gemeinsam mit seinem Kumpel Sten verbringt er die freie Zeit auf den Wiesen und Feldern. Sten ist anders als Jakob: grob und entschlossen, denjenigen zu finden, der seine Familie zerstört hat.

Der Jakob in der Gegenwart ist resigniert, und je weiter er in der Vergangenheit gräbt, desto mehr spürt er, dass auch ihn eine gewisse Verantwortung für die Ereignisse in diesem Sommer trifft. Und er stellt fest, dass man als Teenager und Jugendlicher nicht immer die besten Entscheidungen trifft. Das hört sich sehr kitschig an, doch die Story ist alles andere als das. Ich konnte die drückende Hitze beim lesen spüren, die flirrenden Farben, wenn die Mittagssonne auf die Felder scheint und den Staub in der Luft sichtbar macht. Auch die Charaktere sind authentisch. Durch die Erzählung auf zwei Zeitebenen nähert man sich Jakobs Erkenntnissen von beiden Seiten, was die Story ab der Hälfte dann sehr spannend macht.

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Veröffentlicht am 01.05.2020

Solider Thriller mit interessanter Thematik

No Sound – Die Stille des Todes
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Das schmucklose Cover hat direkt um meine Aufmerksamkeit gebuhlt, und natürlich konnte ich es nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Die Autorin sagte mir nichts, und ich bin immer etwas skeptisch – ...

Das schmucklose Cover hat direkt um meine Aufmerksamkeit gebuhlt, und natürlich konnte ich es nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Die Autorin sagte mir nichts, und ich bin immer etwas skeptisch – im Endeffekt bin ich aber positiv überrascht worden.

Der Protagonist Caleb ist taub. Es war für mich sehr spannend zu lesen, wie er im Vergleich zu den bisherigen hörenden Ermittlern seinen Aufgaben nachkommt. Hat er andere Ansätze? Sein Motiv ist erst einmal das stärkste überhaupt: Rache. Denn sein bester Freund wurde ermordet, und das kann er nicht ungesühnt lassen.

Mir ist immer wichtig, dass die Charaktere abseits von Klischees erschaffen werden und auch die Handlung sollte authentisch sein. Beides wurde hier super umgesetzt. Dennoch habe ich mich das ein oder andere Mal gefragt, ob es für einen gehörlosen Menschen in unserer Gesellschaft wirklich so einfach ist, wie es in der Geschichte manchmal dargestellt wird. Zwar kann Caleb die Nachteile ausgleichen, dennoch denke ich, dass es weitaus schwerer ist, sich im Alltag zurechtzufinden. Ein großes Lob geht hier dennoch an die Autorin, die sich mit der Thematik anscheinend sehr intensiv auseinandergesetzt hat und es versteht, diese interessant einzubauen.

Anfangs war ich durch die vielen eingeführten Personen etwas verwirrt, das legte sich aber im Verlauf der Story. Spätestens nach der Hälfte, wenn die Geschichte Fahrt aufnimmt, hat man sich an die Charaktere gewöhnt und fliegt nur so durch die Seiten.

Die Charaktere sind etwas eindimensional dargestellt, allerdings hoffe ich dass in Bezug darauf einiges im nächsten Teil vertieft wird.

Insgesamt kann ich für diesen soliden Thriller eine Leseempfehlung geben.

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Veröffentlicht am 02.02.2020

Die Macht der Düfte

Shadowscent
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Zugegeben, ich bin ja ein Covernerd. Und dieses hier ist doch einfach herrlich, oder? Die Ornamente, die den Titel einrahmen, in goldener Farbe gehalten. Die vielen Blüten. Und dazu passend der Klappentext, ...

Zugegeben, ich bin ja ein Covernerd. Und dieses hier ist doch einfach herrlich, oder? Die Ornamente, die den Titel einrahmen, in goldener Farbe gehalten. Die vielen Blüten. Und dazu passend der Klappentext, da war mir einfach klar: auch als jemand, der wenig Fantasy liest, muss ich diese Story lesen!

Zu Beginn wurde ich mit dem Königreich Aramtesch bekannt gemacht. Der Name klingt nach Orient, und mit dem verbinde ich unweigerlich Basare, auf denen verschiedene Düfte durch die Luft wehen. Passt also perfekt zur Story. Durch die vielen Namen und Bezeichnungen wurde ich dann anfangs doch etwas ausgebremst, auch die Beschreibungen der Herrschaftsgebiete waren etwas oberflächlich. Aber die Verwirrung hat sich schnell gelegt. Denn ab einem bestimmten Punkt lief die Geschichte von alleine.

Ebenso waren die Charaktere zum Greifen nah. Da gibt es einmal Rakel. Sie ist eine Dienerin, wurde aber nicht im niederen Stand geboren, sondern hat einen tiefen Fall hinter sich. Und an ihrer Seite Ash, Leibwächter des Kronprinzen. Gegensätze ziehen sich an, hört man immer, und hier läuft es genauso. Dabei lässt sich die Autorin viel Zeit, die Dynamik zwischen den beiden auf den Leser wirken zu lassen. So entsteht nicht der Eindruck, dass es sich hier (wie bei anderen Büchern dieses Genres) primär um eine Liebesgeschichte handelt.

Der Erzählstil ist locker, weshalb ich trotz der Startschwierigkeiten gerne weitergelesen habe. Er wirkt ganz natürlich und nicht gestelzt, sodass die Seiten flogen, insbesondere als die Story dann Fahrt aufnahm.

Es bleiben einige Fragen offen, die hoffentlich in einem zweiten Band geklärt werden. Ebenso würde ich mir wünschen, dass die Welt um Aramtesch weiter beschrieben wird, ein bisschen mehr in die Tiefe geht. Die Thematik mit der Macht von Düften fand ich sehr schön und auch außergewöhnlich und es wäre schade, dieses Potenzial zu verschenken. Ich hoffe also gespannt, dass ich den zweiten Teil auch auf Deutsch lesen kann.

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Veröffentlicht am 08.12.2019

Wie andere mich sehen

Wie du mich siehst
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„Wie andere mich sehen“ wäre ebenfalls kein verkehrter Titel für dieses so wichtige Buch gewesen. Denn was Shirin am Umziehen am meisten nervt, sind die lauten und leisen Vorurteile der neuen Mitschüler. ...

„Wie andere mich sehen“ wäre ebenfalls kein verkehrter Titel für dieses so wichtige Buch gewesen. Denn was Shirin am Umziehen am meisten nervt, sind die lauten und leisen Vorurteile der neuen Mitschüler. Komische verhaltenen Blicke, Beschimpfungen wie „Terroristin“, offene Ausgrenzung oder aber auch körperliche Attacken ist sie schon gewohnt. Und das alles nur, weil die junge Californierin mit iranischen Wurzeln Kopftuch trägt.


Dieses Buch hat mich mitgerissen. Nachdenklich gemacht. Wütend gestimmt. In unserem Kulturkreis ist es verwerflich, wenn man sich offen zu seiner Religion bekennt. Dabei zeigt die Autorin mit Shirins Charakter, dass sie doch ein ganz normales Mädchen ist und sich kaum von Gleichaltrigen unterscheidet. Bis auf Äußerlichkeiten. Gewohnt an Mobbing und Ausgrenzung hat Shirin eine Mauer um sich errichtet, die sich in einer spitzen Zunge, gepaart mit etwas Aggressivität, äußert. Innerlich ist sie wütend auf die Oberflächlichkeit der Menschen, auf ihre Vorurteile und Unkenntnis. Im krassen Gegensatz dazu steht ihr Bruder, der genau wegen seines „exotischen“ Aussehens bei den Mädchen ganz besonders beliebt ist. Seine Religion? Die spielt hier keine Rolle. Warum auch, man sieht sie ihm ja nicht an.


Wir Menschen neigen dazu, in Schwarz-Weiß zu denken. Das ist im Cover sehr schön abgebildet. Ocean, der sich nicht vorstellen kann dass Shirin tagtäglich wegen ihrer Religion diskriminiert wird, beginnt im Laufe der Geschichte auch in Grauzonen zu denken. Die beiden geben sich viel, denken über den Tellerrand hinaus. Gezwungenermaßen, denn das junge Paar hat einige Hürden zu überwinden. Insbesondere Ocean tut sich schwer damit, kann er einfach nicht verstehen, warum die Leute sich an einem Stück Stoff auf dem Kopf seiner Freundin so aufregen. Shirin denkt anfangs allerdings auch nicht weit, denn in ihren Augen sind alle anderen Menschen Rassisten. So kann sie gar nicht zulassen oder aktiv mithelfen, dass Vorurteile abgebaut werden.


Der sehr lebendige Schreibstil hat bewirkt, dass ich mich sehr gut in Shirin hineinversetzen konnte. Gleich zu Beginn legt die Autorin los, lässt dem Leser keine Schonfrist. Tahereh Mafi hat in dieser Geschichte auch viele eigene Erlebnisse verarbeitet. Das zu lesen, hat mich sehr traurig gestimmt. Zwar spielt die Handlung zwischen 2003 und 2005, jedoch hat sich in den letzten fast fünfzehn Jahren nichts gebessert. Das ist nicht akzeptabel und wie sollten alle darauf hinarbeiten, Rassismus – egaö in welcher Form oder gegen was - keinen Platz in unserer Gesellschaft zuzugestehen.

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