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Veröffentlicht am 23.11.2021

Eine überaus klare Darstellung dessen, was uns bevorsteht

Deutschland 2050
3

Im Augenblick überschwemmen Bücher zum Klimawandel und zur Energiewende ja förmlich den Markt, die meisten davon geschrieben von Fach-fremden Autoren und Nicht-Wissenschaftlern. Das hier vorgestellte Buch ...

Im Augenblick überschwemmen Bücher zum Klimawandel und zur Energiewende ja förmlich den Markt, die meisten davon geschrieben von Fach-fremden Autoren und Nicht-Wissenschaftlern. Das hier vorgestellte Buch bietet hierbei eine der wenigen Ausnahmen. Mit „Deutschland 2050: Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ hat das Autorenduo Toralf Stad und Nick Reimer ein großartiges Sachbuch zum Klimawandel vorgelegt. Politisch völlig neutral wird ohne erhobenen Zeigefinger dargelegt, was uns – basierend auf dem Ist-Zustand und wissenschaftlichen Daten und Modellen – bereits im Jahre 2050 und darüber hinaus bevorstehen wird. Vieles davon wird laut diesen Prognosen sogar dann eintreten, wenn jeder einzelne zum Umdenken motiviert wird, endlich Bewegung in die Reduktion des CO2-Ausstosses gerät und wir große Fortschritte in der Umsetzung der Energiewende machen können, da viele der Grundsteine zu einer umfangreichen negativen Klimaveränderung bereits jetzt schon gelegt wurden. Auf vielen Ebenen sind die sogenannten Kipp-Punkte bereits erreicht und überschritten, womit sich angestoßenen Prozesse nicht mehr stoppen oder gar umkehren lassen.

Gleich zu Beginn des Buches werden verschiedene Modelle vorgestellt, anhand derer dann Aussagen über die Zukunft getroffen werden können. Wissenschaftlich fundiert werden dabei auch die Grenzen solcher Prognosen mit angegeben. In den folgenden 13 Kapiteln werden dann detailliert die Auswirkungen auf Mensch, Natur, Wasser, Wald, Städte, Küste, Verkehr, Wirtschaft, Landwirtschaft, Energie, Tourismus, Sicherheit und Politik sehr sachlich, unaufgeregt und für den Laien verständlich dargelegt. Für manch einen, der sich mit dieser Thematik bislang weniger intensiv auseinandergesetzt hat, mag sich hieraus ein wahres Horror-Szenario entfalten, die anderen hatten bereits eine grobe Vorahnung, die nun untermauert wird.

Für mich ist „Deutschland 2050: Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ von Toralf Stad und Nick Reimer ein ganz hervorragendes, intelligent geschriebenes Sachbuch: Informativ, sowohl für den Laien als auch für den Experten geeignet, gibt es dem Leser das Rüstzeug, um nicht nur für Parolen am Stammtisch, sondern auch für fundierte Diskussion unter Experten gewappnet zu sein und aktiv mitreden zu können. Ein wirklich beeindruckend sachliches und objektives Buch, gespickt mit sehr viel Expertenwissen, wie ich persönlich es mir immer gewünscht habe. Die Hörbuchversion wird darüber hinaus ganz wunderbar von Christian Erdmann gesprochen. Den Klimawandel und seien Folgen ignorieren, können nach „Deutschland 2050" vermutlich nur noch überzeugte Leugner, die die Augen und Ohren vor diesem Buch verschließen.

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Thriller-Satire vom aller feinsten

Chromosom 23 - Eine Thriller-Satire
3

„Chromosom 23“ von Christian Gailus ist ein Thriller. Also kein Thriller im herkömmliche Sinne – nein, nein - sondern mehr eine Thriller-Satire. So wird es zumindest angegeben. Aha, Satire also! Lass‘ ...

„Chromosom 23“ von Christian Gailus ist ein Thriller. Also kein Thriller im herkömmliche Sinne – nein, nein - sondern mehr eine Thriller-Satire. So wird es zumindest angegeben. Aha, Satire also! Lass‘ mal überlegen ...hmmh, und was habe ich mir nun darunter vorzustellen unter einer solchen? Man könnte diese Frage aus meiner Sicht so beantworten: Es ist schlichtweg reinster Spaß vom aller feinsten, so der Leser den nötigen Humor und Verständnis für und Zugang zu Ironie und Sarkasmus mitbringt – und von dem habe ich zumindest mehr als genug und insofern würde ich „Chromosom 23“ als einzigartig beschreiben. Wäre es kein (Hör-)Buch, sondern ein Film, käme ihm der Vergleich mit „Bully“ Herbigs „Schuh des Manitu“ oder „Lissy“ vielleicht am nächsten, bei denen sich auch ein Gag an den nächsten reiht, in solchem Tempo, dass man das Passagen-weise mehrmals hören muss, um die gesamte Palette an Witz mitnehmen zu können.

Wovon handelt nun also diese … Thriller-Satire? - Nun ja, insgesamt ist die Handlung komplex und schwer einzufangen und zu beschreiben (man möchte hier ja auch nicht zu viel verraten), aber am besten stellt man sich hierzu eine grandiose und überaus bunte Mischung aus so ziemlich allen Verschwörungsthrillern vor, die einem in den Sinn kommen, mit Schwerpunkt sind die Elemente aber den Standardwerken von Dan Brown, Stieg Larsson und Sebstian Fitzek entliehen. Alles beginnt mit einem als „Vorgeplänkel“ genannten Prolog, in welchem der ehemalige Journalist Michael Blohmquiz und der Ornamentologe Richard Random (man beachte die Nähe der Namen zu ihren wohl-bekannten Charakteren) ein überaus lustiges Telefonat führen. Danach soll Blohmquiz einem reichen Industriellen helfen seine unter der Sonnenbank einfach so verschwundene Nichte wieder zu finden. Der Ornamentologe Richard Random andererseits wird im Handumdrehen mal ganz schnell mit der Franken-Fly 300 von Bosten in die Schweiz geflogen. Die Ermittlungen führen u.a. an‘s CERN. Dort wird ihm die Tochter eines Professors mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihm generell bei den Ermittlungen weiterhelfen, als ihr Vater ermordet und kopflos aufgefunden wurde. Im weiteren Verlauf kommt man den Iluminanten auf die Spur. So versuchen also beide das Rätsel jeweils von ihrer Seite aus zu lösen. Nebencharaktere wie Ben Drown oder Fabian Witzig tauchen in „Nebenhandlungen“ mit vier Bestsellerautoren auf und so reihen sich Wortspiele (wie beispielsweise die Änderung des Goldenen Schnitt zum Goldenen Schritt, usw.) und Witz nahezu im Sekundentakt aneinander.

Fazit: Noch nie zuvor habe ich bei einem (Hör-)Buch derart Lachen müssen, Gags folgen hier pausenlos aufeinander und manche Passagen müssen mehrfach gehört werden, um die Parallelen zu bekannten Werken bei solch hoher Gag-Frequenz überhaupt erfassen zu können. Für mich hat hier Christian Gaius mit „Chromosom 23“ etwas richtig Originelles geschaffen, ich möchte aber nochmals darauf hinweisen, dass das Buch für humorlose oder Sarkusmus-fremde Leser/Hörer ungeeignet ist. Alleine die Ironie des Covers gleichsam des Titels des Buches sind bereits brillant. Die Hörbuchvariante wird im Übrigen perfekt von den bekannten Sprechern David Nathan und Simon Jäger gelesen. Dieses Duo setzt dem Ganzen dann final das I-Tüpfelchen auf. Das im Klappentext angekündigte Versprechen eines „bitterböses Angriffs auf die Lachmuskeln“ wurde bei mir mehr als eingelöst.

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Einfach mitreißend: Wo Lesch drauf steht, ist auch Lesch drin

Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden
2

Eines der aktuell meistdiskutierten Themen ist die CO2-Bilanz und der Energiewandel der schleunigst angegangen werden muss. Dazu werden uns oftmals jede Menge schöner Politiker-Reden gehalten und Vorträge ...

Eines der aktuell meistdiskutierten Themen ist die CO2-Bilanz und der Energiewandel der schleunigst angegangen werden muss. Dazu werden uns oftmals jede Menge schöner Politiker-Reden gehalten und Vorträge und Bücher von eher Fachfremden präsentiert. Bei Harald Lesch schaut das gehörig anders aus. Er ist vom Fach und in gewohnt lässiger und fundierter Weise präsentiert er uns sein jüngstes Werk. Kurz und bündig und auch sehr beeindruckend stellt er in „Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden“ wissenschaftlich überzeugend die verschiedenen, zukunftsentscheidenden erneuerbaren Energien einander gegenüber und diskutiert auf allgemein verständliche Art, welche davon langfristig die Energieprobleme lösen können und welche eben nicht. Immer wieder kommt er hierbei auf den Alltagsvergleich des hart radelnden Fahrradfahrers zurück, den jeder Leser/Zuhörer für den Energieverbrauch einordnen kann.

„Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden“ von Christian Holler, Joachim Gaukel, Harald Lesch, Florian Lesch ist ein hervorragendes Buch zur Thematik der zusehends schlechter werdenden CO2-Bilanz und des Energiewandels, das sowohl für den Laien als auch für den Experten auf diesen Gebieten leicht zu verstehen und äußerst interessant sein dürfte. Es gibt dem Leser/Hörer das nötige Rüstzeug an die Hand, um in Diskussion zu diesen Themen – sei es am Stammtisch oder in der Vorlesung - auf Augenhöhe mitdiskutieren zu können. Von meiner Warte aus gesehen, kann ich „Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden“ jedem Interessierten nur wärmstens empfehlen. Danach kann sich der Leser/Hörer sein ganz eigenes Bild vom aktuellen Zustand unseres Planeten machen und eigene Überlegungen dazu anstellen, wie man Lösungen bewerkstelligen könnte. Das Hörbuch wird im Übrigen ganz großartig von Meister Lesch selbst gelesen.

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Veröffentlicht am 20.10.2021

Wer wandert so spät durch Schnee und Wind?

SCHWEIG!
3

Das Cover des Thrillers „SCHWEIG!“ der Autorin Judith Merchant ist genau genommen recht schlicht gehalten, fast schon im Stile einer Traueranzeige. Erst bei genauerer Betrachtung erkennt man die Details ...

Das Cover des Thrillers „SCHWEIG!“ der Autorin Judith Merchant ist genau genommen recht schlicht gehalten, fast schon im Stile einer Traueranzeige. Erst bei genauerer Betrachtung erkennt man die Details - wie beispielsweise die Bäume, die aus einigen der Buchstaben des Titels ragen, von denen einer rot wie frisches Blut ist, und dass sich vom zentralen Buchstaben W ein Wurzelwerk nach unten erstreckt, ein paar unbedeutend kleine Krähen flattern durchs Bild. Der Rest des Buches ist, abgesehen vom Titel und vom Namen der Autorin weiß und kalt und still wie Schnee. Mit der Handlung des Buches verhält es sich irgendwie sehr ähnlich: Während das Narrativ der Geschichte sich recht einfach darstellt, wurzelt die wahre Bedeutung in den äußerst spannenden Charakterentwicklungen seiner Protagonisten.

Wäre es ein Film so gewönne der Zuschauer den ersten – aber wirklich nur den allerersten - Eindruck, dass es sich um eine low-budget Produktion handeln könnte oder, wie es in der Beschreibung zu „SCHWEIG!“ heißt, um ein Kammerspiel. Aber dieser erste Eindruck täuscht - und zwar täuscht er gewaltig. Der Plot selbst ist im Grunde genommen schnell erzählt: Die ältere Schwester, Esther, ist ein Familienmensch, ist verheiratet, hat zwei Kinder, arbeitet fleißig und trifft gerade die Vorbereitungen für das bevorstehende Weihnachtsfest, als ihr der Gedanke kommt, dass sie unbedingt, entgegen des Ratschlags ihres Mannes, noch vor Heilig Abend ihre jüngere Schwester Sue besuchen muss, die geschieden ist und der es nicht vergönnt war Kinder zu bekommen. Sue, von Esther seit einem Kindheitsereignis Schnecke genannt, lebt sehr einfach, abgeschieden und einsam in einem riesigen Haus von ihrem Ex-Mann mitten im Wald, muss nicht mehr arbeiten und möchte einfach ihre Ruhe. Durch Esther erfahren wir, dass Sue auch regelmäßig ihre Medikamente nehmen muss und dass sie sich hoffentlich nichts antun wird, gerade an Weihnachten und nach all dem, was vergangenes Jahr vorgefallen war.

Ja, was war eigentlich letztes Jahr vorgefallen? - Lange wird der Leser es nicht erfahren und wenn, dann immer nur in kleinsten Häppchen. Schnell wird dem Leser aber klar, dass Esther die aufopfernde, fürsorgliche Schwester ist, die sich liebevoll um alles kümmert und nur das Beste für ihre Familie und ihre Schwester möchte, Sue hingegen ist für den Leser eher der sympathische Versager. So sind also die Rollen nun mal verteilt. - Aber sind sie das wirklich? - Mitnichten: Denn einige Seiten später werden durch die geführten Dialoge und Rückblenden die Karten völlig neu gemischt und der Leser gewinnt durch die ständigen Perspektivenwechsel - dabei wird "Kammerspiel-artig" jeweils aus Sicht von Sue, Esther, Esthers Mann Martin und in Rückblenden von einem kleinen Mädchen erzählt - mehr und mehr das Bild, dass es Sue ist, welche die kluge, zufriedene und beherrschte Schwester ist und Esther hingegen überaus kontrollsüchtig und ungemein manipulativ und unehrlich, gegenüber ihrer Schwester, ihrem Mann, ihren Kindern und auch sich selbst. Was ist eigentlich mit Martin, Esthers liebevollen Ehemann, der keiner Fliege etwas zu leide tun kann? Natürlich, auch von ihm werden wir im Verlauf des Buches Details erfahren, die den Blick des Lesers auf ihn völlig verändern. Und so entwickelt sich ein großartiger Psychothriller, bei dem Judith Merchant sehr klug und elegant mit den Emotionen des Lesers spielt. Bis fast zum Schluss bleibt der Leser im Unklaren darüber, wer gut oder böse ist, wer wen liebt oder hasst … oder möglicherweise sogar ... umbringt?

Judith Merchants Schreibstil ist so flott und mitreißend, dass er dem Leser kaum eine Möglichkeit zu einer Verschnaufpause liefert. Gerade glaubt man mental die Szenerie erfasst zu haben, ändert sich bereits wieder das geistige Bühnenbild und der Leser kommt schon wieder ins Rätseln und wird seine Einschätzung zu den Protagonisten wieder ändern und neu anpassen – wieder und wieder und wieder. Selten ist es einer Autorin oder einem Autor gelungen mit meinen Emotionen so überzeugend zu spielen und meine Einschätzungen zu den jeweiligen Charakteren so erfolgreich zu manipulieren. Und all das, obwohl es im Wesentlichen nur um drei Personen geht und sich die gesamte Handlung lediglich in einem abgelegen Haus in der Wildnis oder in einer Wohnung in der Stadt abspielt. Das Hörbuch wird darüber hinaus hervorragend und ausdrucksstark von Christiane Marx, Ulrike Kapfer und Tim Gössler gelesen.

Fazit: Mit „SCHWEIG!“ hat Judith Merchant einen richtig klugen und hochspannenden Thriller über zwei Schwestern geschrieben, die von frühester Kindheit an ein ganzes Leben lang miteinander konkurrieren und deren Verhältnis von einer toxischen Hassliebe geprägt ist. Erst ganz zum Schluss kommt Licht ins Dunkel und dem von Anfang bis Ende manipulierten Leser wird klar, welche psychologischen Abgründe sich für alle Protagonisten im Lauf der Jahre aufgetan haben. Dennoch scheint das Ende versöhnlich, klar und voller Liebe … oder etwa doch nicht?

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Veröffentlicht am 04.10.2021

Exzellenter Thriller um Phagen, Antibiotika, multiresistente Keime ... und einen Ziegenfisch?

Probe 12
14

Nun, bei Actionfilmen fragt man sich oftmals, warum eigentlich bekommen die das in Hollywood so gut hin und wir hier nicht. Bei Büchern im Genre „Thriller“ war das früher vielleicht einmal ebenso, mittlerweile ...

Nun, bei Actionfilmen fragt man sich oftmals, warum eigentlich bekommen die das in Hollywood so gut hin und wir hier nicht. Bei Büchern im Genre „Thriller“ war das früher vielleicht einmal ebenso, mittlerweile aber stellt sich diese Frage nicht mehr. Inzwischen haben wir eine ganze Reihe von talentierten und großartigen Autor:innen, die mit David Baldacci, Tom Clancy, James Rollins, Frederick Forsyth, Stephen King, Robert Ludlum, Dan Brown, um nur einige dieser Thriller-Größen zu nennen, durchaus mithalten können. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Duo Kathrin Lange und Susanne Thiele, das mit „Probe 12“ einen hervorragenden und klug inszenierten Wissenschaftsthriller geschrieben hat, der bei der allgemein wohl-bekannten und gefährlichen Bedrohung des seit nunmehr zwei Jahren allgegenwärtigen Covid-19 und von MRSA-Keimen auf den Intensivstationen nahezu aller Krankenhäusern dieser Welt an Aktualität kaum zu überbieten ist. Von der ersten Zeile des Prologs bis zur letzten im fulminanten Showdown des Buches wird der Leser in den Bann der charismatischen und charakterstarken Protagonisten des Thrillers gezogen und an keiner einzigen Stelle läuft der Plot hierbei Gefahr hektisch, langatmig oder undurchdacht zu wirken. „Probe 12“ bietet über 496 Seiten hinweg packende Spannung und Unterhaltung pur und ist darüber hinaus beim Thema „Einsatz von Phagen gegen Bakterien und multiresistente Keime“ wissenschaftlich fundiert und überaus informativ – ein Glossar am Ende des Buches zu den verwendeten Fachbegriffen sowie ein Abschnitt zu weiterführender Literatur unterstreichen dies nochmals auf eindrucksvolle Art und Weise; zusätzlich wird dort im Nachwort eingeordnet, wo es sich im Thriller um Realität oder Fiktion handelt.

Worum geht‘s? - Der Thriller beginnt mit einer Reihe von unterschiedlichen Handlungssträngen, die im Laufe des Romans zunächst erst einmal etwas stärker verwoben und im zweiten Teil des Buches dann schlüssig zusammengeführt werden. Zum einen ist da Professor Georgy Anasias, der zusammen mit seiner Assistentin Maren in Georgiens Hauptstadt Tiflis Phagen-Forschung betreibt. Phagen sind spezielle Viren, mit denen man beispielsweise multi-resistente Keime bekämpfen kann. Nina, Georgys Ziehtochter und inzwischen Wissenschaftsjournalistin in Deutschland, kommt nach Tiflis, um die beiden anlässlich ihrer jüngsten Forschungsergebnisse zu besuchen. Protagonisten einer weiteren Handlungsebene sind der ehemals links-radikale Foodhunter Tom Morell und seine Noch-Ehefrau Isabelle, deren an Mukoviszidose leidende Tochter Sylvie in der Berliner Charité behandelt wird; nahezu unheilbar krank wurde Sylvie allerdings durch einen multi-resistenten Keim, den tragischerweise ausgerechnet ihr Vater von einer Reise nach Indien eingeschleppt hat. Zweifellos ist Sylvie der herzzerreißende, dramatische Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, bei der letztlich nur noch der Einsatz eben jener Phagen aus Tiflis über Leben und Tod entscheiden wird. Ein dritter Handlungsstrang wird um die Kommissarin Christina Voss und ihr Team gesponnen, das herausfinden muss, was die „Pandemic Fighters“-Bewegung, die u.a. für den Einsatz von Phagen wirbt, mit der kriminellen „Prometheus“-Organisation, die vermutlich für Vergiftungen in Krankenhäusern und Altenheimen verantwortlich ist und äußerst verdächtige Flugblätter in Umlauf bringt, zu tun hat. Ferner ist auf einer weiteren Handlungsebene unklar, wie Lobbyisten, Politiker und ein paar reiche Persönlichkeiten in das Geschehen verstrickt sind. Und zu guter Letzt ist dann auch noch ein anfangs zwei-, später drei-köpfiges russisches Killerkommando unterwegs, um jede Menge Unheil anzurichten. Ein vielschichtiger Wettlauf um das „Allheilmittel“ Phagen beginnt, bei dem jeder seine ganz eigenen Interessen verfolgt und manch einer seinen individuellen, zumeist finanziellen Vorteil daraus ziehen möchte.

Der Schreibstil der beiden Autorinnen ist unkompliziert, flüssig und sehr flott. Der Plot ist in drei Teile und diese wiederum in mehrere Kapitel unterteilt, von denen jedes mehrere Abschnitte enthält. Immer, wenn von einer Handlungsebene auf die nächste gewechselt wird, endet der Abschnitt mit einem Cliffhanger, wodurch ein gewaltiger Spannungsbogen aufgebaut wird und der Leser das Buch selbst zu später Nachtstunde nur schwerlich aus der Hand legen kann. Alle Hauptcharaktere des Buches wurden optimal gewählt und erfüllen perfekt die ihnen zugedachte Rolle.

Fazit: "Probe 12" ist ein großartiger Roman, erfrischend und spannend vom Anfang bis zum Ende. Alles, was man an einem Thriller schätzt und lesen möchte, kommt darin vor - jede Menge interessanter Protagonisten, vielschichtige Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen ihnen, gespickt mit allerlei unerwarteten Entwicklungen und Wendungen; kurz gesagt enthält „Probe 12“ alles, worauf es bei diesem Genre ankommt: Thrill, Action, Drama, Wissenschaft, Dynamik, Aktualität, wirtschaftliche und politische Verstrickungen, zwiespältige Lobbyarbeit, …, bis sogar hin zu einer Liebesbeziehung. All dies garantiert Unterhaltung und Spannung pur. Die Story hält in diesem Fall sehr beeindruckend, was das höchst-interessant gestaltete Buchcover verspricht. Für mich persönlich ist „Probe 12“ mit seinen vielschichtigen Handlungssträngen und seinem realen Bezug ein wirklich brillanter und außergewöhnlich authentischer Pageturner, bei dem sich der Leser durchweg zusammen mit den jeweiligen Protagonisten durch die verschiedenen Handlungsstränge bewegt, und der den Vergleich mit Größen dieses Genres keineswegs scheuen muss. Obwohl der Roman in sich komplett abgeschlossen ist, lässt das gleich auf mehreren Ebenen offene Ende den faszinierten Leser darauf hoffen, dass „Probe 12“ nur den Auftakt zu einer interessanten Serie darstellt, den die beiden Autorinnen mit weiteren, ebenso spannenden Thrillern fortsetzen könnten. Das Potenzial dazu scheint in jeglicher Hinsicht durchaus gegeben.

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