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Michelle_Yolanda

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Veröffentlicht am 13.02.2021

Packende Fortsetzung

Abaddons Tor
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Vor über einem Jahr hatte ich die Reihe mit dem zweiten Band fortgesetzt, welcher mich begeisterte und Lust auf den nächsten Band hervorbrachte, zu welchem ich seltsamerweise aber erst jetzt in die Hand ...

Vor über einem Jahr hatte ich die Reihe mit dem zweiten Band fortgesetzt, welcher mich begeisterte und Lust auf den nächsten Band hervorbrachte, zu welchem ich seltsamerweise aber erst jetzt in die Hand nahm. Daher war mein Bild einiger Charakteren leider nicht mehr so klar, wie ich es mir gewünscht hätte.

Das Protomolekül ist kein abgeschlossenes Problem der Vergangenheit. Es sorgt der von ihm geschaffene Ring – ein mysteriöses Konstrukt, welches ein Tor zu einer anderen Welt sein könnte – für neue zwischenmenschliche Konflikte, in die unweigerlich auch die Crew der Rosinante gerät. Doch ist sie nicht die Einzige, die sich auf den Weg zu jenem ungelösten und womöglich tödlichen Gebilde macht. Das Zusammentreffen verschiedenster Meinungen und Vorstellungen diverser Fraktionen, welche nicht alle auf einer Seite stehen, lässt die Gefahr des Protomoleküls zu einem Hintergrundproblem. Zudem sind nicht alle begeistert von Holdens vergangenen Handlungen und ist Rache entscheidender als alles andere.

Wie auch die vorherigen Bände trägt dieser den Aufbau des Einstieges mittels einer fremden Figur, die in Kontakt mit der anderen Lebensform kommt und vor den letzten Augenblicken ihr Lebens schwebt, gefolgt von Kapiteln mit Holden und neuen Charakteren, wobei schlussendlich allesamt aufeinander treffen und es dieses Mal wesentlich schneller geschieht als im zweiten Band, was positiv hervorzuheben ist. Kleine Anmerkungen der letzten Geschehnisse lassen einen nicht ohne Plan zurück und helfen durchaus einen leichten Eintritt in eine spannende Handlung zu schaffen.

Es ist erstaunlich, wie gut die beiden Autoren einen flüssigen Schreibstil gemeinsam geschaffen haben und auf welche Art die Erzählung aus erster Person von verschiedenen Figuren mehrere, konträre Perspektiven auf teils gleiche Situationen und Settings gibt. All die vielen, gewissermaßen neuen Charaktere führen jedoch dazu, zumindest wenn man sich nicht schnell mit ihnen anfreunden oder identifizieren kann und keinen tieferen Blick für sie bekommt, dass man zu Holdens Sicht zurück möchte. So legt man das Buch weniger oft aus der Hand, nur um wieder zu ihm und der Crew der Rosinante zu kommen, da sie eine feste Konstante in den Büchern sind und man mittlerweile sehr vertraut mit den Mitgliedern ist, ohne jedoch alles offenbart zu bekommen. Eben jene kleinen Hintergrundinformationen, auf welche angespielt wird, machen sie derart interessant – es gibt einen Grund, weshalb sie als fähige Menschen alle auf Canterbury gelandet sind. Sie alle sind verschieden, und dennoch spürt man das blinde Vertrauen unter ihnen. Es werden keine weiteren Fragen gestellt oder man gibt sich mit den geäußerten Details zufrieden. Trotz dass Holden, Naomi, Amos und Alex nicht oft in Erscheinung treten, so werden ihre Beziehungen untereinander durch Szenen, Reaktionen und Momente mit minimalen, aber bedeutenden Details ausgearbeitet. Sie fungieren als tief verbundene Crew, die jedoch durch Geschichten der Vergangenheit, welche durch äußere Einflüsse beinahe ans Licht geholt werden, zerreißen könnte, sodass man umso mehr Weiteres erfahren möchte. Ein kleiner Funken könnte ein Feuer entfachen, das leicht ihre Bindung verbrennen könnte.

Das Auftreten von Miller gegenüber Holden lässt die Frage zwischen Realität und Halluzination zu Beginn aufkommen, die auf faszinierende Weise mit wundervollen Vergleichen und Erklärungen beantwortet wird. Im Allgemeinen möchte man all die Vorgänge in Holden und um seine Person sehen, vor allem da er in engste Kommunikation mit dem Protomolekül tritt, wobei sich Dinge immensen Ausmaßes eröffnen. Das Autorenpaar schafft es wahrlich gut Menschen an sich und untereinander darzustellen, indem alte Charaktere nicht in Vergessenheit geraten, Dialoge realistisch mit Nebenbemerkungen, die in passenden Momenten Humor tragen, und sich unterbrechenden Menschen gestaltet sind, wodurch manche das Gefühl bekommen, nicht wichtig zu sein. Zudem sind die Charaktere konstant in ihrer Wesensnatur und stellen verschiedene Vorstellungen von Richtig und Falsch dar. Des Weiteren empfinde ich die Ehrlichkeit zum Wesen der Menschen, zu ihren Kehrseiten, zu Gefühlen wie Angst gegen die man nicht ankämpft und offene Schwächen sehr erfrischend. Der blinde Wahn oder Wille der Menschen den Helden zu spielen als auch ihre Differenzen untereinander zeigen mehr, dass diese Reihe bisher vielmehr eine Geschichte der Menschheit mit ihren Konflikten, eine Darstellung ihres typischen Charakters, als jene einer Alieninvasion ist. Was ist tatsächlich das Böse? Gibt es einen richtigen Weg?

Holden spielt mit dem Gedanken, ob es all die Entscheidungen wirklich wert waren oder es nicht besser wäre, wenn er und die Crew nicht höher und höher gestiegen wären, wenn sie weiterhin nur Güter transportieren würden. Dies verdeutlicht umso mehr, was in den letzten Bänden geschehen ist und wie sehr sich die Welt und Politik auf natürliche Weise verändert haben, welche Bedeutung Missverständnisse haben können. Es sind die Fehler, die Figuren besonders nachvollziehbar machen, wie beispielsweise die Selbsterkenntnis von Holden, sich selbst für das Größte und Wichtigste zu halten, dass er Selbsthass verspürt, weil er oft dachte der Schlüssel zu allem zu sein, der Auserwählte, dass es offene Mangel in seiner Persönlichkeit gibt und Naomi nicht das notwendige Element oder Mittel zum Zweck für eine unvermeidbare Liebesgeschichte ist, sondern Holdens Moralkompass. Der neue Charakter Anna scheint anfangs nur ein schlichter Mensch zu sein, der nicht ganz in die Geschichte passen könnte, als wäre sie ohne Zweck, weil sie keine Rachepläne hegt, kein Schiff retten oder erobern möchte oder die keine wichtige Stellung innehält, doch genau ihre Einfachheit kann dazu führen, dass man sich mit ihr identifizieren könnte. Ihre Fragen zum Protomolekül erzeugen neue Ebenen und tragen grundlegend zu einer anderen Sicht bei.

Jeder Charakter fühlt sich natürlich und wichtig in seiner Position als auch in Verbindung mit der Handlung an, denn obwohl jemand eine einfache Person sein kann, weder herausragend noch unsichtbar, weder von großer Intelligenz noch Dummheit, so kann er dennoch eine große Auswirkung haben oder ein simpler Orientierungspunkt für den Leser sein.

Doch sosehr ich die tiefgründigen Darstellungen vieler Figuren mochte, so hatte ich dennoch meine Probleme mit den neueren und nicht nur weil ich miserabel bezüglich des Merkens von Namen aus vorherigen Bänden bin, weshalb gewisse, unerwartete Tode wichtiger Handlungsträger leider eine geringere Auswirkung für mich hatten. Sondern gleichen sie sich in mancher Hinsicht mit Figuren aus vorherigen Bänden und wirken deshalb weniger anregend. Vielleicht ist man auch nicht gerne bereit aufs wiederholte Mal neue Menschen kennenzulernen, mit welchen man erst nach zu langer Zeit warm wird, auch wenn sie bedeutend für die Geschichte sind, aber dann wieder im nächsten Band mit Abwesenheit glänzen. Neben Anna gibt es Bull, durch welchen die Unterschiede und Vorurteile der Menschen noch einmal unterstrichen werden und welcher einen starken Willen hat, denn braucht man stets jemanden, der im Hintergrund die Fäden zieht. Wie gerne ich ihn schon früher genauer begegnet wäre. Als richtige Antagonistin steht Melba Holden gegenüber, doch hat sie mich zu keinem Zeitpunkt angesprochen, auch nicht zum Ende hin. So wenig sie sich selbst kennt, so wenig kennt man sie gefühlt als Leser. Obwohl die neuen Figuren Potential haben, hat es mich nicht sonderlich gekümmert, was mit ihnen geschehen ist. Außerdem bringen Anna und Melba nicht wenige Szenen, die von großen Zufällen sprechen, was man schnell vergessen kann, wenn man sich im Fluss der Geschichte befindet. Vielleicht wäre es gut, würden etablierte Charaktere wie Bobbie nicht nach einem Buch verschwinden und weniger neue kämen hinzu.

Zusammenfassend ist es ein überaus gelungener Fortgang der Reihe, nach welchem man augenblicklich mehr lesen möchte, da er schlichtweg gut geschrieben ist und das Ende ebenso wie Anspielungen innerhalb der Geschichte einen Ausblick auf all das geben, was kommen könnte, wie groß das Universum sein mag. Hoffentlich bekommt man mehr zum Protomolekül und alt bekannte Charaktere zu sehen.

Veröffentlicht am 13.02.2021

Vielseitiger, gelungener Auftakt

Das Lied des Blutes
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Auf der Suche nach einem Hörbuch bin ich auf dieses Buch gestoßen, wobei ich für viele Stunden meinte, die Draconis-Memoria-Reihe gewählt zu haben und sich dezente Verwirrung einschlich, wie Drachen ein ...

Auf der Suche nach einem Hörbuch bin ich auf dieses Buch gestoßen, wobei ich für viele Stunden meinte, die Draconis-Memoria-Reihe gewählt zu haben und sich dezente Verwirrung einschlich, wie Drachen ein Teil dieser Geschichte werden könnten. Dennoch wurde ich von diesem Auftakt nicht enttäuscht und bin ich froh, an diese Reihe geraten zu sein.

Vaelin Al Sorna – der Hoffnungstöter, der Rabenschatten, die Dunkelklinge. Viele Namen ranken sich um diesen berühmten Kämpfer. Er ist ein Krieger und nun Gefangener, der kurz vor einem Kampf auf Leben und Tod steht. Vieles hat er in seinen noch jungen Jahren erlebt. Es war ein Leben aus Herausforderungen, Fehlern, Kriegen, Glauben, Freundschaft, Verrat und Hoffnung. Die Geschichte seines Lebens erzählt er in seinen vermeintlich letzten Stunden.

Als Leser wird man in eine teils langsame und recht ausführliche Geschichte des Protagonisten Vaelin geführt, doch ist es durchaus keine Erzählung, die Langeweile aufbringt. Vaelin selbst erzählt in der Ich-Perspektive die Wahrheit hinter seiner Legende, beginnend mit seinen jüngsten Jahren und dem Eintritt in den Orden, der sein Leben grundlegend verändern wird. Mittels der Darstellung verschiedenster Etappen seiner Lebensgeschichte erfährt man zunehmend, durch welche Geschehnisse sein Wesen geprägt wurde, wie es sich in all den Jahren in Verbindung mit zahlreichen Opfern verändert hat und weshalb aus dem kleinen unschuldigen Jungen ein gefürchteter und von anderen verehrter Krieger geworden ist. Es eine Entwicklung des Zusammenspiels aus Freundschaften und Feindschaften, aus Höhen und Tiefen des gesellschaftlichen und politischen Spiels. Aufgrund des Blicks in die Gegenwart, welcher den Anfang und das Ende als auch Pausen zwischen den Teilen des Buches bildet, wird das Interesse an Vaelins Werdegang geweckt, vor allem in Hinblick auf den Kontrast seines Charakters aus weiter Vergangenheit und der Gegenwart.

Auf eine für dieses Genre typische Art lernt man die Welt Vaelins in Form seiner Ordensausbildung kennen. Doch obschon dieses Mittel äußerst redundant in Büchern Anwendung findet, so ist es hierbei ein gelungener Weg zum Einstieg und gleicht es keiner eintönigen Wiederholung anderer Werke. Das Leben im sechsten Orden, welcher im Namen des Glaubens Krieger ausbildet, und die Prüfungen lassen früh den Ernst des Lebens und die bedrohenden Gefahren spüren. Jeden kann es treffen. Wem kann man vertrauen? Welche Menschen kennt man wahrhaftig?

Vaelin trifft auf viele Figuren, welche sich allesamt homogen einfügen und vielfältig in ihren Darstellungen und Eigenschaften sind, wobei ich trotz der differenzierenden Besonderheiten in Teilen den Überblick über die zahlreichen Charaktere verloren habe, was jedoch größtenteils in meinem Problem mit Namen begründet liegt. Teils wünscht man sich mehr Details, doch ist es nicht ihre Geschichte, die erzählt wird, und geben sie zumeist der Welt dennoch mehr Größe und Fülle, ohne an Bedeutung innerhalb der Massen zu verlieren, ohne entwicklungslos zu bleiben. Und dennoch hat es leider keine Figur geschafft, mich emotional mitzureißen, obschon es eine große Auswahl an Persönlichkeiten gibt, der gelungene Flashback die Charaktere näher bringt und der Schreibstil ihnen Leben einhaucht.

Mit dem Fortschreiten der Handlungen offenbaren sich zunehmend größere Verstrickungen im Hintergrund, jedoch ohne zu komplexer Überwältigung anzuwachsen, und schleicht sich eine dezente, aber an Bedeutung zunehmende, fühlbare Bedrohung an, welche sich auf verschiedenste Weise abzeichnet. Zudem tritt das Element der dunklen Gabe ans Licht, welche Vaelin selbst über all die Jahre und unterschiedlichsten Begegnungen kennen, manchmal fürchten oder lieben lernt. Im Allgemeinen führt die Erwähnung der Auswirkungen und Formen dieser übernatürlichen Gabe dazu, dass man mehr diesbezüglich erfahren möchte.

Dennoch gibt es Momente, die einen nicht mitreißen und das Buch problemlos pausieren lassen, was durchaus keine schlechte Eigenschaft sein muss. Wiederum haben mich besonders die letzten Seiten aufgrund vieler spannender Szenen mitgerissen, zumal Vaelin in jenem Teil des Buches viele Geheimnisse in sich trägt, die schlussendlich in unerwarteten Drehpunkten enden. Vaelin an sich ist ein durchaus interessanter Charakter, der eine treffende Wahl als Erzähler gewesen ist, doch überwiegend die letzten Darstellungen seiner Zeit während eines Krieges, als sich sein Ruf als grausamer Anführer manifestiert hat, führen zu einem leicht widersprüchlichen Verhältnis aus Beschreibungen und Taten, denn trotz seiner blutigen und auch erbarmungslosen Schritte, die seine Erinnerungen durchziehen und Reue, Zweifel in ihm hervorrufen, fühlt man es nicht in seinem Charakter, da man weiß, dass er ein gutes Wesen besitzt, das Opfer aus notwendigen Entscheidungen und Pflichterfüllungen wurde.

Zusammenfassend handelt es sich um einen zutiefst gelungenen Debütroman, wie man ihn nur selten bekommt. Es ist ein Auftakt, zu welchem man immer wieder mit seiner soliden, vielseitigen, atmosphärischen und in Teilen dunklen Handlung greifen kann, wenn man ein gutes Buch lesen möchte, ohne anschließend die Fragmente seiner Gefühle einsammeln zu müssen oder sich in erdrückenden Intrigen oder allzu komplexen Strukturen wiederzufinden. Vaelins Geschichte ist noch nicht beendet, obwohl dieser erste Band ebenso als Einzelband bestehen könnte, und blicke ich mit Freude auf den zweiten Band und die Entwicklung des Erzähl- ebenso wie Schreibstils des Autors.

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Veröffentlicht am 15.02.2020

Hass anstelle von Liebe, anders als der Auftakt

Days of Blood and Starlight
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Vor mittlerweile vielen Jahren hatte ich den zweiten Band gelesen, doch ist er mir nie so sehr in guter Erinnerung geblieben wie der erste. Nun ist mir der Grund dessen bewusst geworden.

Das Brechen ...

Vor mittlerweile vielen Jahren hatte ich den zweiten Band gelesen, doch ist er mir nie so sehr in guter Erinnerung geblieben wie der erste. Nun ist mir der Grund dessen bewusst geworden.

Das Brechen des kleinen, unscheinbar wirkenden Wunschknochens veränderte komplett Karous Welt. Aus dem Dasein mit Akiva in Liebe, gerät sie in einen Krieg, der das Ende von all jenem sein könnte, das sie einst liebte und an was sie sich nun endlich mit Schmerz erinnern kann. Langsam bemerkt sie, dass die gute der dunklen und feindlichen Seite doch nicht zu unähnlich in ihren Mitteln ist und zweifelt an ihren Entscheidung, ihrem Volk zu helfen, sich an den Seraphim zu rächen. Währenddessen verändern sich ebenfalls die Sichten von einzelnen Kämpfern der Seraphim, im Kampf um ein Ende des endlosen, grausamen Krieges.

Wie auch im ersten Band ist ein wundervoller mit vielen schönen Metaphern und Vergleichen gefüllter Schreibstil vorzufinden, welcher etwas anderes und einen ganz eigenen Humor hat, und mich vor allem an die Geschichte fesselt, mich beim Lesen gefangen hält. Laini Taylor schafft es eine einzigartige Atmosphäre mit kleinsten Worten innerhalb eines Augenblicks zu weben. Während der erste Band vor allem Liebe spürbar macht, ist es nun das Gegenteil, sodass ein gelungener Kontrast zwischen Schönheit und Hässlichkeit entsteht. Atemberaubende Landschaften des nun mehr im Vordergrund stehenden Eretz und dem gegenüber die Auswirkungen eines ewigen und grausamen Krieges. In der Gesamtheit erzählt das Buch von der absolut unschönen Seite des Krieges, der damit verbundenen, harschen Brutalität, der Gnadenlosigkeit, der Folter. Es ist das Gegenspiel zur Liebe, anknüpfend an die letzten Momente des Auftaktes: tiefreichender Hass und seine intensiven, schmerzvollen Folgen. Auch wenn der erste Band schon negative Emotionen und Trauer behandelt, so ist dieser eine weitere Steigerung. Manchmal kann eine einzige Tat alles zerstören und ist nicht mehr rückgängig zu machen, manchmal reißen Schuld, Misstrauen und Verrat zu tiefe Wunden, als dass diese vergeben würden und heilen könnten. Insgesamt trifft man auf eine Welt, die nicht am Anfang eines Krieges steht, sondern schon von diesem zerstört ist. Sie ist nicht in ihrer Blüte, sondern man hört größtenteils nur von ihrer einseitigen Schönheit oder sieht kleinste, übriggebliebene Fetzen, die in Flammen aufgehen. Trotz dessen fehlen einzelne Komponenten, um diese Welt wahrhaftig fühlbar zu machen, vielleicht liegt es an dem Aspekt, dass es ein vollkommen anderes Land als das unsere mit all den fremden Wesen ist und ich mir noch mehr Beschreibungen wünschte, um alle fantastischen Details wahrnehmen zu können, aber schlussendlich ist nicht nur die Umgebung das Entscheidende, wobei Hinweise auf Inhalte des nächsten Bandes das Interesse weiter halten und mich zum Finale greifen lassen möchten.

Nach all den Jahren mit verschiedensten Magiesystemen ist jenes von Taylor immer noch eines, das ich bisher kein zweites Mal gesehen habe, vor allem die Idee der Zähne und erschaffenen Körper fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Genau diese Magie lernt Karou auf unangenehmstem Wege kennen und dabei erlebt man das Aufeinandertreffen zweier Welten, die unterschiedlicher und gleichzeitig ähnlicher nicht sein könnten. Doch umso mehr sie diese Magie, welche sie mit bestimmten Personen verbindet, anwendet, desto stärker werden ihre nicht grundlosen Zweifel der Richtigkeit ihres Tuns und spürt man zunehmen die Ausweglosigkeit ihrer Lage, während sie sich selbst immer fremder wird. An sich bleibt sie weiterhin ein für mich sehr interessanter Charakter, gezeichnet vom Schmerz und dessen physische als auch schlussendlich psychischen Auswirkungen. Sie ist ein Teil der harmonischen Gestaltung vielseitiger Charaktere, wobei das Potential mancher eventuell verschenkt wurde. So habe ich von Thiago beispielsweise etwas mehr erwartet nach den Beschreibungen und Handlungen der Vergangenheit. Von Karou könnte ich viele Geschichten lesen, auch wenn sie in diesem Band trotz ihrer negativen Seiten und Fehler etwas sehr perfekt wirkt, doch störe ich mich nicht an ihrer intensiv hervorgehobenen, mysteriösen Aura vor allem zu Beginn des Buches. Sie hat eine Art an sich, die sich von anderen literarischen Figuren entscheidet und damit spannend macht, zumal man immer mehr Einblicke in ihr Inneres erlangt.

Jedoch stört es mich bei diesem Band zutiefst, wie ahnungslos viele Charaktere sind. So breitgefächert ihre Persönlichkeiten auch sind, es lenkt nicht davon ab, dass sie von zu vielen Situation und plötzlichen Wendungen überrascht werden, obwohl die Erfahrungen der Vergangenheit etwas anderes hätten erahnen lassen können und Überraschungen teilweise keine wirklichen sind. Dies ist überwiegend bei Karou und Akiva zu betrachten, obschon es auch ein Zeichen ihrer Verzweiflung sein könnte.

Besonders hervorstechend für mich ist die Erkenntnis bezüglich des Krieges, die viel zu selten angesprochen wird, nämlich dass das erdachte Ende keines ist, sondern nur der Anreiz für mehr und mehr endlose Gewalt einer anhaltenden und vernichtenden Ideologie sein kann, was man in dem drastisch, in kürzester Zeit ansteigenden Terror sehen kann nach all den Jahrhunderten des Krieges, was sogar Karou auffällt, sodass es nicht nur eine Ungereimtheit für den Leser ist. Hierbei ist es noch kein Kampf, welcher bei der Lösung des Problems hübsch endet.

Resümierend habe ich den Fortgang der Geschichte genossen und bin immer noch erstaunt, wie tief sich die Geschichte schon beim ersten Mal in meine Erinnerungen eingebrannt hat, ohne die Freude und gleichzeitig Angst vor der weiteren Reise der Figuren zu nehmen. Es ist mir ein Rätsel, wie ich nicht sofort zum dritten Band hatte greifen können. Die Fortsetzung kommt für mich nicht an den ersten Teil heran, vor allem wegen des ahnungslosen Handelns von Karou und Akiva und da ich nicht so sehr mitgerissen wurde, aber ist sie dennoch solide mit vielen interessanten Aspekten und Merkmalen, die ich schon im Auftakt sehr genießen konnte. Beim aufmerksamen Lesen mag man vielleicht die Anspielungen auf Witze des Vorgängers bemerken und lassen sich viele berückende Worte zur Seele und dem Leben finden. Ich frage mich, ob ich mir wahrlich die emotionale Tortour des Finales antun möchte, sofern es eine wird.

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Veröffentlicht am 08.05.2019

Solider, atmosphärischer Auftakt

Codex Alera 1
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Schon lange Zeit hatte ich dieses Buch in meinem Bücherregal stehen, doch erst als mich eine Freundin darauf ansprach, da ihr das Buch empfehlen wurde, nahm ich es auch wirklich zur Hand. Bereut habe ich ...

Schon lange Zeit hatte ich dieses Buch in meinem Bücherregal stehen, doch erst als mich eine Freundin darauf ansprach, da ihr das Buch empfehlen wurde, nahm ich es auch wirklich zur Hand. Bereut habe ich es definitiv nicht, meine Aufmerksamkeit diesem wunderbaren Auftakt gewidmet zu haben.

Das Reich Alera ist das größte und mächtigste Land, geprägt durch Hierarchie, die eingesetzten Kräfte durch die Elementare und bedroht von den wilden Völkern außerhalb der Grenzen. Intrigen werden gegen den Herrscher geschmiedet und die Glut eines Konfliktes mit den als besiegt gemeinten Marat lodert wieder auf. Der junge Tavi, anders als seine Mitmenschen ohne zumindest einen Elementar trotz seines Alters lebend, gerät mitten in den Kampf, als sich die Lage im Calderon-Tal, seiner Heimat und die Verbindung zu dem Land der Marat, zuspitzt.

Entstanden aus einer Wette ist eine sehr gut gelungene Verschmelzung der Themen Pokémon und Römischer Legionen. Einerseits ähnelt das Königreich Alera dem Römischen Reich und andererseits sind die Elementare eine Art Weiterentwicklung von Pokémons. Besonders sie haben mich in diesem Buch fasziniert, denn gestalten sich hierbei Kräfte nicht aus der bloßen Kontrolle von Elementen heraus, sondern entspringen der Verbindung mit einem Elementar als eigene Wesen, welche verschiedenste Wirkungsweisen besitzen und es schier unzählige Möglichkeiten trotz der lediglich sechs bestehenden Elemente – Erde, Feuer, Wasser Wind, Metall und Holz – als Ausgangspunkte gibt. Etwas irritierend ist jedoch, ob die Wirkung eines Elementars nach dem Tod seines Wirkers und dessen zuvor erteilten Willens endet oder weiterhin bestehen bleibt, denn meine ich, dass die Beschreibungen zu Beginn und im späteren Verlauf des Buches nicht übereinstimmen. Wahrscheinlich ist es abhängig von der Stärke des Wirkers und ich würde es als keinen sonderlichen Kritikpunkt ansehen.

Ebenso faszinierend sind die sich voneinander stark differenzierenden Völker im Sinne gewisser Charakteristika, Erscheinungsbilder, Traditionen und Glaubensrichtungen. Bisher werden nur die Marat näher vorgestellt, jedoch auch mit Komplexität innerhalb ihres Volkes, und bin ich persönlich gespannt auf die folgenden Bände mit eventueller Begegnung anderer Wesen. Butcher löste ebenfalls geschickt das Problem der Kommunikation, indem er Aleranisch als Handelssprache für die Marat erklärte, welche somit der Sprache mächtig sein können, wobei es mich wundert, weshalb ein junger Marat namens Kitai ganz normal und besser als die Älteren Aleranisch sprechen kann, vor allem der Clanhäuptling, welcher diese flüssig sprechen können müsste, außer es verbirgt sich eine tiefgehendere, andere Geschichte dahinter.

In einem sehr angenehm und flüssig zu lesenden Schreibstil begleitet der Leser die Charaktere in perfekt abgestimmten, wechselnden Erzählsichten. Dabei treten Wiederholungen zur Betonung oder Untermalung bestimmter Hinweise auf, die teils störend sein können, da sie einen offensichtlichen Verlauf der Geschichte weisen, sodass jene Dinge schnell entdeckt werden, die vom Leser entdeckt werden sollen, aber dennoch ist diese Lektüre zugleich unvorhersehbar und weckt mit ihren Anspielungen auf mehrere Wendungen Vorfreude auf den nächsten Band. Prägend sind die typischen Handlungsverläufe bezüglich Gefangenschaft, Hilfe, Verrat und Rache in Verbindung mit der sturen Ignoranz und Blindheit der Figuren vor der eigentlichen Gefahr und den ernsten Tatsachen, gefangen in den eigenen Vorstellungen, doch genau diese Merkmale ziehen einen tiefer in das Buch, da es allzu realistische und nachvollziehbare Züge der Menschen und Psyche sind. Im Allgemeinen trumpfen die Charaktere, unabhängig auf welcher Seite man sie finden kann, indem sie vielseitig und nicht blass gezeichnet sind. Schade ist es nur, wenn ein besonders nerviger und die Augen verschließender Charakter entwickelt wird, um später eine Handlung hervorzubringen, die nicht unbedingt notwendig ist, und wenn Aspekte beziehungsweise Gefühlsregungen in einem Moment unglaublich wichtig sind und sich dann urplötzlich in Luft auflösen, wie Beispiel der Tod von Menschen oder Tavis Stimmungstief, das erschütternde Zerbrechen seines Traumes. Eine interessante Art der Beschreibung ist die Entwicklung einer Liebesbeziehung, welche mehr durch andere Personen und deren Eindrücke beschrieben wird denn durch aus spürbarer Anziehung bei Handlungen aus Sicht der Figuren, sodass ihre Anziehung plötzlich da, aber durchaus nachvollziehbar ist.

An sich ist es eine überaus spannende Erzählung mit unfassbar gut geschriebenen epischen Szenen und atmosphärischen Kämpfen, sodass man tatsächlich das Gefühl bekommt, in einem Sturm zu stehen und sich Kälte über den eigenen Rücken zieht. Aus dunklen Szenen wird man mit herrlichem Sarkasmus herausgeholt, welcher dem Buch einen bestimmten Charakter verleiht in Verbindung mit ebenfalls gern benutzen Flachwitzen. Manchmal konnte meine Ader des Humors jedoch nicht gerührt werden und empfand ich ab und zu die Auflockerung einer Szene als eher unpassend.

Im Großen und Ganzen genoss ich dieses Buch sehr und es hat mich durchaus vorfreudig auf den zweiten Band gemacht. Es gab mehrere negative Aspekte, die jedoch weniger störend sind als meine Worte den Anschein haben. Im Gegenteil, alles fügt sich zu einem wundervollen Werk zusammen, welcher klassisch mit dem Schließen des Rahmens beendet wird und einem bewusst macht, wie harmlos und irrelevant viele Geschichten beginnen, welche traurigen Gefühle aufkommen können, wenn man sich an den Anfang erinnert und welche Verluste erlitten wurden, wie viel sich im Leben eigentlich ändern kann, wie das eigene Leben durch die Handlungen einzelner, mächtiger Persönlichkeiten verändert wird. Die Wette Jim Butchers war die Basis einer fantastischen Welt.

Veröffentlicht am 13.04.2019

Solide Fortsetzung

Calibans Krieg
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Der Auftakt der Expanse-Reihe hatte mich mit Begeisterung zurückgelassen, doch wie immer zögerte ich eine lange Zeit, bis ich zu seiner Fortsetzung griff, denn aus meiner Erfahrung heraus sind die Chancen ...

Der Auftakt der Expanse-Reihe hatte mich mit Begeisterung zurückgelassen, doch wie immer zögerte ich eine lange Zeit, bis ich zu seiner Fortsetzung griff, denn aus meiner Erfahrung heraus sind die Chancen groß, dass der zweite Band eine derbe Enttäuschung ist. Hierbei hatte ich dann zwar genauso viel Freude wie mit dem ersten Band, dennoch war die Fortsetzung etwas schwächer.

Durch reines Glück konnte die Bedrohung des Sonnensystems eliminiert oder zumindest aufgehalten werden. Vieles hat sich seit den Ereignissen auf und rund um Io geändert – in der Politik, Gesellschaft und für James Holden und seine Mannschaft. Die vermeintlich endgültige Lösung des Problems scheint noch längst nicht gefunden zu sein, denn einerseits gibt die außerirdische Existenz keine Ruhe auf der Venus und andererseits scheint es, als würde das Protomolekül vernichtend von den Menschen eingesetzt werden. Die Spannung zwischen der Erde und dem Mars wird umso größer, als eine neuartige Form des Protomoleküls auf dem wichtigen Mond Ganymed auftaucht und in Folge dessen der Konflikt in einen Krieg auszubrechen droht.

Trotz der längeren Pause zwischen den beiden Büchern ist mir der Einstieg äußerst leicht gefallen aufgrund der Wiederholungen der wichtigsten Fakten zu Ereignissen und Charakteren, die auch bei einem direkten Anschluss an den Auftakt nicht störend wirken würden. Eher erscheinen sie als Teil der Charaktere, die sich gedanklich und vor allem emotional mit den Geschehnissen auseinandersetzen. Herausragend ist hierbei, welche Veränderung Holden durchlebt und welche Konsequenzen dies für seine Handlungen als auch die Beziehungen zu anderen Menschen hat. Allgemein hat es das Autorenpaar erneut geschafft, dass Figuren zu etwas Besonderem werden und sich voneinander abheben. Erreicht wird das Ganze durch die wechselnden Perspektiven, welche je nach Charakter des Menschen einen sich voneinander differenzierenden Schreibstil haben. So wird beispielsweise höhere, gebildetere mit salopper Sprache homogen vermischt. Zuzüglich verbinden sich viele einzelne Ansichten zu einem größeren Bild, das heißt, dass es nicht ausschließlich die subjektive Meinung einer Partei gibt, sondern eine breitgefächerte Darlegung mehrerer Stimmen und Wahrnehmungen, hervorgehend aus ungleichen Ständen und Abstammungen, ebenso anderen Wissensständen und Erfahrungen. So kann man eine spannende Szene aus der Sicht einer damit vollkommen überforderten Person lesen, wodurch eine knisternde Spannung entsteht. Ein wichtiges Thema, das alle Figuren in gewissem Maß beschäftigt, ist die Angst. Die Charaktere tragen innere Kämpfe aus und es schwanken ihre Emotionen. Sie geben ihre Schwäche zu, sprechen über ihre Gefühle und zeigen, dass jeder Mensch einen verletzlichen Kern haben und auch zusammenbrechen kann. Dadurch erscheinen sie realistischer und echter. Eine weitere Note sind kleine Gedanken und Witze, die schlichtweg keine Rolle für die Handlung spielen, aber irgendwann werden sie wieder erwähnt. Es sind diese kleinen, liebevollen und authentischen Details, die den fiktiven Menschen Leben einhauchen.

Die Autoren haben als Leitfaden erneut die Suche nach einer Person als Schlüsselelement der Geschichte, verbunden mit der weiteren Aufdeckung und Entdeckung des Protomoleküls gewählt, was sich schlussendlich leider zu einer Geschichte entwickelt, die länger für den richtigen Anlauf braucht. Dennoch sind es die epischen und atmosphärischen Schlachten und Kämpfe, die einen in das Geschehen mit Faszination hineinziehen. Dabei lieben es die Autoren, dem Leser das Gefühl zu geben, er könne sich in Sicherheit wiegen, nur um letztendlich doch Spielchen mit ihm zu spielen. Zudem haben sie viel herrlichen Sarkasmus in die Erzählung verwoben - nicht selten musste ich über das Wesen der Mannschaft Holdens schmunzeln, das stets „Ernsthaft?“ zu sagen scheint, so oft wie sie die falschen Karten ziehen und in eine nicht unbedingt gewünschte Situation geraten.

Doch manchmal können Wiederholungen zu Merkmalen von Charakteren auch entnervend sein, wenn in gefühlt jeder Szene auf die Körpergröße der neuen und interessanten Figur Bobbie oder Alex‘ gewöhnungsbedürftige, langgezogene Aussprache hingewiesen wird.

Trotz negativer Aspekte ist es eine gelungene Fortsetzung, die die Welt um das besiedelte Sonnensystem und das Protomolekül erweitert und neugierig macht auf einen weiteren Band voller Spannung, Intrigen und Lügen, die mit trockener Ehrlichkeit als Schlussnote abgelöst werden, kleinen Elemente des Horrors, technischen Science-Fiction-Details und Humor, den ich in dieser Art bisher selten in Büchern antraf. Ich bin gespannt, was nun geschehen wird und wie sich die Charaktere, welche man nicht vergessen kann, entwickeln.