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Veröffentlicht am 04.03.2021

Ein verstörendes Buch, das mich etwas ratlos zurücklässt.

All das zu verlieren
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Adèle ist Journalistin, Mutter eines kleinen Kindes, Ehefrau eines Chirurgen und sexsüchtig. Sie redet sich ein, dass sie es geniesst, die Männer zu kontrollieren, sich zu verlieren, ein Doppelleben zu ...

Adèle ist Journalistin, Mutter eines kleinen Kindes, Ehefrau eines Chirurgen und sexsüchtig. Sie redet sich ein, dass sie es geniesst, die Männer zu kontrollieren, sich zu verlieren, ein Doppelleben zu spielen. Die Gründe für dieses teilweise gefährliche und mit der Zeit auch für die Frau extrem belastendes Doppelleben, werden nur angedeutet, lassen aber auf Schlimmes schliessen. Kein Mensch würde sich sonst so ein Leid selbst antun.

Das Buch lebt von den sehr starken, auch expliziten Bildern und vielen bewegenden Aussagen. Das Leiden einer Frau in unserer Gesellschaft, in der das Leben und die Rechte von Frauen für viele immer noch nichts Wert ist, kommt aus dem Text klar heraus. Adele wurde schon immer auf eine menschenverachtende Art und Weise als (Lust-)Objekt betrachtet, so dass sie ihren eigenen weiblichen Körper selbst als ein ihr fremdes Objekt betrachtet, den sie den durchwegs kaputten Männern zur Verfügung stellt. Ja, die Sachen werden im Text beim Namen genannt. Da hilft auch Geld, Ansehen, Intelligenz und eine Familie nichts. Im Gegenteil, um so mehr kann den Bach runtergehen.
Das Buch war für mich harte Kost, da es auf seine Art unglaublich brutal ist. Nur für Erwachsene.

Fazit: Bedingte Leseempfehlung, da schonungslos und brutal.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Hüzün - das Gefühl der süßen Melancholie in der Grosstadt Istanbul

Istanbul
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Hierbei handelt es sich um einen Liebesroman an Istanbul von Orhan Pamuk, einem der wohl bekanntesten türkischen Schriftsteller, der auch vor einigen Jahren den Nobelpreis für Literatur bekam. Er nennt ...

Hierbei handelt es sich um einen Liebesroman an Istanbul von Orhan Pamuk, einem der wohl bekanntesten türkischen Schriftsteller, der auch vor einigen Jahren den Nobelpreis für Literatur bekam. Er nennt den vorliegenden Text seine Memoiren, in denen er sich seiner Kindheit, Jugend und jungen Mannesjahren erinnert, die er in Istanbul, wo er auch heute noch lebt, verbrachte. Mit zunehmendem Alter entdeckte er in seiner Jugend immer mehr Facetten der geschichtsreichen Stadt und deren Bewohner. Interessant ist, dass er vor allem Reisebeschreibungen von Schriftstellern und Malern aus Westeuropa herbeizieht, um die Vergangenheit der Stadt seiner Kindheit anhand von Quellen zu rekonstruieren, da ja bis zur Einführung des lateinischen Alphabets durch Atatürk quasi keine Bücher auf türkisch gedruckt wurden. Damit wird die Geschichte von Byzanz und Konstantinopel für ihn zum Mysterium, dass ihn völlig fasziniert. Er beschreibt das Istanbul seiner Kindheit als eine Stadt des Verfalls alter Kulturen, die durch die aufgezwungene Verwestlichung zusätzlich beschleunigt wurde. Die Stadt wird als Schmelztiegel verschiedener Kulturen vorgeführt. Interessant ist, wie diese Verschmelzung der Geschichte und der Kulturen die Bewohner der Stadt prägt.

Es ist keine Frage, das Buch ist grandios aufgebaut und geschrieben (und übersetzt). Der Text birgt einen Fundus an Informationen über die Stadt und Pamuks Familie und wird ergänzt durch viele schöne alte Fotografien. Für den Autor geht es aber um das Gefühl, welches die Bewohner inmitten der verfallenden Stadt prägt, und das ihn wahrscheinlich zum Schriftsteller gemacht hat: Hüzün. Es gibt kein Äquivalent für dieses Wort auf Deutsch. Am ehesten kann man es mit einer bestimmten Art von Melancholie übersetzen, welche durch Nostalgie, Verlust, Verfall und einer gewissen Orientierungslosigkeit im Leben geprägt ist. Für den Autor ist Hüzün das prägende Gefühl, welches das Denken und Handeln der Bevölkerung von Istanbul prägt, ein Verloren- und Geborgensein in einem ganz eigenen Universum des Wandels von der Antike in eine moderne Weltstadt.

Die Memoiren von Orhan Pamuk sind ein Buch voller Nostalgie und Melancholie, das dank des schriftstellerischen Könnens des Autors nicht in den verklärenden Kitsch abrutscht, sondern - wenigstens für mich - eine völlig neue Sicht auf Istanbul ermöglichen. Manchmal hat mich das Buch aber etwas gelangweilt, das es zwischendurch beinahe zu einem Lesebuch alter Schule wird, einem verstaubten Schmöker, der etwas langatmig geschrieben ist. Aber eben, das Buch ist von einem absoluten Könner geschrieben, und irgendwann hatte ich ich dann bei der Lektüre erahnt, was es mit diesem Hüzün auf sich hat, und warum der Text so daherkommen muss, wie er es tut.

Fazit: Sehr interessante Lektüre, wenn man dran bleibt.

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Veröffentlicht am 26.02.2021

Der Abgrund zwischen Sein und Schein ist gefährlicher als man denkt

Zeiten des Aufruhrs
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Frank und April leben mit ihren zwei Kindern das scheinbar perfekte Leben in einer Vorstadt von NYC. Sie haben ein Auto, ein Haus, nette Nachbarn und genug Geld durch die Arbeit, die Frank in NYC hat. ...

Frank und April leben mit ihren zwei Kindern das scheinbar perfekte Leben in einer Vorstadt von NYC. Sie haben ein Auto, ein Haus, nette Nachbarn und genug Geld durch die Arbeit, die Frank in NYC hat. Ihre Träume haben sie schon längst begraben, versuchen das beste aus ihrem unspektakulären Vorstadtleben zu machen, über das sie die ganze Zeit mit ihren Nachbarn schnöden, denn schließlich seien sie alle etwas Besseres und durchschauen die vollständige Leere dieses Lebens vollkommen im Gegensatz zu den meisten anderen, die dort auf die gleiche Art vor sich hinvegetieren. Es sind die 1950er Jahre, der Mann hat das sagen, es fließt viel Alkohol gegen die Langeweile, die Gesellschaft ist stockkonservativ. Deckel drauf und gut verschließen, so dass alles schön ruhig bleibt. Aber leider gärt es im Kochtopf gewaltig. Die Leute sind an sich sehr unzufrieden und unerfüllt, beeinflussen sich gegenseitig mit miesen Spielchen, wollen ausbrechen, scheitern... Aber scheitern ist in dieser Kunstwelt nicht vorgesehen. Und dann geschieht die Katastrophe.

Das Hörbuch- sehr gut gelesen von Christian Brückner - hat mich mitgerissen. Sehr lakonisch wird die Tragik des gegen außen perfekt wirkende Familienlebens von Frank und April sowie dieser an sich selbst krankenden Gesellschaft vorgeführt - und alles in den Abgrund gestoßen. Und das auf eine so geschickte Art, dass das Buch bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Es ist beinahe ungeheuerlich, wie treffend der Autor diese fadenscheinige Stimmung in der Vorstadt seziert und die Leute- jede Person auf ihre Art - in ihrem eigenen Sumpf von Lebenslügen versanden lässt. Und den meisten macht es nicht einmal etwas aus. Man nimmt das eben einfach einmal so hin.
Mit anderen Worten: Das ist ein unglaublich guter Text, der unsere Gesellschaft geschickt demontiert und die Falschheit in unserem gegenseitigen Umgang entlarvt, aber nicht an diesem Punkt stoppt, sondern mögliche Konsequenzen solcher persönlicher Selbstverleugnung aufzuzeigen vermag. Mich hat das Buch jedenfalls voll und ganz zu überzeugen vermocht.

Fazit: Unbedingt lesen (oder hören)

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Hat mich leider nicht ganz überzeugen können

Tage des letzten Schnees
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Jan Costin Wagner - Tage des letzten Schnees

Kurz umrissen geht es in diesem Kriminalroman primär um zwei Leichen auf einer Parkbank und einen tragischen Autounfall, bei dem ein Vater seine Tochter verliert. ...

Jan Costin Wagner - Tage des letzten Schnees

Kurz umrissen geht es in diesem Kriminalroman primär um zwei Leichen auf einer Parkbank und einen tragischen Autounfall, bei dem ein Vater seine Tochter verliert. Beim Unfall begeht der Unfallverursacher Fahrerflucht. Es wird in der Erzählung viel Gewicht auf die Trauer(arbeit) der Mutter und des Vaters gelegt. Gleichzeitig wird ein Schwerpunkt auf die Sehnsüchte besser gestellter Herren nach jungen Frauen, die an sich Prostituerte sind, geschildert. Bei einer der Leichen auf der Parkbank handelt es sich um eine sehr junge Prostituierte aus Osteuropa. Wie das nun alles miteinander zusammenhängt, kann hier verständlicherweise nicht gesagt werden. Aber selbstverständlich hängt alles irgendwie miteinander zusammen. Und das ist auch das Problem, das ich bei diesem Buch hatte.


Das ist mein erster Krimi von Jan Costin Wagner, der ja sehr erfolgreich ist. Aber das Buch hat mich nicht überzeugt, obwohl die einzelnen Vorkommnisse und Figuren extrem klar und treffend umschrieben werden. Auch ist der Text spannend aufgebaut mit seinen verschiedenen Erzählsträngen, die sich erst auf den letzten Seiten zusammenfinden. Aber meiner Ansicht nach wurde viel zu viel in das Buch gepackt: Prostituiertenmord, Armut in Osteuropa, Doppelleben reicher Banker, Inzest und mögliche Folgen für betroffene Mädchen, zerrüttete Familie, Kindertod und dazugehörige Trauer, Selbstmord, Breivik-Nacheiferte und dubiose Chats etc. Kurz: Das ist mir einfach zuviel des Guten. Oder sonst hätte das Buch 800 Seiten dick sein müssen. Durch die Kürze des Krimis, in dem ja alle Erzählstränge vom Autor miteinander verknüpft werden , verkommt der Text stellenweise zu einem simplen Aneinanderreihen von Chlichés, was sehr schade ist. Jedes Thema für sich ist sehr anschaulich gestaltet, aber die Anhäufung der Themen wird meiner Ansicht nach zu sehr auf die Spitze getrieben und irgendwann unglaubwürdig.
Das Buch wird den angesprochenen Problemfeldern in keiner Weise gerecht, und man kann es schlicht als reißerische Mache bezeichnen, die mit plakativen Allgemeinplätzen von Abgründen unserer Gesellschaft nach Aufmerksamkeit des Lesers giert. Und trotzdem ist das Buch extrem gekonnt aufgebaut und verspricht Spannung bis zu letzten Seite inklusive einer überraschenden Katharsis auf den letzten zwei Seiten. Tja, so sehe ich das nun einmal.

Fazit: Nur beschränkte Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 22.02.2021

Ein wundervolles Buch

Ein Wochenende
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Sehr humorvoll und gleichzeitig so tragisch - mitten aus dem Leben gegriffen

Drei ältere Frauen mit ihren Erinnerungen an ihre gemeinsame, aber leider kürzlich verstorbene lesbische Freundin Sylvie, sehen ...

Sehr humorvoll und gleichzeitig so tragisch - mitten aus dem Leben gegriffen

Drei ältere Frauen mit ihren Erinnerungen an ihre gemeinsame, aber leider kürzlich verstorbene lesbische Freundin Sylvie, sehen sich nach längerer Zeit wieder. Nicht zu vergessen Finn, der sehr alter Hund von Wendy, der Intellektuellen unter den vier Frauen. Den Hund hätte man schon lange einschläfern müssen, aber Wendy hängt an ihm, da er sie nach dem Tod ihres heißgeliebten Mannes aus ihrer schweren Depression riss. Jude, die ehemalige Restaurantbesitzerin und ein absoluter Kontroll- und Putzfreak, hasst den stinkenden Hund. Und Adele, die ehemalige Schauspielerin, lebt in ihrer eigenen Welt und wandelt zwischen den beiden Freundinnen als - so sieht sie sich jedenfalls- Lichtgestalt. Ihr Verhältnis zu Finn bleibt unklar, ist sie doch so sehr mit sich selbst und ihren Existenzängsten beschäftigt, dass sie nur sehr beschränkt wahrnimmt, was wirklich um sie herum geschieht.

Das Buch spielt an einem Wochenende, an einem Weihnachtswochenende. Die drei müssen das Ferienhaus von Sylvie aufräumen und ausmisten, da es verkauft werden soll. Und aufräumen und ausmisten müssen die drei Freundinnen auch bei sich selber. Was sich in einem Leben nicht so alles ansammeln kann, neben vielen Gegenständen vor allem auch viel Unausgesprochenes. Unter diesen Voraussetzungen haben alle immer mal wieder schlechte Launen und können sich teilweise nicht ausstehen, und doch hat sie das Leben - wie es scheint - untrennbar zusammengeschweißt. Obwohl die Frauen bereits etwas älter sind, tot sind sie noch lange nicht. Im Gegenteil, das Leben sprudelt nur so in ihnen.

Der Roman spielt am Meer. Das Wetter, die Natur ist omnipräsent, was in mir eine große Sehnsucht nach diesem Ort ausgelöst hat. Und das finde ich immer eine sehr positive Leseerfahrung für mich. So kann mich ein Buch auf seine Reise einfacher mitnehmen.


Was jetzt in dieser Kurzfassung vielleicht etwas platt und oberflächlich daherkommt bietet aber das Setting für eine sehr einfühlsam geschriebene und vielschichtige Geschichte, die es sich lohnt zu lesen. Wie war das doch gleich mit dem Älterwerden, dem Zerfall und dem alles abschließenden Tod? Dies nur eines der Themen, welche in diesem Büchlein sehr facettenreich auf eine humorvolle, aber vielleicht doch eher tragisch-komische Art und Weise beleuchtet werden. Und dann ist da noch das Thema Liebe an sich, die liebe Libido und die daraus resultierenden Kinder, das Elternsein etc. Jedenfalls eine sehr anregende und dicht geschriebene Story, bei der man auch - über sich selbst- lachen und nachdenken muss.

Einziges Problem beim Lesen war für mich die Erzählperspektive . Es handelt sich nicht um keine Ich-Erzählung. Eine allwissende Erzählerin berichtet über die vier Frauen (und den Hund). Dabei wechselt sie für meinen Geschmack zu oft ohne Vorwarnung mitten im Abschnitt vom Innenleben zum Aussenleben der Akteurinnen. Dieser Perspektivenwechsel kommt oft überraschend und sorgte bei mir manchmal für Verwirrung. Aber am Ende klappt es doch irgendwie mit diesem Perspektivenspiel, und das Buch hat mich bei der Stange gehalten und in seine Welt mitgenommen. Das Buch schafft es, eine sehr spezielles Lebensgefühl auf den Punkt zu bringen. Und darum hat es mir sehr gut gefallen.

Fazit: Klare Leseempfehlung

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