Platzhalter für Profilbild

Muehlenkind

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Muehlenkind ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Muehlenkind über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.08.2020

Informativ, intensiv, sehr beeindruckend!

SOKO Erle
0

Im Hörbuch „Soko Erle – Der Mordfall Carolin G.“ (denn als solches habe ich "SOKO Erle" genossen) setzt sich der Polizeisprecher Walter Roth authentisch und intensiv mit den Originalgeschehnissen um den ...

Im Hörbuch „Soko Erle – Der Mordfall Carolin G.“ (denn als solches habe ich "SOKO Erle" genossen) setzt sich der Polizeisprecher Walter Roth authentisch und intensiv mit den Originalgeschehnissen um den Mord an der 27jährigen Caroline G. in der Gemeinde Emmendingen im November 2016 auseinander.

Mittels eines Buches hat er die gesamten Geschehnisse und Ermittlungsarbeiten zusammengefasst, hat daneben aber auch Einblick gegeben in das Innenleben der Ermittler, ihre Anstrengungen, Ausdauer, Ernsthaftigkeit und Akribie selbst bei noch so abwegigen Spuren und Zeugen. Zunehmend wird der Zuhörer aber selbst auch Zeuge der persönlichen Betroffenheit in einem Fall, indem aufgrund der örtlichen Gegebenheiten viele Kriminalbeamte gleichzeitig auch Nachbarn, Freunde, Freizeitkollegen und eine zunehmende Belastung und Auswirkung des Falls auch auf das eigene Privatleben nicht zu vermeiden sind.

Walter Roth ist eine trotz oder vielleicht gerade aufgrund ihrer informativen Sachlichkeit emotionale und zutiefst menschliche Darstellung polizeilicher Ermittlungsarbeit gelungen, die derzeit ihresgleichen suchen dürfte. Erich Wittenberg als Sprecher hat dem Hörbuch „Soko Erle“ zudem eine intensive Qualität verliehen, die dieses Buch zu einem unbedingt empfehlenswerten macht!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2020

Weniger wild und freudig, als vielmehr zutiefst menschlich...

Wilde Freude
0

Als bei Jeanne, 39-jährige Buchhändlerin in Paris, im Zuge einer Routineuntersuchung der Verdacht auf Brustkrebs entsteht, der sich kurze Zeit später durch eine Biopsie bestätigt, bricht ihre ohnehin nicht ...

Als bei Jeanne, 39-jährige Buchhändlerin in Paris, im Zuge einer Routineuntersuchung der Verdacht auf Brustkrebs entsteht, der sich kurze Zeit später durch eine Biopsie bestätigt, bricht ihre ohnehin nicht heile Welt endgültig zusammen.

Kraft findet sie in der Bekanntschaft mit drei starken Frauen, die ein nicht minder schwieriges Schicksal zu tragen haben. Sie bieten Jeanne Orientierung in einer Lebensphase, in der ihr egoistischer Ehemann sie sich selbst und ihrem Schicksal überlässt, der Verlust ihres Kindes ihr erneut bewusst wird und sie in einer tiefen Woge des Selbstmitleids unterzugehen droht.

Gemeinsam durchleben die Frauen die notwendigen Chemotherapien und Bestrahlungen und damit einhergehenden Nebenwirkungen und Einschränkungen, leiden und lachen gemeinsam und schmieden einen Plan, der aberwitzig ist im wahrsten Sinne des Wortes.

Sorj Chalandons Buch lässt mich ambivalent und ein wenig ratlos zurück.

Da ist einmal seine Sprache: messerscharf, wunderschön schlicht, jeder Satz sitzt, vieles bleibt unausgesprochen, schwingt aber mit, steht zwischen den Zeilen, das erste Mal seit langem habe ich wieder mit Bleistift angestrichen…

Die Charaktere: nicht immer lässt sich die Persönlichkeit einer/s Ich-Erzählers/-in so klar erfassen wie in Jeannes Fall. Auch die anderen Frauen lassen keine Fragen offen, bleiben nicht schemenhaft und sind nicht schwarz-weiß gezeichnet, sondern widersprüchlich und dadurch zutiefst menschlich. Zwar habe ich mit keiner dieser Frauen wirklich viel Sympathie empfunden – außer vielleicht mit der starken Brigitte -, aber ich musste sie auch nicht „suchen“, um mir ein Bild von ihnen zu machen, sie waren tatsächlich auf jeder Seite päsent.

Der Plot – und hier wird es schwierig für mich. Anfänglich habe ich mich gefragt, was mich tatsächlich stört, denn eigentlich ist es ein hervorragendes Buch. Inzwischen ist mir aber klar, woran es – für mich – liegt: Es ist von allem zu viel, zu viel Schicksal für jeden einzelnen. Jede dieser Frauen hat nicht nur ihre Krebserkrankung zu bewältigen, was an sich schon reichen würde, weil der Krebs sie mitten aus dem Leben reißt. Hinzu kommen die jeweiligen Vergangenheiten, die als Hypotheken mit sich getragen werden.
In Jeannes Fall ist da beispielsweise der Verlust eines (schwerbehinderten) Kindes, erst im Verlauf des Buchs wird angedeutet, das der Schmerz hierüber direkt unter der Oberfläche lauert. Umso fragwürdiger wird ihr Festhalten an der Ehe mit einem Mann, der sich ausschließlich um sich zu drehen scheint, mit dem keine Kommunikation möglich ist. Eine Ehe, in der zwei Menschen alleine leben mit dem unverarbeiteten Verlust eines Kindes … und man fragt sich, warum Jeanne diese Ehe nicht schon längst hinterfragt hat, warum dazu eine Brustkrebserkrankung notwendig war. Ähnlich erging es mir mit den Schicksalen der anderen Frauen, bei jeder von ihnen habe ich mich immer gefragt: Aber warum?
Und dann auch noch ein Raubüberfall…

Fazit: Nicht wilde Freude, so scheint mir, ist der Beweggrund für das Handeln der Frauen, sondern der Mut der Verzweiflung und das Gefühl, nichts mehr zu verlieren zu haben. Und was das Lachen der Lebenslust sein soll, mutet zuweilen eher hysterisch an. Dieses Buch hat, so schön es auch geschrieben ist, für mich nicht die „Hymne an die Freude“ (Madame) sichtbar gemacht, sondern mich sehr viel mehr traurig und betroffen zurückgelassen.
Gleichwohl ist ‚Wilde Freude’ ein schönes und wirklich sehr lesenswertes Buch, wenn man davon ausgeht, dass es auch anders laufen kann, als der Klappentext verspricht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.08.2020

Informativ, aber nicht dem Klappentext entsprechend...

Caribou
0

„Caribou“ ist die literarische Auseinandersetzung mit dem verheerendsten Schiffs-Desaster Neufundlands während des 2. Weltkriegs. Autor Kevin Major, selbst Neufundländer, arbeitet im 3. Teil seiner Heimat-Trilogie ...

„Caribou“ ist die literarische Auseinandersetzung mit dem verheerendsten Schiffs-Desaster Neufundlands während des 2. Weltkriegs. Autor Kevin Major, selbst Neufundländer, arbeitet im 3. Teil seiner Heimat-Trilogie die Versenkung des Fähr-Dampfschiffs „Caribou“ durch ein deutsches U-Boot, die U96, unter dem 26-jährigen Kapitänleutnant Ulrich Gräfs in der Cabotstraße (der Seeweg zwischen Neufundland und Nova Scotia) auf. Nicht ausschließlich mit Fracht beladen, diente die „Caribou“ auch als Transportmittel für Passagiere. Konkret bedeutet dies am 14. Oktober 1942 237 Menschen, darunter allein 118 Angehörige des kanadischen und US-amerikanischen Militärs, 72 zivile Passagiere (darunter viele Frauen und Kinder) sowie 47 Besatzungsmitglieder. Nur 100 Menschen überleben und können vom Begleitschiff des Konvois am Morgen nach dem Abschuss aus den Rettungsbooten, die nicht gekentert oder vollgelaufen sind, geborgen werden.
In seinem Roman verknüpft der Autor das Schicksal fiktiver mit dem realer historischer Personen (konkret des U-Boot Kapitäns Ulrich Gräfs vom Zeitpunkt seiner Ausbildung in der Marine bis hin zu seinen Einsätzen wie auch des fiktiven John Gilbert, der einer Tätigkeit als Steward auf der „Caribou“ nachgeht, aber der Royal Air Force beitreten möchte). Major erzählt ihr Schicksal in verschiedenen Zeitsträngen vor, während und nach dem Abschuss und bemüht sich, den Einfluss der Katastrophe und das daraus resultierende Trauma auf ihr weiteres Leben und ihre weiteren Entscheidungen sichtbar zu machen.

Die detail- und kenntnisreiche Beschreibung des U-Bootkriegs, der Strategien, Schiffstypen und Kapitäne, Mannschaften und Ladungen, Abschüsse und Bruttoregistertonnen über weite Strecken des Buches verrät die Recherchearbeit des Autors und entpuppt sich gleichzeitig als größte Schwäche der Lektüre. So informativ gerade dieser Teil des Romans ist, so hinderlich ist er im Hinblick auf eine empathische Darstellung der erzählten Personen. Einem Roman, der das Unmenschliche und Inhumane eines Krieges deutlich machen und für keine Seite Partei ergreifen will, muss es trotzdem möglich sein, auch in einer distanzierten Erzählweise Empathie und Mitgefühl zu wecken. Das ist Kevin Major nach meinem Dafürhalten nur ansatzweise, ganz selten aber wirklich intensiv gelungen. Die Personen bleiben „fern“, wenig greif- und nachvollziehbar in ihrem Denken und Handeln.

Hinzu kommt ein permanenter Wechsel in der erzählenden Zeitform, von der ich nicht erkennen konnte, ob sie gewollt oder einer etwas holperigen Übersetzung aus dem englischen Original geschuldet ist.

Vielleicht wäre der Autor besser beraten gewesen, eine Biographie der historischen Personen zu schreiben, die nicht zwingend mit Emotionen, Charaktereigenschaften, Träumen und Gedanken gefüllt werden muss, zumindest nicht auf eine Art, die den Leser mitreißen, zumindest aber mit Empathie füllen soll.
Wirklich stark sind die letzten Seiten des Romans, in denen ein Tag der Bombenangriffe auf Dresden kurz vor Kriegsende 1945 geschildert wird und man sich unweigerlich an heutige unbemannte Drohnenangriffe erinnert fühlt, in denen der Gegner gesichts- und stimmlos bleibt.
So ist der Roman nicht Fleisch noch Fisch, als reine Dokumentation nicht gedacht, als Statement gegen den Krieg zu technik- und detailverliebt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.08.2020

Schnell zu lesen, schnell zu vergessen...

Die Todesküsserin
0

Polizistin Tanja ermittelt gemeinsam mit Kollege John im Fall eines grausamen Mordes. Das Opfer, männlich, alkoholabhängig, und in früheren Zeiten ein sadistischer Familienvater, der bis in die Gegenwart ...

Polizistin Tanja ermittelt gemeinsam mit Kollege John im Fall eines grausamen Mordes. Das Opfer, männlich, alkoholabhängig, und in früheren Zeiten ein sadistischer Familienvater, der bis in die Gegenwart Befriedigung daraus zog, abhängige junge Frauen körperlich zu quälen und zu missbrauchen. Jetzt ist er tot, erstochen, und auf seiner Stirn prangt ein leuchtendroter Kussmund.

Tanja, privat beschäftigt mit ihrer eigenen unglücklichen Liebesgeschichte, ebenfalls mit nicht eben liebevollen Eltern ausgestattet, ermittelt im Umfeld des Opfers. Immer wieder geraten neue Frauen in Verdacht, darunter auch ihre beste Freundin Emma, die ihre eigene verheerende Kindheit in psychotherapeutischen Sitzungen aufzuarbeiten versucht.
Als Tanja schließlich der Täterin zu nahe kommt, gerät sie in große Gefahr.

Ist „Die Todesküsserin“ auch eines der besseren Book-on-demands-Produkte, sind doch (wenn auch nicht in den sonst erheblichen Ausmaßen) die üblichen Interpunktions- und Orthographie-Fehler zu finden.
Der Plot ist leidlich spannend, wenn auch ziemlich schnell vorhersehbar. Die Figuren sind zeitgemäß gezeichnet, bleiben aber leider flach und stereotyp. Die literarische Sprache, schlicht, manchmal gar vulgär, ist kein gewolltes Stilmittel, um den Plot oder auch nur die Charaktere zu transportieren und wirkte deshalb eher „gezwungen alltäglich“ und abschreckend auf mich.

Insgesamt ist „Die Todesküsserin“ ein Buch zum Schnell-Weg-Lesen und hinterlässt, ähnlich wie der Besuch einer amerikanischen Fast-Food-Kette, einen faden Geschmack in meinem Mund. Ich habe nach dem erneuten Leseexperiment eines Self-Publisher-Buchs nun beschlossen, es zukünftig sein zu lassen, auch wenn ich damit Gefahr laufe, ein Juwel zu verpassen.

Für den Leser, der hingegen schnelle Krimi-Leseunterhaltung ohne große inhaltliche Tiefe möchte, ist „Die Todesküsserin“ sicher nicht die schlechteste Wahl.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.08.2020

Rasant, skurril, witzig – lesenswert!

Ein abgezockter Sauhund
0

Samson Simek hat es, genetisch bedingt, nicht so mit der Arbeit und dem bürgerlichen Leben. Und deshalb ist er auch die meiste Zeit seines Lebens blank. Um über die Runden zu kommen, nimmt er einen Auftrag ...

Samson Simek hat es, genetisch bedingt, nicht so mit der Arbeit und dem bürgerlichen Leben. Und deshalb ist er auch die meiste Zeit seines Lebens blank. Um über die Runden zu kommen, nimmt er einen Auftrag von Halbwelt-Boss Stani an. Was einfach erscheint, entpuppt sich schnell als brandgefährlich. Doch Samson wäre nicht Samson, wenn er nicht sein eigenes Süppchen kochen würde… auch wenn er dabei Gefahr läuft, dass ihm alles um die Ohren fliegt.

Atmosphärisch dicht mit rasantem Plot und detailliert gezeichneten Charakteren – dieser Krimi macht Spaß, im wahrsten Sinn des Wortes! Twists bis kurz vor Schluss sorgen dafür, dass es nicht langweilig wird, von behäbigem „Kluftinger Lokalkolorit“ keine Spur, dafür sorgen schon die Perspektive und eine deutlich dem Milieu verpflichtete Sprache… und einen Stadtplan für Münchens dunkelste Ecken braucht man hinterher wahrscheinlich auch nicht mehr…

Krimi mal andersrum... nichts für die, die auf Verbrechen in den feinen Kreisen stehen... hier ist alles sehr nah am Leben... und der Leser mittendrin!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere