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Nadines_Buecher

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2016

Eine Geschichte, die das Herz zum Überlaufen bringt

Eine Geschichte der Zitrone
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Auf sachlicher Ebene handelt die Geschichte von einer Halbwaise, deren Vater seit dem Krebstod der Mutter an einer Depression leidet, sich diese aber nicht eingesteht sondern sich hinter dem Schreiben ...

Auf sachlicher Ebene handelt die Geschichte von einer Halbwaise, deren Vater seit dem Krebstod der Mutter an einer Depression leidet, sich diese aber nicht eingesteht sondern sich hinter dem Schreiben eines Mammutwerks über die Zitrone versteckt, darüber sich, den Haushalt und - am gravierendsten - seine Tochter vernachlässigt. Das Mädchen wird darauf erst aufmerksam, als sie mit Mae auch deren Familie kennenlernt und intensiveren Kontakt mit anderen Kindern und Erwachsenen hat.

Auf emotionaler Ebene erzählt Calypso ihre Geschichte, aus ihrer Perspektive als 11-Jährige, die ebenso wie die verstorbene Mutter und - wie sie meint - auch ihr Vater, Bücher liebt. Dass sie sich z.B. um ihre Mahlzeiten, also um sich selbst und auch um den Vater, kümmern muss, ist für sie Normalität. Bis sie Mae kennenlernt, scheint ihr ihr Leben und ihre Rolle normal. Auf Calypso wartet eine Achterbahn der Emotionen und plötzlich wird ihr in der Interaktion mit anderen klar, dass das Leben wie sie es kennt für ein Kind ihres Alters nicht so sein sollte.

Ein wunderbares Buch mit vielen Erkenntnissen und lehrreichen momenten, das einem das Herz zum Überlaufen bringt. Das Cover ist liebevoll gestaltet, die Zitronen werden von Calypso und Mae an den Rand gedrängt. Der Einband des Hardcovers ist zitronengelb, ebenso wie das Lesebändchen. Es fehlt lediglich der Goldflitter, dann wäre das Glück perfekt.

Veröffentlicht am 27.09.2016

Angehende Profilerin gerät in den Mittelpunkt

Am Abgrund seiner Seele
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Ein Buch bei dem man sich vorstellen könnte, dass es eine Reihe wird. Folgendermaßen könnte es weitergehen: Wir treffen Andrea Jahnke als gereifte Persönlichkeit wieder, nachdem sie den Profiler-Lehrgang ...

Ein Buch bei dem man sich vorstellen könnte, dass es eine Reihe wird. Folgendermaßen könnte es weitergehen: Wir treffen Andrea Jahnke als gereifte Persönlichkeit wieder, nachdem sie den Profiler-Lehrgang absolviert und vielleicht schon am ein oder anderen Fall mitgearbeitet hat. Sie ist mit Gregory verheiratet, der inzwischen als Innenarchitekt arbeitet und das gemeinsame Häuschen plant und ausbaut. Mit Polizist und Freund Christopher, der befördert wurde und nun in leitender Funktion tätig ist, löst Andrea knifflige Fälle. Vielleicht führt ein Fall sie in ihre Heimat Deutschland. Auf jeden Fall ist Deutsch nach wie vor die Geheimsprache zwischen ihr, Greg, ihrem Schwager Jack und ihrer Schwiegermutter Anna. Ab und an quälen Anna Albträume über ihre eigene Entführung, vielleicht immer dann, wenn sie kurz vor der Lösung eines Falls steht, um sie daran zu erinnern, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Als Psychologin wird sie aber mehr und mehr Herrin darüber, wann ihre Vergangenheit ihr Streiche spielt. Einzig die Erzählperspektive müsste sich dann ausgedehnter auf einen zweiten Erzählstrang konzentrieren, um Täter und Opfer, denn Andrea ist in diesen Fällen nicht mehr Mittelpunkt, sondern reine Ermittlerin.
Wie man lesen kann, hat mir "Am Abgrund seiner Seele" sehr gut gefallen, man findet gut in die Geschichte und kann auch dem Täter durch die kursiv abgesetzten Kapitel gut folgen. Mal wieder schön, dass wir zu Anfang nicht zu viel über den Täter erfahren, auch wenn man Vermutungen hat, wer an den auftretenden Personen es sein könnte. Die Auflösung kommt erst zum Schluss - wie bei Miss Marple. Das schätze ich sehr. Ein wenig unrealistisch mag sein, dass Andrea als Studentin einzige Stichwortgeberin eines erfahrenen Polizisten ist, weil die Hauptstelle gerade keinen freien Profiler stellen kann. Aber Fiktion gehört zu Büchern dazu. Das Cover ist nicht sehr auffällig, es überzeugt der Klappentext.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ach Erich

Hier ist alles Banane
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Erich Honecker lebt - denn Mitglieder des Zentralkommittees der Deutschen Demokratischen Republik werden mindestens 110 Jahre alt, erst ab dem (westdeutschen) Rentenalter entfalten sie ihre politische ...

Erich Honecker lebt - denn Mitglieder des Zentralkommittees der Deutschen Demokratischen Republik werden mindestens 110 Jahre alt, erst ab dem (westdeutschen) Rentenalter entfalten sie ihre politische Reife. Klar, oder? Erich, Margot und ihr in Chile akquirierter Fahrer haben Honeckers Tod vorgetäuscht, um ihm nicht nur Ruhe zu verschaffen sondern scheinbar auch, damit er Ostdeutschland erneut den Sozialismus bescheren kann - inklusive Wiederaufbau des Palasts der Republik. Bis die Welt bereit dafür ist, zieht er eine Mauer um seinen Reihenhaus-Garten und kommentiert die Weltpolitik sowie diverse sportliche Ereignisse. Auf Ebay ersteigern er und Margot angebliche Dinge aus ihrem ehemaligen Besitz - hätten sie vorher gewusst, dass sie mit diesen Sachen so leicht an Devisen hätten kommen können, es wäre nicht zum Untergang der DDR gekommen. Schließlich macht Margot sogar, aufgrund ihrer schmerzlich geringen Zuwendungen aus dem kapitalistischen Westdeutschland, in Aktien. Und zur Unterstützung Ostdeutschlands werden Terrassensteine und Fliesen aus der guten alten Heimat geordert. Witzig gemacht, wie Honecker politische Nieten ausdrücklich lobt, Lichtgestalten als unfähig abkanzelt. Immer auf der Suche nach seiner Brille tappt er auch politisch im Dunkeln. So lange, bis auch Margot vorhat, unsterblich zu werden.
Als Tagebucheinträge in unterschiedlicher Länge und mit Kommentaren des Herausgebers - den bereits erwähnten Fahrer der Honeckers - zur Klarstellung einiger Situationen und Ereignisse gespickt wird ein ulkiges Bild der Familie Honecker gezeichnet, mit vielen (fiktiven?) Andeutungen und Wahrheiten, wie z.B. der Jagdleidenschaft Erichs, die eigentlich zerrüttete Ehe der Honeckers und Margots lila Haare.
Das Buch kommt nicht ganz an "Er ist wieder da" und "Goodbye Lenin" heran, doch es liefert eine ganz eigene Sicht, eben die sozialistische, auf aktuelle geschichtliche Ereignisse, die sehr unterhaltsam gestaltet ist. Man sieht die Honeckers direkt vor dem geistigen Auge, ihn als tatterigen alten Herrn, sie weiterhin resolut.
Das Cover fällt definitiv auf, allein durch den Titel, das Foto von Erich Honecker und die schwarz-rot-goldene, amtliche Schnüre. Witzige Unterhaltung.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Fünf Frauen gestalten ihr Leben in der Nachkriegszeit

Bühlerhöhe
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Rosa Silbermann, ihre ältere Schwester Rachel, Sophie Reisacher, Agnes vom Klotzberg und ihre ältere Schwester Walburg - der Zweite Weltkrieg hat auf unterschiedliche Art und Weise neben vielem mehr ihre ...

Rosa Silbermann, ihre ältere Schwester Rachel, Sophie Reisacher, Agnes vom Klotzberg und ihre ältere Schwester Walburg - der Zweite Weltkrieg hat auf unterschiedliche Art und Weise neben vielem mehr ihre persönlichen Welten zerstört. Von der Familie Silbermann haben nur Rosa und Rachel, Deutsch-Jüdinnen aus Köln, das Konzentrationslager überlebt. Während Rosa in Israel in einem Kibbuz lebt und gelernt hat, sich und ihre neue Heimat zu verteidigen, ist Rachel in die Anonymität und Betriebsamkeit Tangers geflüchtet. Sophie, ehrgeizig und berechnend, hat einen deutschen Offizier geheiratet und das Elsass verlassen. Nun vermisst sie die französische Heimat, würde Deutschland und ihre Anstellung als Hausdame im Hotel Bühlerhöhe gerne hinter sich lassen. Kann der schweizer Geschäftsmann Pfister sie mittels Heirat befreien und in ein besseres Leben führen? Agnes und Walburg wurden von marokkanischen Soldaten vergewaltigt, was Walburg in den Wald getrieben hat, wo sie als Einsiedlerin lebt und sich selbst versorgt. Agnes dagegen hat ihr schlaues Köpfchen entdeckt und arbeitet als Bürohilfe im Hotel Hundseck nahe der Bühlerhöhe. Vier der fünf Frauen treffen im Sommer 1952 im Schwarzwald aufeinander, wo Kanzler Adenauer wieder seinen Sommerurlaub im Hotel Bühlerhöhe verbringen wird. Die Verhandlungen über die Wiedergutmachungszahlungen stehen bevor, ebenso wird die Wiederaufrüstung Deutschlands diskutiert. So zieht es auch Attentäter, Agenten, Lobbyisten und Geschäftemacher ins Idyll. Rosa wird vom Mossad geschickt, um gemeinsam mit einem israelitischen Agenten einen Anschlag auf Konrad Adenauer zu verhindern. Doch ihr vermeintlicher Ehemann taucht nicht auf, so dass Rosa allein ermitteln muss. Und das in einem Jahrzehnt, in dem Frauen nicht sonderlich ernst genommen werden. Sophie wird vom Personenschützer des Kanzlers instruiert, hält zwar beruflich die Fäden in der Hand auch wenn sie das First Class-Hotel zu hassen gelernt hat, ist aber in ihrem Ehrgeiz blind dafür, dass ihre privaten Pläne scheitern könnten. Agnes glaubt an den Leibhaftigen, als ihr im Hotel plötzlich ihr Peiniger gegenübersteht. Verzweifelt setzt sie ihre Schwester Walburg auf sie an. Als der Marokkaner tot im Wald gefunden wird, seine Leiche jedoch spurlos verschwindet, ist nicht nur der Kanzler in Gefahr.
Man braucht eine Weile, bis man in die Geschichte hineinfindet. Dazu trägt der Schreibstil bei, der neben den Gedankengängen der Frauen z.B. auch Agnes' Schwarzwälder Dialekt einfließen lässt und damit einige Konzentration erfordert. Das Frauenbild der 50er Jahre und die Wunden, die der Krieg gerissen hat, sind personenbezogen und individuell beschrieben, eindringlich und ergreifend.
Das Cover des Buchs wirkt ein wenig zu fröhlich, mehr nach Sommerurlaub denn nach Agentengeschichte. Einzig der düster gehaltene Wald macht deutlich, dass Gefahr droht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Britische Version von "Mord ist ihr Hobby"

Pearl Nolan und der tote Fischer
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Ein pittoreskes Städtchen an der Küste in Kent. Eine Restaurantbesitzerin, die als Alleinerziehende für ihren Sohn Charlie die Karriere bei der Polizei aufgegeben hat, nun aber da der Junge studiert zusätzlich ...

Ein pittoreskes Städtchen an der Küste in Kent. Eine Restaurantbesitzerin, die als Alleinerziehende für ihren Sohn Charlie die Karriere bei der Polizei aufgegeben hat, nun aber da der Junge studiert zusätzlich zum Restaurant ein Detektivbüro eröffnet. Ihre lebenslustige Mutter Dolly, die alles andere als spießig ist, aber die ernste und aufgeräumte Tochter hin und wieder erinnern muss, was Leben bedeutet und dass nicht alles was aufgeräumt erscheint, auch so sein muss. Ein Polizist Typ einsamer Wolf, der seiner Vergangenheit in London durch eine Versetzung nach Whitstable entflohen ist. So Setting und Grundgerüst des Kriminalromans um Pearl Nolan, besagte Restaurantbesitzerin und Neu-Detektivin, die den ersten richtigen Fall der an sie herangetragen wird ablehnt, da sie nicht gegen ihren Freund Vinnie, einen ortsansässigen Austernfischer, ermitteln will. Kurze Zeit später findet Pearl sowohl den toten Vinnie als auch den toten vermeintlichen Auftraggeber. Ein Reigen an Verdächtigen wird präsentiert: Vinnies Ehefrau, die nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes mit Vinnies Geld verschwand, Vinnies Lebensgefährtin Connie, die mit seinem Ex-Chef Matheson gesehen wird, der Investor Berthold, der in der Gegend einen Hotelkomplex errichten will, dessen Sohn Alex, der das leichte Leben zu genießen scheint. Sogar Pearls Restauranthilfe Ruby und Charlies italienische Liebe Tizzy geraten in den Fokus. Aus vielen Strängen, oftmals verwirrend, ergibt sich schließlich die Auflösung des Falls. Interessant gemacht ist, dass Pearl nicht wie so manche fiktive Detektivin direkt alles im Blick hat - symbolisiert dadurch, dass sie sich im Laufe der Geschichte eine Brille zulegen muss. Die Romanze zwischen ihr und dem Polizisten McGuire bahnt sich angenehm langsam an.
Allerdings gibt es die ein oder andere unschlüssige Stelle in der Erzählung - so z.B. gewinnt man zu Beginn der Geschichte den Eindruck, Dolly führe den Töpferladen in ihrem Haus. Später erfährt man, dass sie Räumlichkeiten an eine Töpferei vermietet hat. Vielleicht ist dies jedoch der Übersetzung geschuldet.
Ich gebe Pearl Nolan eine Chance, die Stelle von Honey Driver aus den Bath-Krimis einzunehemen, die demnächst ihren letzten Fall lösen wird. Lockere und leichte Unterhaltung mit detektivischen Rätseln neben sich entfaltenden Charakteren und vor schöner Kulisse - wer diese Mischung sucht, findet sie hier.
Das bunte Cover des Buchs verrät bereits, dass kein heftiger Kriminalfall und kein Thriller zu erwarten sind. So wird die Lektüre ihre Zielgruppe finden.