solide
Der NachbarAls ich den Klappentext zum neuen Thriller "Der Nachbar" von Sebastian Fitzek gelesen habe, war ich von der Grundidee sofort eingenommen und wollte das Buch unbedingt lesen:
Sarah Wolff, eine Strafverteidigerin, ...
Als ich den Klappentext zum neuen Thriller "Der Nachbar" von Sebastian Fitzek gelesen habe, war ich von der Grundidee sofort eingenommen und wollte das Buch unbedingt lesen:
Sarah Wolff, eine Strafverteidigerin, zieht mit ihrer Tochter an den Stadtrand von Berlin, um neu anzufangen. Sie kämpft mit ihrer Monophobie – der tiefen Angst, allein zu sein – und hofft, in ihrer neuen Nachbarschaft Ruhe und Sicherheit zu finden. Doch bald merkt sie, dass etwas nicht stimmt: Jemand kümmert sich um sie, mischt sich heimlich in ihr Leben ein, füllt ihren Kühlschrank und installiert ein Nachtlicht in ihrem Zimmer, obwohl sie sich nicht daran erinnert, das bestellt zu haben. Dieser „Nachbar“ bleibt lange unsichtbar, doch sein Einfluss wird immer bedrohlicher...
Fitzeks Schreibstil ist gewohnt schnell, klar und leicht zugänglich. Ich mag das treibende Tempo seiner kurzen Kapitel, auch wenn ich mir manchmal ein bisschen mehr Raum gewünscht hätte, um emotional tiefer einzutauchen.
Gerade zu Beginn erzeugt er eine leise, kaum greifbare Beklemmung, die ich sehr gelungen fand. Genau diese stillen, unterschwelligen Momente, das leichte Frösteln, weil „irgendetwas“ nicht stimmt, ohne dass Sarah es sofort merkt, sind für mich die stärksten im Buch. Umso bedauerlicher fand ich, dass dieser Ton nur sehr kurz anhält. Das Buch nimmt extrem schnell Fahrt auf und wird früh dramatisch, sodass die subtilen Irritationen, die im Klappentext so stark angedeutet werden, kaum Zeit haben, sich wirklich zu entfalten. Ich persönlich hätte mir gewünscht, länger in dieser Phase zu bleiben, in der das Unheimliche noch leise ist und Sarah selbst nicht ahnt, wie nah jemand ihr kommt.
Mit den Figuren hatte ich größtenteils ein gutes, wenn auch nicht immer perfektes Leseerlebnis. Sarah wirkt authentisch, verletzlich und zugleich entschlossen genug, um mich emotional mitzunehmen. Ihre Monophobie gibt der Handlung einen psychologischen Kern. Ich hätte mir jedoch an einigen Stellen gewünscht, dass diese innere Dimension noch tiefer ausgearbeitet wird.
Die Nebenfiguren bleiben teilweise etwas schemenhaft - nicht unbedingt störend, aber spürbar –, während der unsichtbare „Nachbar“ als Konzept hervorragend funktioniert und genau die richtige Mischung aus Rätselhaftigkeit und unerträglicher Nähe mitbringt.
Die Handlung selbst fand ich spannend und gut konstruiert, auch wenn manche Wendungen für meinen Geschmack ein wenig zu sehr auf Effekt gesetzt sind. Sie haben mich nicht verloren, aber manchmal kurz innehalten lassen. Besonders im letzten Drittel wird der Thriller schneller, lauter und actionreicher, wodurch die psychologische Feinheit des Anfangs etwas in den Hintergrund tritt. Dennoch blieb ich bis zum Schluss neugierig, weil Fitzek es gut versteht, kleine Hinweise zu streuen, die erst später Bedeutung bekommen. Das Ende empfand ich als solide und atmosphärisch passend.
Fazit
Insgesamt hat mir "Der Nachbar" von Sebastian Fitzek wirklich gut gefallen, wenn auch mit ein paar Abstrichen. Die Grundidee ist stark, der Anfang atmosphärisch dicht und das Gefühl von Bedrohung wunderbar subtil, bevor das Tempo sehr früh anzieht. Gleichzeitig hätte das Buch an einigen Stellen mehr Ruhe, mehr Tiefgang und ein bisschen weniger Konstruktion vertragen.
Dennoch habe ich mich wieder einmal sehr gut unterhalten gefühlt. Für mich ist es kein herausragender, aber ein typisch spannender Fitzek – schnell, unheimlich und mit einer Protagonistin, die man ernst nimmt und deren Angst man spürt.