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Veröffentlicht am 02.01.2023

Unterhaltsame Fantasy mit einer mir neuen Mythologie - aber leider zäh geschrieben

A Song of Wraiths and Ruin. Die Spiele von Solstasia
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Um A Song of Wraiths and Ruin gab es einen recht großen Hype, weshalb ich mit großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen bin. Auch das von Westafrika inspirierte Fantasy-Setting, was neu für mich ...

Um A Song of Wraiths and Ruin gab es einen recht großen Hype, weshalb ich mit großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen bin. Auch das von Westafrika inspirierte Fantasy-Setting, was neu für mich ist, fand ich im Vorfeld spannend. Und dass die Beschreibung mich etwas an Throne of Glass erinnert hat, machte die Sache nur noch besser!

Positiv

In der Hoffnung, eine Leseflaute mit diesem so gelobten Buch beenden oder zumindest unterbrechen zu können, bin ich in die Welt von Roseanne A. Brown abgetaucht. Es gab interessantes Worldbuilding mit vielen Elementen aus Mythologie, Magie und royalen Figuren, deren Stammbaum eine wichtige Rolle spielt. Ich habe deutlich gemerkt, dass A Song of Wraiths and Ruin von anderen Kulturen beeinflusst und inspiriert war, als ich es gewohnt bin. Einige Worte habe ich tatsächlich nachgeschlagen, um Gesprächen besser folgen oder mir einen bestimmten mystischen Gegenstand besser vorstellen zu können. Das ist nicht unbedingt nötig, um der Handlung zu folgen, aber für mich gehörte das irgendwie dazu.

Wir folgen der aufmüpfigen Tochter einer Herrscherfamilie, die nach und nach ihre eigene Herkunft und die damit einher gehenden Privilegien zu hinterfragen beginnt. Sie zieht die Geschichten in Zweifel, die man ihr ihr Leben lang erzählt hat und fängt an, politische Manipulation als solche zu erkennen. Dabei werden Intrigen aufgedeckt, Freunde werden zu Feinden und Feinde zu Freunden.

Stellenweise erinnerte mich die Handlung sehr an die griechische Mythologie mit ihrem Styx, an Strange the Dreamer von Laini Taylor und an Kingdom of Smoke von Sally Green. Besonders die Szenen, die aus der Perspektive des zweiten Protagonisten erzählt werden, haben solche Assoziationen bei mir geweckt. Wenn ich die Legenden und Geschichten Westafrikas kennen würde, ließen sich sicherlich auch dazu Verbindungen herstellen. Das geht aber über meinen literarischen Horizont hinaus – mich würden Own-Voice-Rezensionen deshalb sehr interessieren!

Das Cover finde ich absolut klasse und in der Print-Ausgabe hat das Buch einen so beeindruckenden Farbschnitt, dass ich vor dem Lesen überlegt habe, mir zusätzlich zum digitalen Rezensionsexemplar auch das gedruckte Buch zuzulegen. Nach dem Lesen habe ich das nicht mehr vor, aber für Farbschnitt-Sammler*innen ist A Song of Wraiths and Ruin definitiv ein interessanter Kandidat!

Negativ

So interessant die hier geschaffene Weltstruktur und Mythologie, die Charaktere und ihre Handlung auch sein mögen – leider wurde mir das Lesen durch den Schreibstil vermiest. Autorin und/oder Übersetzerin schafften es nicht, mich mehr als zwei, drei Kapitel am Stück ans Buch zu fesseln. Ich habe es ständig unterbrochen, weil ich immer wieder abgeschweift bin und dann nicht mehr wusste, wo die Figuren sich gerade befinden oder welche große Wendung es zuletzt gegeben hatte.

Leider litt darunter auch die Handlung, an die ich mich jetzt, ein paar Wochen nach der Lektüre, schon kaum mehr erinnern kann – wenige Schlüsselszenen ausgenommen. Ich habe zum Lesen dieser gut 500 Seiten mehrere Monate gebraucht, habe immer mal wieder ein Kapitel gelesen. Nicht einmal während einer langen Zugfahrt, auf der ich nichts anderes zu Lesen dabei hatte, konnte mich das Buch länger halten. Stattdessen habe ich eine Serie geschaut, was ich sonst unterwegs sehr selten mache.

Ich vermute, dass der große Hype vorab und meine dadurch stark gewachsenen Erwartungen eine Enttäuschung vorprogrammiert haben, aber das größere Problem war für mich wirklich die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wurde. Schade.

Fazit

Insgesamt ist A Song of Wraiths and Ruin unterhaltsam und kulturell sicherlich eine Bereicherung. Ich habe gern über den Tellerrand geschaut. Leider ist das Buch aber alles andere als kurzweilig und man braucht Geduld, um das Ende zu erreichen. Meine Leseflaute konnte ich leider nicht beenden – dazu eignet sich Romance für mich weiterhin am besten. Ich werde den bereits erschienenen 2. Band nicht lesen.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Glitzer ist für alle da!

Glitzer für alle!
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Rosa ist für Mädchen, Jungen lieben Blau – Klischees wie diese sind in unserer Gesellschaft fest verankert. Dieses Kinderbuch von Milena Baisch und Eefje Kuijl zeigt, wie befreiend es sein kann, sich von ...

Rosa ist für Mädchen, Jungen lieben Blau – Klischees wie diese sind in unserer Gesellschaft fest verankert. Dieses Kinderbuch von Milena Baisch und Eefje Kuijl zeigt, wie befreiend es sein kann, sich von diesen beengenden Stereotypen zu lösen, wie viel Mut man dafür braucht und dass es gar keine Rolle spielt, welches Geschlecht man hat – denn schließlich ist Glitzer für alle da!

Tarek und Paul finden eine glitzernde Krone im Kindergarten und nehmen lieber schnell Reißaus – schließlich haben sie gelernt, dass nur Mädchen glitzernde Dinge mögen! Doch dann fragt sich Paul: was passiert denn eigentlich so Schlimmes, wenn ein Junge etwas Glitzerndes berührt? Die Jungs kommen zu dem Schluss, dass sie zu Sternen am Himmel werden, und Tilly ermutigt sie, genau das herauszufinden.

Die beiden ziehen alle glitzernden Kostüme an, die der Kindergarten zu bieten hat, und nutzen das Klettergerüst als Startrampe zum Himmel – aber es passiert rein gar nichts. Außer, dass die Sonne durch die Wolken bricht, sodass alles noch mehr glitzert, und ein paar Kinder über die Jungs lachen. Tilly, die mit Tarek Shirts getauscht hat und nun einen Traktor auf blauem Stoff trägt, stellt sich schützend vor ihre Freunde: “Wer lacht, kriegt Ärger!”

Am Ende will Tarek Tillys glitzerndes Erdbeer-Shirt gar nicht mehr hergeben und zum Lachen ist die Situation den anderen Kindern inzwischen zu egal und normal. Glitzer ist eben für alle da, auch für Jungs. Und Mädchen wie Tilly können – und dürfen! – auch mutig und stark sein – und blaue Traktor-Shirts tragen.

Besonders toll sind auch die einfachen und gleichzeitig sehr detailreichen Illustrationen von Eefje Kuijl, die nicht nur das titelgebende Glitzern hervorragend darstellen, ohne sich auf Folien-Effekte zu verlassen, sondern auch diverse und inklusive Bilder zu dieser wichtigen Geschichte präsentieren. Die Kinder haben verschiedene Haut- und Haarfarben, ein Kind sitzt im Rollstuhl. Diese Elemente spielen für die Handlung keine Rolle und werden im Text nicht erwähnt. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese Details stillschweigend in die Illustrationen einfließen, macht diese so großartig.

Bücher wie dieses gehören in jede Kita-Bibliothek. Mit Glitzer für alle! haben Baisch und Kuijl zusammen mit dem Verlag Penguin JUNIOR ein Buch geschaffen, das Kinder dazu anregt, Stereotype zu hinterfragen und Toleranz zu leben, dazu, nach den eigenen Wünschen zu handeln, anstatt sich von Klischees oder Gruppenzwang in eine Richtung drängen zu lassen, die man selbst gar nicht versteht oder mag. Glitzer für alle! erzählt von Mut und Neugier, von Freundschaft und der klassischen Rosa-Hellblau-Falle, mit einer Prise Glitzer. Von der Sorge in Kinderköpfen, die durch Genderzuordnung und einschränkende Klischees entstehen: darf ich das mögen? Die Antwort darauf ist deutlich: Ja, du darfst!

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Randvoll mit spannenden Infos, häppchenweise serviert

Ich zeig dir meine Welt - Entdecke, wie wir Kinder leben
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Unsere Gesellschaft ist geprägt von Vielfalt, besonders durch verstärkte Migration. Kinder erleben schon in Kita, Kindergarten und Grundschule viele unterschiedliche Menschen mit diversen Gewohnheiten ...

Unsere Gesellschaft ist geprägt von Vielfalt, besonders durch verstärkte Migration. Kinder erleben schon in Kita, Kindergarten und Grundschule viele unterschiedliche Menschen mit diversen Gewohnheiten und Kulturen. Ich zeig dir meine Welt von Nicola Edwards und Andrea Stegmaier bietet eine tolle Hilfestellung beim Überwinden von Verwirrung oder Berührungsängsten und weckt ganz nebenbei die Neugier auf andere Kulturen.

Das 64 Seiten starke Bilderbuch serviert häppchenweise “Fun Facts” und wissenswerte Informationen über verschiedenste Kulturen weltweit. Jede Doppelseite hat ein Thema, zum Beispiel “Guten Morgen! Was gibt’s zum Frühstück?” oder “Wie ist das Wetter, wo du lebst?” Die jeweiligen Texte über einzelne Länder sind sehr knapp, oft nur zwei bis drei Sätze lang. Trotzdem vermitteln sie auf so kleinem Raum viel Inhalt. Dabei bietet Nicola Edwards vielfältige Einblicke auch in solche Kulturen, die in der deutschen Bildung nicht sonderlich präsent sind. Natürlich bietet Ich zeig dir meine Welt nicht genug Platz, um wirklich alle Kulturen zu repräsentieren, aber von jedem Kontinent ist mindestens ein Land dabei.

Wir lernen, dass traditionelle koreanische Häuser Hanok heißen und idealerweise zwischen einem Fluss und einem Berg gebaut sein sollten, dass man in Äthiopien einen herzhaften Haferbrei namens Genfo zum Frühstück isst und man sich in der Ukraine mit drei Küsschen auf die Wange begrüßt – links, rechts, links.

Dazwischen finden sich immer wieder Sprachseiten, auf denen – ebenfalls thematisch eingeordnet – einfache Sätze und Floskeln in abwechselnden Sprachen dazu einladen, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Immer dabei: eine für Laien lesbare deutsche Lautschrift. Die Sprachauswahl ist großartig und sehr vielfältig: Fidschianisch, Tamil oder Walisisch stehen direkt neben Französisch und Englisch. So sagt man für “hallo” auf Navajo “yá’át’ééh” (jah-at-A), “bitte” heißt auf Afrikaans “asseblief” (as-SEH-blief) und “beeil dich!” heißt auf Türkisch “çabuk ol!” (TSCH-buk ol).

Die farbenfrohen Illustrationen von Andrea Stegmaier sind eine gesonderte Erwähnung wert. Sie fangen die Vielfalt der Kulturen mühelos ein, stellen teilweise mit wenigen Strichen eindrucksvoll dar, was der Text beschreibt und verleihen dem ganzen Buch Charme und Wärme.

Mit Ich zeig dir meine Welt wurde eine neue Pflichtlektüre für jede Erziehungseinrichtung geschaffen. Nahbar und randvoll mit spannenden Infos senkt dieses großartige Kinder-Sachbuch die Hemmschwelle zu nicht-deutschen Kulturen vor allem für solche Kinder, die bisher nur die deutsche Kultur kennengelernt haben. Der Verlag empfiehlt das Buch ab 6 Jahren, doch zum Staunen und Entdecken können auch schon Vier- oder Fünfjährige mit einer vorlesenden Person ihre Freude daran haben.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Tolle Idee, mäßig umgesetzt

In all deinen Farben
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Ich habe selten ein Buch mit so gestelzter Sprache gelesen wie In all deinen Farben. Anhand der Beschreibung wollte ich es wirklich mögen: alte Geschichten neu auf eine Weise erzählt, die Frauen nicht ...

Ich habe selten ein Buch mit so gestelzter Sprache gelesen wie In all deinen Farben. Anhand der Beschreibung wollte ich es wirklich mögen: alte Geschichten neu auf eine Weise erzählt, die Frauen nicht nur als schmückendes Beiwerk oder Objekt darstellen, sondern in den Fokus der Handlung rücken. Leider habe ich schon nach den ersten zwei Geschichten gemerkt, dass es definitiv nicht mein neues Lieblingsbuch wird.

Normalerweise fällt es mir schwer, eine Anthologie wie diese – also einen Sammelband einzelner kurzer Texte – über einen Kamm zu scheren. In diesem Fall ist das aber möglich, da alle Texte von derselben Autorin stammen und sich mit wenigen vereinzelten Ausnahmen in wirklich jeder der zehn Kurzgeschichten die Punkte wiederfinden, die mir gut gefallen oder die ich absolut nicht leiden kann.

Inhalt

Ich mag – wie erwartet – das Basiskonzept von In all deinen Farben. Sheherazade, Psyche, Thisbe, Nofretete und andere Frauenfiguren aus Mythen und klassischer Literatur bekommen einen modernen Twist verliehen und in aktuelle Settings versetzt. Dabei sind sie laut und selbstbewusst und lassen sich nicht klein machen. Nur – das tun sie am Ende doch?

Sie alle werden klein und weich ihrem jeweiligen Love Interest gegenüber, himmeln ihn an, vergessen oder ignorieren ihre eigene Stärke. Klar, die Vorlage dieser Neuerzählungen gibt das irgendwie vor. Aber ich habe nicht erwartet, dass ich mich ein paar Seiten lang über willensstarke Frauen freuen würde, nur um dann auf den jeweils letzten 2 Seiten mit ansehen zu müssen, wie sie in die gleichen Muster fallen, aus denen ich sie eigentlich ausbrechen sehen wollte.

Die Nacherzählung von Psyche und Eros hat übrigens durch ihr Setting sehr an den Film Der Teufel trägt Prada erinnert (mit Psyche als Anne Hathaway), und das leider nicht auf positive Weise.

Das wäre aber alles nicht so wild, wenn die Schreibweise nicht wäre! Ich kann auch an klischeebelasteten Geschichten Freude finden, wenn sie gut geschrieben sind.

Stil

Und da ich die deutsche Ausgabe von In all deinen Farben gelesen habe, kann ich nicht genau sagen, ob es am Originaltext der Autorin Bolu Babalola oder an der Übersetzung von Ursula C. Sturm liegt. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich fast jeden Satz mehrfach lesen musste, um nicht nur die Worte zu lesen, sondern auch zu verstehen, was mir da gerade erzählt wird. Nicht, weil sie zu kompliziert wären. Ich behaupte guten Gewissens, dass ich in meinem Germanistikstudium sehr viel Komplexeres gelesen habe. Aber die Sprache ist so gestelzt, so voll von altmodischen, fast antiquierten Begriffen, dass es mir kaum Spaß machte, die Kurzgeschichten zu lesen.

Gut gefallen hat mir, dass jede Kurgeschichte irgendwie anders war. Es wurde nicht jeder Mythos in dieselbe Moderne versetzt, sondern es gab immer ein vollkommen anderes Szenario. Die Autorin hat sich also definitiv Gedanken gemacht, was am besten zur Vorlage passt. Leider hat das manchmal zu Verwirrung geführt. Ich kann auch nach langem Überlegen nicht genau sagen, was die erste Geschichte von Ọṣun mir eigentlich erzählen will. Spielt sie in der heutigen Zeit? Oder in einer nicht konkret benannten Vergangenheit?

Diese Unklarheiten hätten durch konkrete Schreibweisen vermieden werden können, stattdessen macht In allen deinen Farben das, was mich so sehr stört, dass jede noch so tolle Geschichte kaum mehr eine Chance bei mir hat: das Buch beschreibt jeden Grashalm und sagt mit unfassbar vielen Worten rein gar nichts.

Fazit

Insgesamt bin ich mehr von der leider mäßigen Umsetzung dieser tollen Idee verwirrt als begeistert von den einzelnen Geschichten. Das finde ich enorm schade, da ich mir viel von dieser Anthologie erhofft hatte. Naja, es können nicht alle Bücher immer gut sein.

Wenn ich das Buch nicht als Rezensionsexemplar erhalten hätte, hätte ich es wahrscheinlich nach wenigen Kurzgeschichten abgebrochen.

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Veröffentlicht am 11.09.2022

Unbedingt lesen!

Die Marveller – Magie aus Licht und Dunkelheit - Das gefährliche erste Jahr
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Eine Gast-Rezension von meiner Schwester Rebekka Renken. Bis heute versinkt sie gerne in fantastischen Buchwelten. Als junge Mutter findet sie diese auch im Kinderzimmer.

Warum habe ich Die Marveller ...

Eine Gast-Rezension von meiner Schwester Rebekka Renken. Bis heute versinkt sie gerne in fantastischen Buchwelten. Als junge Mutter findet sie diese auch im Kinderzimmer.

Warum habe ich Die Marveller gelesen?
Wenn es einen Preis für das beste Buchcover 2022 gibt, schlage ich Die Marveller – Magie aus Licht und Dunkelheit von Dhonielle Clayton vor. Ein wahrer Eyecatcher, goldene, filigrane Zeichnungen, ein interessantes Portrait, das über die Schulter am Betrachter vorbeisieht, selten sind so treffend und schön die Inhalte dargestellt worden.

Gefunden habe ich Die Marveller als ich mit meiner Schwester in einem Buchladen über dieses Cover stolperte. Ihre Freundin und ehemalige Arbeitskollegin kommentierte es mit folgenden Worten: eine einzigartige Fantasy Geschichte. Das sei das erste Mal seit Harry Potter eine wirklich neue Welt. Und: die meisten Protagonist*innen seien Schwarze, ohne dass es notwendig sei, dies explizit zu betonen oder zu erklären – im Gegensatz zu vielen anderen Büchern.

Für mich genug gute Gründe, es zu lesen. Ein Dank geht an den Verlag cbj für das digitale Rezensionsexemplar – das Digitale ist auch schon meine einzige Kritik. Das ist wegen der Illustrationen definitiv ein Buch, das man in der Hand halten sollte.

Einzigartige magische Welt
Es ist wirklich nach hunderten gelesenen Varianten von Harry Potter, Der Herr der Ringe und Narnia voller einzigartiger neuer Ideen.

Das Grundmotiv „Außenseiter muss die Welt retten“ wird variiert. Aus der überall beliebten Tochter des Herrn der Unterwelt wird plötzlich eine Außenseiterin. Plötzlich Prinzessin anders herum. Die Unterwelt ist nicht per se böse sondern Ort für die Aufgabe der Fabulierer, die Seelen an ihren Bestimmungsort zu bringen – jeden, den du dir vorstellen kannst, gibt es. Man geht ganz normal in der Totenwelt ein und aus und hier und dort begegnet man verschiedensten Elementen der uns bekannten Mythologien.

Die Marveller sind in ihrer eigenen Welt, wie sie die Fabulierer daraus ausgeschlossen haben, wissen wir noch nicht und warum sie die Fabulierer nicht mögen, auch nicht. Die Muggel sind hier die Simplen und sie wissen nichts von Magie – ein für die Fabulierer verhasstes Wort.

Und zwischen all dem ist das „Ass der Anarchie“ aus dem „Kartenspiel des Todes“ ausgebrochen – wir erfahren, dass sie ihre Tochter wiederfinden will, die vor 11 Jahren versehentlich von ihr, der besten Zirkusdirektorin aller Zeiten, getötet wurde – und dass sie sich nicht an die Regeln der Marveller hält und pure Macht will.

Dann gibt es als weiteres Rätsel noch die als Kind verschwundene Tante, die Zwillingsschwester von Ellas Mutter, die diese immer noch schmerzlich vermisst. Ellas holprig begonnene Freundschaft zu Brigit, die in der Simplen-Stadt New York als Weise aufgewachsen ist und kein Interesse hat, sich einzugliedern in die neue Welt. Auch bis die Freundschaft zu Jason entstehen kann, müssen einige Hürden genommen werden.

Nicht nur ein Kinderbuch
Ich liebe es. Wie sich die Geschichte langsam aufbaut. Wie du miträtst. Wie du genau wie Ella die ganzen Vokabeln der Marveller erst lernen musst und ein allwissender Erzähler bewusst nicht vorhanden ist.

Ich mag es, wie Sternenpost und Nachrichten die Geschichte unterbrechen, wenn die Hauptperson sie liest wie in Der letzte Samurai von Helen DeWitt. Immer spannender wird es, wenn die zwei Haupthandlungsstränge beginnen, sich zu überkreuzen. Ich merke, wie ich mittendrin schon überlege, das Buch mit dem jetzigen Wissen nochmal zu lesen und nach Hinweisen auf spätere Informationen zu suchen, es anders wahrzunehmen. Ein paar Mal hat mich das Buch sehr überrascht, war unvorhersehbar.

Wertvolle Botschaften
Dass Ella erst 11 Jahre alt ist und du gerade ein Kinderbuch liest, merkst du beim Lesen nicht. Die Autorin schafft es, dich zu fesseln, dich in die Themen hineinzuziehen, die auch in unserer Welt wichtig sind. Es geht auf der Metaebene um Familie, Freundschaft, Respekt, Fairness, Unterschiede, Toleranz, Klassismus und ganz viel Mut.

Ellas Granny ist sehr weise, ihre Familie voller toller Charaktere und die Erziehungsdialoge für mich bisher einzigartig – und das in einem Kinder(!)buch.

Die meisten Hauptpersonen sind Schwarz, was klar beschrieben wird, allerdings absolut normal wirkt. Ganz anders als in vielen anderen Büchern. Schon das allein ist Grund genug, es zu lesen. Damit kommen für Weiße ganz ungewöhnliche Themen wie völlig normale Nebensächlichkeiten in dieses Kinder- und Jugendbuch: Die magischen Flechthände zum Beispiel, die im Internat anstelle der Mütter die Twists und Cornrows ordnen. Die verzauberten Zöpfe von Jason, weil seine Schwester das Haaröl verhext hat und die nun hin und her hüpfen. Ich halte es für sehr wichtig, diese „alltägliche Schwarze Lebensrealität“ in die Mitte unserer bunten Gesellschaft zu holen.

Fazit
Meinem neunjährigen Sohn und einer Freundin (8) habe ich Ellas Geschichte etwas angepasst nacherzählt. Mein Sohn hat die Geschichte an Freunde weitererzählt. Und auch meinen erwachsenen Freunden habe ich von den Marvellern und Fabulierern so viel vorgeschwärmt, dass sie auf den nächsten Geschenkelisten stehen.

Ich stelle das Buch auf eine Höhe mit oben genannten Klassikern und hoffe sehr auf eine baldige Fortsetzung. Eine mögliche Verfilmung müsste der Wahnsinn werden, falls jemand es schafft, meine Bilder im Kopf auf die Leinwand zu bekommen.

Ich denke dabei an den Flaschenbaum, die schnatternden Heiligen, die duftende gemütliche Wohnung von Ellas Familie, den majestätischen Herrn der Unterwelt, die schöne kluge Mama, die quirlige, lebendige, geliebte, kleine nervige Schwester, die unangepasste widerspenstige Brigit, den sympathischen Jason, die verknoteten Flechthände, die leuchtende Blume in der Tasche, die Elfen, das Gericht, die steife Rektorin, die sterile Arroganz der Marveller und die farbenfrohe heiße Welt der Fabulierer und der Südstaaten im Sommer. Die gruselig schöne, grausam machthungrige Gia. Sterne. Schule. Magie. Freundschaft. Die Liebe der Familie. Ella – unsere Projektionsfläche – wie sie alle Emotionen erlebt und uns auf unserer Reise in diese Welten begleitet.

Unbedingt lesen!

PS. 4 oder 5 Rechtschreibfehler habe ich gefunden – auf 300 Seiten.

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