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Veröffentlicht am 31.07.2023

Hassen in 500 Stichpunkten

Ich hasse die Menschheit
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Das Büchlein ist eine nette kleine Zusammenstellung in 500 Stichpunkten von verachtenswerten Alltagsscheiß, in dem ich mich auch hier und da gut wiederfinden kann.

Meine Favorites: „Menschen, die nicht ...

Das Büchlein ist eine nette kleine Zusammenstellung in 500 Stichpunkten von verachtenswerten Alltagsscheiß, in dem ich mich auch hier und da gut wiederfinden kann.

Meine Favorites: „Menschen, die nicht warten, bis alle aus dem Zug ausgestiegen sind“, und (wo wir uns gerade im Lebensraum Bahnhof befinden) „Menschen, die direkt hinter der Rolltreppe einfach stehenbleiben“.

Einziger Minuspunkt: Mir waren in dem Buch zu viele schulnahe Aufzählungen drin. Ich bin seit Äonen nicht mehr als letztes in ein Team im Sportunterricht gewählt worden, um ausreichend mit Hass würdigen zu können. Da merkt man der Autorin dann ihr junges Alter an. Das ist nicht als Kritik gemeint, aber mit einem erhöhten Lebensalter hätten es wohl auch so Sachen ins Buch gefunden, die ich aus meiner gegenwärtigen Lebensrealität inbrünstig hätte hassen können.

Ansonsten aber ein passendes Buch für eine Zugfahrt, die so gemütlich hätte werden können, wenn nicht die Familie im Nachbarsitz das Klugfon mit snervtötend dudelnder Kindermelodie als Erziehungsmittel ausgesucht hätten. Sollte man in den Folgeband aufnehmen!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ambivalente Geschichte um einen bettelarmen Jungen

Super reich
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Rupert Brown hat so viele Geschwister, dass die Eltern den Überblick verloren haben. Die Mutter arbeitet den ganzen Tag als Putzfrau und verdient gerade genug, um die Miete zu bezahlen. Ruperts Vater bringt ...

Rupert Brown hat so viele Geschwister, dass die Eltern den Überblick verloren haben. Die Mutter arbeitet den ganzen Tag als Putzfrau und verdient gerade genug, um die Miete zu bezahlen. Ruperts Vater bringt abends regelmäßig Essensreste mit, die er im Müll oder sonst wo findet. Den Kindern gegenüber erhebt die Mutter auch mal die Hand, andererseits kann sie auch liebevoll sein. Mit seinen zehn Jahren hat Rupert nicht nur zu Hause gelernt sich unauffällig durch die Welt zu bewegen, möchte er doch nicht, dass in der Schule bekannt wird wie bettelarm seine Familie wirklich ist.

Auf die warme Schule freut Rupert sich immer, denn nebst Hunger ist Kälte sein ständiger Begleiter, denn er besitzt nur wenig Kleidung und friert eigentlich ständig. In der Vorfreude auf die Wärme des Klassenraums bemerkt Rupert, als er am Morgen zur Schule läuft, nicht dass Weihnachten ist und die Schule zu hat. Frierend läuft er wieder nach Hause und wird beim Vorbeilaufen am Haus der Rivers, der reichsten Familie der Stadt, durch einen unglücklichen Zufall auf das Grundstück befördert, wo Rupert von dem gleichaltrigen Turgid Rivers mit ins Haus genommen wird und zur Wiedergutmachung am Weihnachtsessen teilnehmen darf. Dort lernt er die Familie kennen, und im Laufe der nächsten Wochen kommt er immer wieder mit einzelnen Familienmitgliedern zusammen und erlebt reichlich verrückte Abenteuer, bei denen er den ihnen in einer persönlichen Sache zur Hand geht.


Zu diesem Buch habe ich gemischte Gefühle. Durch „Der Nachtgarten“ bin ich mit dem Stil von Polly Horvath vertraut und mag ihre phantasievollen Erzählungen mit dieser typischen Prise Skurrilität sehr gerne. Jedoch bereits auf den ersten Seiten war ich erschrocken von häuslicher Gewalt zu lesen. Zudem spielt Horvath bei den einzelnen Zusammenkünften mit den Angehörigen dieser super reichen Familie immer wieder mit den Hoffnungen ihres Protagonisten in Aussicht auf die eigene Wunscherfüllung, die Rupert nie erfüllt wird.

Dieses Buch wird nicht jedes Kind für sich allein lesen können, denn wenn ich resümiere wie verwirrt und enttäuscht ich nach der letzten Seite da stand, kann ich mir nur bedingt ausmalen wie das für ein Kind der empfohlenen Altersstufe wäre. Wofür sich diese Geschichte auf jeden Fall eignet, ist Mitgefühl zu entwickeln, denn man kann gar nicht anders Ruperts Zustand nachzufühlen und möchte das Buch anschreien, diesem armen Kind doch endlich seinen wohlverdienten Burger essen zu lassen.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Gut zu Beginn, nicht mehr ganz meins gegen Ende

Der sanfte Hauch des Todes
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Wolfgang Burgers „Der sanfte Hauch des Todes“ ist ein neuer Fall aus der sogenannten Kommissar-Gerlach-Reihe.

Eine Leiche wird im Wald bei Rohrbach gefunden, der Mord ist inszeniert mit Grablichtern und ...

Wolfgang Burgers „Der sanfte Hauch des Todes“ ist ein neuer Fall aus der sogenannten Kommissar-Gerlach-Reihe.

Eine Leiche wird im Wald bei Rohrbach gefunden, der Mord ist inszeniert mit Grablichtern und Pose. An einem nahegelegenen Grillplatz finden die Ermittler Reste einer Mahlzeit, die der Mörder sich aus einem Teil der Leiche zubereitet hat. Gerlach und sein Team in Heidelberg versuchen herauszufinden, wer für den Mord infrage kommt. Er kann zwei Zeugen ausfindig machen, deren Hinweise die Ermittlungen in Gang setzen. Doch dann wird eine weitere Leiche gefunden und die Ermittler fürchten die Geburtsstunde eines Serienmörders. Die Ermittlungen beginnen zu stocken, und ausgerechnet Gerlachs Tochter weiß ein wichtiges Puzzleteil hinzuzufügen. Dann jedoch verschwindet die Tochter des Kommissars und als er erfährt, dass sie eigene Nachforschungen im Mordfall angestellt hat, fürchtet er um ihr Leben und macht sich auf eine wilde Jagd nach dem Mörder.


Das Buch kann man durchaus gut lesen ohne Kenntnis der Vorgeschichten zu haben. Hier und da wird man in Kommissar Alexander Gerlachs Privatleben eingelassen, dies ist jedoch nie so verwoben dargestellt, dass man das Gefühl hat man hätte die vorigen Fälle lesen müssen.

Ehrlich gesagt bin ich, je mehr ich über Gerlachs privates Leben gelesen habe, abgestoßen gewesen von seinen bewertenden und teilweise bornierten Gedankengängen über andere Personen. Gerlach kann einfach nicht aufhören Frauen zu bewerten, sei es die die Weiblichkeit einer minderjährigen Zeugin, den Luxuskörper seiner Geliebten, das Übergewicht einer Anwohnerin bei der Tätersuche oder die Schönheit einer im Hintergrund stehenden Rothaarigen, nachdem seitenweise zuvor der verzweifelte Zustand des Kommissars über das Verschwinden seiner Tochter erzählt wurde. Da sollte einem ein Connaisseur vermittelt werden, der jedoch nur ein Mann an der Grenze zum Chauvinismus ist. Es mögen nur Kleinigkeiten sein, aber jedesmal, wenn Burger seine Figur hat innerlich wieder lästern oder bewerten ließ, habe ich innerlich so heftig mit den Augen gerollt, dass ich nach der letzten Seite Muskelkater im Sehmuskel habe. Der Fall selbst war ganz gut, aber mit dem Protagonisten bin ich so gar nicht warmgeworden.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Meine erste Erfahrung mit Clara Louise

Zurück zum alten Kirschbaum
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„Zurück zum alten Kirschbaum“ ist mein erster Gedichtband, den ich von der vielgelobten Clara Louise gelesen habe. Es handelt sich um eine Gedankensammlung aus Erinnerungen an die Vergangenheit, die entstanden ...

„Zurück zum alten Kirschbaum“ ist mein erster Gedichtband, den ich von der vielgelobten Clara Louise gelesen habe. Es handelt sich um eine Gedankensammlung aus Erinnerungen an die Vergangenheit, die entstanden ist, als Clara frei Tagebuch geführt hat, wie sie im Vorwort schreibt. Auf den namensgebenden Titel geht sie ein, denn ihre wärmsten Erinnerungen stammen aus dem blühenden Garten ihrer Großeltern. Ein Gedicht ist sogar ihrem Opa gewidmet. In den fast 100 Gedichten dieses Bandes sind Gedanken, in denen sich wohl jeder wiederfinden wird, der ein wenig in Erinnerungen geschwelgt und über sein bisheriges Leben reflektiert hat. Ihre Verse werden häufig begleitet von kleinen Zeichnungen, welche sie die Gedichte begleiten lässt.

Ich hatte beim Lesen des Gedichtbandes leider zu wenig das Gefühl, dass mich ihre Worte erreichen, sondern glaubte, den Punkt im Leben schon überschritten zu haben, an dem diese Zeilen mir etwas offenbart hätten. Vielleicht hätte ich dieses Buch besser in meinen Zwanzigern entdeckt. Für mich fühlte es sich mehr nach Gedanken als nach Gedichten an, vielleicht habe ich mich deshalb nicht so sehr darin wiedergefunden.
Ich möchte aber gerne Clara Louises ersten Gedichtband noch lesen, um sie möglicherweise noch auf eine andere Weise für mich zu erschließen.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Das Bild eines Mannes wird erstellt durch die Frauen, die von ihm erzählen

Die zehn Lieben des Nishino
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Die Frauen fühlen sich von Yukihiko Nishino angezogen wie Motten vom Licht. Von Jugend an ist er ein charmanter Mensch, der die Wünsche der Frauen in seinem Umfeld instinktiv zu erraten vermag. Dennoch ...

Die Frauen fühlen sich von Yukihiko Nishino angezogen wie Motten vom Licht. Von Jugend an ist er ein charmanter Mensch, der die Wünsche der Frauen in seinem Umfeld instinktiv zu erraten vermag. Dennoch hält keine seiner Beziehungen lange.

In der ersten Schilderung besucht der alte Nishino Natsumi und ihre Tochter Minami, die er immer mit Gebäck verwöhnte. Er erinnert die beiden an eine lange zurückliegende Affäre, die Nishino und Manami gehabt haben.

Shiori ist die Mitschülerin des jungen Nishino. Die beiden jaben nicht so viel miteinander zu tun, bis Shiori auf einem Baugrundstück, auf dem sie Sentimentalitäten vergräbt, Nishino mit einer Frau sieht. Nachdem Nishino seine um ein verlorenes Baby trauernde Schwester getröstet hat und die Schmerzen in ihrer Brust lindert, indem er die Milch aus ihr getrunken hat, küssen Nishino und Shiori einander inbrünstig.

Nishino und Manami. Angestellter und Chefin, die zusammenkommen trotz Manamis Vorsatzes auf der Arbeit keine Liebschaft zu beginnen. Er will sie, sie liebt ihn, aber sie bleiben nicht zusammen. Sie verlässt ihn, bevor ihm klar wird, dass er sie nicht liebt.

Nishino und Kanoko waren einmal ein Paar. In freundschaftlicher Verbundenheit halten sie weiterhin Kontakt und übernachten in dieser Erzählung gemeinsam in einem Ryokan.

Reiko fragt Nishino ohne Umschweife, ob er Sex mit ihr haben will, was sie auch direkt in seiner Wohnung umsetzen. Sie bleibt fünf Tage bei ihm, bevor sie geht und weiter nicht über ihn nachdenkt. Nachdem Nishino sich bei ihr meldet, flammt Reikos Interesse an ihm auf, und schon bald verliebt sie sich in ihn. Doch nach etwa einem Jahr wird sie sich darüber klar, dass sie ihn nicht weiter lieben kann.

Tama ist die Mitbewohnerin von Subaru und verärgert darüber, als diese eines Nachts den fremden Nishino mit nach Hause bringt. Seine vielen unangekündigten Besuche bei Subaru und Tama, die sich gern von der Welt fern hält und lieber zu Hause ist, sind der zurückgezogen jungen Frau ein Dorn im Auge.
Eines Tages schlafen Tama und Nishino miteinander, sie werden von Subaru überrascht. Tama fragt Nishino, warum er mit ihr geschlafen hat, woraufhin er erwidert, weil sie ihn liebe.

Eriko lernt Nishino kennen, nachdem eine Katze sie auf ihrem Balkon besucht. Sie tauft den Vierbeiner "Mau". Als die Katze beinahe jeden Tag auftaucht, kommen auch Nishino und Eriko in Kontakt, und die beiden werden bald darauf Geliebte. Als die Katze nach einer Weile nicht mehr auftaucht, geht auch die Beziehung der beiden zuende.

Sayuri nimmt an einem Kochkurs teil, in dem auch der 37-jährige Nishino ist. Obwohl sie verheiratet ist und Mutter einer erwachsenen Tochter, findet Nishino sehr schnell einen Weg in Sayuris Herz. Kontakt halten sie hauptsächlich übers Telefon durch die Anrufe von Nishino, doch irgendwann ruft er nicht mehr an und besucht auch den Kochkurs nicht mehr, was Sayuri einige Monate trauern lässt.

Ai lernt Nishino kennen, als sie - das Studium hat sie schon fast abgebrochen - in einem Strandkiosk in einem Touristenort arbeitet, den der etwa 50-jährige Nishino mit einer um die 30 Jahre alten Frau besucht. Er trennt sich von der Frau, und im Gespräch mit Ai sagt er ihr, er habe sich in sie verliebt. Obwohl Ai an seiner Moral zweifelt und seinen Charakter allgemein nicht sehr gut einschätzt, werden die beiden ein Paar. Als Ai krank wird und einen Husten bekommt, geht Nishino Trauben für sie kaufen. Während er weg ist, ruft er Ai an und sagt ihr, er werde nicht zurückkommen.

Nozomi lernt Nishino mit 18 Jahren an der Uni während einer Freistunde kennen, wo sie beide Wirtschaftswissenschaften studieren. Er fragt sie ohne Scheu, ob das Gerücht stimme, sie hätte mit jedem Sex. Entrüstet über diese Unverschämtheit lässt sie ihn stehen. Einen Monat später begegnen sie sich zufällig wieder, als Nishino mit der wunderschönen Kanoko auf dem Campus auftaucht. Sie schlafen miteinander, und auf eine bösartige Äußerung Nozomis verlässt Nishino ihre Wohnung. Sie treffen sich erst ein Jahr später durch Zufall auf der Toilette einer Kneipe wieder, und Nishino hat einen mentalen Zusammenbruch, der offenbart wie hoch die Schuldgefühle seiner Schwester gegenüber wiegen.

Tja, was für eine Geschichte... Nishino, der eine liebt und mit vielen liebelt, kann seine Liebe zu der jeweils einen kaum zeigen. Doch stets in dem Moment, in dem er von seiner Liebe verlassen wird, begreift er seine Liebe und verfällt immer in Verzweiflung über den Verlust.
"Ja, dieser Mann wird wohl für immer allein bleiben, dachte ich, als ich ihm in die Augen schaute", denkt eine seiner Liebschaften.
Die einzelnen Geschichten sind immer aus der Sicht der Frauen in Nishinos Leben wiedergegeben und setzen Stück für Stück ein Bild von ihm zusammen.

So ganz weiß ich nicht, was ich von diesem Buch halten soll. Es hat keinen Eindruck bei mir hinterlassen, obwohl der Ausdruck von Hiromi Kawakami mir gut gefallen hat. Vielleicht verhält es sich damit wie mit Kurzgeschichtensammlungen für mich; zu viele unverbundene Charaktere, auf die ich mich einlassen, und die dann dchon wieder weg sind, nachdem ich micch gerade an sie gewöhnt habe.