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Veröffentlicht am 12.08.2021

Sex, Techno, Undergroundstuff

Love like Blood
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Möchtet ihr die Berliner Straßennamen alle kennenlernen, ohne dafür nach Berlin reisen zu müssen? Dann seid ihr mit diesem Buch perfekt ausgestattet. Mir ist es - abgesehen von in Reiseführern - noch nie ...

Möchtet ihr die Berliner Straßennamen alle kennenlernen, ohne dafür nach Berlin reisen zu müssen? Dann seid ihr mit diesem Buch perfekt ausgestattet. Mir ist es - abgesehen von in Reiseführern - noch nie passiert, dass man für einen Ortswechsel in einem Thriller mindestens drei bis sieben Straßennamen serviert bekommt, egal ob es von der Fahrt von einem Tattoostudio zur Wache oder ob eine wilde Verfolgungsjagd losgeht. Wobei: Unter "wild" verstehe ich quietschende Reifen, rasante Überholmanöver, und wenn wir uns auf das Niveau des Buches herablassen wollen, auf eine wilde Schießerei, doch hier fahren wir eher über die Bundesstraße, biegen in die Wilhelmsaue ab und über die Uhlandstraße geht es auf die Berliner Straße. Sehr fetzig. Nicht!

Ach, wo wir gerade bei Klischees wären:
In den Neunzigern lebten in Berlin scheinbar nur dauergeile Ladys, die in Latexminiröcken (natürlich schlüpperlos), auf den nächsten startklaren Schwnz warteten. Egal wo und wann, Sex geht immer, ob in einer abgewrackten Toilette oder im Hotelzimmer, Hauptsache die nächste Line ist gezogen. Die Männerwelt strotzt nur so von Muskelbodytypen, die allein beim Klang einer weiblichen Stimme einen Ständer kriegen und sich dennoch erst einmal einen Porno reinziehen müssen, bevor die nächste Prostituierte ins Zimmer gelangt. Die Ausdrucksweise der Bodybuilder ist entsprechend der Auswirkung von zu viel Testosteron spätestens am Satzende mit „Nigger“ abgeschlossen oder mit Massen an oftmals falsch verwendeten englischen Schimpfworten, die beispielsweise so etwas wie Ftzenfcker bedeuten sollen, gespickt.

Auch die Namen der Charaktere scheinen frisch aus einem Billigsexstreifen zu stammen: Liza Le Bon, Mike Johnson, Candy und Doyle sind nur eine kleine Auswahl.

Die Handlung an sich, wenn man es schafft, diese zu verfolgen, pendelt zwischen einem langatmigen Tatort mit ebenso kruder „Auflösung“ und einem US-Streifen, der nur aus Effekthascherei besteht. Von Ermittlungsarbeit kann keine Rede sein, Zusammenarbeit auf dem Polizeirevier ist ein Fremdwort und Zivilisten werden kurzerhand als Informanten in den Polizeidienst gehoben. Die Recherchearbeit findet in digitalen Sexrooms statt, und wenn es mal ein interessantes Thema wie eine Botschaft in Esperanto gibt, beschränkt sich die Recherche des Autors auf einen Abklatsch aus Wikipedia.

Die Figuren an sich sind und bleiben oberflächlich, blass, unnahbar und zeichnen sich nur durch unterschiedliche Hobbys aus, die sich aber aufs F
cken, Discos aufsuchen, den Alkoholpegel im Blut oben halten und das Dauerkoksen beschränken.

Persönliches Fazit: Wer auf der Suche nach weniger anspruchsvoller Lektüre ist, gut mit Gossen-Slang umgehen kann und sich für die Berliner Techno-Underground-Szene interessiert, macht mit diesem Buch nichts verkehrt. Meinen Geschmack traf es leider nicht.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Empfehlenswertes Krimidebüt

Der tote Journalist
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#dertotejournalist ist nicht nur der Auftakt einer neuen Reihe, sondern zugleich das Krimidebüt von Hanna Paulsen.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Gesa Jansen. Als ihr Kollege Uwe Stolter tot aufgefunden ...

#dertotejournalist ist nicht nur der Auftakt einer neuen Reihe, sondern zugleich das Krimidebüt von Hanna Paulsen.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Gesa Jansen. Als ihr Kollege Uwe Stolter tot aufgefunden wird, übernimmt sie dessen Part als erste Polizeireporterin. Und bereits hier merkt man deutlich, wie die Medienbranche funktioniert. Es zählen primär Titelgeschichten und Verkaufszahlen, der Mensch selbst bleibt dabei mitunter auf der Strecke. Da ich in diesem Bereich tätig bin, kenne ich das Prozedere mittlerweile, daran gewöhnt habe ich mich allerdings nach wie vor nicht. Umso spannender war es für mich, mitzuerleben, wie Gesa mit dem Druck ihrer Vorgesetzten umgeht und ob es ihr gelingt, die Recherchen nicht nur sachlich anzugehen, sondern sensibel und respektvoll. Schließlich kam ein Mensch ums Leben. Und Uwe Stolter war kein Unbekannter. Über viele Jahre hinweg hat er sich in Hamburg als (ehemaliger erster) Polizeireporter einen Namen gemacht. Gesa und der ihr zugeteilte Björn Dalmann aus dem Kulturbereich müssen herausfinden, wer ihren Kollegen vergiftet hat - und warum.

Insbesondere das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren gefiel mir gut. Da prallen zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere aufeinander und müssen das Beste aus dieser Situation machen. Als Leser*in verfolgt man die Entwicklung der beiden und hofft, dass sie sich als Team zusammenraufen können. Dabei lässt die Autorin genug Raum für eigene Spekulationen, sodass man sich wie ein Teil der Ermittlungseinheit fühlt. Bis zum Ende hin recherchiert man mit, kombiniert Fakten und wird von Plottwists angenehm überrascht.

Paulsens Schreibstil ist unaufgeregt und flüssig. Man merkt, dass hier allerlei journalistisches Know-how eingearbeitet wurde. Für all jene, die noch keine Medienluft schnuppern konnten, sicherlich sehr interessant zu lesen.

Fazit: Ein gut konstruierter Plot, Charaktere abseits des Mainstreams und der journalistische Background machen diesen Krimi absolut empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 10.08.2021

Nervenkitzel garantiert!

Neben wem du erwachst
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Stellt euch vor, ihr wacht morgens auf, langt auf die andere Bettseite, um euren Liebsten zu begrüßen, und findet dort plötzlich einen fremden Mann vor. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, ist dieser ...

Stellt euch vor, ihr wacht morgens auf, langt auf die andere Bettseite, um euren Liebsten zu begrüßen, und findet dort plötzlich einen fremden Mann vor. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, ist dieser durch und durch von Blut durchtränkt und mit großer Wahrscheinlichkeit tot. Nichts Geringeres passiert der Hauptprotagonistin Louise, in deren Haut ich absolut nicht stecken wollte. Die Arme hat nicht nur einen Kater, sondern auch keinerlei Erinnerung an die letzte Nacht. Schnell wird klar, dass dies eine überaus brenzlige Situation ist, der sie irgendwie entkommen muss, ohne verdächtig zu wirken. Doch eine Frage brennt dem Leser von Anfang an unter den Nägeln: Ist Louise vielleicht doch eine Mörderin?

Der Plot startet so spannend, dass ich sofort gefesselt war und es kaum erwarten konnte, zu erfahren, was es mit dem toten Mann in Louises Bett auf sich hat. Dabei legt Lodge sehr viel Wert aufs Detail und erzählt ihre Geschichte aus zwei Perspektiven. So begleiten wir u.a. die Ermittler, die hervorragende Arbeit leisten. Kapitelweise wechselt die Perspektive dann zu Louises Gedanken, die zunächst ein wenig in die Vergangenheit blicken, sich jedoch schnell der Gegenwart widmen.

Die Protagonisten wurden gut gezeichnet und ausgearbeitet. Zu Louise konnte ich recht schnell einen Bezug herstellen, was wahrscheinlich daran lag, dass sie mir unglaublich leidtat. Ihre Gefühle und Gedanken waren so real, was mir den Charakter sehr nahegebracht hat. Die Ermittler kannte ich bereits aus den vorherigen Büchern und habe mich über das Wiedersehen gefreut. Auch hier hat die Autorin wieder ihr ganzes Fachwissen rausgehauen, den Leser auf falsche Fährten gelockt und Cliffhanger eingebaut, die das Buch noch spannender machten.

Der Schreibstil konnte mich damals schon begeistern, weil er eloquent und flüssig ist. Lodge schafft es auch in diesem Werk, den Spannungsbogen konstant oben zu halten und den Leser immer wieder durch geschickte Plottwists an die Handlung zu fesseln. Hierbei lief mein Kopfkino auf Hochtouren.

Die Auflösung zum Schluss war großartig und für mich der perfekte Abschluss für diese nervenaufreibende Story.

Persönliches Fazit: Ein sympathisches und kompetentes Ermittlerteam trifft auf eine mutige und authentische Protagonistin, die verzweifelt versucht, die vergangene Nacht zu rekonstruieren. Wer auf Nervenkitzel steht, ist mit diesem Krimi bestens beraten.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Zeitloser, atmosphärischer Klassiker

Jack the Ripper
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Er ist einer der bekanntesten Mörder aller Zeiten – Jack the Ripper war im viktorianischen London des ausgehenden 19. Jahrhunderts für mindestens fünf brutale Morde an Prostituierten verantwortlich. Angeblich. ...

Er ist einer der bekanntesten Mörder aller Zeiten – Jack the Ripper war im viktorianischen London des ausgehenden 19. Jahrhunderts für mindestens fünf brutale Morde an Prostituierten verantwortlich. Angeblich. Gefasst wurde er nämlich nie; seine mögliche Identität ist heute noch Anlass für allerlei Spekulationen. Die Tatwaffe war in allen Fällen ein Messer. Der Täter musste aufgrund der Art und Weise der Verletzungen anatomische Kenntnisse besessen haben oder geübt im Umgang mit dem Messer gewesen sein.

Die Graphic Novel greift das Grundthema auf und katapultiert uns in jene Zeit zurück, in der die Frauen Mary Ann (Polly) Nichols, Annie Chapman und Elizabeth Stride in ärmlichen Verhältnissen lebten und, so heißt es, sich im Londoner East End ein paar Taler damit verdienten, ihre Körper zur Verfügung zu stellen. Ihre Notsituation wurde ihnen zum Verhängnis. Ein Unbekannter meuchelte sie nieder und verschwand anschließend spurlos.

Auf diese Morde werden die Ermittler George Godley und Frederick Abberline angesetzt. Während der Eine vor Disziplin und Geradlinigkeit strotzt, fehlt dem Anderen beides. Das mag womöglich daran liegen, dass Abberline selbst traumatische Kindheitserinnerungen hat und, der instabilen Persönlichkeit wegen, dem Wahnsinn des Rippers beinahe hilflos ausgeliefert ist. Deutlich wird Abberlines innere wie später auch äußerliche Zerrissenheit, als man des Rätsels Spur immer näher kommt. Ich habe unglaublich mitgefiebert - und wären die witzigen Dialoge zwischendrin nicht gewesen, wäre mein Herzschlag vermutlich nonstop Achterbahn gefahren.

Die (oft sehr düsteren) Bilder vermittelten perfekt die jeweilige Atmosphäre, die von Textpassagen begleitet wurde. Über den Dächern von Paris, in Englands verschmutzten Gassen: Alles wirkte stimmig und bot allerlei Details zum Ansehen und Genießen.

Besonders überrascht haben mich die Fußnoten, die sich auf einige Sprechblasen bezogen und ein paar nützliche Hinweise gaben. Zum Beispiel stand auf Seite 61 etwas von einer Weltausstellung, und der Fußnote konnte ich entnehmen, dass es sich um jene aus dem Jahr 1889 in Paris handelte, auf der die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet von Kunst und Industrie präsentiert wurden und die über 32 Millionen Besucher aus ganz Europa anzog. Man bekommt auf den insgesamt 112 Seiten, die in zwei Kapitel unterteilt sind, auch noch nebenbei Wissenswertes geliefert. Nicht nur in den Fußnoten übrigens. Ziemlich cool!

Auch das Nachwort mit ein paar Skizzenzeichnungen war interessant zu lesen, denn ich habe erfahren, warum der Künstler einige Figuren bewusst hässlich dargestellt hat und wie es ihm gelang, bestimmte historische Elemente zu integrieren.

Persönliches Fazit: Ein zeitloser, atmosphärischer Klassiker, großartig in Szene gesetzt, den ich jedem ans Herz legen möchte. Absolut jedem! Wehe ihr lest ihn nicht!

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Veröffentlicht am 05.08.2021

Gelungener Thriller mit Tiefe

Böse Seele: Thriller
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Zwei Ermittler mit düsteren Geheimnissen. Die Vergangenheit wird jeden einholen, manche mit tödlichen Konsequenzen.

Das Ermittlerduo Martyn Becker und Milla Rostow lernen wir als 'alles andere als perfekt' ...

Zwei Ermittler mit düsteren Geheimnissen. Die Vergangenheit wird jeden einholen, manche mit tödlichen Konsequenzen.

Das Ermittlerduo Martyn Becker und Milla Rostow lernen wir als 'alles andere als perfekt' kennen. Martyn, Sohn eines verurteilten Serienmörders, setzt alles daran, dass dies niemand erfährt. Die Einzige, die um das Verwandschaftsverhältnis zwischen Martyn und Christoph Kutter weiß, ist Milla. Ihr aktueller Fall soll die Beiden direkt zu Martyns Vater führen.
Parallell lernen wir Johanna kennen. Für den Leser sofort als Täterin ersichtlich, bleibt sie für die Ermittler eine mysteriöse Fremde. Auch soll es nicht bei einer Leiche bleiben, und alle haben sie etwas gemeinsam: Sie stehen oder standen in unmittelbarem Kontakt zu Vater und Sohn. Doch warum? Was hat das alles mit Martyns Vergangenheit zu tun? Je tiefer wir in die Story eintauchen, umso mehr wird klar: selbst die Ermittler haben Geheimnisse.

Ariana Lamberts Schreibstil ist gut zu lesen, auch oder gerade weil man ihm anmerkt, dass die Autorin in ihrer Vergangehiet als Strafverteidigerin tätig gewesen ist.

Im Zuge der Geschichte hat man oft das Gefühl, eine gewisse Ahnung zu haben, wird aber augenblicklich eines Besseren belehrt, was das Ganze spannend hält. Und je näher man dem Ende kommt, desto rasanter geht es zu. Zudem hat sich die Autorin mit Berlin im Hochsommer einen perfekten Schauplatz für die Morde ausgesucht. Man merkt anhand der Beschreibungen, dass sie sich dort gut auskennt, und bekommt viel Lokalkolorit vermittelt.

Persönliches Fazit: Ein gut gelungener Thriller mit Tiefe, der auch nicht mit Blut geizt. Die hier und da vertretenden Twists haben das Lesevergnügen enorm gesteigert und zum Fingernägelkauen animiert. Einziger (klitzekleiner) Minuspunkt ist die Schriftgröße. Leider für mich zu klein, aber das ist natürlich mein persönlicher Geschmack und macht den Inhalt des Buches dadurch nicht schlechter. Leseempfehlung für alle Thrillerliebhaber!

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